von S. Ex. Bischof Athanasius Schneider*
In den letzten Jahrzehnten haben nicht nur erklärte Modernisten, sondern auch Theologen und Gläubige, die die Kirche lieben, eine Haltung gezeigt, die ähnlich ist einer blinden Verteidigung von allem, was vom Zweiten Vatikanischen Konzil gesagt wurde. Eine solche Einstellung schien manchmal echte mentale Akrobatik und eine „Quadratur des Kreises“ zu erfordern. Auch jetzt entspricht die allgemeine Mentalität guter Katholiken einer Haltung, die de facto besagt, dass alles, was das Zweite Vatikanische Konzil gesagt hat oder was der derzeitige Papst sagt oder tut, unfehlbar sei. Diese Art von ungesundem Papstzentrismus war in den letzten zwei Jahrhunderten bereits seit mehreren Generationen bei Katholiken vorhanden. Und doch waren respektvolle Kritik und sachliche theologische Debatten in der großen Tradition der Kirche immer präsent und erlaubt, da wir nach der Wahrheit und Treue zur göttlichen Offenbarung und zur ständigen Tradition der Kirche suchen sollten, was an sich den Gebrauch der Vernunft und Rationalität impliziert und geistige Akrobatik vermeidet. Einige Erklärungen bestimmter offensichtlich mehrdeutiger und irreführender Ausdrücke in den Konzilstexten scheinen künstlich und nicht überzeugend, insbesondere wenn man über sie im Lichte der ungebrochenen und beständigen Lehre der Kirche auf intellektuell ehrlichere Weise reflektiert.
Instinktiv wurde jedes vernünftige Argument unterdrückt, das selbst im Geringsten einen Ausdruck oder ein Wort in den Konzilstexten in Frage stellen könnte. Eine solche Haltung ist jedoch nicht gesund und widerspricht der großen Tradition der Kirche, wie wir bei den Kirchenvätern, Kirchenlehrern und großen Theologen der Kirche im Laufe von zweitausend Jahren beobachten. Eine andere Meinung als die, die das Konzil von Florenz in Bezug auf das Weihesakrament, d. h. die traditio instrumentorum, lehrte, wurde in den Jahrhunderten nach diesem Konzil zugelassen und führte zu der Erklärung von Papst Pius XII. in der Apostolischen Konstitution Sacramentum Ordinis von 1947, wonach er die nicht unfehlbare Lehre des Konzils von Florenz korrigierte, indem er feststellte, dass die einzige Materie, die für die Gültigkeit des Weihesakraments unbedingt erforderlich ist, die Handauflegung durch den Bischof ist. Mit diesem Akt setzte Pius XII. keine Hermeneutik der Kontinuität um, sondern eine Korrektur, da die Lehre des Konzils von Florenz in dieser Angelegenheit nicht die ständige Lehre und liturgische Praxis der Universalkirche widerspiegelte. Bereits im Jahr 1914 schrieb Kardinal W. M. van Rossum über die Aussage des Konzils von Florenz in Bezug auf das Weihesakrament, dass diese Lehre des Konzils reformierbar sei und sogar aufgegeben werden müsse (vgl. De essentia sacramenti ordinis, Freiburg 1914, S. 186). In diesem konkreten Fall war also kein Platz für eine Hermeneutik der Kontinuität.
Wenn das päpstliche Lehramt oder ein Ökumenisches Konzil nicht unfehlbare Lehren früherer Ökumenischer Konzile korrigiert haben (was selten geschehen war), haben sie durch diese Akte weder die Grundlagen des katholischen Glaubens untergraben noch das Lehramt von morgen gegen das von heute aufgestellt, wie es die Geschichte bewiesen hat. Mit einer Bulle vom Jahr 1425 bestätigte Martin V. die Dekrete des Konstanzer Konzils und sogar das Dekret „Frequens“ der 39. Sitzung (1417). Dieses Dekret bestätigt den Irrtum des Konziliarismus, d. h. den Irrtum, dass das Konzil über dem Papst steht. Im Jahre 1446 erklärte sein Nachfolger, Papst Eugen IV., jedoch, dass er die Dekrete des Ökumenischen Konzils von Konstanz akzeptierte, mit Ausnahme derjenigen (Sitzungen 3–5 und 39), die „die Rechte und den Vorrang des Apostolischen Stuhls beeinträchtigen“ (absque tamen praeiudicio iuris, dignitatis et praeeminentiae Sedis Apostolicae). Das Dogma des Ersten Vatikanums über den päpstlichen Primat verwarf dann endgültig den konziliaristischen Irrtum des Ökumenischen Konzils von Konstanz. Wie bereits erwähnt, korrigierte Papst Pius XII. den Irrtum des Ökumenischen Konzils von Florenz in Bezug auf das Weihesakrament. Die Grundlagen des Glaubens wurden durch diese seltenen Akte der Korrektur früherer Aussagen des nicht unfehlbaren Lehramtes nicht untergraben, gerade weil diese konkreten Aussagen (z. B. der Konzile von Konstanz und Florenz) nicht unfehlbar waren.
