
(Rom) „Die Guillotine von Bergoglio ist keine wirkliche Reinigung der Kirche.“ In diesem Satz konzentriert sich die Analyse des ehemaligen Apostolischen Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, in seinem jüngsten Kommentar, der gestern von verschiedenen Medien, darunter die Tageszeitung La Verità und der Blog des Vatikanisten Marco Tosatti, veröffentlicht wurde. Der Wunsch nach der Guillotine zerrütte die Kirche, so der einstige Botschafter des Heiligen Stuhls, der 2018 wegen der päpstlichen Reaktion auf den Fall von Kardinal McCarrick zum schärfsten Kritiker des derzeitigen Pontifikats wurde. Die Tatsache, daß Kardinal George Pell vom Heiligen Stuhl, obwohl unschuldig, fallengelassen wurde, beweise, daß die „Moralisierung“ nur Fassade sei. Der mit Nachdruck erklärte Wille des Papstes, eine „Reinigung“ durchführen zu wollen, vertrage sich so gar nicht mit seiner Auswahl von Mitarbeitern wie McCarrick.
In diesen Tagen, so Erzbischof Viganò, wurde viel über den jüngsten vatikanischen Skandal geschrieben, in den Kardinal Angelo Becciu verwickelt ist.
„Angesichts der Anschuldigungen, die erst noch bewiesen werden müssen, scheint die Antwort von Jorge Mario Bergoglio mehr von Wut als von Liebe zur Wahrheit diktiert zu sein, mehr von Allmachtsallüren als von Willen zur Gerechtigkeit: in jedem Fall von einem schweren despotischen Mißbrauch der Autorität.“
Jedenfalls scheinen der Entzug der Purpurwürde und die Versetzung in den Laienstand, so Msgr. Viganò, zu einer Form von „sofortiger außergerichtlicher Hinrichtung mit starker Medienwirksamkeit“ geworden zu sein, die „losgelöst von der moralischen oder strafrechtlichen Verantwortung der Verurteilten auf den Imagenutzen für den Exekutor“ abziele.
„Der Herr Theodore McCarrick“, der bis Sommer 2018 Kardinal und ein enger Vertrauter von Papst Franziskus war, „der schwerster Verbrechen beschuldigt war, wurde direkt vom Papst verurteilt, ohne daß die Prozeßakten und die Zeugenaussagen, die ihn betreffen, publik gemacht wurden.“
„Mit diesem Winkelzug wollte Bergoglio ein Bild von sich vermitteln, das der Wirklichkeit widerspricht, weil sein Wille, im Vatikan ‚sauberzumachen‘, sich schlecht damit verträgt, von schwer kompromittierten Gestalten umgeben zu sein – zu denen auch McCarrick gehörte –, denen er offizielle Aufgaben überträgt, um sie dann wegzujagen, sobald ihre Skandale ans Licht kommen.“

Dies, obwohl auf allen von ihnen, „wie jene, die mit der Kurie zu tun haben, genau wissen, schon schwerwiegende Verdachtsmomente, wenn nicht sogar konkrete Beweise lasteten“.
Diese Instrumentalisierung der moralischen Empörung werde umgekehrt bestätigt durch das Fallenlassen von integren und unschuldigen Persönlichkeiten, die dennoch „der Niedertracht der Diskreditierung“ und dem „Medienpranger“ ausgeliefert wurden. Als konkretes Beispiel nennt Erzbischof Viganò den Fall von Kardinal George Pell. Der australische Purpurträger „wurde in einer Prozeßfarce sich selbst überlassen, während der Heilige Stuhl sich jeglicher Intervention enthielt, obwohl diese eine Pflicht gewesen wäre“.
Dieses Verhalten kontrastiere mit anderen Fällen „wie zum Beispiel dem von Gustavo Zanchetta“. Für die Verteidigung dieses päpstlichen Augapfels habe „sich Bergoglio bis zum Äußersten verausgabt“. Er ging so weit, die Opfer des Prälaten der falschen Zeugenaussage zu bezichtigen. Trotz der schwerwiegenden Anschuldigungen wurde Zanchetta auf einen Verantwortungsposten bei der Apostolischen Güterverwaltung berufen, der eigens für ihn geschaffen wurde.
