
Ein Kommentar von Hubert Hecker
Kürzlich legten die führenden Vertreter der Demokratischen Partei im US-Kongress einen Vorschlag für einen neuen Sprachverhaltenskodex vor. Danach sollen alle männlichen und weiblichen Personenbezeichnungen in den amtlichen Publikationen verboten und ersetzt werden durch geschlechtsneutrale Wörter. Statt Vater und Mutter soll nur noch der Begriff ‚Elternteil‘ erlaubt sein, statt Sohn und Tochter sind nur ‚Kind(er)‘ gestattet. Bruder und Schwester, Onkel und Tante dürfen nicht mehr genannt werden, nur noch als ‚Geschwister‘ und ‚Geschwister des Elternteils‘ in Erscheinung treten. Neffen und Nichten sollen nun ‚Schwiegerkind‘ heißen etc. Außerdem sollen die geschlechtsbezogenen Pronomen wie ‚er‘ und ‚sie‘ wegfallen.
Das Sprech- und Sprachverbot zu Worten mit männlichem und weiblichem Geschlechtsbezug wird damit begründet, dass ansonsten alle selbsterklärten „geschlechtlichen Identitäten“ diskriminiert werden würden. Deshalb soll die von Natur aus einzig mögliche Identität von Mann und Frau verbannt und geleugnet werden. Die Ankündigung des Dekret-Entwurfs als „vorbildlich“ kann als Drohung angesehen werden, dass die neue Kongressmehrheit der Demokraten und ihre Regierung diese radikale Gendersprachpolitik dem ganzen Land aufdrücken will.
Wie borniert die links-liberale Genderpolitik in den US-amerikanischen Eliten ist, zeigte sich beim Eröffnungsgebet zum neuen US-Kongress am 3. Januar 2020. Ein Pastor der Methodist Church aus Missouri beendete sein Gebet um Frieden im Parlament mit den Worten: „Im Namen des monotheistischen Gottes, Brahma, und Gott, der unter vielen Namen bei verschiedenen Glaubensrichtungen bekannt ist. Amen and A‑woman“. Da das ursprünglich hebräische Zustimmungswort ‚Amen – so sei es‘ sich im Englischen wie ‚a man – ein Mann‘ anhört, glaubte der Pastor ein „geschlechtergerechtes“ ‚a woman – eine Frau‘ hinzufügen zu müssen.
Auch in Deutschland wird seit 40 Jahren die Gender-Sprachpolitik vorangetrieben. Inzwischen haben einige Universitäten, Stadtverwaltungen und andere Institutionen Anleitungen herausgegeben, mit denen sie ihren „Mitarbeiter*innen“ die Gendersprache „empfehlen“, faktisch jedoch aufnötigen. Auch in der EKD ist seit kurzem das Gendern quasi vorgeschrieben.
In den Publikationen der katholischen Kirche ist die Gendersprache noch weitgehend ungebräuchlich. Aber Einzelpersonen betätigen sich als Genderaktivisten. Dazu zählen Laienteilnehmer des Synodalen Wegs oder die Gastprofessorin Dr. Sonja Strube an der Katholischen Hochschule Mainz. Sie hält Seminare ab gegen „Anti-Gender-Aktivismus“ im konservativen Bereich der Kirche. Dort seien „Frauen die bekanntesten Wortführer*innen“, meint Frau Strube in einem Interview der Mainzer Kirchenzeitung ‚Glauben und Leben‘ vom 10. Januar 2021.
Eine Pastoralreferentin aus dem Bistum verwendet in ihren Texten zum Pfarrbrief die Anrede: „Liebe Mitchrist*innen“. Bei einem Gottesdienst sprach sie die versammelten Gläubigen als „Liebe Mitchrist innen“ an, also mit einer künstlichen Wortinnenpause. Auf den kritischen Einwand, dass mit ihrer Christinnen-Anrede die männlichen Christen sprachlich ausgeschlossen würden, rechtfertigte sie sich mit subjektiven Intentionen: In ihrer Anrede mit der Genderpause habe sie doch die liebende Perspektive der Inklusion ausdrücken wollen, bei der „sich jede*r (männlich/weiblich/divers) hier in der Gemeinde willkommen geheißen fühlen soll“.
Was hat es mit dieser Gendersternsprache eigentlich auf sich? Warum soll die Bezeichnung ‚die Christen‘ frauendiskriminierend sein? Weshalb bekämpfen Genderaktivisten das ‚generische Maskulinum‘?