Einige Ausdrücke in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils lassen sich nicht so leicht mit der ständigen Lehrtradition der Kirche vereinbaren. Beispiele hierfür sind bestimmte Äußerungen des Konzils:
- zum Thema Religionsfreiheit (verstanden als natürliches Recht und daher von Gott positiv gewollt, eine falsche Religion zu praktizieren und zu verbreiten, zu der auch Götzendienst oder noch Schlimmeres gehören kann);
- die Unterscheidung zwischen der Kirche Christi und der katholischen Kirche (das Problem des „subsistit in“ erweckt den Eindruck, dass zwei Realitäten existieren: einerseits die Kirche Christi und andererseits die katholische Kirche);
- und die Haltung gegenüber nichtchristlichen Religionen und der modernen Welt.
Obwohl die Kongregation für die Glaubenslehre in ihren Antworten auf einige Fragen zu bestimmten Aspekten der Lehre über die Kirche (29. Juni 2007) eine Erklärung des Ausdrucks „subsistit in“ gab, vermied sie es leider, klar zu sagen, dass die Kirche Christi wirklich die katholische Kirche ist. Das heißt, es wurde vermieden, die Identität zwischen der Kirche Christi und der katholischen Kirche explizit auszusagen. In der Tat bleibt damit eine Nuance der Unbestimmtheit.
Es gibt auch eine Haltung, die a priori alle möglichen Einwände gegen die oben genannten strittigen Aussagen in den Konzilstexten zurückweist. Stattdessen wird als einzige denkbare Lösung die Methode der „Hermeneutik der Kontinuität“ vorgestellt. Leider werden Zweifel über theologische Probleme, die mit diesen Konzilserklärungen verbunden sind, nicht ernst genommen. Wir müssen immer daran denken, dass das oberste Ziel des Konzils pastoralen Charakter hatte und dass das Konzil nicht beabsichtigte, seine eigenen endgültigen Lehren vorzulegen.
Die Äußerungen der Päpste vor dem Konzil, auch im 19. und 20. Jahrhundert, spiegeln ihre Vorgänger und die ständige Tradition der Kirche ungebrochen wider. Die Päpste des 19. und 20. Jahrhunderts, also nach der Französischen Revolution, stellen im Vergleich zur zweitausendjährigen Tradition der Kirche keine „exotische“ Periode dar. Man konnte keinen Bruch in den Lehren dieser Päpste in Bezug auf das vorherige Lehramt feststellen. Zum Beispiel kann man in Bezug auf das Thema des sozialen Königtums Christi und der objektiven Falschheit nichtchristlicher Religionen keinen wahrnehmbaren Bruch feststellen zwischen den Lehren der Päpste Gregor XVI. bis Pius XII. einerseits und der Lehre von Papst Gregor dem Großen (6. Jahrhundert) und seinen Vorgängern und Nachfolgern andererseits. Man kann wirklich eine durchgehende Linie ohne Bruch von der Zeit der Kirchenväter bis zu Pius XII. sehen, insbesondere zu Themen wie dem sozialen Königtum Christi, der Religionsfreiheit und der Ökumene in dem Sinne, dass es ein natürliches Recht gibt, das von Gott positiv gewollt ist, nur die eine wahre Religion zu praktizieren, die der katholische Glaube ist.
Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil bestand keine Notwendigkeit, kolossale Anstrengungen zu unternehmen und umfangreiche Studien vorzulegen, um die perfekte Kontinuität der Lehre zwischen einem Konzil und einem anderen, zwischen einem Papst und seinen Vorgängern zu belegen, da die Kontinuität offensichtlich war. Die Tatsache z. B., dass eine „Nota explicativa praevia“ für das Dokument Lumen Gentium erforderlich war, zeigt, dass der Text von Lumen Gentium in Nr. 22 in Bezug auf das Thema der Beziehung zwischen dem päpstlichem Primat und der bischöflicher Kollegialität nicht eindeutig ist. Dokumente des nachkonziliaren Lehramts, die die Glaubenslehre klärten, wie die Enzykliken Mysterium Fidei, Humanae Vitae und das “Credo des Gottesvolkes” von Papst Paul VI., waren von großem Wert und hilfreich, aber sie klärten die oben genannten zweideutigen Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht.
Vielleicht zwingt uns die heutige Krise mit Amoris Laetitia und dem Dokument von Abu Dhabi, diese Überlegungen zu vertiefen, um einige der oben genannten Konzilserklärungen zu klären oder zu korrigieren. In der Summa Theologiae präsentierte der heilige Thomas von Aquin immer Einwände („videtur quod“) und Gegenargumente („sed contra“). Der hl. Thomas war intellektuell sehr ehrlich. Man muss Einwände zulassen und sie ernst nehmen. Wir sollten seine Methode auf einige der kontroversen Punkte der Konzilstexte anwenden, die seit fast sechzig Jahren diskutiert werden. Die meisten Konzilstexte stehen in organischer Kontinuität mit dem vorherigen Lehramt. Letztendlich muss das päpstliche Lehramt die kontroversen Punkte einiger Ausdrücke in den Konzilstexten auf überzeugende Weise klarstellen. Bisher wurde dies nicht immer auf intellektuell ehrliche und überzeugende Weise getan. Wäre es notwendig, müsste ein Papst oder ein künftiges Ökumenisches Konzil Erklärungen (eine Art „notae explicativae posterae“) oder sogar Änderungen und Korrekturen der erwähnten kontroversen Aussagen machen, da sie vom Konzil nicht als unfehlbare und endgültige Lehre vorgelegt wurden, wie es Papst Paul VI. auch feststellte:
„Das Konzil vermied es, feierliche dogmatische Definitionen zu geben und die Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes in Anspruch zu nehmen“ (Generalaudienz, 12. Januar 1966).
Die Geschichte wird uns dies dann aus einem Abstand noch sagen. Wir sind nur fünfzig Jahre vom Konzil entfernt. Vielleicht werden wir es in weiteren fünfzig Jahren deutlicher sehen. Unter dem Gesichtspunkt der Tatsachen, der Beweise und aufs Ganze gesehen, brachte das Zweite Vatikanische Konzil jedoch keine wirkliche geistliche Blütezeit in das Leben der Kirche. Und selbst wenn es vor dem Konzil bereits Probleme im Klerus gab, müssen wir aus Gründen der Ehrlichkeit und Gerechtigkeit anerkennen, dass die moralischen, spirituellen und doktrinären Probleme des Klerus vor dem Konzil nicht in solch einem Ausmaß und nicht so intensiv vorhanden waren, wie sie es in der nachkonziliaren Zeit bis heute waren. In Anbetracht der Tatsache, dass es bereits vor dem Konzil Probleme gab, hätte das erste Ziel des Zweiten Vatikanischen Konzils genau darin bestehen müssen, möglichst klare, sogar anspruchsvolle Normen und Lehren zu erlassen, frei von jeglichen Zweideutigkeiten, wie dies bei allen Reformkonzilien der Vergangenheit der Fall war. Der Plan und die Absichten des Zweiten Vatikanischen Konzils waren in erster Linie pastoral, doch trotz seines pastoralen Ziels folgten katastrophale Folgen, die wir heute noch sehen. Natürlich hat das Konzil viele schöne und wertvolle Texte hervorgebracht. Die negativen Folgen und die im Namen des Konzils begangenen Missbräuche waren jedoch so stark, dass sie die positiven Elemente, die es gibt, überschatteten.
