Mariologischer Kleinkrieg gegen die „Frau aller Völker“?

Das Urteil der Kirche und eine künstlich erzeugte Verwirrung


Gebetstag in Amsterdam: Querschüsse gegen die „Frau aller Völker”?
Jährlicher Gebetstag in Amsterdam (im Bild 2019). 2020 mußte er wegen der Corona-Maßnahmen ausfallen. Dafür gab es Querschüsse gegen die „Frau aller Völker”.

(Rom) Am 15. Sep­tem­ber titel­te die fran­zö­sisch­spra­chi­ge Pres­se­agen­tur I.Media: „Der Hei­li­ge Stuhl lehnt die Mari­en­er­schei­nun­gen von Ida Peer­de­man ab”, die bes­ser als „Die Frau aller Völ­ker” bekannt sind. Was hat es damit auf sich?

Anzei­ge

I.Media berichtete:

„Die Amster­da­mer Erschei­nun­gen sind falsch. Die ‚Frau aller Völ­ker’ darf nicht ver­ehrt wer­den, und die Gläu­bi­gen müs­sen jede Pro­pa­gan­da ein­stel­len“, sag­te die Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re in einem Brief vom 20. Juli 2020, der gera­de ver­öf­fent­licht wur­de. Nach Jahr­zehn­ten der Kon­tro­ver­se wur­den die 56 angeb­li­chen Erschei­nun­gen der Jung­frau Maria an Ida Peer­de­man vom Hei­li­gen Stuhl offi­zi­ell abgelehnt.”

Der Arti­kel von I.Media wur­de wört­lich von Ale­teia (fran­zö­si­sche Aus­ga­be) über­nom­men. Nicht im Ori­gi­nal ver­öf­fent­licht wur­de die erwähn­te Stel­lung­nah­me der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on.

David Murgias „Schockdokument des Vatikans“

Grund­la­ge des I.Media-Arti­kels ist ein Bei­trag vom 28. August von David Mur­gia auf sei­nem Blog Il Seg­no di Gio­na. Von Mur­gia, einem römi­schen Jour­na­li­sten, stammt auch die rei­ße­ri­sche Schlag­zei­le: „Die Erschei­nun­gen von Amster­dam sind falsch” und die Bezeich­nung als „Schock­do­ku­ment des Vatikans”.

Mur­gia unter­hält beste Kon­tak­te zu eini­gen Tei­len des Vati­kans. Er ist Mit­ar­bei­ter von TV2000, dem Fern­seh­sen­der der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, und Mit­glied der Inter­na­tio­na­len Beob­ach­tungs­stel­le zu Erschei­nun­gen und mysti­schen Phä­no­men, die bei der Pon­ti­fi­cia Aca­de­mia Maria­na Inter­na­tio­na­lis (PAMI), der Inter­na­tio­na­len Maria­ni­schen Päpst­li­chen Aka­de­mie, ange­sie­delt ist.

Das Schrei­ben des Nuntius.

Das angeb­li­che „Schock­do­ku­ment des Vati­kans”, auf das alle drei Arti­kel ver­wei­sen, wird auch von Mur­gia nicht ver­öf­fent­licht. Er publi­zier­te dafür ein Schrei­ben der Apo­sto­li­schen Nun­tia­tur im Liba­non an Kar­di­nal Bécha­ra Pierre Raï, den Maro­ni­ti­schen Patri­ar­chen von Antio­chi­en und des gan­zen Ori­ents.

Die­ses Schrei­ben ist mit 20. Juli datiert und vom Apo­sto­li­schen Nun­ti­us Msgr. Joseph Spi­te­ri unter­zeich­net. Dar­in fin­det sich die unter Anfüh­rungs­zei­chen gesetz­te, also ver­meint­lich zitier­te Haupt­aus­sa­ge der genann­ten Arti­kel, „Die Amster­da­mer Erschei­nun­gen sind falsch”, aber gar nicht.