Zu Beantwortung dieser Fragen sind die Wortbildungsgesetze der deutschen Sprache zu beachten. Die große Wortklasse der Nomina mit der Endung ‑er werden durch Substantivierung von Verben gebildet: Aus lesen, beten, wählen, mieten etc. werden Leser, Beter, Wähler, Mieter. Die Substantive stehen zwar im Maskulinum. Doch ebenso wie für das jeweilige Handeln ist auch bei den Handelnden das Geschlecht (Sexus) irrelevant. Die Artikel und Nomina werden für die gesamte Gattung oder Klasse der Agierenden gebraucht und mit dem lateinischen Begriff Genus bezeichnet. Man spricht in diesem Fall von generischem Maskulinum, das geschlechtsindifferent Männer und Frauen einschließt. Der Inklusionscharakter von Genera wird besonders deutlich bei der Pluralbildung: Mit den Worten ‚die Leser, die Beter, die Wähler, die Mieter‘ werden unter dem generischen Feminin-Artikel weibliche und männliche Akteure zusammengefasst – etwa in den Sätzen: ‚Die Wohnungsmieter sind Helga und Gerd Wiese‘ oder: ‚Die meisten Beter in Lourdes sind Frauen‘. Auch in den Wortableitungen und Komposita wie Leserschaft‚ Wählerverzeichnis, Mieterversammlung, Kundenberatung oder Kanzleramt werden die Maskulinworte generisch-inklusiv verwendet.
Gleiche Bestimmungen gelten für die maskulinen Substantive mit den Endungen ‑ist (z. B. Realist, Christ), ‑ant (Migrant, Lieferant), ‑eur (Redakteur) und ‑or (Lektor). Sie werden hauptsächlich als Genera gebraucht. Die Bezeichnungen Christ oder Migrant schließen Männer und Frauen ein – etwa in den Wendungen: ‚Christ in der Gegenwart‘ oder ‚Die Migranten von 2015 waren zu 30 Prozent weiblich‘. Gleichwohl sind sie aber auch je nach Kontext mit Sexusbezug verwendbar – etwa: ‚Ein Christ betrügt niemals seine Frau‘ oder ‚Migranten aus Nordafrika haben vielfach ein archaisches Frauenbild‘.
Das Fachwort für die semantische Geschlechtervariabilität heißt ‚unmarkiert‘. Das bedeutet: Die Maskulin-Worte mit Suffixen auf ‑er, ‑ist, ‑ant etc. sind nicht auf das Merkmal ‚männlich‘ festgelegt. Dieses fundamentale Sprachgesetz will der Duden neuerdings aushebeln, indem er die oben genannten Wortklassen in Singular und Plural als männlich fixiert dekretiert. Der generische Gebrauch der Worte Wähler, Mieter, Christ etc., wie oben an Beispielen dargestellt, soll künftig als regelwidrig angesehen werden. Die Folge wäre, dass die Begriffe Christsein, Christlichkeit oder Christenverfolgung in ihrem Bedeutungsbezug ausschließlich für Männer reserviert wären. Der Verwirr-Duden will uns vorschwindeln, als wenn eine Kundenberaterin nicht für weibliche Kunden zuständig wäre, zu einer Mieterversammlung Frauen keine Einladung hätten und im Wählerverzeichnis nur Männer gelistet wären. Nach der neuen Duden-Willkür müsste der Plural stets gegendert werden z. B. zu Lehrer- und Lehrerinnenzimmer oder Genossen- und Genossinnenschaft. Die Folge dieser Verumständlichung der Sprache führt dazu, dass es in den Reden von gendereifrigen Politikern regelmäßig zum ‚geschlechterungerechten‘ Vernuscheln der weiblichen Formen kommt – etwa zu Genossen’n (O. Scholz) oder Soldaten’n (H. Maas).
