(Rom) Laut einem internen Papier rechnet der Vatikan mit einem Coronavirus-bedingten Einnahmeausfall von 146 Millionen Euro. Das entspricht dem halben Jahreshaushalt.
In dem internen Dokument des vatikanischen Wirtschaftssekretariats werden ökonomische Auswirkungen erhoben, die Radikalmaßnahmen der Regierungen für den Vatikan haben. Zu den Regierungen zählt der Heilige Stuhl selbst, vor allem aber die italienische Regierung und jene anderen Länder, die Ausgangssperren und Reiseverbote verhängt haben.
Der Vatikan gehörte zusammen mit Italien zu den ersten europäischen Staaten, die radikale Einschränkungen erließen. Am 10. März verbarrikadierte sich der Vatikan. Mit Ausnahme der Apotheke und des Supermarkts wurde der Kirchenstaat dichtgemacht. Seither sind der Petersplatz abgeriegelt und der Petersdom gespenstisch leer.
Das errechnete Loch, das in die Kassen des Vatikans gerissen wird, geht auf diese Radikalmaßnahmen zurück, zu denen das Coronavirus nur der Anlaß war.
„Vatikan: Der Haushalt geht den Bach hinunter. Ein Defizit von 175 Prozent erwartet.“
So titelte die römische Tageszeitung Il Messaggero am vergangenen Sonntag.
Die Vatikanfinanzen sind traditionell ein Schwachpunkt. Zahlreichen Ausgaben stehen wenige Einnahmen gegenüber. Die Haupteinnahmequelle sind die Vatikanischen Museen, doch die sind seit mehr als zwei Monaten zugesperrt. Wo sich normalerweise Menschenmassen durch die zugänglichen Teile des Apostolischen Palastes schieben, herrscht seit zehn Wochen völlige Stille.
Damit stürzen die Vatikanfinanzen in tiefrote Zahlen ab. Die Finanzen des Vatikans „sind ein Desaster“, so Il Messaggero.
Papst Franziskus verhängte vergangene Woche einen generellen Einstellungsstopp und forderte alle Dikasterienleiter auf, sparsam zu sein und überflüssige Ausgaben zu beseitigen, weder Tagungen zu planen noch Reisen durchzuführen.
Bemerkenswerter ist die im Dokument ausgesprochene Empfehlung, die gesamte Liquidität der Dikasterien bei der Apostolischen Vermögensverwaltung (APSA) zu konzentrieren. Kardinal George Pell, der bis 2017 das Wirtschaftssekretariat leitete, von dem das interne Papier stammt, hatte sich durch seine Reformversuche die APSA zum unerbittlichen Feind gemacht. Sie entzog sich erfolgreich jeder Form der Kontrolle und Aufsicht durch das Wirtschaftssekretariat. Das geschah über Intrigen, die Kardinal Pell seit seiner Ankunft in Rom im Jahr 2014 zu spüren bekam. Der Machtkampf mündete für den Kardinal, mutmaßlich auch deshalb, in die Entfernung aus dem Vatikan und einem dreijährigen Kalvaria, während die APSA mit der Rückendeckung von Papst Franziskus unangetastet blieb und inzwischen sogar auf Empfehlung des umbesetzten Wirtschaftssekretariats zum unumstrittenen Schatzministerium des Vatikans werden soll.
Drei Szenarien wurden errechnet. Die positivste Variante sieht einen Verlust von 30 Prozent vor, sofern die Sparmaßnahmen konsequent umgesetzt werden. Das mittlere Szenario ist wesentlich düsterer und prognostiziert ein Defizit von 83 Prozent. Noch pessimistischer ist das skizzierte Szenario 3. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Erholung von den Corona-Maßnahmen nur sehr langsam sein und die Sparmaßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen werden: Das Defizit würde sich in diesem Fall auf 175 Prozent belaufen.
Nicht nur die Einnahmen der Vatikanischen Museen brechen ein. Die Modellrechnung geht auch von einem deutlichen Rückgang beim Peterspfennig aus. Als Lösung der „Corona-Krise“ wird Papst Franziskus, so Il Messaggero, die „Stärkung der APSA“ empfohlen. Das liquide Vermögen aller Dikasterien soll bei der Apostolischen Vermögensverwaltung konzentriert werden, auch das Geld, das auf „ausländischen Konten“ liegt. Geprüft wird ebenso die Übertragung der Dikasteriengelder, die sich auf Konten der Vatikanbank IOR befinden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Il Messaggero (Screenshots)
Mit deutlich weniger Geld kann man auch weniger Unfug treiben.
Einen halben Jahreshaushalt weniger, das haben auch Kurzarbeiter, von Arbeitslosen ganz zu schweigen.