(Rom) Am Ende der Amazonassynode im Oktober 2019 gab Papst Franziskus bekannt, eine neue Kommission einsetzen zu wollen, um das Frauendiakonat zu studieren. Der Grund dafür konnte nur sein, weil die zuvor von ihm eingesetzte Kommission nicht das gewünschte Ergebnis erbracht hatte. Seither ist genau ein Jahr vergangen. Ergebnisse dieser neuen Kommission wurden bisher nicht bekannt. Gestern empfing Papst Franziskus allerdings deren Führung in Audienz.
Wie das vatikanische Presseamt im Tagesbulletin mitteilte, wurden gestern vormittag Kardinal Giuseppe Petrocchi, der Erzbischof von L’Aquila und Vorsitzende der Studienkommission über das Frauendiakonat, und Msgr. Denis Dupont-Fauville, der Sekretär der Studienkommission, von Franziskus empfangen. Petrocchi wird in Santa Marta sehr geschätzt. 2013 wurde er von Papst Franziskus zum Erzbischof von L’Aquila ernannt und 2018 in den Kardinalsrang erhoben. Im April 2020 berief ihn Franziskus zum Vorsitzenden der genannten Studienkommission und im Oktober auch in die Kontrollkommission für die Vatikanbank IOR.
Über den Inhalt der gestrigen Audienz wurde nichts bekanntgegeben. Es ist jedoch anzunehmen, daß sich Papst Franziskus über den Fortgang der Arbeiten informieren ließ, vor allem über „Lösungen“, mit denen in der einen oder anderen Form ein Frauendiakonat eingeführt werden könnte.
Die erste Franziskus-Kommission zum Frauendiakonat
Die erste Kommission hatte Franziskus im Mai 2016 angekündigt und im August desselben Jahres mit dem Auftrag errichtet, zu klären, was es mit den in der frühen Kirche belegten Diakonissen auf sich hatte, welche Stellung und Aufgaben diese in der Kirche hatten und vor allem, ob sie Anteil am Weihesakrament hatten. Die Errichtung wurde im Rahmen einer Begegnung mit den Generaloberinnen katholischer Frauenorden bekanntgegeben, die in der UISG zusammengeschlossen sind. Deren feministischer Teil drängt zusammen mit deutschen Bischöfen nachdrücklich auf Ämter für Frauen in der Kirche einschließlich des Zugangs als Diakoninnen zum Weihesakrament.
Die Errichtung der Kommission war mit Verwunderung aufgenommen worden, vor allem auch vom damaligen Glaubenspräfekten Kardinal Gerhard Müller, denn die Glaubenskongregation hatte die Frage erst wenige Jahre zuvor „ausführlich studiert“ und 2003 eindeutige Ergebnisse veröffentlicht. Konkret war dazu von Joseph Kardinal Ratzinger im Auftrag von Papst Johannes Paul II. im Schoß der Internationalen Theologenkommission eine Studienkommission eingerichtet worden. Der Schluß, zu dem sie gelangte, lautete: Der belegte Dienst von Frauen in der frühen Kirche hatte keinen Anteil am Weihesakrament, weshalb die Diakonissen keine Diakoninnen waren. Ihr Dienst war entstanden wegen damals herrschender kultureller Konventionen, die es Männern, auch Priestern, nicht gestattete, bestimmte Aufgaben gegenüber Frauen wahrzunehmen. Als sich das Christentum gegenüber dem antiken Heidentum durchgesetzt hatte, fielen diese äußeren Gründe weg und damit auch die Notwendigkeit von Diakonissen.
Neben dem direkten wurde von der Kommission noch ein wichtiges indirektes Argument vorgelegt: Da das Weihesakrament zwar dreigliedrig klar unterschieden ist zwischen Bischof – Priester – Diakon, aber unstrittig in sich eine unteilbare Einheit bildet, beantworte sich die Frage nach der Zulassung von Frauen auch nur zu einem Glied von selbst. Denn selbst für jene, die Unklarheiten bei der Diakonissen-Frage behaupten, stehe außer Zweifel, daß es in der Kirche zu keinem Zeitpunkt Priesterinnen oder Bischöfinnen gab, weshalb es auch nie Diakoninnen gegeben haben kann.
Sprachlich wird daher zum besseren Verständnis zur Unterscheidung zwischen Diakonissen (frühkirchlich und ohne Anteil am Weihesakrament) und Diakoninnen (heutige Forderung der feministischen Theologie mit den Diakonen gleichgestelltem Anteil am Weihesakrament) gedrängt. Kritiker stören sich seit 2016 daran, daß Santa Marta diese begriffliche Trennung nur ungenau vornimmt. Wie der Feminismus in der katholischen Kirche des deutschen Sprachraumes stiftet der Heilige Stuhl sprachliche Verwirrung. Die feministische Theologie versucht den irrigen Eindruck zu erwecken, die Kirche habe mit den Diakonissen bereits über ein weibliches Weiheamt verfügt, das ihr erst im Laufe der Kirchengeschichte auf diskriminierende Weise durch den männlichen Klerikalismus genommen wurde. Die Feministinnen würden daher für die Wiederherstellung einer „urkirchlichen“ Situation kämpfen. Damit nehmen sie dialektisch in Anspruch, für Gerechtigkeit und gegen ein Unrecht zu kämpfen. Doch nichts davon entspricht den Tatsachen. Die feministische Diakoninnen-Forderung ist ein direktes Produkt heutiger gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, die aus der Welt in die Kirche hineingetragen werden.
