
(Washington) In seiner Rede vor der UN-Generalversammlung zeichnete sich Papst Franziskus durch eine politisch korrekte Rede aus durch uneingeschränkte Zustimmung zur Post-2015-Agenda der UNO und zu deren Weltklimapolitik. In Teilen des Vatikans herrscht Schockstarre darüber.
Ein Kommentar von Andreas Becker
Papst Franziskus hielt bei der heute zu Ende gehenden Apostolischen Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika zwei politisch wichtige Reden. Eine erste Rede am 24. September in Washington vor dem in gemeinsamer Sitzung versammelten Parlament der USA. Eine zweite Rede am 25. September in New York vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Die erste Rede richtete sich an die politischen Verantwortungsträger der Weltmacht Nummer Eins und an die gesamte Öffentlichkeit der USA. Die zweite Rede wandte sich an die Staats- und Regierungsvertreter der gesamten Welt. Beide Ansprachen hatten damit einen globalen Bezug. Der Inhalt der Ansprachen hatte damit den Anspruch, sich an die Weltbevölkerung und an die politischen Entscheidungsträger zu richten.
Textanalyse mit Wordle-Graphik – Rede vor dem US-Kongreß
Eine als Wordle graphisch dargestellte Textanalyse soll dabei helfen, zu sehen, welche Wörter Papst Franziskus häufig verwendete und welche weniger. Die Textanalyse erfolgt automatisch und hat daher begrenzte Aussagekraft, liefert aber zumindest ein Indiz.

Die drei häufigsten Wörter in der Rede vor dem US-Kongreß waren: „Menschen“, „Welt“ und „Leben“. Die laut Wordle-Graphik am wenigsten häufig gebrauchten Wörter waren: „Amerika“, „Einheit“ und „Liebe“.
Gar nicht erwähnt wurden in der Rede: Jesus Christis, Messias, Maria, Abtreibung, Ungeborene, Lebensrecht, Schutz des Lebens, Relativismus. „Ideologie“ gebrauchte der Papst nur im Zusammenhang mit einer Rundumkritik gegen jede „Art von Fundamentalismus – sowohl auf religiösem als auch auf jedem anderen Gebiet“.
Vier anzustrebende Ideale
Als anzustrebende Ideale nannte Franziskus am Beispiel von vier US-Amerikanern:
- Freiheit
- Freiheit in der Vielfalt und Nicht-Ausschließung
- soziale Gerechtigkeit und Menschenrecht
- Fähigkeit zum Dialog und Öffnung auf Gott hin
Der Papst zitierte mehrfach seine Enzyklika Laudato si sowie sein Schreiben Evangelii gaudium und einmal das Matthäusevangelium (7,12).
Zum Thema „Homo-Ehe“, das seit Jahren die US-Gesellschaft tief spaltet und in einen erbitterten ideologischen Kampf gegen Ehe und Familie ausartete, sagte der Papst:
„Wie wesentlich ist die Familie für den Aufbau dieses Landes gewesen! Und wie sehr verdient sie weiterhin unsere Unterstützung und unsere Ermutigung! Doch kann ich meine Sorge um die Familie nicht verbergen, die – vielleicht wie nie zuvor – von innen und von außen bedroht ist. Grundlegende Beziehungen wie die eigentliche Basis von Ehe und Familie werden in Frage gestellt. Ich kann die Bedeutung und vor allem den Reichtum und die Schönheit des Familienlebens nur immer wieder betonen.“
Die Kirche erwähnte der Papst im Zusammenhang mit dem Zisterzienser Thomas Merton: „Merton war vor allem ein Mann des Gebetes, ein Denker, der die Sicherheiten seiner Zeit herausgefordert und neue Wege für die Seelen und für die Kirche erschlossen hat.“
Die Wörter „katholisch“ und „Evangelium“ gebrauchte er unter Verweis auf die Dienerin Gottes Dorothy Day und die katholische Sozialbewegung: „In diesen Zeiten, in denen soziale Anliegen eine solche Bedeutung haben, darf ich nicht versäumen, die Dienerin Gottes Dorothy Day zu erwähnen, welche die katholische Sozialbewegung Catholic Worker Movement gegründet hat. Ihr soziales Engagement, ihre Leidenschaft für Gerechtigkeit und für die Sache der Unterdrückten waren vom Evangelium, von ihrem Glauben und vom Vorbild der Heiligen inspiriert.“
Rede vor der UNO-Generalversammlung

Die drei häufigsten Wörter in der Rede vor dem US-Kongreß waren: „Vereinte Nationen“, „Umwelt“ und „Menschen“. Die laut Wordle-Graphik am wenigsten häufig gebrauchten Wörter waren: „Arbeit“, „Kirche“ und „Gesellschaft“.
