
(Rom) Am Abend des Ostersonntags berichteten die wichtigsten Medien, daß Papst Franziskus am selben Tag den sogenannten „Volksbewegungen“ ein Schreiben übermittelte. Dessen Inhalt wurde vom Vatikan noch nicht veröffentlicht. Die politischen Sympathien von Papst Franziskus für die politische Linke sind bekannt. Innerhalb des linken Spektrums zeigt das argentinische Kirchenoberhaupt dabei ein besonders ausgeprägtes Wohlwollen für die radikale Linke mit offenen Türen zur extremen Linken. Sie ist auch der Adressat einer „seltsamen Osterbotschaft“ des Papstes.
Das Wohlwollen reicht bis zur sogenannten Autonomen Szene, die in „selbstverwalteten“ Sozialzentren oder Autonome Zentren organisiert ist. Erst vergangene Woche lobte Franziskus einen der führenden Exponenten dieser Szene im Zusammenhang mit dessen „Seenotrettung“ von illegalen Migranten im Mittelmeer. Jüngstes Beispiel ist die päpstliche Botschaft an die „Volksbewegungen“ vom Ostersonntag, wie Papst Franziskus jene linkskatholischen Kreise nennt, die nicht nur eine Scharnierfunktion zur radikalen Linken, ohne Berührungsängste zur extremen Linken, wahrnehmen. Primär dienen die Volksbewegungen, den Begriff prägte Franziskus, als Instrument, mit anderen linken Kräften ins Gespräch zu kommen. Längerfristig deutet einiges daraufhin, daß es das Bestreben von Franziskus ist, in den Volksbewegungen ein potentielles globales Sammelbecken der politischen Linken bereitzuhalten. Vor diesem Hintergrund ist auch die am 13. März 2015 in Buenos Aires lancierte Idee einer „Papistischen Internationale“ unter Führung von Papst Franziskus als Neuauflage der Kommunistischen Internationale (KOMINTERN) zu sehen.
Als „Volksbewegungen“ definierte Franziskus bisher die Massen, die seiner Ansicht nach von den „Segnungen“ der Globalisierung ausgeschlossen bleiben: „Wanderhändler, Erntehelfer, Schausteller, Kleinbauern.“ Etwas konkreter wird Franziskus in seiner neuen Botschaft mit dem Hinweis auf jene, die von „den Mächtigen“ verworfen, ausgeschlossen und ausgesondert werden. In ihnen sieht Franziskus die „Avantgarde der neuen Menschheit“, die „Sozialpoeten“, wie er in seiner neuen Botschaft schreibt, die an den Rändern „menschenwürdige Lösungen für die brennendsten Probleme der Ausgeschlossenen schaffen“.
Sie seien es, die „manchmal nicht die zustehende Anerkennung“ finden würden, da sie „für das herrschende System wirklich unsichtbar“ seien. Wörtlich schreibt Franziskus:
„Oft verspürt Ihr Zorn und Ohnmacht wegen der fortdauernden Ungleichheiten sogar dann, wenn keine Ausrede mehr gilt, um die Privilegien aufrechtzuerhalten.“
Die Globalisierung wird vom derzeitigen Kirchenoberhaupt aktiv unterstützt. Er möchte allerdings bei ihrer Gestaltung mitwirken und sie in ein etwas anders Fahrwasser lenken. Um welches Fahrwasser es sich dabei handelt, wäre eine eigene Untersuchung wert.
Die „politischer Auferstehung“ 2020 nach Papst Franziskus
Als „ganz politische Auferstehung“ bezeichnet der Vatikanist Sandro Magister die erwähnte päpstliche Osterbotschaft an die Volksbewegungen. Diese scharte Franziskus bisher dreimal um sich: 2014 in Rom, 2015 in Santa Cruz in Bolivien und 2016 wiederum in Rom. Dann wurde es etwas ruhiger, weil das Echo bei der politischen Linken verhalten blieb. Die gewünschte globale Wirkung, die über Lateinamerika hinausgeht, trat nicht ein.
