(Lima) Kardinal Claudio Hummes, eine treibende Kraft hinter der Amazonassynode und deren Generalrelator, schickte am 13. Januar allen Bischöfen weltweit ein vertrauliches Schreiben, mit dem er ihnen die Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens ankündigte und erklärte, daß es zu akzeptieren ist. In Peru bereitet man sich schon darauf vor.
Kardinal Hummes nimmt im Rahmen der Amazonassynode die Stellung bei Papst Franziskus ein, die im Rahmen der Familiensynode Kardinal Walter Kasper innehatte. Er ist Vorsitzender des Pan-Amazonischen Kirchlichen Netzwerkes REPAM, das Ende 2014 eigens zur Vorbereitung der Synode gegründet wurde. Ein Schreiben, wie es Hummes verschickte, ist völlig unüblich. Der Grund liegt im Inhalt. Der Kardinal teilte den Diözesanbischöfen auf allen fünf Kontinenten ein Diktat mit, daß der Inhalt des apostolischen Schreibens zu akzeptieren sei. Seither bangen Teile der Kirche noch mehr als ohnehin schon zuvor. Auf dem Spiel steht nichts weniger als das Weihesakrament durch eine mögliche Aufweichung des priesterlichen Zölibats und durch die Zulassung von Frauen.
Tagung in Lima
In Peru trafen sich Vertreter der „Amazonas-Kirche“, wie sie selber sagen, der „amazonisch-deutschen Kirche“ wie Kritiker meinen, darunter der Historiker und Vorsitzende der Lepanto-Stiftung Roberto de Mattei. Er initiierte am 18. Januar die Acies ordinata gegen den „Synodalen Weg“ der Deutschen Bischofskonferenz. Vom 28.–30. Januar versammelten sich Vertreter aus allen acht apostolischen Vikariaten des peruanischen Amazonasgebietes, um drei Tage lang „die Vorschläge der Amazonassynode zu hören, zu reflektieren und zu diskutieren, und um die neuen Wege abzustecken, die Papst Franziskus wünscht“.
Da das nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus noch gar nicht vorliegt, erstaunt vor allem der letzte Satz im Bericht von Beatriz García vom Centro Amazónico de Antropología y Aplicación Práctica (CAAAP). Am Sitz dieses Amazonaszentrums für Anthropologie und praktische Anwendung fand die mehrtägige Veranstaltung statt.
Sie begann „mit einem außergewöhnlichen Gast“, dem Apostolischen Nuntius in Peru, Msgr. Nicola Girasoli. Seine Anwesenheit signalisierte die „Priorität“ der Amazonas-Agenda für Rom. Es gehe darum „die neuen Wege zu beschreiten, die Papst Franziskus wünscht“, so der Nuntius:
„Wir sind stolz darauf, wie Sie vor und nach der Synode vorangegangen sind“.
Die Synode und ihre Inhalte, wie sie Franziskus wünsche, bräuchten eine „umfassende und inklusive Präsentation“. Der Nuntius griff auch Aussagen des Papstes auf, als er sich direkt an die Teilnehmer wandte:
„Sie wissen, daß Sie uns das Licht bringen können, denn die Synode macht den Weg frei.“
Franziskus hatte im Zusammenhang mit der Amazonassynode die „Ahnen-Weisheit“ der Indios gerühmt. Sie seien es, die die Christenheit etwas zu lehren hätten. Was im Umkehrschluß bedeutet, daß die Christen die Indios nichts (mehr) zu lehren haben? (Siehe Amazonassynode mißachtet die Stimme der Katholiken des Amazonas). Die Worte sind vielleicht nicht im engeren religiösen Sinn zu lesen, aber doch im Kontext eines antikolonialistischen Diskurses, der die christliche Mission als Träger eines abzulehnenden „Kulturimperialismus“ sieht. Dieser Diskurs wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von marxistischen Kreisen aufgebracht und verbreitet als Teil der sowjetischen Strategie zur Durchdringung Lateinamerikas und anderer Teile der damaligen Dritten Welt, um sie in die gemeinsame „sozialistische Zukunft“ einzureihen. (Siehe dazu auch Kult- und Kulturbruch mit der 2000jährigen Missionsgeschichte der Kirche).
