Warum wir den heiligen Josef Freinademetz anrufen sollen

"Die obersten Autoritäten der Kirche haben dem Missionsepos den Rücken gekehrt"


Der heilige Missionar Josef Freinademetz (1852–1908), ein Fürsprecher für China.
Der heilige Missionar Josef Freinademetz (1852–1908), ein Fürsprecher für China.

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Nur weni­ge ken­nen und beten zum hei­li­gen Josef Frein­ade­metz, einem mis­sio­na­ri­schen Hei­li­gen, der unse­re Ver­eh­rung in der gegen­wär­ti­gen Stun­de verdient.

Josef wur­de am 15. April 1852 in Oies im Gader­tal, einem Dorf inmit­ten von Wie­sen und Wäl­dern am Fuß hoher Ber­ge, als Sohn einer tief­gläu­bi­gen Bau­ern­fa­mi­lie gebo­ren. Er war Tiro­ler, genau­er gesagt Ladi­ner, Unter­tan von Franz Joseph, Kai­ser von Öster­reich-Ungarn. Die Ladi­ner sind eine klei­ne Sprach­grup­pe in eini­gen Dolo­mi­ten­tä­lern in der Diö­ze­se Bri­xen. In die­ser klei­nen Bischofs­stadt in Süd­ti­rol wur­de Josef am 25. Juli 1875 zum Prie­ster geweiht. Er ent­schied sich, Mis­sio­nar zu wer­den, und trat in die eini­ge Jah­re zuvor vom hei­li­gen Arnold Jans­sen (1837–1909) gegrün­de­te Gesell­schaft des Gött­li­chen Wor­tes (Stey­ler Mis­sio­na­re) ein.

Am 2. März 1879 erhielt er von Papst Leo XIII. das Mis­si­ons­kreuz, kehr­te sei­ner Hei­mat, einem der schön­sten Orte der Welt, den Rücken und rei­ste nach Chi­na, um nie wie­der nach Euro­pa zurück­zu­keh­ren. Er mis­sio­nier­te haupt­säch­lich im süd­li­chen Shan­dong-Gebiet. Chi­na war für ihn ein Kampf­feld, und der Mis­sio­nar war ent­schlos­sen, hart für die Bekeh­rung eines Vol­kes zu kämp­fen, das den wah­ren Gott noch nicht kann­te. „Ich bin schon mehr Chi­ne­se als Tiro­ler und will auch im Him­mel Chi­ne­se blei­ben“, schreibt er am 9. Febru­ar 1892.

Im Jahr 1899 begann der Auf­stand der Boxer, eines anti­christ­li­chen Geheim­bun­des, der vom kai­ser­li­chen Hof in Peking unter der Füh­rung von Kai­se­rin­mut­ter Cixi (1835–1908) unter­stützt wur­de. Der Krieg gegen die west­li­che Prä­senz in Chi­na, der direkt in Shan­dong aus­brach, setz­te im Juni 1900 ein und dau­er­te bis Sep­tem­ber 1901. Tau­sen­de Katho­li­ken star­ben als Mär­ty­rer. Unter ihnen die hei­li­gen Fran­zis­ka­ner­bi­schö­fe Anto­ni­no Fan­to­sa­ti, Apo­sto­li­scher Vikar von Süd-Hun­an, und Gre­go­rio Maria Gras­si, Apo­sto­li­scher Vikar von Nord-Shan­si, der zusam­men mit sei­nem Koad­ju­tor-Vikar, dem hei­li­gen Fran­ces­co Fogol­la, getö­tet wur­de. Pater Frein­ade­metz trotz­te dem Tod, indem er sei­ne Mis­si­ons­sta­ti­on nicht ver­ließ. Am 6. Juli 1901 schrieb er an sei­ne Geschwister.

„Die Gefah­ren des ver­gan­ge­nen Jah­res waren so zahl­reich und so groß, daß fast alle, sogar unse­re Mis­sio­na­re, mich schon für ver­lo­ren hiel­ten. Ich war des Mar­ty­ri­ums so vie­ler ande­rer aber nicht wür­dig. Ihr wer­det sicher gehört haben, daß vier Bischö­fe, etwa vier­zig Mis­sio­na­re und viel­leicht zwan­zig- oder drei­ßig­tau­send Chri­sten getö­tet wur­den. Was für Ver­fol­gun­gen, was für Schrecken, was für Qua­len! Ihr könnt Euch gar nicht vor­stel­len, wie sehr die­se armen Chri­sten lei­den mußten.“

Inner­halb kur­zer Zeit unter­nahm ein Bünd­nis von acht Natio­nen eine Mili­tär­ex­pe­di­ti­on nach Chi­na und besetz­te Peking. Die Shan­dong-Mis­si­on konn­te ihr Apo­sto­lat wie­der auf­neh­men und Pater Frein­ade­metz wur­de zum Pro­vinz­obe­ren der Stey­ler-Mis­sio­na­re ernannt. Die letz­ten Jah­re sei­nes Lebens waren bit­ter für ihn wegen eines schmerz­li­chen Kon­flik­tes mit sei­nem ein­sti­gen Mis­si­ons­ge­fähr­ten Johann Bap­tist von Anzer (1851–1903), des­sen Ver­hal­ten er nicht guthieß.