Franziskus konzentrierte sich daher in einem zweiten Moment auf den Aufbau engerer Beziehungen zur Volksrepublik China, was im September 2018 zur Unterzeichnung eines Geheimabkommens zwischen dem Vatikan und Peking führte. Die Bemühungen um die kommunistischen Machthaber fielen mit dem Zeitpunkt zusammen, als die Volksrepublik China die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt überholte. Die politische Machtfülle der USA, die 1945 in der westlichen Hemisphäre und ab 1989 global ihre „Weltordnung“ durchsetzten“, findet in Franziskus keinen Freund.
In diesem Kontext ist die päpstliche Zukunftsformel Las tres T zu sehen.
TTT steht für tierra, trabajo, techo (terra, labor, domus, deutsch: Land, Arbeit, Wohnung). In diesen drei T sieht Franziskus den Schlüssel zum Aufstieg der „Ausgeschlossenen“ zur Macht, der „über die Verfahrensweisen der formalen Demokratie hinausgeht“ (Ansprache von Papst Franziskus an die Teilnehmer des ersten Internationalen Treffens der Volksbewegungen am 28. Oktober 2014 in Rom). Die Ansprache rief einige Besorgnis hervor und Skeptiker auf den Plan: Was meine Franziskus mit einem Aufstieg zur Macht, der „über die Verfahrensweisen der formalen Demokratie hinausgeht“? Dazu gehören, wie einige Beobachter anmerkten, auch bewaffnete Aufstände, Revolutionen und Staatsstreiche. Will Franziskus gar die Demokratie überwinden? Ist seine Entgegenkommen gegenüber der Volksrepublik China, einem totalitären kommunistischen Regime, auch unter diesem Blickwinkel zu sehen?
Globales bedingungsloses Grundeinkommen
In seiner jüngsten Botschaft an die Volksbewegungen, die vom vatikanischen Presseamt weder bestätigt noch deren Inhalt veröffentlicht wurde, ging Franziskus noch einen Schritt weiter und fordert ein globales, bedingungsloses „Grundeinkommen“.
Derzeit werfen die Regierungen mit Unsummen um sich, daß offenbar nicht nur Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sanchez den Zeitpunkt zur Durchsetzung eines Grundeinkommens für geeignet hält. Österreich meldete Anfang April die höchste Arbeitslosigkeit seit Kriegsende. In der Bundesrepublik Deutschland werden Zahlen zur aktuellen Lage auf dem Arbeitsmarkt sicherheitshalber gleich ganz zurückgehalten, um das Ausmaß der Folgen der staatlichen Coronavirus-Maßnahmen nicht sichtbar werden zu lassen. Inzwischen sickern aber erste Zahlen durch: Allein die Metallindustrie weist laut Frankfurter Allgemeine Zeitung mehr Personen in Kurzarbeit auf, als die Bundesregierung für die Gesamtwirtschaft veranschlagt hatte. Aktuelle Arbeitslosenzahlen werden aber noch geheimgehalten, dürften sich aber im österreichischen Größenverhältnis, also auf Rekordhöhe, bewegen.
Sandro Magister veröffentlichte heute als erster das ihm zugespielte Schreiben von Franziskus an die Volksbewegungen vollinhaltlich. Der Vatikanist spricht von einer:
„seltsamen Osterbotschaft durch einen Papst wegen einer ganz und gar politischen Auferstehung“.
Der Text auf englisch. Er wurde von Magister auch auf italienisch, spanisch und französisch publiziert.
Zur Erinnerung die Rede des kommunistischen Philosophen Gianni Vattimo vom 13. März 2015 in Buenos Aires, in der er die Bildung einer Papistischen Internationale anregte. Neben ihm im Bild der politische Arm von Papst Franziskus, Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, ein Sproß der argentinischen Oberschicht, und neben Msgr. Sanchez Sorondo der ökosozialistische Befreiungstheologe Leonardo Boff.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
Ich frage mich allen Ernstes welcher Geist die Herrn Kardinäle bei der Wahl von Kardinal Bergoglio zum Nachfolger des Heiligen Petrus beflügelt hat.… der Heilige Geist kann es meines Erachtens nicht gewesen sein! So geht es nicht mehr weiter. Wo sind die Kardinäle die eine brüderliche Zurechtweisung anbringen wollten. Ihr Herren werdet wach Und steht auf! Sonst sage ich die heilige katholische Kirche geht unter. Der letzte von ihnen kann dann das Licht aus machen. Und eine kurze Adresse an den heiligen Vater „du sollst die Hand die dich füttert nicht beissen“
Liebe Freunde,
Ich erinnere mich oft an unsere früheren Treffen: zwei im Vatikan und eines in Santa Cruz de la Sierra, und ich muss Ihnen sagen, dass diese Erinnerung [„Souvenir“] mein Herz wärmt. Sie bringt mich Ihnen näher und hilft mir, so viele Dialoge, die wir in diesen Zeiten hatten, wieder zu erleben. Ich denke an all die schönen Projekte, die aus diesen Gesprächen hervorgegangen sind und Gestalt angenommen haben und Wirklichkeit geworden sind. Jetzt, inmitten dieser Pandemie, denke ich auf besondere Weise an Sie und möchte Ihnen meine Nähe zum Ausdruck bringen.
