Polen sucht die Trendumkehr

Neuregelung der Familienzulage soll jungen Paaren Ansporn sein, die Familie zu erweitern


Polens Regierung ist bemüht, eine Trendumkehr bei der Geburtenrate zu erreichen. Eine entscheidende Rolle dabei kommt Sozial- und Familienministerin Marlena Malag zu.
Polens Regierung ist bemüht, eine Trendumkehr bei der Geburtenrate zu erreichen. Eine entscheidende Rolle dabei kommt Sozial- und Familienministerin Marlena Malag zu.

(War­schau) Die pol­ni­sche Regie­rung hat eine neue Initia­ti­ve ins Leben geru­fen, um jun­ge Paa­re zu ermu­ti­gen, Kin­der zu bekom­men. Die Initia­ti­ve geht von Arbeits‑, Fami­li­en- und Sozi­al­mi­ni­ste­rin Mar­le­na Malag aus, die sich für eine muti­ge Fami­li­en­po­li­tik engagiert.

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Malags ambi­tio­nier­tes Ziel ist es, jun­ge Paa­re auf drei Ebe­nen zu unter­stüt­zen: bes­se­re Beschäf­ti­gungs­la­ge, bes­se­re Wohn­si­tua­ti­on, finan­zi­el­le Unter­stüt­zung. Die Absicht dabei ist die Hoff­nung, die Gebur­ten­ra­te auf ein „nach­hal­ti­ges Niveau“ zu heben und dem schnel­len Alte­rungs­pro­zeß der Gesell­schaft entgegenzuwirken.

Die Gebur­ten­ra­te in Polen liegt um fast ein Drit­tel unter der Bestands­si­che­rung. Seit 2013 konn­te sie durch die lebens­freund­li­che Poli­tik der Regie­rung um knapp 15 Pro­zent ange­ho­ben wer­den. Das ist aber zu wenig. Obwohl die Men­schen auf­grund der ver­bes­ser­ten Lebens­be­din­gun­gen auch in Polen immer älter wer­den, ist das Bevöl­ke­rungs­wachs­tum 1998 zum Still­stand gekom­men. Allein zwi­schen 1998 und 2019 haben fast 2,5 Mil­lio­nen Polen ihre Hei­mat ver­las­sen. Es sind meist jun­ge Leu­te, die auf der Suche nach bes­se­ren Ver­dienst­mög­lich­kei­ten gehen. Das schlägt sich nicht nur in der Bevöl­ke­rungs­py­ra­mi­de, son­dern auch in der Gebur­ten­ra­te nieder.

Die gute Nach­richt: Der Anteil der Polen, die gebo­ren wer­den, ist in Wirk­lich­keit um eini­ges höher als in der amt­li­chen Sta­ti­stik aus­ge­wie­sen, denn die Kin­der der Aus­wan­de­rer wer­den im Aus­land gebo­ren und dort erfaßt. Die schlech­te Nach­richt: Die­se Gebur­ten kom­men Polen nur bedingt zugute.

Die Polen sind ihrer Hei­mat meist ver­bun­den und vie­le keh­ren wie­der zurück. Ein Teil der Aus­ge­wan­der­ten und noch mehr der im Aus­land gebo­re­nen und auf­ge­wach­se­nen Kin­der tut dies nicht mehr. Sie inte­grie­ren sich in die neue Hei­mat, las­sen sich dort dau­er­haft nie­der, hei­ra­ten dort und ihre Kin­der wach­sen wie Ein­hei­mi­sche auf.

Mit Jah­res­be­ginn wur­de zur Hebung der Gebur­ten­ra­te in Polen eine Neu­re­ge­lung der Fami­li­en­zu­la­gen ein­ge­führt. Sie gewährt Fami­li­en 2.610 Euro für jedes Kind, das nach der Geburt des ersten Kin­des zur Welt kommt. Die neue Fami­li­en­zu­la­ge soll jun­ge Paa­re anre­gen, wei­te­re Kin­der zu zeugen.

Kommt es zu kei­ner grund­le­gen­den Trend­wen­de, wird die Bevöl­ke­rung Polens in den kom­men­den 30 Jah­ren um etwa 12 Pro­zent schrump­fen. Das klingt auf den ersten Blick nicht dra­ma­tisch, hät­te aber dra­ma­ti­sche Fol­gen wegen der Alte­rung der Gesellschaft. 

Mar­le­na Malag ist Mit­glied der Regie­rungs­par­tei Recht und Gerech­tig­keit (PiS). Die ehe­ma­li­ge Schul­di­rek­to­rin, die ihre Schu­le in Ost­rów Wiel­ko­pol­ski nach Johan­nes Paul II. benann­te, ist seit 2019 Abge­ord­ne­te zum Sejm. Seit­her gehört sie als Mini­ste­rin der Regie­rung von Mini­ster­prä­si­dent Mateu­sz Mora­wi­ecki von der christ­li­chen, natio­nal­kon­ser­va­ti­ven PiS an. Zuvor war sie ab 2002 Stadt­rä­tin ihrer Hei­mat­stadt, ab 2016 stell­ver­tre­ten­de Woi­wo­din von Großpolen.

In ihre Amts­zeit fiel das rich­tungs­wei­sen­de Urteil des pol­ni­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs vom Herbst 2020, das die euge­ni­sche Indi­ka­ti­on, also die Abtrei­bung wegen Behin­de­rung, für ver­fas­sungs­wid­rig erklär­te. PiS-Abge­ord­ne­te hat­ten gegen die ent­spre­chen­de Geset­zes­be­stim­mung einer Vor­gän­ger­re­gie­rung das Höchst­ge­richt ange­ru­fen. Regel­recht Jagd gemacht wird im zivi­li­sier­ten Westen auf Kin­der mit Down-Syn­drom. Das Ver­dikt heißt: Im Zwei­fel gegen das Kind. Malag begrüß­te das Urteil, wes­halb sie zur Ziel­schei­be lin­ker und femi­ni­sti­scher Pro­te­ste wur­de, wie ins­ge­samt Polens christ­lich-kon­ser­va­ti­ve Regie­rung eine belie­be Angriffs­flä­che der west­li­chen Pres­se, beson­ders der deut­schen, ist.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Flickr/​Ministerstwo Roziny

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