Gar nicht erwähnt wurden in der Rede: Jesus Christis, Messias, Maria, Abtreibung, Lebensrecht, Schutz des Lebens, Relativismus. „Ideologie“ gebrauchte der Papst nur im Zusammenhang mit einer Rundumkritik gegen jede „Art von Fundamentalismus – sowohl auf religiösem als auch auf jedem anderen Gebiet“.
Der Papst warnte zwar vor einer „ideologischen Kolonialisierung“: „Ohne die Anerkennung einiger unüberwindlicher natürlicher ethischer Grenzen und ohne ein unverzügliches Handeln im Sinne jener Grundpfeiler der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung läuft das Ideal, »künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren« (Charta der Vereinten Nationen, Präambel) und »den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern« (ebd.) Gefahr, sich in eine unerreichbare Illusion zu verwandeln oder – noch schlimmer – in leere Worte, die als Ausrede für jede Art von Übergriff und Korruption dienen oder dazu, eine ideologische Kolonialisierung zu fördern, indem man abnorme Lebensmodelle und ‑stile durchsetzt, die der Identität der Völker fremd und letztlich unverantwortlich sind.“
Und er erwähnte auch die „Ungeborenen“: „Das gemeinsame Haus aller Menschen muss sich weiterhin über dem Fundament eines rechten Verständnisses der universalen Brüderlichkeit und der Achtung der Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens erheben – jedes Mannes und jeder Frau; der Armen, der Alten, der Kinder, der Kranken, der Ungeborenen, der Arbeitslosen, der Verlassenen und derer, die man meint „wegwerfen“ zu können, weil man sie nur als Nummern der einen oder anderen Statistik betrachtet. Das gemeinsame Haus aller Menschen muss auch auf dem Verständnis einer gewissen Unantastbarkeit der erschaffenen Natur errichtet werden.“ Wie im Zusammenhang mit der „Ideologie“ mangelt es an klarer Ausführung, um den Worten eine eindeutige Interpretation geben zu können.
Warnung vor „ideologischer Kolonialisierung“ oder Zustimmung zur Post-2015-Agenda und der Klima-Agenda?
Gleichzeitig erteilte er der am selben Tag beschlossenen Post-2015-Agenda der UNO mit ihren 17 Haupt- und 169 Unterzielen zur „Nachhaltigen Entwicklung“ ausdrücklich seinen „Segen“. Dies, obwohl die UNO-Agenda Teile enthält, die mit der katholischen Lehre grundlegend unvereinbar sind und unter anderem eine weltweite Legalisierung der Tötung ungeborener Kinder durchsetzen will.
Wörtlich sagte Papst Franziskus: „Die Annahme der „2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung“ auf dem Gipfeltreffen, das noch heute beginnen wird, ist ein wichtiges Zeichen der Hoffnung. Ich vertraue auch darauf, dass die UN-Klimakonferenz von Paris zu grundlegenden und wirksamen Vereinbarungen gelangt.“
Franziskus wies auf die Ansprachen seiner Vorgänger Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hin. Er zitierte mehrfach seine Enzyklika Laudato si und verwies zudem auf zwei denkwürdige Ansprachen von Benedikt XVI., darunter die berühmte Rede des deutschen Papstes vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011.
Was eventuell als Kritik des Papstes an der menschenverachtenden und lebensvernichtenden Agenda der UNO ausgelegt werden könnte, blieb so verhalten, daß eine eindeutige Interpretation nicht möglich ist. Manche katholische Seiten werden die entsprechenden Stellen zwar katholisch interpretieren, doch Deutungshoheit können sie aus dem Gesamtkontext nicht für sich in Anspruch nehmen. Es ist der Papst selbst, der dies mit seiner politisch korrekt austarierten Wortwahl verhindert. Welchen Nutzen eine solche Vorgangsweise für eine klare Vermittlung der katholischen Botschaft bringen soll, scheint erklärungsbedürftig. Sie erinnert vielmehr an Standards, wie sie die katholische Hierarchie seit Jahrzehnten vertritt und aus der christlichen Botschaft, soweit als solche noch erkennbar, ein Christentum light machte.
Text: Andreas Becker
Bild: Vatican.va/Osservatore Romano/Wordle.net