In diesen Tagen großer Angst und Not haben viele kriegerische Metaphern verwendet, um auf die Pandemie hinzuweisen, die wir erleben. Wenn der Kampf gegen COVID-19 ein Krieg ist, dann sind Sie wirklich eine unsichtbare Armee, die in den gefährlichsten Gräben kämpft. Eine Armee, die ihre einzigen Waffen, Solidarität, Hoffnung und Gemeinschaftsgeist, zu einer Zeit wiederbelebt, in der sich niemand allein retten kann. Wie ich Ihnen in unseren Treffen sagte, sind Sie für mich soziale Dichter, weil Sie aus den vergessenen Peripherien, in denen Sie leben, bewundernswerte Lösungen für die dringendsten Probleme der Ausgegrenzten schaffen.
Ich weiß, dass Sie fast nie die Anerkennung erhalten, die Sie verdienen, weil Sie für das System wirklich unsichtbar sind. Marktlösungen erreichen die Peripherie nicht und der staatliche Schutz ist dort kaum sichtbar. Sie haben auch nicht die Ressourcen, um dessen Funktionsmechanismus zu ersetzen. Sie werden mit Argwohn betrachtet, wenn Sie durch eine Gemeinschaftsorganisation versuchen, über bloße Philanthropie hinauszugehen, oder wenn Sie, anstatt zurückzutreten und zu hoffen, einige Krümel zu fangen, die vom Tisch der wirtschaftlichen Macht fallen, Ihre Rechte beanspruchen. Sie spüren oft Wut und Ohnmacht beim Anblick anhaltender Ungleichheiten und wenn es einer bloßen Entschuldigung bedarf, um diese Privilegien aufrechtzuerhalten. Trotzdem geben Sie sich nicht damit zufrieden, sich zu beschweren: Sie krempeln die Ärmel hoch und arbeiten weiter für Ihre Familien, Ihre Gemeinden und das Gemeinwohl. Ihre Belastbarkeit hilft mir, fordert mich heraus und lehrt mich viel.
Ich denke an all die Menschen, besonders an Frauen, die in Suppenküchen Brot vermehren: Zwei Zwiebeln und eine Packung Reis bilden einen köstlichen Eintopf für Hunderte von Kindern. Ich denke an die Kranken, ich denke an die Alten. Sie erscheinen nie in den Nachrichten, ebenso wenig wie Kleinbauern und ihre Familien, die hart daran arbeiten, gesunde Lebensmittel zu produzieren, ohne die Natur zu zerstören, ohne zu horten, ohne die Bedürfnisse der Menschen auszunutzen. Ich möchte, dass Sie wissen, dass unser himmlischer Vater über Sie wacht, Sie schätzt und Sie bei Ihrem Engagement unterstützt.
Wie schwierig ist es, zu Hause zu bleiben für diejenigen, die in winzigen, baufälligen Wohnungen leben, oder für Obdachlose! Wie schwierig ist es für Migranten, Menschen, denen die Freiheit entzogen ist, und Menschen, die sich in einer Rehabilitation von einer Sucht befinden. Sie sind Schulter an Schulter mit ihnen da und helfen ihnen, die Dinge weniger schwierig und weniger schmerzhaft zu machen. Ich gratuliere und danke Ihnen von ganzem Herzen.