Diese Defizite der Gendersprache zeigen die kommunikative Sinnhaftigkeit, insbesondere im Plural sowie bei Wortzusammensetzung und ‑modifikationen das generische Maskulinum zu Aussage und Abbildung von geschlechterübergreifenden Wirklichkeiten zu gebrauchen. Die Kirchengeschichtlerin Dorothea Wendebourg plädierte in der FAZ vom 18. 1. dafür, dass gerade „wir als Frauen das genus commune brauchen“, das heißt die grammatische Form, in der „die Gesamtheit der in einem Beruf, einer Funktion, einer Lebenslage verbundenen Menschen“ eingeschlossen sind. Sie verweist auf Frauen der ehemaligen DDR, die emanzipatorisch-stolz auf ihre damaligen Leistungen „als Ingenieure, Dreher oder Betriebsleiter“ sind oder als Frau Doktor gearbeitet haben. Dagegen sei die Rede von Ingenieurinnen- oder Ärztinnenberuf (mit oder ohne Genderstern) sachliche und sprachliche Irreführung, als wenn jene Berufe geschlechtsspezifisch wären.
Im Gegensatz zu den generisch-inklusiven Maskulin-Nomina stehen die Worte mit der Endsilbe ‑in. Sie sind sprachgesetzlich auf das Merkmal feminin festgelegt, also ‚markiert‘. Die Personalnomina Leserin, Beterin, Mieterin, aber auch Lieferantin, Redakteurin, Lektorin werden gebraucht, um eine einzelne weibliche Akteurin zu bezeichnen. Auch in der Pluralform sind unter der Anrede ‚liebe Christinnen‘ nur Frauen des christlichen Bekenntnisses zu verstehen – etwa in einer Versammlung der katholischen Frauengemeinschaft. Deshalb widerspricht der Satz: ‚Unter den Beterinnen von Lourdes sind nur wenige Männer‘ den Gesetzen der Sprache und der Logik. Denn unter den weiblich markierten ‚Beterinnen‘ können nicht zugleich männliche ‚Beter‘ gefasst werden.
Nach der gleichen Sprachregel ist es nicht möglich, das generische Pluralwort ‚die Christen‘ für die Gesamtheit der Gläubigen in der Kirche oder einer Gemeinde durch ‚die Christ(*)innen‘ zu ersetzen. Unter den ‚frühen Christen‘ zählten gleichermaßen männliche und weibliche Märtyrer zu den Opfern der römischen Christenverfolgung. Dagegen sind mit dem Genderwort Christ*innenverfolgung die männlichen Christen aus der verfolgten Christengemeinschaft ausgeschlossen. Daran ändert auch der Genderstern nichts, denn er steht nicht für das männliche Geschlecht. Analog sind in dem Wort Judenverfolgung Männer, Frauen und Kinder inkludiert. Durch die Genderverwandlung in Jüd*innenverfolgung werden jüdische Männer und Jungen nicht mehr als Opfer der Verfolgung angesehen – eine halbe Holocaustleugnung.
Die Genderaktivisten verheddern sich in den Widersprüchen, die aus den grammatischen Missverständnissen entstehen. Seit Beginn der Genderdebatte monieren sie, dass beim generischen Maskulinum Frauen nur nachrangig mitgemeint seien. In radikaleren Kritikversionen spricht man vom (vermeintlichen) Ausschluss der Frauen bei jenen Genera. Dagegen wird in der Gendersternsprache genau das praktiziert, was man fälschlich dem generischen Maskulinum unterstellt.
Ein weitere Widersprüchlichkeit besteht darin: Grammatisch weibliche Substantive wie die Person, Arbeitskraft, Aushilfe oder Intelligenzbestie müssten nach dem Anspruch der vielbeschworenen Geschlechtergerechtigkeit eigentlich vermieden werden. Denn in der Lesart der Genderisten werden mit diesen Femininworten (in Verkennung des generischen Charakters) bevorzugt Frauen angesprochen und erst nachrangig Männer mitgemeint. Während sie die analoge sprachliche Konstellation bei den maskulinen Genera kritisieren, praktizieren sie das gleiche Muster bei den femininen Nomina, die sie sogar als Ersatz für das generische Maskulinum propagieren.
Im praktischen Sprachgebrauch werden die generischen Einzelworte intuitiv richtig gebraucht, indem die Bezeichnungen je nach Kontext einen Bedeutungsbezug auf Frauen oder Männer haben können – etwa bei dem Wort ‚die Niete‘. Unter dem Buchtitel ‚Nieten in Nadelstreifen‘ werden eher Männer verstanden. ‚Die Dumpfbacke‘ kann ebenso ein Mann sein wie ‚der Schelm‘ oder ‚der Scherzkeks‘ eine Frau. Dagegen wollen Genderfeministinnen die sprachpraktische Einsicht vom kontextuellen Bezug auf eines oder beide Geschlechter bei der unmarkierten Wortgruppe des generischen Maskulinums gegen alle Evidenz nicht wahrhaben.
