Ein Gastkommentar von Hubert Hecker.
Seit dem Aufschwung der Industrialisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts sind die globalen Durchschnittstemperaturen um etwa 1 Grad gestiegen. Die statistische Korrelation zwischen den beiden Größen ist kaum bestreitbar. Aber ist damit auch ein ursächlicher Zusammenhang gegeben? Ist der Temperaturanstieg wirklich allein „menschengemacht“ durch Emissionen von verschiedenen Gasen? Oder ist die derzeitige Warmzeit Teil einer langfristigen Klima-Konjunktur mit natürlichen Schwankungen?
Aus historischer Perspektive haben sich in den vergangenen 2000 Jahren zwei Warmzeiten mit zwei Kälteepochen abgewechselt.
Aufstieg und Blütezeit des Römischen Reiches wurden von einer Warmzeit wie heute begünstigt. In dem antiken Klimaoptimum waren die Alpenpässe von Schnee und Gletschereis befreit. Das erleichterte den Römern die Eroberung Galliens und Germaniens. Vermutlich konnte auch Hannibals Heereszug über das Alpengebirge nur unter den Warmzeit-Bedingungen gelingen.
Doch in der Spätantike war eine deutliche Klimaverschlechterung festzustellen. Die Epoche vom 4. Jahrhundert n. Chr. bis zum Ende des Frühmittelalters gilt als europäische Kaltzeit. Die damalige Klima- und Ernteverschlechterung dürfte der Auslöser der Völkerwanderung gewesen sein, bei der die Goten, Langobarden und andere germanische Nordvölker in den warmen Süden strebten. Ende Dezember des Jahres 406 konnten die Germanenstämme der Vandalen und Sueben mit zigtausenden Menschen samt Pferden und Fuhrwerken den Rhein nur deshalb überwinden und in Gallien einfallen, weil der Fluss mit hoher Wahrscheinlichkeit zugefroren war.
Seit dem 8. / 9. Jahrhundert zeigten steigende Temperaturen einen erneuten Klimawandel an – in Richtung der mittelalterlichen Warmzeit. Damals begannen die Wikinger Island und Grönland zu besiedeln. Die Nordmänner betrieben auf der Insel Grünland Viehwirtschaft, auf Island konnten sie im Hochmittelalter Weizen, Roggen und Gerste anbauen, womit erst heutzutage wieder ansatzweise begonnen wird. Die unwirtliche Insel war vormals als Eisland bekannt, das im Frühmittelalter von unzähligen Gletschern bedeckt war. Mit der Warmzeit ging eine Gletscherschmelze einher. Im Spätmittelalter verschlechterte sich das Klima wieder, so dass sich im 15. Jahrhundert zahlreiche neue Gletscher bildeten – z. B. der Okjökull Gletscher im Westen Islands. Er wuchs in der folgenden Kleinen Eiszeit der Neuzeit zu einem riesigen Gletscherfeld heran. Sein erneutes Schrumpfen seit 150 Jahren führte kürzlich zu seinem „Tode“. Wahrscheinlich war der Gletscher aber schon einmal abgeschmolzen – zu Beginn der Warmzeitepoche vor 1000 Jahren …
Für die höheren Durchschnittstemperaturen der mittelalterlichen Warmzeit gibt es weitere Belege: Hochwasserüberflutungen – typisch für Hochtemperaturzeiten – waren im Mittelalter häufiger und höher als heute. Das lässt sich in vielen mitteleuropäischen Städten an den angezeichneten Pegelständen für das Magdalenen-Hochwasser vom Juli 1342 ablesen. Der Meeresspiegel stieg wegen der abgeschmolzenen Eismassen der arktischen Region. Die Nordsee überflutete damals etwa 100 Hallige und zerstörte Küstenregionen. Die Marcellus-Sturmflut von 1362 ließ die Insel Runghold und sieben andere Inselgemeinden im Meer versinken.
In den Alpen konnten im 13. Jahrhundert Siedlungen in hochgelegenen Alm-Regionen gegründet werden, die im 17. Jahrhundert wegen der längeren und kälteren Winter wieder aufgegeben werden mussten.