Pater Frein­ade­metz ver­faß­te eine Denk­schrift, in dem er die ein­zel­nen Vor­wür­fe gegen sei­nen Vor­ge­setz­ten dar­leg­te. Die Con­gre­ga­tio de Pro­pa­gan­da Fide lud Bischof Anzer nach Rom ein, wo er 1903 ver­starb. Der neue Bischof hät­te Josef Frein­ade­metz hei­ßen sol­len, aber Kar­di­nal Kopp, Fürst­bi­schof von Bres­lau, sprach das Veto der deut­schen Reichs­re­gie­rung gegen ihn aus, weil Pater Frein­ade­metz Öster­rei­cher war. Der Mis­sio­nar ver­barg sei­ne Ent­täu­schung nicht. „Nicht des­halb, weil ich nicht Bischof wer­den kann – viel­leicht ist nie­mand über­zeug­ter als ich, wie sehr die­se Ehre mei­nem Den­ken fremd ist, und das sage ich aus tief­stem Her­zen –, son­dern, weil ich aus Prin­zip aus­ge­schlos­sen wurde.“

Am 18. Janu­ar 1907 fei­er­te die süd­li­che Shan­dong-Mis­si­on ihr Sil­ber­nes Jubi­lä­um. Pater Frein­ade­metz zog fol­gen­de Bilanz:

„Vor 25 Jah­ren haben wir mit 158 Chri­sten begon­nen. Heu­te haben wir 40.000 Getauf­te und eben­so vie­le Katechu­me­nen. Der Herr ist wirk­lich gut.“

Der hel­den­haf­te Mis­sio­nar hat­te um sich her­um aus dem Nichts eine Chri­sten­heit wach­sen sehen: den Bau von Kir­chen, Häu­sern und Kapel­len, Rei­sen über Flüs­se und Ber­ge, Pre­dig­ten und Kate­che­sen, Tau­fen und alle ande­ren gespen­de­ten Sakra­men­te. Das alles ziel­te nicht nur auf die Bekeh­rung der ein­zel­nen See­len, son­dern auf die Chri­stia­ni­sie­rung eines Vol­kes, gemäß der plan­ta­tio Eccle­siae, die, wie Johan­nes Paul II. sag­te, ein zugleich sakra­men­ta­les und insti­tu­tio­nel­les Werk ist: „Es ist vor allem not­wen­dig zu ver­su­chen, über­all christ­li­che Gemein­den zu errich­ten, die ‚Zei­chen der Gegen­wart Got­tes in der Welt‘ sind und sich zu Kir­chen ent­wickeln. (…) Die­se kir­chen­ge­schicht­li­che plan­ta­tio Eccle­siae ist nicht abge­schlos­sen: sie ist viel­mehr bei vie­len Men­schen­grup­pen erst zu begin­nen“ (Enzy­kli­ka Redempto­ris Mis­sio vom 7. Dezem­ber 1990).

1907 brach in Chi­na eine Typhus-Epi­de­mie aus. Pater Frein­ade­metz, der sein Mög­lich­stes getan hat­te, um den Kran­ken zu hel­fen, erkrank­te selbst und sei­ne Gesund­heit ver­schlech­ter­te sich rasch. In einem Brief an sei­ne Mit­brü­der schrieb er:

„Ich ster­be im vol­len Ver­trau­en auf die Barm­her­zig­keit des gött­li­chen Her­zens, auf die Für­spra­che Mari­ens, Sei­ner und mei­ner Mut­ter, und des hei­li­gen Josef, mei­nes Schutz­pa­trons und Schirm­herrn für einen guten Tod. Mögen wir uns eines Tages im Him­mel alle ver­eint in aeter­num et ultra für alle Ewig­keit wiedersehen.“

Pater Josef Frein­ade­metz starb am 28. Janu­ar 1908 im Alter von 56 Jah­ren in Taikia, dem Haupt­haus der Stey­ler Mis­sio­na­re. Sei­ne Lei­che wur­de in chi­ne­si­scher Erde begra­ben. 45 Jah­re spä­ter wur­de das alte Reich der Mit­te zum kom­mu­ni­sti­schen Chi­na Mao Tse-tungs. Sein Grab ist heu­te ein Wall­fahrts­ort wie sein Geburts­haus im Gader­tal. Paul VI. sprach Pater Frein­ade­metz 1975 selig und Johan­nes Paul II. am 1. Okto­ber 2003 zusam­men mit dem Grün­der sei­nes Ordens, Arnold Jans­sen, hei­lig. Kar­di­nal Tho­mas Tien Ken-sin (1898–1967) von den Stey­ler Mis­sio­na­ren, 1946 von Pius XII. zum Erz­bi­schof von Peking ernannt, der spä­ter zur Flucht gezwun­gen war, bewahr­te zeit­le­bens das Bild des Mis­sio­nars, den er als Regens des Prie­ster­se­mi­nars ken­nen­ge­lernt hat­te. Er bezeugte:

„Man hat­te den Ein­druck, daß ihn nichts ablen­ken könn­te. Er war ein gro­ßer Mann des Gebets“.

