„Ganz und gar politische Auferstehung“ – Die seltsame Osterbotschaft des Papstes

Globales bedingungsloses Grundeinkommen gefordert


Franziskus 2015 in Bolivien mit Staats- und Regierungschef Evo Morales und dem Hammer-und-Sichel-Kreuz eines Jesuiten. 2020 fordert Franziskus inmitten der Coronavirus-Seuche ein bedingungsloses, globales Grundeinkommen.
Franziskus 2015 in Bolivien mit Staats- und Regierungschef Evo Morales und dem Hammer-und-Sichel-Kreuz eines Jesuiten. 2020 fordert Franziskus inmitten der Coronavirus-Seuche ein bedingungsloses, globales Grundeinkommen.

(Rom) Am Abend des Oster­sonn­tags berich­te­ten die wich­tig­sten Medi­en, daß Papst Fran­zis­kus am sel­ben Tag den soge­nann­ten „Volks­be­we­gun­gen“ ein Schrei­ben über­mit­tel­te. Des­sen Inhalt wur­de vom Vati­kan noch nicht ver­öf­fent­licht. Die poli­ti­schen Sym­pa­thien von Papst Fran­zis­kus für die poli­ti­sche Lin­ke sind bekannt. Inner­halb des lin­ken Spek­trums zeigt das argen­ti­ni­sche Kir­chen­ober­haupt dabei ein beson­ders aus­ge­präg­tes Wohl­wol­len für die radi­ka­le Lin­ke mit offe­nen Türen zur extre­men Lin­ken. Sie ist auch der Adres­sat einer „selt­sa­men Oster­bot­schaft“ des Papstes.

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Das Wohl­wol­len reicht bis zur soge­nann­ten Auto­no­men Sze­ne, die in „selbst­ver­wal­te­ten“ Sozi­al­zen­tren oder Auto­no­me Zen­tren orga­ni­siert ist. Erst ver­gan­ge­ne Woche lob­te Fran­zis­kus einen der füh­ren­den Expo­nen­ten die­ser Sze­ne im Zusam­men­hang mit des­sen „See­not­ret­tung“ von ille­ga­len Migran­ten im Mit­tel­meer. Jüng­stes Bei­spiel ist die päpst­li­che Bot­schaft an die „Volks­be­we­gun­gen“ vom Oster­sonn­tag, wie Papst Fran­zis­kus jene links­ka­tho­li­schen Krei­se nennt, die nicht nur eine Schar­nier­funk­ti­on zur radi­ka­len Lin­ken, ohne Berüh­rungs­äng­ste zur extre­men Lin­ken, wahr­neh­men. Pri­mär die­nen die Volks­be­we­gun­gen, den Begriff präg­te Fran­zis­kus, als Instru­ment, mit ande­ren lin­ken Kräf­ten ins Gespräch zu kom­men. Län­ger­fri­stig deu­tet eini­ges dar­auf­hin, daß es das Bestre­ben von Fran­zis­kus ist, in den Volks­be­we­gun­gen ein poten­ti­el­les glo­ba­les Sam­mel­becken der poli­ti­schen Lin­ken bereit­zu­hal­ten. Vor die­sem Hin­ter­grund ist auch die am 13. März 2015 in Bue­nos Aires lan­cier­te Idee einer „Papi­sti­schen Inter­na­tio­na­le“ unter Füh­rung von Papst Fran­zis­kus als Neu­auf­la­ge der Kom­mu­ni­sti­schen Inter­na­tio­na­le (KOMINTERN) zu sehen.