Was sind „Achuar-Diakone“?
Die Bischöfe der Apostolischen Vikariate von Jaen und Pucallpa, Msgr. Alfredo Vizcarra und Msgr. Martin Quijano, betonten:
„Wir haben mit einer neuen Art von Kirche zu gehen.“
Das heiße „arbeiten und synodal leben“. Bischof Quijano ergänzte:
„Wenn der Papst spricht, bezieht er sich immer auf die Bedeutung der Ältesten und der Wurzeln, denn in den Wurzeln unserer Kultur und unserer Völker können wir die Antwort finden, wie wir das Evangelium bereichern können.“
Am ersten Tag folgten die Berichte von Don Pedro Hugues, Sr. Birgit Weiler und P. Fernando Roca SJ, die alle drei als Experten an der Amazonassynode teilgenommen hatten. Anschließend wurde den Anwesenden das Schlußdokument der Synode vorgestellt.
Die Teilnehmer diskutierten die „drängendsten Probleme“ im peruanischen Amazonasgebiet und suchten nach „Lösungen“. In diesem Zusammenhang berichteten „die Achuar-Diakone“ aus dem Apostolischen Vikariat Yurimaguas über ihre Erfahrungen. Da es im genannten Vikariat laut Päpstlichem Jahrbuch keine Diakone gibt, ist nicht klar, um was für „Diakone“ es sich konkret handelte. Die Achuar sind ein indigenes Volk im ecuadorianischen Amazonasgebiet.
Die Frage ist deshalb von Bedeutung, weil die Schaffung „neuer Ämter“ für Männer und Frauen zu den Empfehlungen der Amazonassynode an Papst Franziskus gehört. Im Zusammenhang mit den Männern wurde in den Kreisen der Synoden-Initiatoren um Kardinal Hummes und Bischof Erwin Kräutler bevorzugt das Modell diskutiert, verheiratete Dorfälteste zu „Dorfpriestern“ oder „Gemeinschaftspriestern“ zu weihen. Die Einführung verheirateter Diakone, die Papst Paul VI. nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erlaubte, erfolgte nur deshalb, weil progressive Kirchenkreise mit ihrer Forderung nach Abschaffung des priesterlichen Zölibats nicht durchdringen konnten. In ihren Augen sind die „viri probati“, die zu ständigen Diakonen geweiht werden, der Fuß in der Tür, doch noch den Zölibat zu beseitigen. Mit der Amazonassynode wurde ein neuer Anlauf dazu genommen.
Befreiungstheologie und Missionsverzicht
Pedro Hugues vom Instituto Bartolomé de las Casas ist ein Vertreter der Befreiungstheologie. 2008 war er zusammen mit Consuelo de Prado Herausgeber der Festschrift zum 80. Geburtstag von Gustavo Gutierrez, dem „Vater der Befreiungstheologie“ und Gründer des Instituto.
Sr. Birgit Weiler, bei REPAM engagiert, stammt aus Duisburg und gehört dem Orden der Missionsärztlichen Schwestern an. Die promovierte Theologin lebt seit 1995 in Peru „und beschäftigt sich mit der Spiritualität der indigenen Ureinwohner“, wie es auf der Internetseite der Ordensgemeinschaften in Österreich heißt. Zudem ist sie Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Antonio Ruiz de Montoya in Lima. Im Juli 2019 referierte sie bei der weltkirche.tagung in Wels zum Thema: „‚Indigene Spiritualität‘ ist wegweisender Impuls für eine ganzheitliche Ökologie“. Im Referat ging es vor allem um Ökologie und die von „Habgier und egoistischen Wirtschaftsinteressen“ „bedrohten“ indigenen Kulturen sowie um viel Lob für die Enzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus.