Ich hoffe, dass die Regierungen verstehen, dass technokratische Paradigmen (ob staatlich oder marktorientiert) nicht ausreichen, um diese Krise oder die anderen großen Probleme der Menschheit anzugehen. Mehr denn je müssen Personen, Gemeinschaften und Völker in den Mittelpunkt gestellt werden, um zu heilen, sich zu kümmern und zu teilen.
Ich weiß, dass Sie von den Vorteilen der Globalisierung ausgeschlossen wurden. Sie genießen nicht die oberflächlichen Freuden, die so viele Gewissen betäuben, aber Sie leiden immer unter dem Schaden, den sie verursachen. Die Krankheiten, von denen alle betroffen sind, haben Sie doppelt so hart getroffen. Viele von Ihnen leben von Tag zu Tag ohne rechtlichen Schutz. Straßenverkäufer, Recycler, Schausteller, Kleinbauern, Bauarbeiter, Textilarbeiter oder Betreuer in den verschiedensten Arten: Wenn Sie illegal sind, alleine oder in der Basiswirtschaft arbeiten, haben Sie kein festes Einkommen, um diese schwere Zeit zu überstehen und die Sperren werden unerträglich. Dies könnte die Zeit sein, einen universellen Grundlohn in Betracht zu ziehen, der die edlen, wesentlichen Aufgaben, die Sie ausführen, anerkennt und würdigt. Es würde das so menschliche und so christliche Ideal, nach welchem kein Arbeiter ohne Rechte sein darf, sicherstellen und konkret erreichen.
Darüber hinaus fordere ich Sie auf, über das „Leben nach der Pandemie“ nachzudenken, denn obwohl dieser Sturm über kurz oder lang vergehen wird, sind seine schwerwiegenden Folgen bereits zu spüren. Sie sind nicht hilflos. Sie haben die Kultur, die Methode und vor allem die Weisheit, die mit dem Sauerteig geknetet wird, das Leiden anderer als Ihr eigenes zu fühlen. Ich möchte, dass wir alle über das Projekt der integralen menschlichen Entwicklung nachdenken, nach dem wir uns sehnen und das auf der zentralen Rolle und Initiative der Menschen in all ihrer Vielfalt sowie auf dem universellen Zugang zu den drei Ts basiert, die Sie verteidigen: Trabajo (Arbeit), Techo (Wohnen) und Tierra (Land und Nahrung).
Ich hoffe, dass diese Zeit der Gefahr uns davon befreit, mit Autopiloten zu arbeiten, unser schläfriges Gewissen zu erschüttern und eine humanistische und ökologische Umstellung zu ermöglichen, die dem Götzendienst des Geldes ein Ende setzt und das Leben und die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Unsere Zivilisation – so wettbewerbsfähig, so individualistisch, mit ihren rasenden Rhythmen von Produktion und Konsum, ihrem extravaganten Luxus, ihren unverhältnismäßigen Gewinnen für nur wenige – muss herunterschalten, Bilanz ziehen und sich erneuern.
Sie sind die unverzichtbaren Erbauer dieser Veränderung, die nicht länger aufgeschoben werden kann. Wenn Sie außerdem bezeugen, dass eine Änderung möglich ist, ist Ihre Stimme maßgebend. Sie kennen Krisen und Nöte… die Sie mit Bescheidenheit, Würde, Engagement, harter Arbeit und Solidarität in ein Lebensversprechen für Ihre Familien und Ihre Gemeinden verwandeln können.
Steht fest in eurem Kampf und sorgt füreinander als Brüder und Schwestern. Ich bete für euch, ich bete mit euch. Ich möchte Gott, unseren Vater, bitten, euch zu segnen, euch mit seiner Liebe zu erfüllen und euch auf diesem Weg zu verteidigen, um euch die Kraft zu geben, die uns aufrecht hält und die niemals enttäuscht: Hoffnung. Bitte betet für mich, denn ich brauche es auch.
Brüderlich,
Franz
Vatikanstadt, Ostersonntag, 12. April 2020
Dieses Thema ist wunderbar in Dr. Hesses Vortrag über den Papalismus wiedergegeben.
Auch Dr. Heinz Lothar Barth hat das vortrefflich analysiert.
Hörenswert.