Wie schon erwähnt, sind die aus Verben abgeleiteten Substantive auf ‑er wie Jäger, Sammler, Bauer, Schreiber genauso wenig geschlechtsspezifisch wie die das Handeln beschreibenden Tätigkeitsworte. Die Gattungs- oder Gruppenbezeichnungen können aber je nach realen Umständen auch auf das Geschlecht der Handelnden bezogen sein. Letzteres war in früheren Zeiten der Fall, als die Männer im öffentlichen Raum die meisten Tätigkeiten dominierten. In diesem Kontext wurden die genannten Nomina realitätsbezogen fast ausschließlich mit männlichen Personen konnotiert.
Nachdem seit Beginn der Neuzeit zunehmend Frauen in den ehemals männerdominierten Bereichen und Berufen tätig sind, kommt der immer schon generische Charakter jener Wortgruppe zum Tragen: Mit dem maskulinen Genus-Wort ‚Sammler‘ z. B. sind Menschen gemeint, die etwas sammeln, in bestimmten Kontexten auch jeweils Männer oder Frauen – etwa in dem Satz: ‚Die Sammler der Altsteinzeit waren meistens Frauen‘. Oder: ‚Die um Spenden bittenden Mädchen an der Haustür zeigten ihren Sammlerausweis.‘
Die Forderung nach stetiger gendersprachlicher Ausdifferenzierung in ‚der*die Sammler*in‘ oder ‚Sammler*innenausweis‘ ist so überflüssig wie ein Kropf. Darüber hinaus enthält dieser Gender-Neusprech auch einen falschen Realitätsbezug, als wenn es einen Tätigkeitsunterschied zwischen männlichem und weiblichem Sammeln und Jagen, Schreiben und Studieren gäbe (siehe auch das obige Beispiel vom vermeintlichen Ingenieur*innenstudium). Wenn der Duden uns neuerdings vorschreiben will, dass unter ‚Zeitzeugen‘ oder ‚Ladendieben‘ ausschließlich männliche Personen zu verstehen seien, so ist das weder grammatisch korrekt noch geschlechter- und realitätsgerecht. Wegen dieser welt- und sprachfremden Tendenz wird das Gendersprachprojekt ebenso wenig Bestand haben wie weiland die Mengenlehre an der Schule.
Zum Schluss seien ein paar karnevaleske Auswüchse der Gendersternsprache bei Komposita aufgeführt. Solche Wortkonstrukte wie Bürger*innenmeister*in, Ladendieb/innenstahl oder Außenarchitekt:innen sind ebenso lächerlich wie LKW-FührerInnenhaus und Außenvertreter_innen. In der Fastnachtsausgabe des Heutejournals möchten Petra Gerster und Claus Kleber ankündigen, dass Chef*innenredakteur*innensprecher*innen das Ruder auf dem Narr*innenschiff ZDF übernehmen.
Die Genderisten haben sich in eine sprachpolitische Sackgasse verrannt.
Bild: MiL
Wir haben eine Diktatur der Sprache,
schon vor 8 Jahren hat die Politik in einem deutschen Ministerium für alle ausgehenden Schreiben diese Diktatur begonnen, alle Kollegen fanden das verrückt, haben sich aber daran gehalten, ich bekam meine Schreiben von meinem Vorgesetzten zurück, ich sollte sie ändern. Ich habe das abgelehnt. Meine Kollegen warnten mich, ich würde eine Kündigung riskieren. Ich war aber in der glücklichen Lage nur noch zwei Jahre vor meiner Rente zu stehen. So sagte ich laut, es kann mir gar nichts besseres passieren, dann könnte ich mich wenigstens gleich meinen Enkelkindern widmen. Ich habe keine Kündigung erhalten, dafür an meinem letzten Arbeitstag von einem höheren Chef einen handgeschriebenen Brief, dass er mich auch wegen meiner Standhaftigkeit geschätzt habe.
- eine Diktatur der Ernährung wird immer wieder versucht,
- eine Diktatur der Fortbewegung ist im Werden,
- jetzt haben wir eine Diktatur der Gesundheit,
- bald haben wir eine Diktatur der Religion.
