„Die Jesuiten bewundere ich, es ist das Pontifikat des Jesuiten Bergoglio, das mich irritiert“

Vittorio Messori und die Neuausgabe seines Jesus-Buches


Vittorio Messori: „Den Schlüssel der Jesuiten, die Welt zu interpretieren, bewundere ich. Es ist das Pontifikat des Jesuiten Bergoglio, das mich bisweilen irritiert.“
Vittorio Messori: „Den Schlüssel der Jesuiten, die Welt zu interpretieren, bewundere ich. Es ist das Pontifikat des Jesuiten Bergoglio, das mich bisweilen irritiert.“

(Rom) Vitto­rio Mess­o­ri ver­öf­fent­lich­te 1985 sein inner­kirch­lich bedeut­sam­stes Buch „Zur Lage des Glau­bens. Ein Gespräch mit Kar­di­nal Joseph Ratz­in­ger“. Bereits 1976 war sein meist­ver­kauf­tes Buch erschie­nen: „Mensch gewor­den. Wer war Jesus“. Die deut­sche Aus­ga­be kam 1978 in den Buch­han­del. Das Buch erreich­te eine Gesamt­auf­la­ge von mehr als einer Mil­li­on Exem­pla­ren. Nun erscheint eine Neu­aus­ga­be, zunächst auf ita­lie­nisch, viel­leicht aber auch wie­der auf deutsch. Die Tages­zei­tung La Stam­pa, für die er selbst vie­le Jahr schrieb, frag­te ihn nach den Grün­den und sei­ner Ein­schät­zung der aktu­el­len Lage in der Kirche.

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Mess­o­ri legt Wert auf die Fest­stel­lung, ein „ein­fa­cher Katho­lik“ zu sein, der inner­kirch­lich „weder an Grup­pen noch Bewe­gun­gen gebun­den“ ist. Die Fra­ge steht im Raum, weil die Erst­aus­ga­be 1976 vom Ver­lag des Sale­sia­ner­or­dens her­aus­ge­ge­ben wur­de, wäh­rend die Neu­aus­ga­be bei einem Ver­lag erschei­nen wird, der dem Opus Dei nahesteht.

Mess­o­ri war aller­dings 1976 Direk­tor des Sale­sia­ner-Ver­la­ges SEI, wes­halb die Ver­öf­fent­li­chung in sei­nem „Haus­ver­lag“ nahe­lie­gend war. Inzwi­schen wur­de die­ser aber mit einem ande­ren Ver­lag fusio­niert und gibt nur mehr Schul­bü­cher her­aus. Die Suche nach einem neu­en Ver­lag war des­halb zwangs­läu­fig not­wen­dig. Der neue Ver­lag Ares gehört aber nicht dem Opus Dei. Es ist viel­mehr des­sen Direk­tor, der dem „Werk Got­tes“ nahe­steht. Über das Opus Dei ver­öf­fent­lich­te Mess­o­ri 1994 eine Repor­ta­ge im Mond­ado­ri-Ver­lag, die auch kri­ti­sche Anmer­kun­gen ent­hält. Er las­se sich eben nicht so ein­fach in eine Schub­la­de stecken, wie er unterstreicht.

Die Erst­aus­ga­be von „Mensch gewor­den. Wer war Jesus“ ent­hielt ein Vor­wort, das in den 70er Jah­ren für gro­ßes Auf­se­hen sorg­te. Es stamm­te vom Mathe­ma­ti­ker Lucio Lom­bar­do Radi­ce (1916–1982), der Mit­glied des Zen­tral­ko­mi­tees der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Ita­li­ens (KPI) war. Die­ses Vor­wort wird in der Neu­aus­ga­be feh­len. Dazu Messori:

„Das Buch erschien 1976. Die KPI hat­te erst­mals bei Wah­len mehr Stim­men als die Christ­de­mo­kra­ten erhal­ten. In die­sem Kli­ma wäre ein Buch aus dem SEI-Ver­lag in lai­zi­sti­schen Krei­sen nicht ange­nom­men wor­den. Lom­bar­do Radi­ce, sen­si­bel für die katho­li­sche Sache, ermög­lich­te mir als erstem katho­li­schem Autor mit die­sem Buch auch einen Platz in der Buch­hand­lung der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei zu bekommen.“