„Und heute sind Nunzio Galantino und Zanchetta de facto die Verwalter des gesamten Vermögens des Heiligen Stuhls und nun auch der Kasse des Staatssekretariats.“
Erzbischof Viganò geht in seiner kritischen Analyse noch weiter:
„Und was soll erst über nicht präsentable Figuren wie Tarcisio Bertone und Oscar Rodriguez Maradiaga, Edgar Peña Parra und Vincenzo Paglia gesagt werden? Lebende Ärgernisse …“
Unbestechliche unerwünscht, Kompromittierte erwünscht
„Personen von nachgewiesener Ehrlichkeit und großem Glauben wie Ettore Gotti Tedeschi oder Kardinal Pell, ohne Eugenio Hasler1 zu vergessen und die Mitarbeiter Beccius im Staatssekretariat, die nur seine Anweisungen ausführten, wurden schlimmer behandelt als Serienmißbrauchstäter wie Theodore McCarrick oder ein (mutmaßlicher) Intrigant wie Becciu.“
Der ehemalige Apostolische Nuntius in den USA sieht darin ein System: Ehrliche und unbestechliche Mitarbeiter scheinen deshalb, weil lästig, entlassen worden zu sein, so wie umgekehrt die Erpreßbarkeit von unmoralischen und unehrlichen Mitarbeitern als Garantie ihrer Treue und ihres Schweigens betrachtet wurde.
Erstere hätten mit Würde ihre ungerechte Entfernung auf sich genommen, ohne durch das Aufzeigen des Unrechts das Ansehen des Papstes und der Kirche zu schädigen.
„Es ist anzunehmen, daß auf der anderen Seite die Korrupten und Lasterhaften gegenüber ihren Anklägern zum Mittel der Erpressung greifen werden, wie das von den ehrlosen Höflingen immer gemacht wurde.“
In all dem stehe jedoch das Verhalten von Santa Marta im Zentrum, das „von verschiedener Seite mit einer südamerikanischen Junta verglichen wurde“.
„Ich hingegen denke, daß hinter diesen sich wiederholenden Skandalen, die höchste Persönlichkeiten der Hierarchie und der Römischen Kurie betreffen, der gezielte Wille zur Demolierung der Kirche, zu ihrer Diskreditierung vor der Welt, zur Kompromittierung der Autorität und des Ansehens vor den Gläubigen steht.
Die Operation, deren Zeugen wir seit mehr als sieben Jahren sind, zielt eindeutig auf die Zerstörung der katholischen Institution ab durch Glaubwürdigkeitsverlust, durch Entfremdung und Abscheu wegen der Handlungen und des unwürdigen Verhaltens ihrer Glieder: Eine Operation, die mit den sexuellen Skandalen bereits während der Vorgängerpontifikate begonnen hatte, deren Hauptakteur nun genau jener ist, der auf dem Stuhl sitzt, und der mit seinen Worten und Werken imstande ist dem Papsttum und der Kirche die verheerendsten Schläge zuzufügen.“
Die „Entmythologisierung des Papsttums“, wie sie von progressiver Seite angestrebt wird, bestehe im Wesentlichen darin, das Papsttum „lächerlich zu machen“, um das Heilige zu profanieren.
„Es ist beispiellos und äußerst schwerwiegend, daß diese Operation von dem durchgeführt wird, der das Papsttum ausübt und sein Gewand, wenn auch plump, trägt.“
Die Profanierung der Kirche
Die Profanierung der Kirche, so Erzbischof Viganò, werde von ihrer eigenen hierarchischen Spitze mit „wissenschaftlicher Methode“ betrieben, „die sich beim Volk Gottes unbeliebt mache, aber von der Welt bemitleiden lasse durch das wohlgefällige Verhalten der Mainstream-Medien“.
