Friedensstifter und Friedenssuche im 30jährigen Krieg

Der Dreißigjährige Krieg – Ursachen, Verlauf und Folgen (3)


Triumph des Friedens von Osnabrück und Nürnberg (allegorische Darstellung,1649)
Triumph des Friedens von Osnabrück und Nürnberg (allegorische Darstellung,1649)

Ein Gast­bei­trag von Hubert Hecker 

Anzei­ge

Der Augs­bur­ger Histo­ri­ker Johan­nes Burk­hard hat mit sei­nem Buch: „Der Krieg der Krie­ge“ eine „neue Geschich­te des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges“ vor­ge­legt.  Der Unter­ti­tel sei­nes Wer­kes bezieht sich ins­be­son­de­re auf die Dar­stel­lung und Wür­di­gung der vie­len Frie­dens­in­itia­ti­ven, die den gesam­ten Kriegs­ver­lauf begleiteten.

Das Kapi­tel zum böh­mi­schen Krieg beginnt mit dem Satz: 

„Wenn je ein Krieg ver­meid­bar war, dann dieser“. 

Schon drei Tage nach dem Fen­ster­sturz wie­gel­te eine Erklä­rung der pro­te­stan­ti­schen Stän­de­her­ren den glimpf­lich aus­ge­gan­ge­nen Vor­fall zu einer über­eil­ten Tat her­ab: Man habe nur gegen kon­fes­sio­nel­le Über­grif­fe von sub­al­ter­nen Räten pro­te­stie­ren, kei­nes­falls den König und die Land­ord­nung angrei­fen wol­len. Der dama­li­ge böh­mi­sche König und deut­sche Kai­ser Mat­thi­as reagier­te mit einem mil­den Tadel auf die Pro­te­sta­ti­on. Aber die bereits begon­nen Rüstun­gen soll­ten die Stän­de ein­stel­len, es sei doch kein Feind in Sicht – so der König. Dass die Stän­de mit ihrer Auf­rü­stung eben den böh­mi­schen König als Feind im Visier hat­ten, schien Mat­thi­as geflis­sent­lich über­se­hen zu wol­len. Die Auf­rüh­rer stell­ten ein Stän­de­heer auf und zogen nach Wien zur Bela­ge­rung der habs­bur­gi­schen Haupt­stadt. Auch auf die­se offen­sicht­li­che Aggres­si­on der Stän­de reagier­te der Kai­ser hilf­los, denn er hat­te kei­ne ver­gleich­ba­re krie­ge­ri­sche Gegen­macht. Offi­zi­ell gaben sich die Pro­te­stan­ten aus der Posi­ti­on der Macht ver­hand­lungs­be­reit. In einem gro­ßen „Apologia“-Manifest beton­ten sie ihre histo­ri­schen Rech­te, aber auch die Bereit­schaft zu Frie­dens­wah­rung durch Verhandlungen. 

Kurfürst Johann Georg von Sachsen (1585-1656) war mehrmals ein entschiedener Friedensvermittler im Dreißigjährigen Krieg
Kur­fürst Johann Georg von Sach­sen (1585–1656), ein ent­schie­de­ner Frie­dens­ver­mitt­ler im Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg

In die­sem Sin­ne bot der benach­bar­te säch­si­sche Kur­fürst Johann Georg sei­ne Ver­mitt­lungs- und Frie­dens­dien­ste an. Der luthe­ri­sche Her­zog nahm in dem böh­mi­schen Reli­gi­ons­streit eine kon­fes­si­ons­neu­tra­le Posi­ti­on ein, indem er den böh­mi­schen Kon­flikt zum poli­ti­schen Streit erklär­te. Tat­säch­lich stand hin­ter dem kon­fes­sio­nel­len Kon­flikt ein „Staats­bil­dungs­pro­zess“, dar­in ist sich die heu­ti­ge Geschichts­for­schung einig. Für poli­ti­sche Ver­hand­lun­gen bekam der Kur­fürst vom böh­mi­schen König ein Man­dat. Der säch­si­schen Kanz­lei­di­plo­ma­tie gelang es, für einen Ver­hand­lungs­fahr­plan zur Befrie­dung des Lan­des die Zustim­mung und Mit­ar­beit bei­der Sei­ten zu errei­chen. Am 14. April 1619 soll­te mit den Ver­hand­lun­gen begon­nen wer­den. Wegen der inzwi­schen bedroh­lich eska­lie­ren­den Auf­rü­stung und Kriegs­zü­ge der Stän­de waren ent­mi­li­ta­ri­sie­ren­de Vor­lei­stun­gen gefor­dert und vage ver­spro­chen wor­den. Da starb am 20. März Kai­ser Mat­thi­as. Mit sei­nem Tod war der per­sön­li­che Ver­mitt­lungs­auf­trag an den säch­si­schen Her­zog hin­fäl­lig geworden. 

Auch die Stän­de sahen sich nicht mehr an die aus­ge­han­del­ten Vor­lei­stun­gen gebun­den. Ihre mili­tä­ri­sche und bünd­nis­po­li­ti­sche Auf­rü­stung ging nun unge­bremst wei­ter – mit dem bekann­ten Ergeb­nis: Die Stän­de setz­ten Erz­her­zog Fer­di­nand als böh­mi­schen König ab, grün­de­ten einen föde­ra­ti­ven Stän­de­staat und wähl­ten Kur­fürst Fried­rich von der Pfalz als neu­en König. Sach­sen wer­te­te die­se Aktio­nen reichs­recht­lich als Umsturz und trat des­halb in die Kriegs­ko­ali­ti­on mit dem neu­en Kai­ser Fer­di­nand II. ein. Johann Georgs Ziel war nun, mit Gewalt­an­wen­dung das böh­mi­sche Feu­er der Rebel­li­on zu löschen, bevor es auf ande­re Tei­le des Rei­ches über­griff. Für sei­nen Akti­ons­be­reich in der Lau­sitz und Schle­si­en gelang das auch. Aber die böh­mi­schen Stän­de hat­ten mit der Wahl des pfäl­zi­schen Kur­für­sten schon das Reich in ihren Kon­flikt hin­ein­ge­zo­gen. Allein die Tat­sa­che, dass der Kur­fürst vom Rhein mit dem böh­mi­schen König­tum zwei Kai­ser­wahl­stim­men auf sich ver­ei­nig­te, ent­hielt reichs­po­li­tisch explo­si­ven Zünd­stoff. Gleich­zei­tig trug der ande­re Koali­ti­ons­part­ner des Kai­sers, Bay­erns Her­zog Maxi­mi­li­an I., mit sei­nen poli­tisch-mili­tä­ri­schen Ambi­tio­nen zu der kur­fürst­li­chen Pfalz den böh­mi­schen Krieg ins Reich hin­ein. Auch Fer­di­nands Abspra­che mit Spa­ni­en, den links­rhei­ni­schen Teil der Pfalz zu erobern, gab der Kriegs­flam­me im Süd­we­sten des Reichs neue Nah­rung. Drei pro­te­stan­ti­sche Hee­re mach­ten sich auf den Weg zum Kampf um die Pfalz. Sie wur­den vom Liga-Heer unter dem Feld­herrn Til­ly in meh­re­ren Gefech­ten zurückgetrieben.

Auch wenn alle Frie­dens­mis­sio­nen schei­ter­ten, so zeig­ten die Initia­ti­ven doch, dass der Krieg nicht deter­mi­ni­stisch zu der fol­gen­den 30jährigen Tra­gö­die wer­den musste. 