Der verstorbene Kardinal von Chicago Francis George sagte ca. 2014: Ich sterbe in meinem Bett, mein Nachfolger wird im Gefängnis sterben und dessen Nachfolger wird öffentlich hingerichtet werden.
Ich bin mir nicht so sicher, dass das eine Sackgasse ist. Es wird so werden wie in vielen anderen Bereichen auch: wer an Wahrem, Richtigen und Gutem festhält, wird sich plötzlich im Abseits wiederfinden, denn die Welt um ihn herum wurde über Nacht geändert. Und das scheint der Welt nichts auszumachen! Twitterte doch das DPolG Hamburg am 14.2.2021:
„Die Durchsuchung führte zur Ergreifung von einem Bösewicht & zwei Bösewichtinnen, die als Hotelgäste getarnt auf Beutezug gingen. Wobei die Bösewichtinnen tatsächlich als Gästinnen des Hotels eingecheckt waren. An der Durchsuchung nahmen Polizeiende mehrerer Dienststellen teil.“
Kann man sich mehr zum Narren machen – und es nicht mal bemerken?
… allerdings zeigt die Nachricht auch noch eine weitere interessante Variante auf: bis dato wurden ja immer nur positive Begriffe „gleichberechtigt“: Wählerinnen und Wähler, Kundinnen und Kunden, Leserinnen und Leser . Wir hatten nie etwas gehört von Raserinnen und Rasern, Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterziehern, Climate-Changeleugnerinnen und Climate-Change Leugnern… Die Bösewichtinnen aus obigem Zitat könnten einen neuen Abschnitt einläuten!
Aus dem AT wissen wir, dass der liebe Gott sein Volk schon einmal gerettet hat, indem er die Sprache der Feinde verwirrte. Aufgeklärte Christen von heute wissen selbstverständlich, dass die Israeliten das nur alles falsch verstanden hatten, die haben die hohen Bauten der Babylonier misinterpretiert, da sie selbst sowas nicht kannten und konnten. Und auch die Sprachverwirrung war sicher keine echte Sprachverwirrung – wer glaubt denn sowas! – sondern dieser Eindruck ist nur der Unfähigkeit der Israeliten zuzuschreiben, die Fremden zu verstehen…
Fakt ist: die Hochkultur der Babylonier ist längst untergegangen, das Volk Gottes gibt es aber immer noch. Lasst sie also ruhig weitergendern, Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade!
Am Ende seines wirklich guten Artikels stellt Hubert Hecker die Einführung der Mengenlehre in der Schule mit dem Versuch, Gendersprache und ‑schreibweise der Gesellschaft aufzuzwingen, auf eine Stufe. Das kann nicht unwidersprochen bleiben. Während die Genderideologie an Unvernunft kaum zu überbieten ist, das Offensichtlichste der menschlichen Natur leugnet und unverkennbar pathologische Züge aufweist, ist die Mengenlehre etwas höchst Vernünftiges und in der Mathematik schlicht unentbehrlich.
Außerdem stimmt es nicht, daß die Mengenlehre in der Schule keinen „Bestand“ hatte. Sie wird dort nach wie vor gebraucht, weil sie eine mathematische Grunddisziplin und vieles auch in der Schulmathematik ohne ein Mindestmaß an Mengenlehre kaum oder schwieriger zu vermitteln ist.
Dazu einige Beispiele: 1.) Wichtige Begriffe bei der Behandlung von Gleichungen sind „Grundmenge“ und „Lösungsmenge“. ‒ 2.) Ein Kreis ist die Menge aller Punkte, die von einem gegebenen Punkt, dem sogenannten Mittelpunkt, den gleichen Abstand haben. ‒ 3.) Ein Vektor ist die Menge aller Pfeile, die die gleiche Richtung und die gleiche Länge haben. ‒ 4.) Eine Funktion hat einen Definitions‑, einen Ziel- und einen Wertebereich. Alle drei Bereiche sind Mengen. ‒ 5.) Beim Würfeln mit zwei Würfeln entspricht dem Ereignis „Die Augensumme ist höchstens 5“ die Menge {(1;1), (2;2), (1;2), (2;1), (1;3), (3;1), (1;4), (4;1), (2;3), (3;2)}.