Ein Gartenbuch von 1546, das die spätmittelalterliche Gartenpraxis widerspiegelt, empfiehlt für den Monat Februar: In diesem Monat soll man Bohnen, Erbsen, Wicken und Kichererbsen säen sowie „allerley Kuechenkreuter als Enis, Dillen, Petersilien, Kolkraut, Kappis, Zwibel, Basilien, Fenchel, Lattich, Zwibellauch, Pasteneyen, Magsamen“ (Maggikraut). „Im Merzen sind fürnehmlich zu sehwen die frembden und hielendischen Kürbsfrücht, Melunen, Citrullen und andere schöne Welsche erdäpffel“, damals die Bezeichnung für mediterrane Früchte. Im Spätmittelalter wurde also schon für die Wintermonate an Aussaat empfohlen, was heute erst ab Ende April bis nach den Eisheiligen im Freien ausgesät werden sollte, insbesondere die kälteempfindlichen Kürbisfrüchte, Melonen und Zitrullen ebenso wie Anis, Basilikum oder Pastinaken.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts war wiederum ein Klimawandel festzustellen. Ab 1570 machten sich die Folgen der Klimaverschlechterung in Missernten bemerkbar. Die sogenannte „Kleine Eiszeit“ dauerte in Europa vom 16. bis 19. Jahrhundert. Damals waren in bitterkalten Wintern Teile der Ostsee vereist. In Holland froren die Teiche und Kanäle zu, was die flämischen Maler ins Bild setzten. Diese Kälteperiode ist heute Geschichte. Nur die gelegentlichen Nachtfröste von Ende März bis Mitte Mai sind noch als die letzten Auswirkungen der neuzeitlichen Kaltzeit anzusehen. Wir sind in der gegenwärtigen Warmzeit noch längst nicht auf dem Temperaturniveau des Mittelalters angekommen.
Die Kleine Eiszeit war ein globales Phänomen, allerdings zeitversetzt: Nach einer Schweizer Studie erreichte sie im Bereich des Pazifischen Ozeans schon im 15. Jahrhundert ihren Höhepunkt, im Südosten der USA und im Nordwesten Europas im 17., in den meisten anderen Regionen der Welt dagegen erst Mitte des 19. Jahrhunderts. Auch die Warmzeit des europäischen Mittelalters war in Nord- und Mittelamerika zu beobachten, dort ebenfalls in zeitversetzten Phasen und mit regionalen Verschiebungen.
Die natürlichen Ursachen für die weltweiten Klimakonjunkturen seit 2000 Jahren
Offensichtlich wurden die historischen Klimaveränderungen durch natürliche Faktoren hervorgerufen. Die Forscher nehmen als Hauptfaktoren die Schwankungen der Sonneneinstrahlung sowie Vulkanismus an. Die Sonnenstrahlung weist während der letzten 1000 Jahre zwei Maxima auf, das eine während des Mittelalters, das andere im 20. Jahrhundert, während sie in der Kleinen Eiszeit relativ niedrig war. Damit dürfte die erhöhte Sonnenaktivität der Hauptfaktor für die Warmzeiten der letzten 2000 Jahre sein – einschließlich der antiken und der heutigen Warmzeit. Mit diesen Daten korrespondiert der Klimaeinfluss des Vulkanismus: Ist der Anteil von Vulkanstaub in der Atmosphäre niedrig, kann mehr Sonnenlicht die Erde erreichen und es wird wärmer. Bei starker Verschmutzung der Atmosphäre durch Vulkanasche gelangt weniger Sonnenlicht auf die Erde und es wird kälter. Möglicherweise zog die riesige Vulkaneruption auf der indonesischen Insel Lombok im Jahre 1257 weltweite Klimawirkungen nach sich. Deren Sulfat-Emissionen in die Stratosphäre sollen achtmal höher als beim Ausbruch des Krakatau (1883) gewesen sein. Mit dieser globalen Emission würde erklärbar, dass die Kleine Eiszeit sich zunächst im 15. Jahrhundert im pazifischen Raum ausbreitete und erst später in den westlichen Weltregionen auftrat.
Die beiden Erklärungsfaktoren Vulkanismus und Sonneneinstrahlung müssen in ihrer Wirkung tendenziell für den gesamten Globus angenommen werden. In Wirklichkeit sind aber bei den globalen Kalt- und Warmzeiten große regionale Unterschiede festzustellen. Daher müssen noch andere Wirkfaktoren in Betracht gezogen werden – etwa die Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation. So könnte die verstärkte Sonneneinstrahlung im Mittelalter zu veränderten nordatlantischen Windbewegungen geführt haben, die vor allem im Nordwesten Europas für milde und feuchte Winter sorgten, während in Südeuropa eher Trockenheit herrschte. Zu Beginn der Kleinen Eiszeit hätten dann die maritimen Westwinde deutlich abgenommen. Die komplexen Wechselwirkungen und Rückkopplungseffekte zwischen Sonnenaktivität und atmosphärischen Veränderungen sind aber bei weitem noch nicht ausreichend erforscht.
Was folgt aus diesen Ergebnissen vom mehrfachen Klimawandel in den letzten 2000 Jahren für die aktuelle Klimadebatte?