Tillys Grab (Mitte) in Altötting
Til­lys Grab (Mit­te) in Altötting

Wallenstein als Friedensdiplomat

1628 hat­ten das Liga-Heer unter Til­ly und die kai­ser­li­che Wal­len­stein-Armee den aggres­si­ven Dänen­kö­nig Chri­sti­an IV. bis an die Nord- und Ost­see­kü­ste zurück­ge­drängt und sogar Jüt­land erobert. Für die Frie­dens­ver­hand­lun­gen 1629 in Lübeck war Wal­len­stein als Ver­hand­lungs­füh­rer vom Kai­ser beauf­tragt. Der Kriegs­ma­cher und ‑sie­ger wur­de zum Frie­dens­di­plo­mat mit dem Ver­trag: Däne­mark soll­te Jüt­land und alle Herr­schaf­ten im Reich behal­ten, aber in Zukunft auf alle Ein­mi­schun­gen in Reichs­an­ge­le­gen­hei­ten ver­zich­ten. Die­sen Kom­pro­miss­frie­den woll­te der Kai­ser in Erwar­tung eines Sieg­frie­dens – etwa mit Kriegs­ent­schä­di­gun­gen etc. – nicht unter­schrei­ben. Doch letzt­lich konn­te Wal­len­stein mit dem „maß­vol­len Pazi­fi­ka­ti­ons­pro­gramm“ über­zeu­gen. Er ver­wies dar­auf, dass man wegen der feh­len­den kai­ser­li­chen Flot­te kei­ne Druck­mög­lich­kei­ten auf die geschütz­te Insel­la­ge Däne­marks hät­te. Der Teil­frie­de mit Däne­mark blieb im wei­te­ren Krieg wirk­sam. Das Frie­dens­en­ga­ge­ment des gro­ßen Kriegs­un­ter­neh­mers erschien umso erstaun­li­cher, als er sich dadurch mit sei­nem Groß­heer eigent­lich über­flüs­sig gemacht hat­te, zumal dem Kai­ser noch das Liga-Heer blieb. Die­se Tat­sa­che, der gemä­ßig­te Frie­dens­schluss und die Macht­fül­le des Empor­kömm­lings als Her­zog von Meck­len­burg, nutz­ten die fürst­li­chen Geg­ner Wal­len­steins, um den Kai­ser im Sep­tem­ber 1630 zur Abbe­ru­fung des Gene­ra­lis­si­mus zu zwingen. 

Nach der Inva­si­on des Schwe­den­kö­nig Gustav Adolf und sei­nem sieg­rei­chen Vor­rücken bis nach Süd­deutsch­land rief der Kai­ser Wal­len­stein Ende 1631 wie­der zurück und gab ihm im März näch­sten Jah­res einen umfas­sen­den Kom­man­do­auf­trag ein­schließ­lich der Waf­fen­still­stands- und Frie­dens­ver­hand­lun­gen. Der Fried­län­der orga­ni­sier­te meh­re erfolg­rei­che Feld­zü­ge und Defen­siv­ak­tio­nen. Er hielt auch in der Schlacht von Lüt­zen dem Schwe­den­hee­re stand. Danach ver­leg­te er sich aber auf Ver­hand­lun­gen mit allen Kriegs­mäch­ten. Er mach­te das, was im West­fä­li­schen Frie­den den deut­schen Für­sten zuge­stan­den wur­de: nach allen Sei­ten Kon­tak­te auf­zu­neh­men. Der Histo­ri­ker Johan­nes Burk­hardt ist über­zeugt, dass Wal­len­stein nach einer ratio­na­len Metho­de vor­ging: Im Frie­dens­plan A mit dem Kai­ser und dem Kur­für­sten­tum Sach­sen zu ver­han­deln, im Plan B mit den Schwe­den und mit Frank­reich. Die Bera­ter des Kai­sers sahen dar­in Kom­pe­tenz­über­schrei­tung und Hoch­ver­rat. Ein kai­ser­li­ches Geheim­ge­richt ver­ur­teil­te ihn zum Tode. 

„Die Besei­ti­gung des Ver­hand­lungs­füh­rers durch den eige­nen Kriegs­herrn, der offen­bar von einem Frie­denschluss noch nichts wis­sen woll­te, sprach für die Echt­heit von Wal­len­steins eige­ner Frie­dens­su­che. Gera­de mit sei­nem gewalt­sa­men Tod beglau­big­te der Kriegs­ma­cher sei­nen Wan­del zum Mann des Frie­dens“ (J. Burkhardt). 