Das sind die positiven Elemente im Zweiten Vatikanum: Es war das erste Mal, dass ein Ökumenisches Konzil die Laien feierlich aufforderte, ihre Taufgelübde ernst zu nehmen, um nach Heiligkeit zu streben. Das Kapitel in Lumen Gentium über die Laien ist schön und tiefgreifend. Die Gläubigen sind aufgerufen, ihre Taufe und Firmung als mutige Zeugen des Glaubens in der säkularisierten Gesellschaft zu leben. Dieser Aufruf war prophetisch. Seit dem Konzil wurde dieser Aufruf an die Laien jedoch häufig vom progressistischen Establishment in der Kirche sowie von vielen Funktionären und Bürokraten missbraucht, die in kirchlichen Büros und Kanzleien arbeiteten. Oft waren die neuen Laienbürokraten (in bestimmten europäischen Ländern) selbst keine Zeugen, sondern trugen zur Zerstörung des Glaubens in den Pfarr- und Diözesanräten sowie in anderen offiziellen Komitees bei. Leider wurden diese Laienbürokraten oft von Geistlichen und Bischöfen in die Irre geführt.
Die nachkonziliare Zeit hat den Eindruck hinterlassen, dass eine der Hauptfrüchte des Konzils die Bürokratisierung war. Diese weltliche Bürokratisierung in den Jahrzehnten seit dem Konzil hat den geistigen und übernatürlichen Eifer in erheblichem Maße gelähmt, und anstelle des angekündigten Frühlings kam ein geistiger Winter. Bekannt und unvergesslich bleiben die Worte, mit denen Paul VI. den Zustand der geistlichen Gesundheit der Kirche nach dem Konzil ehrlich diagnostizierte:
„Wir dachten, dass nach dem Konzil ein Tag des Sonnenscheins für die Geschichte der Kirche kommen würde. Stattdessen ist ein Tag der Wolken, der Stürme, der Dunkelheit, der Suche und der Unsicherheit gekommen. Wir predigen Ökumene und entfernen uns immer mehr von den anderen. Wir versuchen, Abgründe zu graben, anstatt sie zu füllen“ (Predigt am 29. Juni 1972).
In diesem Zusammenhang war es insbesondere Erzbischof Marcel Lefebvre (obwohl er nicht der einzige war, der dies tat), der in großem Umfang und mit einem Freimut ähnlich dem einiger der großen Kirchenväter damit begann, gegen die in der Kirche stattfindende Verwässerung des katholischen Glaubens zu protestieren, insbesondere auch gegen die Verwässerung des Opfercharakters und der Erhabenheit des Ritus der Heiligen Messe, die selbst von hochrangigen Autoritäten des Heiligen Stuhls unterstützt oder zumindest toleriert wurde. In einem Brief an Papst Johannes Paul II. zu Beginn seines Pontifikats beschrieb Erzbischof Lefebvre realistisch und treffend in einer kurzen Zusammenfassung das wahre Ausmaß der Krise in der Kirche. Man ist immer wieder beeindruckt von der Klarheit und dem prophetischen Charakter der folgenden Aussagen:
„Die Flut von Neuheiten in der Kirche, die vom Episkopat akzeptiert und gefördert wird, eine Flut, die alles auf ihrem Weg verwüstet – Glaube, Moral, die Institutionen der Kirche – konnte das Vorhandensein eines Widerstandes nicht tolerieren. Wir hatten dann die Wahl, uns von der verheerenden Strömung mitreißen zu lassen und die Katastrophe zu verstärken oder Wind und Wellen zu widerstehen, um unseren katholischen Glauben und das katholische Priestertum zu schützen. Wir konnten nicht zögern. Die Ruinen der Kirche nehmen zu: Atheismus, Unmoral, Verlassenheit der Kirchen, Verschwinden der Priester- und Ordensberufungen führen dazu, dass die Bischöfe allmählich aufgeweckt werden“ (Brief vom 24. Dezember 1978).
Wir erleben jetzt den Höhepunkt der geistigen Katastrophe im Leben der Kirche, auf die Erzbischof Lefebvre bereits vor vierzig Jahren so energisch hingewiesen hat.