Der Blog­ger und Jour­na­list Mur­gia ist für einen etwas markt­schreie­ri­schen Ton im Zusam­men­hang mit para­nor­ma­len Phä­no­me­nen bekannt, auf die er spe­zia­li­siert ist. Wie genau sich das und noch ande­res mit sei­ner Mit­glied­schaft in der Inter­na­tio­na­len Maria­ni­schen Päpst­li­chen Aka­de­mie ver­trägt, sei dahingestellt.

Die Marienerscheinungen von Amsterdam

Im kon­kre­ten Fall lenkt er das Augen­merk auf Pri­vat­of­fen­ba­run­gen, die vom 25. März 1945 bis 31. Mai 1959 in Amster­dam an Ida Peer­de­man statt­fan­den. Die Hol­län­de­rin, die 1996 hoch­be­tagt gestor­ben ist, war am Beginn der Erschei­nun­gen 39 Jah­re alt. Die erste Erschei­nung erfolg­te in der End­pha­se des Zwei­ten Welt­krie­ges. Am 25. März, dem Fest Mariä Ver­kün­di­gung, erschien ihr, laut ihrer Schil­de­rung, in Anwe­sen­heit ihrer Schwe­stern und ihres Beicht­va­ters, P. Joseph Fre­he OP (1896–1967), Maria, die sich als „Frau, Mut­ter aller Völ­ker” vor­stell­te. Kern der Erschei­nun­gen ist der Wunsch nach einem neu­en maria­ni­schen Dog­ma von Maria als der Mit­erlö­se­rin, Mitt­le­rin und Für­spre­che­rin.

An die­ser Stel­le soll nicht wei­ter auf die Erschei­nun­gen von Amster­dam ein­ge­gan­gen wer­den, son­dern auf die bis­he­ri­gen Ent­schei­dun­gen der Kir­che zu die­sem Phänomen.

Nun­ti­us Spi­te­ri, ein Mal­te­ser, der seit 2018 im Liba­non tätig ist, ant­wor­te­te am 20. Juli auf eine ent­spre­chen­de Anfra­ge des Patri­ar­chen bezüg­lich der „offi­zi­el­len Posi­ti­on der Kir­che zur Ver­eh­rung der Jung­frau Maria als ‚Frau aller Völker’”.

Der Nun­ti­us bat die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on um ent­spre­chen­de „Klä­run­gen”: Die­se habe auf die am 25. Mai 1974 ver­öf­fent­lich­te Noti­fi­ka­ti­on ver­wie­sen und „prä­zi­siert”, daß die­se „immer noch gül­tig” sei. Dar­in wur­de das Urteil des Haar­le­mer Bischofs bestä­tigt. Die Kon­gre­ga­ti­on stell­te nach „noch tie­fe­rer Prü­fung” und mit Bil­li­gung von Paul VI. fest, daß die „Über­na­tür­lich­keit der Erschei­nun­gen nicht fest­steht“. Bereits 1956 hat­te der zustän­di­ge Orts­bi­schof von Haar­lem, Msgr. Johan­nes Petrus Hui­bers, ein „non cons­tat de super­na­tu­ra­li­ta­te” aus­ge­spro­chen, also erklärt, daß „die Über­na­tür­lich­keit nicht fest­steht”. Das war eine Bewer­tung, die zwar nega­tiv, aber abwar­tend war. Ein ein­deu­tig nega­ti­ves Urteil hät­te lau­ten müs­sen: „cons­tat de non super­na­tu­ra­li­ta­te“ („die Nicht-Über­na­tür­lich­keit steht fest“). Ein sol­ches hat­te die von ihm zur Unter­su­chung ein­ge­setz­te Kom­mis­si­on emp­foh­len, die vom spä­te­ren Kar­di­nal Johan­nes Wil­le­brands gelei­tet wurde.

Zugleich unter­sag­te er „die öffent­li­che Ver­eh­rung des Bil­des der ‚Frau aller Völ­ker’ sowie die Ver­brei­tung von Schrif­ten, die die genann­ten Erschei­nun­gen und Offen­ba­run­gen als über­na­tür­li­chen Ursprungs hinstellten”.