Fer­di­nands Gesand­ter von und zu Trautt­mans­dorff, der Wal­len­stein zum Abbruch der Ver­hand­lun­gen und wei­te­ren Feld­zü­gen bewe­gen soll­te, trug dem Kai­ser die Besei­ti­gung des Gene­ra­lis­si­mus an. 13 Jah­re spä­ter, als der neue Kai­ser Fer­di­nand III. im Krieg mit dem Rücken zur Wand stand, schick­te er den glei­chen Gesand­ten nach Mün­ster mit Instruk­tio­nen zum Frie­den um jeden Preis. 

Nach der Hin­rich­tung von Wal­len­stein im Febru­ar 1634 gelan­gen dem kai­ser­li­chen Heer unter der Füh­rung von Erz­her­zog Fer­di­nand und dem Liga-Heer unter bay­ri­schem Ober­be­fehl zwei Sie­ge über die schwe­di­sche Armee: Die besetz­te Reichs­stadt Regens­burg konn­ten sie zurück­er­obern; mit Unter­stüt­zung von spa­ni­schen Trup­pen wur­de dann das schwe­di­sche Heer bei Nörd­lin­gen ver­nich­tend geschlagen. 

Der Reichsfrieden von Prag: Friede gelungen…

In die­ser Situa­ti­on star­te­te der säch­si­sche Kur­fürst eine neue Initia­ti­ve für ein Ende des Krie­ges. Sach­sen woll­te aus­drück­lich ver­hin­dern, dass sich ein pro­te­stan­ti­scher Reichs­bund unter der Füh­rung der aus­län­di­schen Schwe­den­macht kon­sti­tu­ier­te. Der Reichs­frie­den soll­te zusam­men mit dem recht­mä­ßi­gen Kai­ser auf der Basis der Reichs­ver­fas­sung auf­ge­baut sein. Die Metho­de der Ver­trags­er­ar­bei­tung war unge­wöhn­lich: Ein ein­zel­ner Kur­für­sten­staat han­del­te auf Augen­hö­he, also gleich­be­rech­tigt mit dem Kai­ser einen Ver­trag aus, dem sich die deut­schen Für­sten anschlie­ßen soll­ten. Das gelang auch weit­ge­hend durch den Pra­ger Frie­dens­ver­trag von 1635 auf­grund ver­schie­de­ner Kom­pro­miss­for­meln. Grund­le­gend waren die Gemein­sinn­for­mu­lie­run­gen wie „dem Reich zu Nutz“ und zur „Ehre der teut­schen Nati­on“, ein „Frie­den für Land und Leu­te“ durch das „alte Ver­trau­en der Reichs­mit­glie­der unter­ein­an­der“. Der Kai­ser ver­sprach, Recht, Ver­fas­sung und die „Liber­tät“ der Für­sten zu ach­ten, wäh­rend die Reichs­stän­de „unter­tä­ni­gen Respekt, Ehr, Lieb und Treue“ zu erbrin­gen hät­ten. In der Kon­fes­si­ons­fra­ge einig­te man sich auf die Bestä­ti­gung des Augs­bur­ger Reichs- und Reli­gi­ons­frie­dens. Der ent­schei­den­de Ver­hand­lungs­ge­gen­stand aber war der seit 1555 erfolg­te Besitz­wech­sel von Klö­stern, Kir­chen­gut und Bis­tü­mern. Der Kai­ser muss­te sei­ne Maxi­mal­for­de­rung zur Resti­tu­ti­on aller seit 1555 pro­te­stan­ti­sier­ten Kir­chen­ge­bie­te auf­ge­ben. Man einig­te sich schließ­lich auf ein besitz­le­gi­ti­mie­ren­des „Nor­mal­jahr“ von 1627. Zugleich war damit einer wei­te­ren Pro­te­stan­ti­sie­rung gan­zer Ter­ri­to­ri­en durch fürst­li­chen Kon­fes­si­ons­wech­sel ein Rie­gel vor­ge­scho­ben. Das war eine frie­dens­för­de­r­en­de Sta­tus-quo-Rege­lung, die der Augs­bur­ger Ver­trag ver­säumt hat­te und die im West­fä­li­schen Frie­dens­ver­trag über­nom­men wer­den soll­te. Damit war das „jus refor­man­da“ für gan­ze Gebiets­kör­per­schaf­ten abge­schafft. Als Zuge­ständ­nis an den Kai­ser begrenz­te man die­se Rege­lung auf 40 Jah­re, nach der eine pari­tä­ti­sche Kom­mis­si­on jeweils ein­ver­nehm­li­che Lösun­gen suchen soll­te. Auch die­se Pari­täts­for­mel ging in den spä­te­ren West­fä­li­schen Frie­dens­ver­trag bezüg­lich der Kon­fes­si­ons­fra­gen ein. Die neue Koope­ra­ti­ons­form zwi­schen der Zen­tra­le und den Regio­nal­mäch­ten des Rei­ches wur­de auch in der Hee­res­re­form fest­ge­schrie­ben: Unter dem kai­ser­li­chen Ober­be­fehl soll­ten die drei welt­li­chen Kur­für­sten von Sach­sen, Bay­ern und Bran­den­burg als Gene­rä­le von je eige­nen Hee­res­tei­len fungieren.