Bei der Annäherung an Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und seinen Dokumenten muss man gekünstelte Interpretationen und die Methode der „Quadratur des Kreises“ vermeiden, wobei natürlich der gebührende Respekt und der kirchliche Sinn (sentire cum ecclesia) gewahrt bleiben müssen. Das Prinzip der „Hermeneutik der Kontinuität“ kann nicht blind angewendet werden, um offensichtlich bestehende Probleme zweifelsfrei zu beseitigen oder ein Bild der Harmonie zu schaffen, während aber gleichzeitig in der Hermeneutik der Kontinuität Schatten der Unbestimmtheit dennoch verbleiben. In der Tat würde ein solcher Ansatz künstlich und nicht überzeugend die Botschaft vermitteln, dass jedes Wort des Zweiten Vatikanischen Konzils von Gott inspiriert, unfehlbar und in perfekter Lehrkontinuität mit dem vorherigen Lehramt ist. Eine solche Methode würde gegen die Vernunft, die Beweise und die Ehrlichkeit verstoßen und der Kirche nicht zur Ehre gereichen, denn früher oder später (vielleicht nach hundert Jahren) wird die Wahrheit so gesagt, wie sie wirklich ist. Es gibt Bücher mit dokumentierten und überprüfbaren Quellen, die historisch realistischere und wahrhaftigere Einblicke in die Fakten und Konsequenzen des Zweiten Vatikanischen Konzils selbst, der Erarbeitung seiner Dokumente und des Prozesses der Interpretation und Anwendung seiner Reformen in den letzten fünf Jahrzehnten bieten. Man kann zum Beispiel die folgenden Bücher empfehlen, die mit Gewinn gelesen werden könnten:
- Romano Amerio, Iota Unum: Eine Studie über Veränderungen in der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert (1996);
- Roberto de Mattei, Das Zweite Vatikanische Konzil: Eine bislang ungeschriebene Geschichte (2010);
- Alfonso Gálvez, Ecclesiastical Winter (Der kirchliche Winter) (2011).
Diese Punkte – die allgemeine Berufung zur Heiligkeit, die Rolle der Laien bei der Verteidigung und dem Zeugnis des Glaubens, die Familie als Hauskirche und die Lehre über die Muttergottes – können als die wirklich positiven und dauerhaften Beiträge des Zweiten Vatikanischen Konzils angesehen werden.
Das Lehramt war in den letzten 150 Jahren mit einer ungesunden Papolatrie so überladen, dass eine Atmosphäre entstand, in der, statt Christus und seinem Mystischen Leib, den Männern der Kirche eine zentrale Rolle zugeschrieben wurde, was wiederum versteckter Anthropozentrismus ist. Nach der Sicht der Kirchenväter ist die Kirche nur der Mond (mysterium lunae) und Christus die Sonne. Das Konzil war leider eine Darstellung eines sehr seltenen „Magisteriozentrismus“, da er durch das enorme Volumen seiner langatmigen Dokumente alle anderen Konzilien weit übertraf. Das Konzil gab jedoch eine schöne Beschreibung dessen, was das Lehramt ist, eine Beschreibung, die in der Geschichte der Kirche noch nie zuvor gegeben worden war. Sie findet sich in Dei Verbum, Nr. 10, wo geschrieben steht:
„Das Lehramt steht nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm.“
Mit „Magisteriozentrismus“ soll hier gemeint sein, dass die menschlichen und administrativen Elemente – insbesondere die exzessive und kontinuierliche Produktion von Dokumenten und häufige Diskussionsforen (unter dem Motto „Synodalität“) – in den Mittelpunkt des kirchlichen Lebens gestellt wurden. Obwohl die Hirten der Kirche das munus docendi immer eifrig ausüben müssen, hat sich die Inflation von Dokumenten und oft von langwierigen Dokumenten als erstickend erwiesen. Weniger zahlreiche, kürzere und präzisere Dokumente hätten eine bessere Wirkung gehabt.
Ein eindrucksvolles Beispiel für den ungesunden „Magisteriozentrismus“, bei dem sich Vertreter des Lehramtes nicht als Diener, sondern als Herren der Tradition verhalten, ist die liturgische Reform von Papst Paul VI. In gewisser Weise stellte sich Paul VI. über die Tradition – nicht die dogmatische Tradition (lex credendi), sondern die große liturgische Tradition (lex orandi). Paul VI. wagte es, eine wahre Revolution in der lex orandi zu beginnen. Und bis zu einem gewissen Grad handelte er gegen die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils in Dei Verbum, Nr. 10, die besagt, dass das Lehramt nur der Diener der Tradition ist. Wir müssen Christus in den Mittelpunkt stellen. Er ist die Sonne: das Übernatürliche, die Beständigkeit der Lehre und der Liturgie und alle Wahrheiten des Evangeliums, die Christus uns gelehrt hat.