Der ihn ver­eh­ren­de Don Divo Bar­sot­ti schrieb, er habe sei­ne mis­sio­na­ri­sche Beru­fung „in heroi­scher Hin­ga­be gelebt und sich ohne Maß für das Heil des Vol­kes ein­ge­setzt, das Gott ihm anver­traut hat­te“ (Giu­sep­pe Frein­ade­metz, un cri­stia­no feli­ce, Memi 2014, S. 36).

Unge­fähr sieb­zig Brie­fe von Pater Frein­ade­metz sind erhal­ten, geschrie­ben in Deutsch und Ita­lie­nisch an die Fami­lie und an die Prie­ster des Gader­tals. Die­se Kor­re­spon­denz hat einen außer­or­dent­li­chen Wert, weil sie uns den mis­sio­na­ri­schen Geist in der Kir­che ver­ste­hen läßt und vor allem, was es heißt, ein Hei­li­ger zu sein. Das Lebens­pro­gramm des Stey­ler Mis­sio­nars ist in einem Brief vom 28. April 1879 zusammengefaßt:

„Ich bin nicht hier aus einer Lau­ne her­aus oder um Gold und Sil­ber zu ver­die­nen, son­dern um See­len zu gewin­nen, erkauft mit dem kost­bar­sten Blut Got­tes; um Krieg zu füh­ren gegen den Teu­fel und die Höl­le; um die Tem­pel der fal­schen Göt­ter nie­der­zu­wer­fen; um an ihrer Stel­le das Holz des Kreu­zes ein­zu­pflan­zen; um die armen Hei­den, die auch unse­re Brü­der sind, die Lie­be eines gekreu­zig­ten Got­tes, des Hei­lig­sten Her­zens Jesu und der aller­se­lig­sten Maria ken­nen­ler­nen zu lassen.“

Aber das gra­vie­rend­ste Pro­blem ist für Pater Frein­ade­metz der mora­li­sche Ver­fall des Westens.

„Die größ­te Gei­ßel für uns und für die armen Chi­ne­sen wer­den all­mäh­lich die vie­len treu­lo­sen und voll­kom­men kor­rup­ten Euro­pä­er, die jetzt begin­nen, ganz Chi­na zu über­schwem­men. Sie sind zwar Chri­sten, aber sie sind schlim­mer als die Hei­den; sie küm­mern sich nur dar­um, Geld zu ver­die­nen, um allen welt­li­chen Freu­den nach­zu­ge­hen“ (28. Mai 1902).

„Die Zei­ten sind trau­rig“ und „die Reli­gi­ons­lo­sig­keit greift die gan­ze Welt an“, schrieb er am 25. Juni 1905. Am 23. Janu­ar 1908, kurz vor sei­nem Tod, wie­der­hol­te er noch einmal:

„Die Chi­ne­sen sind kei­ne Fein­de der Reli­gi­on, und wenn Euro­pa heut­zu­ta­ge so christ­lich wäre, wie es sein könn­te und soll­te, dann wür­de ganz Chi­na, davon bin ich über­zeugt, christ­lich wer­den. Welch ein Tri­umph für die hei­li­ge Kir­che! Aber der Wind, der aus Euro­pa weht, ist sehr kalt und ungut, wes­halb zu befürch­ten ist, daß die armen Chi­ne­sen Hei­den blei­ben und noch schlim­mer als die Hei­den wer­den. Wir müs­sen viel beten.“

Wenn das Chi­na des 20. Jahr­hun­derts die Bot­schaft von Marx und Lenin dem Evan­ge­li­um von Chri­stus ent­ge­gen­setz­te, liegt die Ver­ant­wor­tung dafür vor allem beim Westen. Aber die Ein­la­dung des hei­li­gen Josef Frein­ade­metz, viel für Chi­na zu beten, hat eine noch grö­ße­re Dring­lich­keit und Not­wen­dig­keit in einem histo­ri­schen Moment, in dem die ober­sten Auto­ri­tä­ten der Kir­che dem Mis­si­ons­epos den Rücken gekehrt haben, um eine unheil­vol­le Über­ein­kunft mit dem kom­mu­ni­sti­schen Chi­na zu suchen, das heu­te die Welt mit sei­nem Gift infi­ziert. Ver­trau­en wir unse­re Gebe­te dem hei­li­gen Josef Frein­ade­metz an.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017 und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

Bücher von Prof. Rober­to de Mat­tei in deut­scher Über­set­zung und die Bücher von Mar­tin Mose­bach kön­nen Sie bei unse­rer Part­ner­buch­hand­lung beziehen.

Das Geburts­haus des Hei­li­gen im Süd­ti­ro­ler Gader­tal, heu­te Teil eines Heiligtums.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana/​frein​ade​metz​.it (Screen­shot)

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