Die drit­te kirch­lich gebrauch­te Bewer­tung für die Über­na­tür­lich­keit von Phä­no­me­nen sei der Voll­stän­dig­keit hal­ber auch erwähnt: Sie lau­te­te damals und auch heu­te „cons­tat de super­na­tu­ra­li­ta­te”, also die Aus­sa­ge, daß „die Über­na­tür­lich­keit feststeht”.

Laut Ida Peer­de­man stell­te sich Maria ihr als „Frau aller Völ­ker“ und „Mut­ter aller Völ­ker“ vor.

Die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on (damals noch als Hei­li­ges Offi­zi­um) beschei­nig­te 1957 die „Klug­heit” des Bischofs von Haar­lem und „bil­lig­te” sei­ne Maß­nah­men. Nach „noch tie­fe­rer Prü­fung” bestä­tig­te sie 1974, daß das vom Bischof „aus­ge­spro­che­ne Urteil begrün­det ist”. Des­halb for­der­te sie „Prie­ster und Lai­en” auf, „jede Pro­pa­gan­da für die angeb­li­chen Erschei­nun­gen und Offen­ba­run­gen der ‚Frau aller Völ­ker’ zu unter­las­sen, und ermahnt alle, ihre Ver­eh­rung für die hei­lig­ste Jung­frau, Köni­gin der Welt, in den von der Kir­che aner­kann­ten und emp­foh­le­nen For­men zum Aus­druck zu bringen”.

Der Nun­ti­us schrieb dem Patri­ar­chen zudem, daß die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on „der Mei­nung ist, daß es sich nicht ziemt, zur Ver­brei­tung der Ver­eh­rung Mari­ens als ‚Frau aller Völ­ker’ beizutragen”

Ist damit alles geklärt? Keineswegs.

Das Urteil der Kir­che über die Über­na­tür­lich­keit von Phä­no­me­nen konn­te bis vor kur­zem in drei For­men aus­fal­len, die bereits genannt wurden:

  • cons­tat de super­na­tu­ra­li­ta­te (die Über­na­tür­lich­keit steht fest) – posi­ti­ves Urteil;
  • non cons­tat de super­na­tu­ra­li­ta­te (die Über­na­tür­lich­keit steht nicht fest) – abwartendes/​vorsichtig nega­ti­ves Urteil;
  • cons­tat de non super­na­tu­ra­li­ta­te (die Nicht-Über­na­tür­lich­keit steht fest – nega­ti­ves Urteil.

Mit der Noti­fi­ka­ti­on der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on von 1974 wur­de das abwartende/​vorsichtig nega­ti­ve Urteil des Bischofs von Haar­lem für „begrün­det” erklärt. Das ist für David Mur­gia das „Schock­do­ku­ment des Vati­kans“. Ist es natür­lich nicht, als Mit­glied der Päpst­li­chen Maria­ni­schen Aka­de­mie ist ihm die Noti­fi­ka­ti­on seit lan­gem bekannt. War­um also das Theater?

Ab 1978 wur­den neue Richt­li­ni­en für die Beur­tei­lung der Über­na­tür­lich­keit erar­bei­tet, aber erst 2012 ver­öf­fent­licht. Dar­in wur­den die drei mög­li­chen Bewer­tun­gen auf zwei redu­ziert. Was mehr Klar­heit schaf­fen soll­te, erreich­te es nicht unbe­dingt, denn aus­ge­rech­net das bis­her ein­deu­tig nega­ti­ve Urteil wur­de fal­len­ge­las­sen. In den neu­en Richt­li­ni­en gibt es nur mehr die Bewer­tun­gen „cons­tat de super­na­tu­ra­li­ta­te” und „non cons­tat de super­na­tu­ra­li­ta­te”. Das bis­her abwar­ten­de Urteil wur­de zum nega­ti­ven Urteil. Auf die genaue Neu­ge­wich­tung und die Fra­ge des Fort­be­stehens der drit­ten Bewer­tungs­mög­lich­keit soll an die­ser Stel­le nicht ein­ge­gan­gen werden.