Die beiden Hauptfehler, die die Mengenlehre an der Schule in Verruf gebracht haben, werden längst nicht mehr gemacht. Erstens das pädagogisch wie entwicklungspsychologisch absurde, mit blindem Eifer und im Hauruckverfahren eingeführte Unterrichten der Mengenlehre schon ab der Grundschule, wobei die Grundrechenarten und das so nötige intensive Üben derselben sträflich vernachlässigt wurden. Zweitens ein Zuviel an Mengenlehre sowie eine übertriebene Formalisierung beim Umgang mit Mengen.
Leider geht heute ein Trend in Richtung des anderen Extrems: Mengenlehre wird entweder nur in homöopathischen Dosen oder überhaupt nicht mehr gelehrt. Das liegt zum großen Teil an dem inzwischen fast flächdeckend eingeführten sogenannten kompetenzorientierten Unterricht. Im Fach Mathematik heißt das, es geht nicht mehr um die Mathematik an sich, es kommt nicht mehr in erster Linie auf mathematisches Verstehen an, sondern auf Anwendung von Formeln und Routinen auf vorgegebene „Probleme“ aus der „Praxis“. Mathematik gilt überwiegend als Zulieferfach. Kompetenz in diesem Fach bedeutet, der Schüler muß nur wissen, wo er welche Formel oder Rechentechnik anzuwenden hat. Mathematik degeneriert zur Rezept- und Fast-Food-Mathematik. Das didaktische Konzept der Kompetenzorientierung täuscht Kompetenzerwerb nur vor, ist eine hohle Phrase, die inkompetente Schüler produziert. Nicht nur in Mathematik.
Schüler, die solche „Bildung“ genossen haben, sind manipulationsanfällig, nicht zuletzt für die Genderideologie. Dem könnte mit einem Mathematikunterricht, der auch in maßvoller Dosierung Mengenlehre beinhaltet, entgegengewirkt werden.
Mengenlehre ist zur Schulung des logischen Denkens ungemein nützlich. Besonders das logische Schließen kann mit Hilfe der Mengenlehre in hervorragender Weise gelehrt und gelernt werden.
Die Wichtigkeit und Nützlichkeit von Mathematik in Gestalt der Mengenlehre auch für den außermathematischen Bereich hatte ich Gelegenheit zu demonstrieren, als ich an einer philosophisch-theologischen Hochschule ein Hauptseminar „Einführung in die formale Logik und das logische Schließen“ hielt. Mengenlehre war ein zentrales Thema. Mit ihr läßt sich die traditionelle Syllogistik auf einfache und elegante Weise abhandeln. Diese ist ein Spezialgebiet der Mengenlehre. Mengenlehre bietet dabei den Vorteil, daß man auf stures Auswendiglernen der syllogistischen Regeln verzichten kann, weil diese Regeln durch die Mengenlehre wunderbar veranschaulicht werden können. Man beherrscht die Syllogismen, weil man sie versteht. Man versteht, was mathematisch dahintersteckt.
Mengenlehre, verständig gelehrt und gelernt, ist ein wesentlicher Beitrag zum Erwerb von Manipulationsresistenz.
Dipl.-Math. Gottfried Paschke, Studienrat a. D. (Mathematik, katholische Religion), ehemals Frankfurt University of Applied Sciences
Vielen Dank, Herr Kollege Paschke, für Ihre Einführung in die Charakteristik und Bedeutung der Mengenlehre, von der ich bisher keine Ahnung hatte. Ich hatte als Mathematik-Fachfremder bisher nur das mitbekommen, was Sie als „Verruf“ bei der schulischen Behandlung der Mengenlehre kennzeichnen, was Sie im dritten Abschnitt Ihres Kommentars treffend beschrieben haben:
„Die beiden Hauptfehler, die die Mengenlehre an der Schule in Verruf gebracht haben, werden längst nicht mehr gemacht. Erstens das pädagogisch wie entwicklungspsychologisch absurde, mit blindem Eifer und im Hauruckverfahren eingeführte Unterrichten der Mengenlehre schon ab der Grundschule, wobei die Grundrechenarten und das so nötige intensive Üben derselben sträflich vernachlässigt wurden. Zweitens ein Zuviel an Mengenlehre sowie eine übertriebene Formalisierung beim Umgang mit Mengen.“
Besonders interessant finde ich Ihre Bemerkung, dass mit der Mengenlehre die traditionelle Syllogistik besonders gut einzuordnen und damit zu verstehen ist.