Auf katho­li­scher Sei­te habe das Buch kei­ne beson­de­re Kri­tik erfah­ren. Eine Aus­nah­me sei eine posi­ti­ve Bespre­chung durch den spä­te­ren Kar­di­nal Gian­fran­co Rava­si, heu­te Vor­sit­zen­der des Päpst­li­chen Kul­tur­ra­tes, gewe­sen, der damals noch ein weit­ge­hend unbe­kann­ter Dozent an einem Prie­ster­se­mi­nar war. Anders sah es auf lai­zi­sti­scher und anti­kle­ri­ka­ler Sei­te aus, dem Milieu, dem Mess­o­ri ent­stamm­te. Er war in eine kir­chen­fer­ne Fami­lie gebo­ren wor­den. Sein Vater schwank­te zwi­schen Libe­ra­lis­mus und Faschis­mus, kon­stant blieb aber sein Anti­kle­ri­ka­lis­mus. Auch noch wäh­rend sei­nes Stu­di­ums ver­kehr­te Mess­o­ri in agno­sti­schen Krei­sen des links­li­be­ra­len Turi­ner Bür­ger­tums. Im Juli 1964 kam es zu sei­ner Bekeh­rung, als er im Evan­ge­li­um las. 

Sein Dok­tor­va­ter in Poli­tik­wis­sen­schaft, Ales­san­dro Galan­te Gar­ro­ne (1909–2003), nahm sein Buch über Jesus gar nicht gut auf. Der Bruch hat­te sich aller­dings schon frü­her voll­zo­gen, als Mess­o­ri in einem Vor­trag über den Mathe­ma­ti­ker und Seli­gen Fran­ces­co Faà di Bru­no (1825–1888) erwähn­te, daß „die­ser gro­ße Wis­sen­schaft­ler kei­nen Lehr­stuhl an der Uni­ver­si­tät Turin erhielt, weil er Katho­lik war“. Dem füg­te Mess­o­ri noch die pole­mi­sche Spit­ze hin­zu: „Eini­ge der Nota­beln des Risor­gi­men­to hät­ten einen Nürn­ber­ger Pro­zeß ver­dient“. Dar­auf folg­te eine hef­ti­ge Gegen­re­ak­ti­on sei­nes Dok­tor­va­ters, der sich von sei­nem Schü­ler, der sei­nen Stu­di­en­ab­schluß mit einer Arbeit über das Risor­gi­men­to gemacht hat­te, öffent­lich distanzierte.

Für Galan­te Gar­ro­ne gab es mit dem „Kle­ri­ka­len“ kei­ne Ver­söh­nung mehr. „Ich habe ihn aber wei­ter­hin geschätzt“, so Messori. 

Die Tages­zei­tung La Stam­pa frag­te Mess­o­ri, war­um es nun zu einer Neu­aus­ga­be sei­nes Best­sel­lers kommt: „Ist sie viel­leicht an jene adres­siert, die in der katho­li­schen Welt die Gott­heit Jesu in Fra­ge stel­len?“ Es wird nicht gesagt: Damit könn­te aber Papst Fran­zis­kus selbst gemeint sein, von dem der Athe­ist Anto­nio Scal­fa­ri jüngst behaup­te­te, er habe ihm gegen­über die Gott­heit Jesu Chri­sti geleugnet. 

Mess­o­ri: Der Pro­te­stan­tis­mus, laut dem die Fra­ge, ob das Evan­ge­li­um eine histo­ri­sche Wahr­heit wie­der­gibt oder nicht, für den Glau­ben nicht ent­schei­dend ist, hat auch die katho­li­sche Exege­se beein­flußt, und das nicht wenig. Der Glau­be muß für den Katho­li­ken aber zwin­gend eine histo­ri­sche Grund­la­ge haben.