Rückwirkende Neubewertung?

Es wur­de in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auf der Grund­la­ge der neu­en, nur mehr zwei­stu­fi­gen Richt­li­ni­en ver­sucht, das 1974 von der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on als „begrün­det” erklär­te, abwar­ten­de Urteil des Bischofs von Haar­lem von 1956 als ein­deu­tig nega­ti­ves Urteil dar­zu­stel­len. Eine sol­che rück­wir­ken­de Umdeu­tung ist aller­dings unzulässig.

Zudem sind im Fall Amster­dam zwei wei­te­re Aspek­te zu nennen. 

Da ist ein­mal die schwer ver­ständ­li­che Fra­ge, wel­chen Sinn Urtei­le haben soll­ten, die nicht ver­öf­fent­licht wer­den. Soviel zur heu­te von eini­gen ver­tre­te­nen Annah­me, die Ent­schei­dung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on von 1974 sei ein ein­deu­tig nega­ti­ves Urteil gewe­sen, also („cons­tat de non super­na­tu­ra­li­ta­te“), habe also die noch abwar­ten­de Ent­schei­dung des Bischofs von Haar­lem zu einem nega­ti­ven Urteil ver­schärft. Ein sol­cher Hin­weis fin­det sich erst 38 Jah­re spä­ter in einer Fuß­no­te der gedruck­ten Fas­sung eines Vor­trags von Msgr. Charles Sci­clu­na von 2008, der damals Pro­mo­tor Ius­ti­tiae der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on war. Msgr. Sci­clu­na, Mal­te­ser wie der Apo­sto­li­sche Nun­ti­us für den Liba­non und inzwi­schen Erz­bi­schof von Mal­ta, wur­de 2018 von Papst Fran­zis­kus unter Bei­be­hal­tung sei­nes Amtes als Diö­ze­san­bi­schof zum bei­geord­ne­ten Sekre­tär der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ernannt.

Das Amster­da­mer Gnadenbild.

Zum ande­ren kam es seit der Noti­fi­ka­ti­on von 1974 zu einem drit­ten Urteil. Nach dem abwar­ten­den Urteil des Orts­bi­schofs von 1956 („non cons­tat de super­na­tu­ra­li­ta­te”, die Über­na­tür­lich­keit steht nicht fest), das von der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on 1974 bestä­tigt wur­de, denn ein ande­res, ein nega­ti­ves Urteil („cons­tat de non super­na­tu­ra­li­ta­te“) fin­det sich in der Noti­fi­ka­ti­on ja nicht, sprach der für Amster­dam zustän­di­ge Orts­bi­schof von Haar­lem, Msgr. Jozef Maria­nus Punt, am 31. Mai 2002 ein posi­ti­ves Urteil aus („cons­tat de super­na­tu­ra­li­ta­te”, die Über­na­tür­lich­keit steht fest). Wört­lich urteil­te er:

„In Anbe­tracht aller Gut­ach­ten, Zeug­nis­se und Ent­wick­lun­gen und nach­dem ich alles im Gebet und in theo­lo­gi­scher Refle­xi­on erwo­gen habe, führt mich dies zur Fest­stel­lung, dass in den Erschei­nun­gen von Amster­dam ein über­na­tür­li­cher Ursprung vorliegt.“

Die Aner­ken­nung der Mari­en­er­schei­nun­gen durch den Bischof von Haar­lem wur­de von der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on seit­her nicht bean­stan­det. Aller­dings wur­de 2005 eine Kor­rek­tur des Gebets der „Frau aller Völ­ker” gefordert.