Durch das Zweite Vatikanische Konzil und bereits mit Papst Johannes XXIII. begann die Kirche, sich der Welt zu präsentieren, mit der Welt zu flirten und einen Minderwertigkeitskomplex gegenüber der Welt zu zeigen. Doch die Geistlichen, insbesondere die Bischöfe und der Heilige Stuhl, haben die Aufgabe, Christus der Welt zu zeigen – nicht sich selbst. Das Zweite Vaticanum gab den Eindruck, dass die katholische Kirche begonnen hat, die Welt um Sympathie zu betteln. Dies setzte sich in den nachkonziliaren Pontifikaten fort. Die Kirche bettelt um Sympathie und Anerkennung der Welt. Dies ist ihrer unwürdig und wird nicht die Achtung derer verdienen, die wirklich Gott suchen. Wir müssen Christus, Gott, den Himmel um Sympathie bitten.
Einige, die das Zweite Vatikanische Konzil kritisieren, sagen, dass es, obwohl es gute Aspekte hat, wie ein Kuchen mit etwas Gift ist, und deshalb muss der ganze Kuchen weggeworfen werden. Ich glaube nicht, dass wir dieser Methode folgen können, noch der Methode, „das Kind mit dem Bad auszuschütten“. In Bezug auf ein rechtmäßiges Ökumenisches Konzil müssen wir, auch wenn es negative Punkte gab, die allgemeine Haltung des Respekts beibehalten. Wir müssen alles bewerten und wertschätzen, was in den Konzilstexten wahr und wirklich gut ist, ohne die Augen der Vernunft irrational und unehrlich vor dem zu verschließen, was in einigen Texten objektiv und offensichtlich mehrdeutig und sogar irreführend ist. Man muss immer daran denken, dass die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils weder das inspirierte Wort Gottes sind noch endgültige dogmatische Urteile oder unfehlbare Verlautbarungen des Lehramtes, weil das Konzil selbst diese Absicht nicht hatte.
Ein weiteres Beispiel ist Amoris Laetitia. Es gibt sicherlich viele Punkte, die wir objektiv und doktrinär kritisieren müssen. Es gibt jedoch einige Abschnitte, die sehr hilfreich und für das Familienleben sehr gut sind, z. B. über ältere Menschen in der Familie. An sich sind sie sehr gut. Man sollte nicht das gesamte Dokument ablehnen, sondern daraus nehmen, was gut ist. Gleiches gilt für die Texte des Konzils.
Obwohl alle vor dem Konzil den von Papst Pius X. vorgeschriebenen antimodernistischen Eid ablegen mussten, taten dies einige Theologen, Priester, Bischöfe und sogar Kardinäle mit geistigen Vorbehalten, wie spätere historische Fakten es gezeigt haben.
Mit dem Pontifikat von Benedikt XV. begann eine langsame und vorsichtige Infiltration der Geistlichen mit einem weltlichen und teilweise modernistischen Geist in hohe Positionen in der Kirche. Diese Infiltration nahm insbesondere unter Theologen zu, so dass Papst Pius XII. später eingreifen musste, indem er bekannte Theologen der sogenannten „Nouvelle Théologie“ (Chenu, Congar, De Lubac usw.) verurteilte und 1950 die Enzyklika Humani generis veröffentlichte. Dennoch war die modernistische Bewegung ab dem Pontifikat von Benedikt XV. latent und wuchs stetig. Und so war am Vorabend des Zweiten Vatikanischen Konzils ein beträchtlicher Teil des Episkopats und der Professoren der Theologischen Fakultäten und Seminare von einer modernistischen Mentalität durchdrungen, die im Wesentlichen in doktrinärem und moralischem Relativismus und in der Weltlichkeit, in der Liebe zur Welt, besteht. Am Vorabend des Konzils liebten diese Kardinäle, Bischöfe und Theologen die „Form“ – das Gedankenmuster – der Welt (vgl. Röm 12,2), sie wollten der Welt gefallen (vgl. Gal 1,10). Sie zeigten einen klaren Minderwertigkeitskomplex gegenüber der Welt.