Kardinal Müller brachte es 2013 folgendermaßen auf den Punkt, als der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, ein Frauendiakonat forderte:
„Für Diakoninnen gibt es keine Grundlage und für Diakonissen keinen Bedarf.“
Diakonissen waren keine Diakoninnen
Wie zu erwarten war, kam auch die 2016 errichtete Studienkommission zum selben Ergebnis wie jene erste Kommission im Jahr 2003. Mitte 2018 legte sie Papst Franziskus ihren Abschlußbericht vor, der dem Kirchenoberhaupt von Glaubenspräfekt Luis Ladaria, der zugleich Vorsitzender der Studienkommission war, persönlich übergeben wurde. Franziskus ließ den Bericht jedoch monatelang in der Schublade liegen. Es war klar, daß er nicht den feministischen Wünschen entsprach. Erst Ende des Jahres wurde durch eine Indiskretion der spanischen Zeitschrift Vida Nueva der Abschluß der Kommissionsarbeiten publik. Im März 2019 enthüllte der deutsche Theologe Peter Hünermann einerseits, daß die vatikanische Studienkommission keine historischen Belege finden konnte, daß zur Zeit der Kirchenväter Frauen zu „Diakonen“ geweiht wurden, andererseits, daß Papst Franziskus mit den Ergebnisse nicht zufrieden sei, denn andernfalls hätte er den Schlußbericht nicht zurückbehalten.
Bekannt wurde auch, daß die US-Amerikanerin Phyllis Zagano eine Minderheitenmeinung vorgelegt hatten, die im Schlußbericht dokumentiert wurde. Auf diese Weise konnte der Schlußbericht einstimmig beschlossen werden.
Die Verfechter des Frauendiakonats versuchen den Weg zu gehen, der in den vergangenen 50 Jahren zur Durchsetzung der progressiven Agenda beschritten wurde: Die modernistische Position wird als Wiederherstellung eines „urkirchlichen“ Zustandes behauptet. In der Frauendiakonats-Frage erweist sich dieser Weg bereits vorab als Sackgasse, weshalb nach neuen Wegen Ausschau gehalten wird.
Papst Franziskus versuchte 2016 konservative Kirchenkreise zu beruhigen, indem er den Eindruck erweckte, die neue Studienkommission nur errichtet zu haben, um die Frage auf die lange Bank zu schieben. Mit demselben Eindruck wird auch im Zusammenhang mit der Errichtung der zweiten (eigentlich schon dritten) Studienkommission kokettiert, deren Errichtung noch größere Verwunderung auslöste als jene von 2016.
Die Amazonassynode als neuer Antrieb
Franziskus hatte im Mai 2019 bei der Begegnung mit UISG-Vertreterinnen mahnende Worte für die feministischen Bestrebungen gefunden, indem er ihnen sagte, daß die Kirche „nicht über die Offenbarung hinausgehen“ könne. Und noch deutlicher: „Wenn jemand eine andere Kirche will, ist er frei sie zu machen, aber…“ Zugleich reagierte er auf die Forderung nach dem Frauendiakonat aber nur vage.
Nach der Veröffentlichung von Querida Amazonia waren Beobachter allgemein davon ausgegangen, daß die Frage der Zulassung von Frauen zum Weihesakrament vom Tisch sei, da bereits von Papst Johannes Paul II. 1994 in Ordinatio sacerdotalis ein Frauenpriestertum definitiv ausgeschlossen wurde.
Im April 2020 errichtete Franziskus jedoch eine weitere Studienkommission zum Frauendiakonat. Sie besteht wiederum aus zwölf Mitgliedern, von denen keines der Vorgängerkommission von 2016–2018 angehört hatte.
Wie konnte es aber sein, daß es in den erst 20 Jahren des 21. Jahrhunderts bereits drei Kommissionen zum selben Thema gibt? Da ist es wenig verwunderlich, wenn auf der einen Seite mit zunehmender Hoffnung, auf der anderen mit wachsender Sorge der Eindruck entsteht, es werde so viele und so lange Kommissionen geben, bis das gewünschte Ergebnis erzielt wird. Was auch bedeutet, wie Peter Hünermann bereits interpretierte, daß die beiden ersten Kommissionen mit ihrem Nein zu Diakoninnen dieses „gewünschte Ergebnis“ nicht erbracht hatten.
Auch der Druck aus Deutschland läßt nicht nach. In Santa Marta geht inzwischen sogar die Sorge um das Gespenst eines deutschen Schismas um. Der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing von Limburg, ließ gleich in einer seiner ersten Stellungnahmen im vergangenen März seine Prioritäten erkennen, indem er sagte, das Frauendiakonat für „möglich“ zu halten.
Zahlreiche Indizien, zuletzt vor allem im Zusammenhang mit der Amazonassynode, weisen zudem in die Richtung, daß Papst Franziskus die Forderung nach Einführung von Frauenämtern nicht behindert. Tatsache ist allerdings, daß weiterhin weder der kirchliche Feminismus noch die Verteidiger der Tradition sich sicher sein können, welche Position Papst Franziskus einnimmt. Im vergangenen April schrieb Katholisches.info dazu im Zusammenhang mit der Errichtung der zweiten (dritten) Kommission:
„Allerdings kann sich bei Papst Franziskus niemand sicher sein. Tatsache ist, daß er eine klare Aussage vermeidet und damit – bergoglianisch – alles am Köcheln hält. Die ‚andere‘ Kirche mit einem ‚amazonischen Gesicht‘ ist noch nicht vom Tisch.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Faro di Roma (Screenshot)