Miß­ver­ständ­lich bleibt in die­sem Zusam­men­hang ein Hin­weis im Schrei­ben des Apo­sto­li­schen Nun­ti­us an Patri­arch Raï, der zeigt, daß die Klä­rung zu Fra­gen der Über­na­tür­lich­keit immer kom­plex ist. Msgr. Spi­te­ri erwähnt das Schrei­ben der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on an die Phil­ip­pi­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz von 2005 mit der Auf­for­de­rung, eine von der Erschei­nung in Amster­dam mehr­fach gemach­te Aus­sa­ge, wonach die „Frau aller Völ­ker” „einst” „Maria war”, aus einem Gebet zu til­gen, ent­hal­te dar­über „nichts, was auf eine geän­der­te Beur­tei­lung den­ken las­sen könn­te“ als jene von 1974. Zu die­sem Zeit­punkt hat­te der Bischof von Haar­lem die Erschei­nun­gen bereits seit drei Jah­ren aner­kannt. Das Gebet der „Frau aller Völ­ker” wur­de 2006 tat­säch­lich kor­ri­giert und von Bischof Punt aner­kannt: Die For­mel „die einst Maria war”, pri­mä­rer Stein des Ansto­ßes, wur­de durch „die seli­ge Jung­frau Maria” ersetzt.

Versuch, die kirchliche Anerkennung zu kippen

Und natür­lich geht es um Kir­chen­po­li­tik: Appa­ri­tio­ni­sten und Anti-Appa­ri­tio­ni­sten ste­hen sich eben­so gegen­über wie Kon­ser­va­ti­ve und Pro­gres­si­ve. Von Med­jug­or­je und ande­ren Fäl­len ist bekannt, wie erbit­tert die­ser Kon­flikt sein kann. In die­sem Kon­text ist auch Mur­gi­as Vor­stoß zu sehen. Hin­ter ihm ste­hen inner­kirch­li­che Krei­se, die sich an der kirch­li­chen Aner­ken­nung der „Frau aller Völ­ker“ sto­ßen und die­se kip­pen möchten. 

Auf der ande­ren Sei­te steht bei­spiels­wei­se eine inter­na­tio­na­le, von den USA aus­ge­hen­de, von Mark Mira­val­le geführ­te Bewe­gung namens Vox Popu­li Mariae Media­tri­ci. Sie bemüht sich um die Pro­kla­ma­ti­on eines neu­en, fünf­ten Mari­en­dog­mas mit den drei Titeln „Mit­erlö­se­rin”, „Mitt­le­rin” und „Für­spre­che­rin”, wie es von den Erschei­nun­gen in Amster­dam gewünscht wur­de. Ent­spre­chen­de Bemü­hun­gen wur­den 1997 mit der „Erklä­rung von Tschen­sto­ch­au” durch eine auf dem Inter­na­tio­na­len Mario­lo­gi­schen Kon­greß gebil­de­te Kom­mis­si­on, angeb­lich in Rück­spra­che mit der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, gebremst. Der Weg führt also zur Pon­ti­fi­cia Aca­de­mia Maria­na Inter­na­tio­na­lis, der Mur­gia ange­hört. Die­se Kom­mis­si­on wies die drei Titel als „miß­ver­ständ­lich” und „öku­me­nisch pro­ble­ma­tisch” zurück.

Abge­se­hen davon, daß der genann­ten Kom­mis­si­on kei­ne lehr­amt­li­che Auto­ri­tät zukommt, wer­den im gläu­bi­gen Volk sol­che Aus­sa­gen eher bearg­wöhnt als begrüßt. Dar­in wer­den, teils nicht zu unrecht, kir­chen­po­li­ti­sche Moti­va­tio­nen gese­hen. Anti-maria­ni­sche Strö­mun­gen in der Kir­che, im deut­schen Sprach­raum vor allem im Bereich der theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten, des Ver­band­s­ka­tho­li­zis­mus und diö­ze­saner Appa­rat­schiks sind eben­so bekannt wie dar­über hin­aus­ge­hen­de „öku­me­ni­sche” Bemü­hun­gen, die mit Blick auf den Pro­te­stan­tis­mus oder den Zeit­geist maria­ni­sche Anlie­gen für nicht „oppor­tun” hal­ten. Der Ver­dacht steht im Raum und wird von einem nicht uner­heb­li­chen Teil der Gläu­bi­gen – nicht immer begrün­det, aller­dings auch nicht immer unbe­grün­det – geglaubt.