Papst Johannes XXIII. zeigte auch eine Art Minderwertigkeitskomplex gegenüber der Welt. In seinem Denken war er kein Modernist, aber er hatte eine eigene politische Sicht auf die Welt und bat die Welt seltsamerweise um Sympathie. Er hatte sicherlich gute Absichten. Er berief das Konzil ein, das dann das Schleusentor für die modernistische, protestantisierende und weltlich gesinnte Bewegung innerhalb der Kirche öffnete. Sehr bedeutsam ist die folgende treffende Beobachtung, die Charles de Gaulle, Präsident von Frankreich von 1959 bis 1969, in Bezug auf Papst Johannes XXIII. und den mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil begonnenen Reformprozess gemacht hat:
„Johannes XXIII. öffnete die Schleusen und konnte sie nicht wieder schließen. Es war, als wäre ein Damm gebrochen. Johannes XXIII. wurde von dem, was er auslöste, überwältigt“ (siehe Alain Peyrefitte, C’était de Gaulle, Paris 1997, Bd. 2, S. 19).
Die Rede vom „Öffnen der Fenster“ vor und während des Konzils war eine irreführende Illusion und ein Grund zur Verwirrung. Durch diese Worte bekamen die Menschen den Eindruck, dass der Geist einer ungläubigen und materialistischen Welt, der zu dieser Zeit deutlich zu erkennen war, einige positive Werte für das christliche Leben vermitteln könnte. Stattdessen hätten die Autoritäten der Kirche in jenen Zeiten ausdrücklich die wahre Bedeutung der Worte „Öffnen der Fenster“ erklären müssen, die darin besteht, das Leben der Kirche zu öffnen für die frische Luft der Schönheit der göttlichen Wahrheit, für die Schätze der immerfrischen Heiligkeit, für das übernatürliche Licht des Heiligen Geistes und der Heiligen, für eine Liturgie, die mit einem immer übernatürlicheren, heiligeren und ehrfürchtigeren Sinn gefeiert und gelebt wird. Im Laufe der Zeit, während der nachkonziliaren Ära, gab das teilweise geöffnete Schleusentor einer katastrophalen Flut Platz, die enorme Schäden in Lehre, Moral und Liturgie verursachte. Heute erreicht das eingedrungene Hochwasser gefährliche Werte. Wir erleben jetzt den Höhepunkt der Flutkatastrophe.
Heutzutage wurde der Schleier gelüftet und der Modernismus hat sein wahres Gesicht offenbart, das darin besteht, Christus zu verraten und ein Freund der Welt zu werden, indem man sich ihre Denkweise aneignet. Sobald die Krise in der Kirche vorbei ist, wird das Lehramt der Kirche die Aufgabe haben, alle negativen Phänomene zurückzuweisen, die in den letzten Jahrzehnten im Leben der Kirche aufgetreten sind. Und die Kirche wird dies tun, weil sie göttlich ist. Sie wird es genau tun und alle Irrtümer korrigieren, die sich angesammelt haben, beginnend mit einigen mehrdeutigen Ausdrücken in den Konzilstexten.
Der Modernismus ist wie ein verborgenes Virus, das teilweise in einigen Aussagen des Konzils verborgen ist und das sich jetzt manifestiert hat. Nach der Krise, nach der schweren geistigen Virusinfektion, werden die Klarheit und Genauigkeit der Lehre, die Heiligkeit der Liturgie und die Heiligkeit des Priesterlebens heller leuchten.
*Msgr. Athanasius Schneider, Weihbischof im Erzbistum der Allerheiligsten Jungfrau Maria zu Astana.
Bild: MiL/veritasliberabitvos.info
Es ist mir ein Anliegen S.Ex. Athanasius Schneider für diesen Artikel zu danken. Als Primaner hebe ich von der Einberufung des Konzils gehört. Ich konnte nicht verstehen, dass ein Papst drei Monate nach seiner Wahl, also vollkommen unvorbereitet, eine solch wichtige Kirchenversammlung mit Lehrkompetens für die Kirche einberuft. Diese Frage ist bis heute für mich unbeantwortet geblieben. Eine weitere ist dazugekommen, was bewegte einen Papst, der ob seiner vorausgehenden Tätigkeit kein ausgewiesener Theologe, sondern Diplomat war, in so kurzer Zeit eine Kirchenversammlung mit großen Folgen für die Kirche und den Glauben einzuberufen. Welch Fragen hatte Johannes XXIII., die er bei der Ankündigung des Konzils nicht aussprechen konnte oder wollte. Diese Fragen hatte ich mit knapp 19 Jahren und die habe ich auch mit 80 Jahren. In einem Gespräch mit seinem Kardinalstaatssekretär Tardini sagte er, er berufe ein Konzil ein, um der Welt ein Beispiel zu geben für Frieden und Eintracht unter den Menschen und einen Anlass zu neuer Hoffnung. Ach dieser Satz ist schwer verständlich, da die Kirche selbst in ihrer Botschaft sich schon immer als Anlass der permanennten Hoffnung für die Menschen gesehen hat. Eines war aber nach diesen Worten klar, das Konzil galt nicht der Erweiterung des Blickes auf Gott, dem Kultus Dei, sondern dem Menschen. Sein Anliegen beschrieb Johannes XXIII. als „Aggiornamento“ (oder „Verheutigung“ der kirchlichen Botschaft). Unbeantwortet ließ er die offen gebliebenen Fragen des 1.vatikanischen Konzils, das aufgrund des Krieges nie abgeschlossen wurde.
