(Rom) Der Vatikan reagierte auf die Kritik am Pachamamagate mit einem Kommentar des emeritierten Bischofs von San Cristobal de las Casas in Mexiko, der im Osservatore Romano veröffentlicht wurde.
Msgr. Felipe Arizmendi Esquivel war von 2000–2017 Bischof von San Cristobal de las Casas im Südwesten von Mexiko. Das Bistum wurde durch das „Chiapas-Experiment“ seines Vorgängers Samuel Ruiz Garcia bekannt, der einen eigenen „indigenen Klerus“ schaffen wollte. Dafür vernachlässigte er die Priesterberufungen und weihte stattdessen eine Vielzahl von verheirateten Diakonen. Schließlich kamen im Bistum auf jeden Priester mehr als sieben verheiratete Diakone. Sie sollten, so die Pläne von Bischof Ruiz Garcia, das schon vorbereitete Reservoire für die künftigen verheirateten Priester bilden, sobald der priesterliche Zölibat aufgehoben sein würde. Der Bischof begründete sein Vorgehen mit dem hohen Indio-Anteil in seinem Bistum, denen der Zölibat nicht zu vermitteln sei. Die „Indio-Diakone“ durchliefen im Eilverfahren eine theologische Schmalspurausbildung, denn auch diesbezüglich sei ihnen nicht mehr „zumutbar“.
Rom zog die Handbremse, gab Ruiz Garcia einen Koadjutor zur Seite und ernannte schließlich einen neuen Bischof mit der Auflage, keine ständigen Diakone mehr zu weihen und stattdessen die Berufungspastoral zu stärken. Die Ergebnisse waren verblüffend und widerlegten Bischof Ruiz Garcia auf ganzer Linie, hätte er noch gelebt. Das zuvor leere Priesterseminar füllte sich, nicht zuletzt auch gerade mit jungen Indios.
Der Eindruck, Bischof Arizmendi sei ein tatkräftiger Erneuerer des katholischen Glaubens, erwies sich aber nicht als wirklich zutreffend. Vielmehr war er vor allem ein gehorsamer Befehlsempfänger, der unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die römischen Wünsche erfüllte und dies nun ebenso unter Papst Franziskus tut, wenn auch mit anderem Schritttempo und anderer Richtung.
Hatte Benedikt XVI. das Verbot von Johannes Paul II., ständige Diakone zu weihen, aufrechterhalten, wurde es von Papst Franziskus wieder aufgehoben und das Chiapas-Experiment in Teilen wiederaufgenommen. 2017 hatte sich gegenüber der Amtszeit von Bischof Ruiz Garcia die Zahl der Priester von 54 auf 125 mehr als verdoppelt, aber auch die seit 2000 stagnierende Zahl der ständigen Diakone schnellte auf neue Rekordhöhen: von 316 (2014) auf 450.
Msgr. Arizmendi war in den vergangenen Jahren als Kolumnist in weltlichen Zeitungen Mexikos aktiv, zuletzt vor allem zum Thema Amazonassynode. Im Gegensatz dazu wurde seine Kolumne vom 6. November zunächst von katholischen Medien veröffentlicht. Den Auftakt machte die Presseagentur Zenit und unmittelbar darauf die Wochenzeitung Desde la Fe des Erzbistums Mexiko Stadt.
Unter der Überschrift „Ist die Pachamama eine Gottheit?“ verteidigt der emeritierte Bischof die Pachamama-Rituale, die im Zusammenhang mit der Amazonassynode in Rom, im Vatikan und sogar im Petersdom stattfanden. Vom Vatikan wurde bis zuletzt geleugnet, daß es sich bei den omnipräsenten Holzfiguren um die heidnische Gottheit der Pachamama handelt. Erst Papst Franziskus gab dies in seiner Stellungnahme am vorletzten Synodentag gegenüber den Synodalen zu.
Die Kolumne von Msgr. Arizmendi wurde von weiteren Medien übernommen und wurde gestern, ob schon geplant oder schnell improvisiert, zu einer ersten offiziösen Reaktion des Vatikans auf den Protest gegen sakrilegische Aktionen von Papst Franziskus. Die Kolumne des emeritierten Bischofs wurde ins Italienische übersetzt und in der heutigen Ausgabe des Osservatore Romano abgedruckt und im Internet bereits gestern veröffentlicht.