David Mur­gi­as Schlag­zei­le: „Die Amster­da­mer Erschei­nun­gen sind falsch. Die Mut­ter­got­tes aller Völ­ker darf nicht ver­ehrt werden.“

Tagles Bremsen

Noch ein Schritt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ist zu erwäh­nen. Bei ihrem Ad-Limi­na-Besuch 2010 erhiel­ten phil­ip­pi­ni­sche Bischö­fe auf Anfra­ge von der Kon­gre­ga­ti­on die Aus­kunft, daß ein Mari­en­dog­ma über die Mitt­ler­schaft für die Zukunft nicht aus­ge­schlos­sen sei. Die For­de­rung nach einem Dog­ma für gleich drei Titel, wie in Amster­dam gewünscht, sei aber nicht zu befürworten.

2011 schrieb die Glau­bens­kom­mis­si­on der Phil­ip­pi­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz unter der Lei­tung von Luis Anto­nio Tag­le, Mit­ar­bei­ter der pro­gres­si­ven Schu­le von Bolo­gna, damals Bischof von Imus, dann Erz­bi­schof von Mani­la, seit 2012 Kar­di­nal und seit Febru­ar 2020 Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on für die Evan­ge­li­sie­rung der Völ­ker, zu Amsterdam:

„Das Urteil des Hei­li­gen Stuh­les steht fest: Der über­na­tür­li­che Cha­rak­ter der angeb­li­chen Erschei­nun­gen unse­rer Lie­ben Frau ist nicht veri­fi­zier­bar. Selbst wenn die Fröm­mig­keit gegen­über unse­rer Lie­ben Frau unter die­sem Titel [die Frau aller Völ­ker] und der Gebrauch des modi­fi­zier­ten Gebe­tes Men­schen hel­fen mag, so soll­ten wir den Hin­weis ver­mei­den, dass die Kir­che die Erschei­nun­gen als echt beur­teilt habe.“1

Fest steht, daß es in Tei­len der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on Beden­ken gegen­über den Amster­da­mer Erschei­nun­gen gibt.

Welche Klarheit haben die Gläubigen?

Auf wel­che Klar­heit kön­nen sich die Gläu­bi­gen im kon­kre­ten Fall also ver­las­sen? Letzt­lich auf die Aner­ken­nung durch den Bischof von Haar­lem-Amster­dam, wie das Bis­tum seit 2008 heißt, da es das jüng­ste und ein­deu­tig­ste Urteil ist. Die­se Ent­schei­dung ist öffent­lich, offi­zi­ell und am wei­test­ge­hen­den. Der Rest ist ein etwas selt­sa­mes Her­um­sto­chern hin­ter den Kulissen.

Um es noch anders zu sagen: Wenn eine Grup­pe von Offi­zia­len und Mario­lo­gen mit einer gewis­sen Ent­wick­lung nicht über­ein­stimmt, ob berech­tigt oder unbe­rech­tigt, sei dahin­ge­stellt, soll­te sie viel­leicht ande­re Wege suchen, um dies inner­kirch­lich kund­zu­tun, nicht aber durch das Lan­cie­ren rei­ße­risch auf­ge­mach­ter Arti­kel, die mehr Ver­wir­rung stif­ten als Klar­heit schaf­fen, oder durch unter­schwel­li­gen Boykott.

Es dürf­te auch kein Zufall sein, das Nun­tia­tur­schrei­ben im Liba­non hin oder her, daß David Mur­gi­as Vor­stoß kei­ne drei Mona­te nach der gesund­heits­be­ding­ten Eme­ri­tie­rung von Bischof Punt erfolgte.

Klar­heit soll­te anders aussehen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild:de-vrouwe.info (Screen­shots)


1 Zitiert nach Man­fred Hau­ke in Theo­lo­gi­sches.

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