(Washington) Nachdem Stephen Breyer angekündigt hatte, sich aus dem Obersten Gerichtshof zurückzuziehen, öffnet sich erstmals für US-Präsident Joe Biden die Gelegenheit, einen Höchstrichter zu ernennen. Die Mehrheitsverhältnisse kann er dadurch nicht verändern, dafür will er eine Ernennung mit politisch korrektem Effekt vornehmen.
Biden gab bekannt, eine „schwarze Frau“ ernennen zu wollen. Er nannte dabei keinen konkreten Namen, sondern lediglich rassistische und sexistische Kriterien unabhängig von Lebenslauf und juristischer Qualifikation. Seither herrscht Empörung. Kritiker werfen dem US-Präsidenten vor, verfassungswidrig zu handeln.
Biden selbst war es, der gestern ankündigte, daß Stephen Breyer, einer der drei verbliebenen „Liberals“, also linken Richter am Obersten Gerichtshof, in den Ruhestand treten wird. Zugleich gab der US-Präsident bekannt, eine „schwarze Frau“ nominieren zu wollen, „um sicherzustellen, daß alle vertreten sind“.
Biden sagte etwas, was vor ihm noch kein Präsident gesagt hatte: Es geht ihm nicht um die Ernennung des qualifiziertesten Bewerbers, sondern um die Umsetzung einer Ideologie. Entscheidend ist für Biden, was nun jeder in den USA weiß, ob ein Kandidat in ein politisch korrektes Quotensystem paßt.
Wenn die Demokratische Partei geschlossen auftritt, verfügt sie über die nötige Stärke, um den von ihr bevorzugten Richter an den Obersten Gerichtshof zu entsenden. Es wird allerdings schnell gehen müssen, denn in neun Monaten, bei Zwischenwahlen im November, werden die Republikaner wahrscheinlich die Kontrolle über den Senat zurückerobern. Ein Nominierungsverfahren dauert in der Regel mehrere Monate, manchmal auch deutlich länger. Nur Trump schaffte im Oktober 2020 die Nominierung von Amy Coney Barrett in knapp anderthalb Monaten. Damit kippte er die Mehrheitsverhältnisse am Obersten Gerichtshof und beendete nach einem halben Jahrhundert die linke Vorherrschaft. (Zu Hintergründen und Zusammensetzung siehe Der katholischste Oberste Gerichtshof der US-Geschichte.)
Als Bidens Favoriten gelten Leondra Krueger, Ketanji Brown Jackson und Michelle Childs. Das Wall Street Journal schrieb: „Sie alle sind würdige Kandidaten, die auch ohne die Erklärung, daß ihr Hauptverdienst darin besteht, das richtige Geschlecht und die richtige Rasse zu haben, in Frage gekommen wären“. Die Wirtschaftszeitung erteilte damit dem US-Präsident eine Schelte: „Si tacuisses …“.
Bidens verfassungswidriger ‚Rassismus‘
Eine Auswahl vor allem nach Geschlecht und Rasse ist in der Tat verfassungswidrig. In dem 1978 ergangenen Urteil Regents of the University of California gegen Bakke zu nicht leistungsbezogenen Zulassungskriterien an Hochschulen schrieb Höchstrichter Lewis Powell in der Urteilsbegründung, dass „die Bevorzugung von Mitgliedern einer Gruppe allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse oder ethnischen Herkunft eine Diskriminierung um ihrer selbst willen darstellt. Die Verfassung, so Powells Zusatz, lasse dies nicht zu.
Lewis Powell war vom republikanischen Präsidenten Richard Nixon ernannt worden, weshalb er als Konservativer galt. Tatsächlich stimmte er in den entscheidenden Urteilen jedoch mit der linken Mehrheit, so auch 1973 im berüchtigten Urteil Roe gegen Wade, mit dem die Abtreibung legalisiert wurde.
Ein ähnlicher Vorstoß Bidens, im Sinne des rassistischen Antirassismus von Organisationen wie Black Lives Matter, wurde von den Richtern bereits als „diskriminierend“ verworfen. Der amtierende US-Präsident wollte die Corona-Hilfe nur afroamerikanischen Landwirten zukommen lassen, wofür die Justiz kein Verständnis hatte. Auch die Erweiterung um Indianer und andere Ureinwohner änderte daran nichts.
Nun erklärte Biden offen, bei der Neubesetzung des Höchstgerichts alle männlichen und nicht-schwarzen Kandidaten unabhängig von ihrer Qualifikation auszuschließen. In seinen eigenen Reihen herrscht erheblicher Ärger über das, was als Eigentor gesehen wird. Er hätte, so heißt es unter Demokraten, seine Kandidatin als „Beste“ durchdrücken und sich erst dann damit „schmücken“ sollen, daß sie schwarz und weiblich ist.
Grundsätzlich ist der US-Präsident frei, jeden für den Obersten Gerichtshof zu nominieren, den er für geeignet hält. Allerdings bedarf er der Zustimmung des Senats. Seit den jüngsten Wahlen im November 2020 herrscht dort eine Pattsituation. 50 Republikaner sitzen 50 Demokraten gegenüber. Gemäß Geschäftsordnung bilden die 50 Demokraten jedoch die Mehrheit, weil der US-Präsident ein Demokrat ist, und der Vizepräsident, derzeit Kamala Harris, automatisch den Vorsitz im Senat führt.
Durch seine offenherzigen Ankündigungen, darin sind sich Freund und Feind einig, habe Biden seinem eigenen Ansehen und vor allem dem seiner Favoriten keinen Gefallen getan. Welche schwarze Frau auch immer er nun vorschlägt: Ihr wird das Stigma anhaften, nicht aufgrund ihrer Qualifikation, sondern aufgrund einer ideologischen Quote nominiert worden zu sein.
Die Sache bekommt eine besondere Brisanz, da der Oberste Gerichtshof im kommenden Herbst darüber zu entscheiden haben wird, ob Zulassungskriterien aufgrund der Rasse an den Universitäten Harvard und North Carolina verfassungskonform, also rechtmäßig sind. Die neue Höchstrichterin müßte demnach in einem ihrer ersten Urteile über die Kriterien entscheiden, denen sie ihren Richterstuhl verdankt. Es mag keinen formalen Befangenheitsgrund geben, doch peinlich ist die Sache schon.
Selbst die linksliberale New York Times schrieb vor einigen Monaten aus anderem Anlaß aus der Feder von Bret Stephens:
„Es sollte nicht schwer zu erkennen sein, daß die Lösung des alten Rassismus mit neuem Rassismus nur zu mehr Rassismus führt.“
Text: Andreas Becker
Bild: Georgetown Journal of International Affairs (Screenshot)
Mister President – wie man öfter hört, mental nicht immer auf der Höhe – hat vielleicht nur seine Absichten dem falschen Auditorium mitgeteilt…