Als „Volks­be­we­gun­gen“ defi­nier­te Fran­zis­kus bis­her die Mas­sen, die sei­ner Ansicht nach von den „Seg­nun­gen“ der Glo­ba­li­sie­rung aus­ge­schlos­sen blei­ben: „Wan­der­händ­ler, Ern­te­hel­fer, Schau­stel­ler,  Klein­bau­ern.“ Etwas kon­kre­ter wird Fran­zis­kus in sei­ner neu­en Bot­schaft mit dem Hin­weis auf jene, die von „den Mäch­ti­gen“ ver­wor­fen, aus­ge­schlos­sen und aus­ge­son­dert wer­den. In ihnen sieht Fran­zis­kus die „Avant­gar­de der neu­en Mensch­heit“, die „Sozi­al­poe­ten“, wie er in sei­ner neu­en Bot­schaft schreibt, die an den Rän­dern „men­schen­wür­di­ge Lösun­gen für die bren­nend­sten Pro­ble­me der Aus­ge­schlos­se­nen schaffen“.

Sie sei­en es, die „manch­mal nicht die zuste­hen­de Aner­ken­nung“ fin­den wür­den, da sie „für das herr­schen­de System wirk­lich unsicht­bar“ sei­en. Wört­lich schreibt Franziskus:

„Oft ver­spürt Ihr Zorn und Ohn­macht wegen der fort­dau­ern­den Ungleich­hei­ten sogar dann, wenn kei­ne Aus­re­de mehr gilt, um die Pri­vi­le­gi­en aufrechtzuerhalten.“

Die Glo­ba­li­sie­rung wird vom der­zei­ti­gen Kir­chen­ober­haupt aktiv unter­stützt. Er möch­te aller­dings bei ihrer Gestal­tung mit­wir­ken und sie in ein etwas anders Fahr­was­ser len­ken. Um wel­ches Fahr­was­ser es sich dabei han­delt, wäre eine eige­ne Unter­su­chung wert.

Die „politischer Auferstehung“ 2020 nach Papst Franziskus

Als „ganz poli­ti­sche Auf­er­ste­hung“ bezeich­net der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster die erwähn­te päpst­li­che Oster­bot­schaft an die Volks­be­we­gun­gen. Die­se schar­te Fran­zis­kus bis­her drei­mal um sich: 2014 in Rom, 2015 in San­ta Cruz in Boli­vi­en und 2016 wie­der­um in Rom. Dann wur­de es etwas ruhi­ger, weil das Echo bei der poli­ti­schen Lin­ken ver­hal­ten blieb. Die gewünsch­te glo­ba­le Wir­kung, die über Latein­ame­ri­ka hin­aus­geht, trat nicht ein.

Fran­zis­kus kon­zen­trier­te sich daher in einem zwei­ten Moment auf den Auf­bau enge­rer Bezie­hun­gen zur Volks­re­pu­blik Chi­na, was im Sep­tem­ber 2018 zur Unter­zeich­nung eines Geheim­ab­kom­mens zwi­schen dem Vati­kan und Peking führ­te. Die Bemü­hun­gen um die kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­ber fie­len mit dem Zeit­punkt zusam­men, als die Volks­re­pu­blik Chi­na die USA als größ­te Wirt­schafts­macht der Welt über­hol­te. Die poli­ti­sche Macht­fül­le der USA, die 1945 in der west­li­chen Hemi­sphä­re und ab 1989 glo­bal ihre „Welt­ord­nung“ durch­setz­ten“, fin­det in Fran­zis­kus kei­nen Freund. 

In die­sem Kon­text ist die päpst­li­che Zukunfts­for­mel Las tres T zu sehen.