… Krieg entfesselt

Der neue Reichs­frie­dens­ver­trag war dar­auf gerich­tet, die Schwe­den aus dem Land zu kom­pli­men­tie­ren. Um den Schwe­den den Rück­zug schmack­haft zu machen, boten ihnen Kai­ser und Kur­fürst eine höhe­re Abfin­dung an, als im West­fä­li­schen Frie­den spä­ter ver­ein­bart wur­de. Ver­schie­de­ne schwe­di­sche Insti­tu­tio­nen waren dem Ange­bot nicht abge­neigt. Aber letzt­end­lich ließ sich der Schwe­den­kanz­ler von fran­zö­si­schen Unter­stüt­zungs­avan­cen umstim­men zu dem fata­len Bünd­nis­ver­trag von Com­piè­g­ne. Damit stieg Frank­reich an der Sei­te Schwe­dens in den Krieg ein, der in den näch­sten 12 Jah­ren alle bis­he­ri­gen Ver­hee­run­gen im Reich über­tref­fen sollte. 

Der Pra­ger Frie­den von 1635 ist ein Beleg dafür, dass sowohl Kai­ser wie auch die mei­sten Reichs­für­sten bei­der Kon­fes­sio­nen den bis dato sieb­zehn­jäh­ri­gen Krieg end­gül­tig been­den woll­ten. Es waren haupt­säch­lich der bei­den Groß­mäch­te Schwe­den und Frank­reich, die aus Hege­mo­ni­al­in­ter­es­sen den ver­hee­ren­den Krieg wei­ter­führ­ten, bis das „gantz Land ermor­det und beraubt“ war. 

Sach­sen blieb im wei­te­ren anti­schwe­di­schem Krieg an der Sei­te des Kai­sers. Nach­dem die Schwe­den 1636 die erste gro­ße Schlacht nach dem Pra­ger Frie­dens­ver­trag gegen die ver­ei­nig­te Reichs­ar­mee für sich ent­schei­den konn­ten, wur­de wie­der Nord­deutsch­land und vor allem das unglück­li­che Sach­sen zum beson­de­ren Objekt von Schwe­dens fran­zö­sisch finan­zier­tem Krieg gegen das Reich und die Habsburger. 

Neun Jah­re spä­ter war Sach­sen so zer­stört, bedrängt und zer­mürbt, dass der Kur­fürst einen Son­der­frie­den mit den Schwe­den schloss. Die ande­ren Für­sten dräng­ten den neu­en Kai­ser Fer­di­nand III. einen Gesamt­frie­den anzu­stre­ben, not­falls zu jedem Preis. Das katho­li­sche Bay­ern for­der­te, der Kai­ser müs­se sich von den spa­ni­schen Kämp­fen und Inter­es­sen lösen. Ein Reichs­stand nach dem ande­ren führ­te Ver­hand­lun­gen und schloss Waf­fen­still­stän­de und Sonderfrieden. 