Fra­ge: Was irri­tiert Sie am der­zei­ti­gen Pontifikat?

Mess­o­ri: Ich schicke vor­aus, daß ich häu­fig ein Lob auf die Jesui­ten geschrie­ben habe. Ihr Schlüs­sel, die Welt zu sehen, ist das et-et. Sie sind inklu­siv. Dafür bewun­de­re ich sie.

Fra­ge: Das heißt?

Mess­o­ri: Es ist das Pon­ti­fi­kat des Jesui­ten Berg­o­glio, das bis­wei­len irri­tiert. Der Nach­fol­ger des Petrus muß zual­ler­erst das depo­si­tum fidei, die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on beschüt­zen. Die Kir­che und ihre Leh­re gehö­ren allein Chri­stus. Der Papst ist nur ihr Wächter.

Fra­ge: Die­ser Papst hingegen…?

Mess­o­ri: Um ein Bei­spiel zu nen­nen: Er hat motu pro­prio den Kate­chis­mus in Sachen Todes­stra­fe geän­dert, indem er sie für Chri­sten als unzu­läs­sig erklär­te. Nun: Man kann die­se Stra­fe für unan­ge­bracht hal­ten (was ich tue), man darf aber nicht ver­ges­sen, daß die christ­li­che Leh­re sie nie aus­ge­schlos­sen hat.

Fra­ge: Und die Mög­lich­keit für die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen die Kom­mu­ni­on zu empfangen…

Mess­o­ri: Die katho­li­sche Moral ver­langt Hel­den­tum. Sie kennt kei­ne Schleich­we­ge und Abkürzungen.

Fra­ge: Die Ein­wan­de­rer, die Boots­flücht­lin­ge sind ein Kampf­the­ma des ehe­ma­li­gen Innen­mi­ni­sters Matteo Sal­vi­ni. Kar­di­nal Rui­ni for­dert zum Dia­log mit dem Par­tiv­or­sit­zen­den der Lega auf. Sind Sie damit einverstanden?

Mess­o­ri: Kann ein Kar­di­nal sich irgend­wem ver­wei­gern, ohne zumin­dest sei­ne Beweg­grün­de anzuhören?

Fra­ge: Zwei Päp­ste: Ratz­in­ger und Berg­o­glio. Wie „lesen“ Sie die­se Kopräsenz?

Mess­o­ri: Es ist eine Aus­nah­me­erschei­nung, ein Rät­sel. Bene­dikt XVI. hat sich als eme­ri­tier­ter Papst defi­niert und damit ver­wirrt. Die­se Bezeich­nung und die­sen Sta­tus kennt das Kir­chen­recht nicht. Ich war über­zeugt, daß er sich in ein Klo­ster zurück­zieht, statt­des­sen hat er sich ent­schie­den, im Vati­kan zu blei­ben. Er ist aber ein Mann des Glau­bens, des Gebets, des Den­kens, er wird sicher sei­ne reli­giö­sen Grün­de dafür haben.

Fra­ge: Neh­men Sie in der der­zei­ti­gen Situa­ti­on den Ruf der Lefeb­vria­ner wahr?

Mess­o­ri: Als Don Ber­nard Fel­lay Obe­rer die­ser Dis­si­den­ten war, woll­te er mich ken­nen­ler­nen. Er schlug mir vor, mich unter die Sei­nen ein­zu­rei­hen. Ich habe ihn ohne Zögern ent­täuscht: Ich bin und wer­de immer mit der Kir­che sein und nicht mit jenen, die sich davon getrennt haben. Ich bin mit den Päp­sten, den Kar­di­nä­len, den Bischö­fen, den Pfar­rern, auch wenn mir eini­ge ihrer Hand­lun­gen und Erklä­run­gen zwei­fel­haft schei­nen. Ich mur­re, viel­leicht macht es mich trau­rig, aber ich ver­ges­se nicht, daß die Kir­che, der Leib jenes Chri­stus ist, der in zwei­tau­send Jah­ren weit Schlim­me­res zurecht­ge­bo­gen hat. So wird es auch dies­mal sein. 

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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