Interessanter sind ihre Angaben zu zwei Indio-Völkern, den Awajún und den Wampis, zu denen sie ein interkulturelles Projekt koordiniert. Weiler berichtete, daß die Hälfte dieser beiden Indio-Völker in Peru und Ecuador den alten Naturreligionen, ein Drittel protestantischen Pfingstlergemeinden und ein Sechstel der katholischen Kirche angehören. Das erstaunt in zwei Ländern mit einer so langen katholischen Tradition und hat viel mit dem faktischen Missionsverzicht seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu tun. Seither wurden in nicht wenigen kirchlichen Realitäten die Missionare faktisch und mental durch Entwicklungshelfer ersetzt.
Um diese Entwicklung zu verdeutlichen:
Die Amazonasindios, die ihren besiegten Gegnern in einem Ritual die Köpfe abschnitten und Schrumpfköpfe daraus machten, waren so kriegerisch, daß sie im 15. Jahrhundert Eroberungsversuche der Inkas und im 16. Jahrhundert der Spanier abwehren konnten. Das hatte natürlich auch damit zu tun, daß die wenig attraktiven, weil unwirtlichen Lebensbedingungen in der Amazonastiefebene sowohl Inkas als auch Spanier von weiteren Eroberungsplänen absehen ließ. Um 1600 hatten die kriegerischen Stämme die letzten spanischen Siedlungen vernichtet – und damit auch die Missionsbemühungen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts unternahm die katholische Kirche einen neuen Versuch zur Missionierung der Amazonasindianer. Parallel gaben diese ihre barbarische Sitte der Schrumpfköpfe auf. Dieser Versuch dauerte bis in die 60er Jahre. Während der missionarische Eifer infolge des Zweiten Vaticanums erlahmte, begannen evangelikale und pfingstlerische Gruppen ab den 60er Jahren ihre Missionsarbeit. Das Ergebnis berichtete Sr. Weiler in Wels, wenn auch in ganz anderem Kontext: Heute, 50 Jahre später, gibt es doppelt so viele Evangelikale und Pfingstler unter den beiden genannten Indio-Stämme wie Katholiken. In Brasilien sollen 80 Prozent der christlichen Indios protestantischen Gruppen angehören.
Ein missionarischer Impuls ist von Veranstaltungen wie jener, die in Lima stattfand, nicht zu erwarten. Schon eher ein Impuls zur Bewahrung der Indio-Naturreligion bzw. der synkretistischen Formen, die davon übriggeblieben sind.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: CAAP (Screenshots)
Die Synode und ihre Inhalte wie sie Franziskus wünsche, bräuchten eine „umfassende und inklusive Präsentation“. Der Nuntius griff auch Aussagen des Papstes auf, als er sich direkt an die Teilnehmer wandte:
„Sie wissen, daß Sie uns das Licht bringen können, denn die Synode macht den Weg frei.“
Gott erbarme Dich unser. Der falsche Prophet macht Luzifer den Weg frei
Herr Wolfram Schrems würde, so vermute ich, sagen, dass man Völker, die man sich weigert zu missionieren mit böser Absicht in ihrem lebensfeindlichen Heidentum belässt und ihnen ihre Entwicklung und das ewige Leben im Himmel verweigert.
Unwissenheit tötet, diese beiden Worte habe ich schon sehr oft bestätigt gefunden.
„Eine neue Art von Kirche“ ist zumindest korrekt ausgedrückt – dies wird zunehmend deutlich, wenn man die sog. „Amazonassynode“ oder den synodalen (Holz-)Weg in Deutschland betrachtet. Schmerzlich wird es allerdings noch für diejenigen, welche immer noch krampfhaft proklamieren, eigentlich sei doch alles wie vorher und dazu einen intellektuellen Klimmzug nach dem anderen absolvieren. Man mag so der individuellen Entscheidung noch einige Zeit ausweichen können, aber wohl nicht mehr allzu lange…