Dafür spricht, daß sie inzwischen auch von Vatican News, der Nachrichtenplattform des Vatikans, übernommen wurde mit folgender Einleitung:
„Msgr. Felipe Arizmendi, emeritierter Bischof der Diözese San Cristobal de las Casas im Chiapas, Mexiko, reflektiert in der vatikanischen Tageszeitung L’Osservatore Vaticano über die Darstellungen der Pachamama, die während der Synode über die Amazonasregion präsent waren.“
Verblüffend ist, wie selbstverständlich dieselben Medienverantwortlichen des Vatikans nun über die Holzfiguren als Pachamama sprechen, während sie vor kurzem noch Verrenkungen und Windungen aller Art vollzogen, um genau das zu bestreiten.
Der Hinweis von Vatican News läßt erkennen, daß dieser Kolumne von Bischof Arizmendi ein ganz anderes Gewicht zukommt, als seinen anderen, regelmäßigen Kommentaren in weltlichen, mexikanischen Medien.
Einmal mehr wählt der Heilige Stuhl, wo Franziskus direkt gefordert ist, einen indirekten, verhüllten Weg über Medien und Nebengestalten. Wo Katholiken eine klare und direkte Antwort wünschen und erwarten, wird vom Vatikan darum ein großer Bogen gemacht. Die Kritiker der vergangenen Woche und nun die Unterzeichner des Protestes gegen sakrilegische Aktionen von Papst Franziskus wenden sich direkt an Papst Franziskus. Es geht um seine Amtsführung, seine Aussagen, sein Handeln und auch seine Unterlassungen.
Bischof Arizmendi kann darauf keine Antwort geben. Seine Verteidigung des heidnischen Pachamama-Spektakels durch Umdeutung, Schön- und Kleinreden dürfte abseits des päpstlichen Hofstaates und des REPAM-Anhanges ohnehin kaum jemand zufriedenstellen.
Nur ein Beispiel seiner Argumentation. Er habe vor Jahren bei einer Tagung des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) in Bolivien einen Indio gefragt, ob Pachamama oder Inti, was der Bischof als „Mutter Erde“ und „Vater Erde“ übersetzt, Götter seien. Der Indio habe ihm geantwortet: „Wer noch evangelisiert wurde, betrachtet sie als Götter. Für uns, die wir evangelisiert wurden, sind es keine Götter, sondern die besten Gaben Gottes.“ Das sei eine „wunderbare Antwort“, so Bischof Arizmendi: „Das sind sie! Sie sind Ausdruck der Liebe Gottes, nicht Götter.“
So einfach ist das? Und das parallel? Zwei stehen nebeneinander und werfen sich zur Verehrung auf den Boden, der eine verehrt einen heidnischen Götzen und der andere eine „Gabe“ des wahren Gottes?
Es fällt schwer, sich die frühen Christen vorzustellen, wie sie gemeinsam mit Heiden zum Jupitertempel auf das Kapitol pilgern und Seite an Seite mit den Heiden dem heidnischen Hauptgott opfern mit der dialektischen Kunstgriff, daß die Heiden eben Jupiter, die Christen aber den wahren Gott anbeten würden.
Das genaue Gegenteil ist überliefert. Selbst Kaiser Konstantin der Große, von dem manche heute sein Christentum und seine Taufe gerne zerreden, gab vielfältiges Zeugnis für sein christliches Bekenntnis. Ein Zeugnis bestand gerade darin, daß er bei keinem seiner Rom-Aufenthalte – der Einzug des Kaisers wurde als adventus bezeichnet und gefeiert – den üblichen Aufstieg zum Jupitertempel auf dem Kapitol vollzog, um im bedeutendsten, heidnischen Heiligtum der Stadt dem Jupiter zu opfern, dem Staatskult Reverenz zu erweisen oder an Jupiterfesten teilzunehmen.
Der Kaiser, der erst Christ geworden war, wußte sich zu distanzieren.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican News/Osservatore Romano (Screenshots)