Es gibt eine Aussage von Johannes XXIII selbst zu dieser Frage. Er war im Gespräch mit seinem Kardinalstaatsekretär Tardini:„Plötzlich war unsere Seele von einer großen Idee erleuchtet […] Unsere Stimme sprach es zum erstenmal aus: Ein Konzil“
Ich denke hier spricht der Papst, wie damals üblich im Plural von der eigenen Person.
„Ich denke hier spricht der Papst, wie damals üblich im Plural von der eigenen Person.“
Genau so ist es. Und wenn man seine Konzilseröffnungsrede sich zu Gemüte führt wo er die Katholiken die sich Sorgen um die Kirche machen als Eiferer bezeichnet denen das rechte Verständnis fehlt, dann weiss man das sie irgendetwas von Anfang an vorhatten. Und dieses Konzil kann man als Blinder an seinen Früchten erkennen.
Per Mariam ad Christum,
Empfehlung der Vortrag von Dr gregorius Hesse / Die Zerstörung der Kirche von innen / der krimi um das 2 vatikanische Konzil auf Youtube.
Es war kein Konzil, hatte die Handschrift des Teufels und wurde sehr lange im voraus von den modernisten geplant.
als Resultat kam die größte glaubensvernichtung der Menschheit heraus.
fabelhaft
Sehr geehrter Herr Weihbischof,
für Ihren klaren Blick und Ihre warnenden Worte herzlichsten Dank. Sie sind einer der wenigen Hirten, die ich noch ernst nehmen kann.
„Wir erleben jetzt den Höhepunkt der geistigen Katastrophe im Leben der Kirche.“
Der Korrekturen bedarf es vieler und es kommen „täglich“ neue hinzu. Nur wer korrigiert?
Vatican II sollte wohl auch die Arbeit und das Wirken der Kirche in der Welt von Heute erleichtern.
Im Kontext gesehen geriet die Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung schon seit der Zeit der sog. Aufklärung
immer mehr unter Druck. Es war langfristig absehbar, dass das Bekenntnis zum tradierten katholischen Glauben einen
Menschen gesellschaftlich ins Abseits geraten lassen würde, wenn es nicht gelänge mit allen Nichtkatholiken
dieser Welt so etwas wie die Grundlage für einen ethisch-moralischen, und auch wissenschaftlich/philosophisch akzeptablen Gesellschaftsvertrag zu etablieren, der von allen Menschen als ein Dialog auf Augenhöhe empfunden würde,
und damit die gesellschaftliche Akzeptanz des katholischen Glaubens ins neue Jahrtausend vorbereiten sollte.
Man darf nicht vergessen, dass gerade einmal zwanzig Jahre vergangen waren, nach Beendigung des WKII.und auch
die katholische Kirche mit ihrem Anspruch in die Kritik und nach Meinung einiger sogar in Mitverantwortung geraten war. Sei es nun berechtigt oder unberechtigt. Man versuchte auf allen Ebenen das Konfliktpotenzial unter den Menschen, insbesondere im bezug auf „Religion“ für die Zukunft zu entschärfen, ohne den eigenen Glauben aufzugeben. Leider führte
die damit gewonnene Akzeptanz z.B. an den Universitäten schliesslich geradewegs in den Glaubensrelativismus, bis hin
zur Glaubensverunsicherung, ja sogar totalen Glaubensverlust. In respektvollen Dialog mit der Welt zu sein, und dennoch kein Jota des geigenen Glaubens relativieren zu müssen, wäre die Aufgabe der Stunde.