Zunächst ist der Klimawandel seit 1850 in Form der steigenden Durchschnittstemperatur als Beginn einer Warmzeit anzusehen, wie sie schon in der Römerzeit und im Mittelalter auftrat. Die historische Perspektive legt nahe, für die aktuelle Erwärmungsepoche die gleichen natürlichen Ursachenfaktoren anzunehmen wie für die früheren Warmzeiten: Neben den bisher erkannten Bedingungen wie geringe Anreicherung von Vulkanstaub in der Atmosphäre, verstärkte Sonneneinstrahlung sowie deren Potenzierung durch atmosphärische Rückkopplungen könnte die Forschung weitere Triebkräfte finden. Es ist jedenfalls historisch und logisch ziemlich unsinnig zu behaupten: 2000 Jahre ereignete sich ein mehrfacher Wechsel von Warm- und Kaltzeiten aufgrund natürlicher Ursachen, aber seit der Mitte des 19. Jahrhunderts würden diese Faktoren für den Klimawandel, konkret für die aktuelle Warmzeit, keine Rolle mehr spielen. Seit 1850 würden ausschließlich von Menschen erzeugte Emissionen das Klima beeinflussen.
Es ist jedoch der Einwand zu erörtern, dass im aktuellen Klimawandel zwei Besonderheiten vorlägen: Nach Angaben von Forschern stieg die Durchschnittstemperatur in den letzten 150 Jahren deutlich schneller als in früheren Warmzeiten. Diese These ist allerdings schwer zu verifizieren, weil der zeitliche Rahmen des Temperaturanstiegs in der römischen oder mittelalterlichen Warmzeit als Vergleichsmaßstab nur sehr vage zu bestimmen ist. Des Weiteren sei die derzeitige Erwärmung gleichmäßiger über den gesamten Globus festzustellen, während frühere Warmzeiten nur in bestimmten Großregionen aufgetreten seien. Letztere These stimmt so nicht. Die mittelalterliche Warmzeit etwa ist neben Europa auch in Nordamerika nachweisbar, als sich im Missisippi-Gebiet eine indianische Hochkultur ausbreitete. Wie oben gezeigt, wirkten die beiden Hauptfaktoren für den Klimawandel, variable Sonneneinstrahlung und Vulkanismus immer schon tendenziell weltweit, auch wenn atmosphärische Zirkulationen diese globalen Tendenzen für Großregionen abschwächten oder verstärkten. Daraus folgt, dass der behauptete Gegensatz zwischen gleichmäßig-globaler Erwärmung heute und früheren großregionalen Warmzeiten nicht dazu geeignet ist, die natürlichen Erklärungsfaktoren für den aktuellen Klimawandel auszuschließen.
Wie oben logisch entwickelt und nach Okhams Sparsamkeitsprinzip für Theorien gefordert, müsste die Wissenschaft prioritär zu den natürlichen Erklärungsfaktoren für die derzeitige Klimaerwärmung forschen. Das tut sie aber nicht. Außerdem werden Ergebnisse totgeschwiegen, wenn sie der herrschenden Meinung vom menschengemachten Klimawandel widersprechen – wie etwa folgende Fakten: Die Auswertung von Eisbohrkernen ergab, dass erdgeschichtlichen Temperaturerhöhungen stets ein erhöhter CO2-Gehalt in der Atmosphäre folgte. Diese Gesetzmäßigkeit spricht eher für die These vom Temperaturanstieg als Ursache denn als Folge der erhöhten CO2-Werte (FAZ-Leserbrief vom 18. 9. 19). Dass ein Temperaturanstieg große Mengen von gebunkertem CO2 aus Eismassen und Permafrost lösen kann, ist auch in der derzeitigen Warmzeit nachweisbar. .
Die meisten heutigen Wissenschaftler haben sich auf die Forschungshypothese versteift, die derzeitige Erwärmungstendenz sei ausschließlich durch menschlich produzierte Emissionen verursacht. Dazu entwickelten sie die Theorie des Treibhauseffektes durch verschiedene Gase, was nicht durch Experimente, sondern nur mit komplexen Modellrechnungen erhärtet werden kann. Aus diesem Grund bleibt Skepsis angesagt, auch wenn angeblich 99 Prozent aller Wissenschaftler von dem Greenhouse-Konzept überzeugt ist. Außerdem können wissenschaftliche Ergebnisse nur dann als gesichert gelten, wenn sie einer ernsthaften Falsifizierungsforschung ausgesetzt werden. Das ist aber bei der heutigen Klimaforschung nicht erkennbar. Vermutlich gibt es eine Reihe Wissenschaftler mit diesem Anspruch. Doch solche Positionen werden in der medialen Öffentlichkeit sachlich und moralisch delegitimiert. Angesichts der massiven Unklarheiten über die Ursachen der aktuellen Warmzeit wäre eine Verstärkung der unvoreingenommenen Forschung notwendig. Nur bei einem offenen Wissenschaftsdiskurs kann eine realistische Perspektive entwickelt werden, was menschliche Aktivitäten bewirken können und worauf sie sich konzentrieren sollten. Doch statt Forschung sine ira et studio und sachorientiertem Diskurs verbreiten Klima-Zeloten eine apokalyptische Panikmache. Die ist von Politikern wie Al Gore angefacht worden, wird von den links-liberalen Medien hochgekocht und neuerdings von minderjährigen Hitzköpfen mit wutverzerrten Brandreden zum Siedepunkt gebracht.
Text: Hubert Hecker
Bild: Wikicommons