Kriegs- und Friedenshandlungen schleppten sich dahin

Die Bevoll­mäch­tig­ten des Kai­sers ver­han­del­ten seit 1637 mit allen Kriegs­par­tei­en. 1638 began­nen die offi­zi­el­len Frie­dens­ver­hand­lun­gen. Im Prä­li­mi­n­ar­frie­den von Ham­burg einig­te man sich 1641 auf die Ver­hand­lungs­or­te Mün­ster und Osna­brück. Gegen den Wider­stand des Kai­sers setz­ten Frank­reich und Schwe­den 1643 durch, dass alle Reichs­stän­de an den Ver­hand­lun­gen teil­neh­men konn­ten, sodass der Frie­dens­kon­gress auch eine Art deut­scher Ver­fas­sungs­kon­vent wur­de. In Mün­ster ver­han­del­ten unter vati­ka­ni­scher und vene­zia­ni­scher Ver­mitt­lung die kai­ser­li­chen, fran­zö­si­schen, hol­län­di­schen und spa­ni­schen Dele­gier­ten. In Osna­brück kamen die Gesand­ten des Kai­sers, der Reichs­stän­de und Schwe­dens zusammen. 

Ausländische Mächte nützten den innerdeutschen Krieg: Gustav Adolf II. von Schweden und Ludwig XIII. von Frankreich
Aus­län­di­sche Mäch­te nütz­ten den inner­deut­schen Krieg: Gustav Adolf II. von Schwe­den und Lud­wig XIII. von Frankreich

Vier Jah­re dau­er­ten die Vor­ver­hand­lung bis zum Beginn der sub­stan­ti­el­len Frie­dens­ge­sprä­che im Juni 1645. Die­se Zeit war geprägt durch Streit um Titel und Vor­rang­stel­lun­gen sowie gegen­sei­ti­ge Über­trump­fung in reprä­sen­ta­ti­ven Auf­trit­ten, Gast­mäh­lern und Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen. Der poli­ti­sche Hin­ter­grund für die­se Reprä­sen­ta­ti­ons­kon­kur­renz bestand in der Macht­kon­kur­renz der drei betei­lig­ten Groß­mäch­te: Der Uni­ver­sal­an­spruch der römisch-deut­schen Kai­ser­macht unter Karl V. hat­te seit dem deut­schen Für­sten­auf­stand von 1552–1555 Scha­den genom­men, war aber immer noch prä­sent und viru­lent. Schwe­den und spä­ter Frank­reich waren des­halb in den Krieg ein­ge­tre­ten, um die habs­bur­gi­sche Vor­macht­stel­lung zu bre­chen. Bei­de Mäch­te trieb selbst das Bestre­ben, an Stel­le des Kai­ser­tums Hege­mo­ni­al­mäch­te in und über Euro­pa zu wer­den. Aber im 30jährigen Krieg konn­te kei­ne der bei­den Auf­stei­ger­mäch­te eine euro­päi­sche Über­ord­nungs­stel­lung errei­chen. Die bei­den neu­en Hege­mo­ni­al­aspi­ran­ten muss­ten von ihrem uni­ver­sa­len Herr­schafts­an­spruch abrücken und sich mit eini­gen Gewinn­mit­nah­men begnü­gen. Die alte Kai­ser­macht der Habs­bur­ger muss­te beim West­fä­li­schen Frie­dens­ver­trag auf ihre ent­schei­den­de Bünd­nis- und Macht­stüt­ze Spa­ni­en ver­zich­ten. Der Kai­ser konn­te aber sei­ne „Haus­macht­ge­bie­te“ in Öster­reich, Böh­men und Ungarn konsolidieren. 