TTT steht für tier­ra, tra­ba­jo, techo (ter­ra, labor, domus, deutsch: Land, Arbeit, Woh­nung). In die­sen drei T sieht Fran­zis­kus den Schlüs­sel zum Auf­stieg der „Aus­ge­schlos­se­nen“ zur Macht, der „über die Ver­fah­rens­wei­sen der for­ma­len Demo­kra­tie hin­aus­geht“ (Anspra­che von Papst Fran­zis­kus an die Teil­neh­mer des ersten Inter­na­tio­na­len Tref­fens der Volks­be­we­gun­gen am 28. Okto­ber 2014 in Rom). Die Anspra­che rief eini­ge Besorg­nis her­vor und Skep­ti­ker auf den Plan: Was mei­ne Fran­zis­kus mit einem Auf­stieg zur Macht, der „über die Ver­fah­rens­wei­sen der for­ma­len Demo­kra­tie hin­aus­geht“? Dazu gehö­ren, wie eini­ge Beob­ach­ter anmerk­ten, auch bewaff­ne­te Auf­stän­de, Revo­lu­tio­nen und Staats­strei­che. Will Fran­zis­kus gar die Demo­kra­tie über­win­den? Ist sei­ne Ent­ge­gen­kom­men gegen­über der Volks­re­pu­blik Chi­na, einem tota­li­tä­ren kom­mu­ni­sti­schen Regime, auch unter die­sem Blick­win­kel zu sehen?

Globales bedingungsloses Grundeinkommen

In sei­ner jüng­sten Bot­schaft an die Volks­be­we­gun­gen, die vom vati­ka­ni­schen Pres­se­amt weder bestä­tigt noch deren Inhalt ver­öf­fent­licht wur­de, ging Fran­zis­kus noch einen Schritt wei­ter und for­dert ein glo­ba­les, bedin­gungs­lo­ses „Grund­ein­kom­men“.

Der­zeit wer­fen die Regie­run­gen mit Unsum­men um sich, daß offen­bar nicht nur Spa­ni­ens sozia­li­sti­scher Mini­ster­prä­si­dent Pedro Sanchez den Zeit­punkt zur Durch­set­zung eines Grund­ein­kom­mens für geeig­net hält. Öster­reich mel­de­te Anfang April die höch­ste Arbeits­lo­sig­keit seit Kriegs­en­de. In der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land wer­den Zah­len zur aktu­el­len Lage auf dem Arbeits­markt sicher­heits­hal­ber gleich ganz zurück­ge­hal­ten, um das Aus­maß der Fol­gen der staat­li­chen Coro­na­vi­rus-Maß­nah­men nicht sicht­bar wer­den zu las­sen. Inzwi­schen sickern aber erste Zah­len durch: Allein die Metall­in­du­strie weist laut Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung mehr Per­so­nen in Kurz­ar­beit auf, als die Bun­des­re­gie­rung für die Gesamt­wirt­schaft ver­an­schlagt hat­te. Aktu­el­le Arbeits­lo­sen­zah­len wer­den aber noch geheim­ge­hal­ten, dürf­ten sich aber im öster­rei­chi­schen Grö­ßen­ver­hält­nis, also auf Rekord­hö­he, bewegen.

San­dro Magi­ster ver­öf­fent­lich­te heu­te als erster das ihm zuge­spiel­te Schrei­ben von Fran­zis­kus an die Volks­be­we­gun­gen voll­in­halt­lich. Der Vati­ka­nist spricht von einer: 

„selt­sa­men Oster­bot­schaft durch einen Papst wegen einer ganz und gar poli­ti­schen Auferstehung“.

Der Text auf eng­lisch. Er wur­de von Magi­ster auch auf ita­lie­nisch, spa­nisch und fran­zö­sisch publiziert.


Zur Erin­ne­rung die Rede des kom­mu­ni­sti­schen Phi­lo­so­phen Gian­ni Vat­ti­mo vom 13. März 2015 in Bue­nos Aires, in der er die Bil­dung einer Papi­sti­schen Inter­na­tio­na­le anreg­te. Neben ihm im Bild der poli­ti­sche Arm von Papst Fran­zis­kus, Kuri­en­bi­schof Mar­ce­lo Sanchez Sor­on­do, ein Sproß der argen­ti­ni­schen Ober­schicht, und neben Msgr. Sanchez Sor­on­do der öko­so­zia­li­sti­sche Befrei­ungs­theo­lo­ge Leo­nar­do Boff.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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