Diese Vorgehensweise sei aber nicht neu. „Sie wurde, wenn auch noch mit geringerer Medienwirksamkeit, aber immer mit demselben Ziel, bereits am Vorabend der Französischen Revolution angewandt. Die Aristokratie verhaßt machen, den Adel mit Lastern korrumpieren, die dem Volk unbekannt sind, das Bewußtsein für die moralische Verantwortung gegenüber den Untergebenen auslöschen, das Provozieren von Skandalen und die Förderung der Ungerechtigkeit gegenüber Schwächeren und Ärmeren, das Dienstbarmachen der herrschenden Schicht für die Interessen der Sekten und Logen: Das waren die Prämissen, die von der Freimaurerei geschaffen wurden, um die Monarchie in Verruf zu bringen und die Aufstände der Massen zu rechtfertigen, die von wenigen Aufrührern im Sold der Logen vorbereitet wurden. Und wenn die Adeligen nicht in die Falle des Lasters und der Korruption tappten, beschuldigten sie die Verschwörer der Schändlichkeiten anderer, indem sie daraus eine Standesfrage machten, und verurteilten sie zur Hinrichtung, getrieben vom Haß, der unter den Rebellen, den Verbrechern, den Feinden des Königs und Gottes geschürt wurde. Ein Haufen Niederträchtiger, die nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hatten.“
„Heute, nach 200 Jahren der Tyrannei des revolutionären Denkens, ist die Kirche das Opfer des gleichen Systems, das gegen die Monarchie angewandt wurde. Teile der kirchlichen Aristokratie sind korrupt wie oder vielleicht sogar mehr noch als der französische Adel. Und sie verstehen nicht, daß diese Verletzung ihres Ansehens und ihrer Autorität die notwendige Voraussetzung für die Guillotine ist, für das Massaker, für das Wüten der Rebellen und auch für den Terror.“
Die Gemäßigten sollten ernsthaft darüber nachdenken, „die glauben, daß ein nächster Papst, der nur etwas weniger progressiv ist als Bergoglio, die Gemüter besänftigen und das Papsttum und die Kirche retten könne“, so Erzbischof Viganò.
„Der theologische Haß der Feinde Gottes wird, sobald die guten Hirten beseitigt und die Gläubigen entfremdet sind, nicht vor jenen Halt machen, die heute das derzeitige Papsttum beklagen, aber die Matrix des Zweiten Vaticanums verteidigen: Die Konservativen, die glauben, sie könnten sich gleichermaßen von den Modernisten wie von den Traditionalisten distanzieren, werden das Ende der Girondisten finden.“
„Mundamini, qui fertis vasa Domini“ (Jes 52,11)“
Zu deutsch: „Haltet euch rein, denn ihr tragt die Geräte des Herrn.“
Der Weg aus der Kirchenkrise
„Der einzige Weg, um aus der Kirchenkrise herauszukommen, die eine Krise des Glaubens und der Moral ist, ist der, die Abirrung vom rechten Weg zu erkennen, auf dem falschen Weg umzukehren und wieder den rechten Weg einzuschlagen, den unser Herr mit Seinem Blut gekennzeichnet hat: der Weg von Kalvaria, des Kreuzes und des Leidens.“
Solange die Hirten der Welt gefallen wollen, so Erzbischof Viganò, werde die Welt sie belohnen mit ihren Täuschungen, ihren Lügen und ihren abscheulichsten Lastern.
„Wenn die Hirten nicht mehr den Geruch der Schafe, sondern den wohlriechenden Duft des Chrisam haben werden, mit dem sie dem höchsten und ewigen Priester gleichgestaltet wurden, werden sie erneut dem göttlichen Vorbild Christi entsprechen und mit Ihm werden sie wieder bereit sein, sich zur Ehre Gottes und dem Heil der Seelen aufzuopfern.“
„Die Letztentscheidung ist immer radikal: die ewige Ehre mit Christus oder die ewige Verdammnis fern von Ihm.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
1 Eugenio Hasler, Sohn eines Unteroffiziers der Schweizer Garde aus dem Kanton Sankt Gallen und einer italienischen Journalistin, Staatsbürger der Schweiz von Geburt an, des Staates der Vatikanstadt durch seine Arbeit und durch Einbürgerung auch von Italien, war bis 2017 im Generalsekretariat der Statthalterei des Staates der Vatikanstadt tätig. Am 27. März 2017 wurde er zu Papst Franziskus zitiert. Beim Gespräch, das am 28. März stattfand, wurde er ohne Nennung von Gründen entlassen.