Im Pro­zess der Ver­hand­lun­gen voll­zo­gen die betei­lig­ten euro­päi­schen Mäch­te einen epo­cha­len Para­dig­men­wech­sel: weg von der Norm­vor­stel­lung eines uni­ver­sal­hier­ar­chi­schen Euro­pas, hin zu einem Kom­plex von sou­ve­rä­nen Staa­ten, die durch völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge mit­ein­an­der ver­bun­den sein soll­ten. Der poli­ti­sche Modell­wech­sel voll­zog sich auch im Begeg­nungs­stil der Gesand­ten: von der Reprä­sen­ta­ti­ons­kon­kur­renz zu Ver­hand­lun­gen auf Augen­hö­he ab 1645. 

 Augsburger Friedenswagen
Augs­bur­ger Friedenswagen 

Im Ergeb­nis bestä­tig­te der West­fä­li­sche Frie­den eine gleich­ran­gi­ge Mehr­staat­lich­keit, gele­gent­lich aus­ge­drückt in einer Klee­blatt­dar­stel­lung von den drei frie­dens­schlie­ßen­den ehe­ma­li­gen Uni­ver­sal­mäch­ten. Noch aus­sa­ge­kräf­ti­ger ist die Bild­dar­stel­lung von einem „Frie­dens­wa­gen“. Der wird nicht von einem Sie­ger, son­dern der Frie­dens­göt­tin gelenkt und fährt über abge­leg­tes Kriegs­ge­rät. Der Weg ist gesäumt von vier Säu­len, die Grund­sät­ze der Frie­dens­fin­dung sowie der neu­en euro­päi­schen Staats­ord­nung fest­hal­ten: „ratio sta­tus“, also die Staats­rä­son der sou­ve­rä­nen Staa­ten, die Rege­lung der  „amni­stia“, die frie­dens­ver­hin­dern­de Kriegs­schuld­fra­gen aus­schloss, „neu­tra­li­tas“ als Her­aus­hal­ten von Drit­ten beim Streit von zwei Län­dern oder Par­tei­en und „amor patriae“. Der Frie­dens­wa­gen wird von vier Ros­sen gezo­gen, deren Wap­pen auf die Län­der Frank­reich, Schwe­den, Deut­sches Reich und Spa­ni­en hin­wei­sen, also mit der voll­zo­ge­nen Tren­nung der deut­schen und spa­ni­schen Habs­bur­ger. „Die­se vier Staa­ten zie­hen den euro­päi­schen Kar­ren aus dem Uni­ver­sal­mäch­te­kon­kurs“ (Johan­nes Burk­hardt). Spa­ni­ens wich­ti­ger Bei­trag war der Ver­zicht auf die nörd­li­chen Nie­der­lan­de, die zugleich aus dem Ver­bund das Deut­schen Reichs ent­las­sen wur­den – eben­so wie die Schweiz. 

Die Friedensordnung von 1648

Die­se Reform der Reichs­ver­fas­sung för­der­te und festig­te die bun­des­staat­li­che Struk­tur des deut­schen Gesamt­staa­tes – und wirk­te damit bis in die Gegen­wart hinein. 

Eine wei­te­re Lei­stung des Frie­dens­ver­tra­ges war die poli­tisch-recht­li­che Ein­bin­dung der Kon­fes­si­ons­kon­flik­te in die Reichs­ver­fas­sung. In den weit­aus umfang­reich­sten Arti­keln waren kon­fes­sio­nel­le Streit­fra­gen bis ins Detail gere­gelt. Das war eine Reak­ti­on auf die viel­fach vagen Bestim­mun­gen des Augs­bur­ger Reli­gi­ons­frie­dens von 1555, die wegen ihrer All­ge­mein­heit zu „Inter­pre­ta­ti­ons­krie­gen“ bei­getra­gen hat­ten. Zum andern soll­te die detail­lier­te Ver­recht­li­chung von strit­ti­gen kon­fes­sio­nel­len Ansprü­chen ver­hin­dern, dass über­heb­li­che Into­le­ran­zen von Sei­ten der Kon­fes­sio­nen wie­der zu Kriegs­stim­mun­gen auf­flam­men könn­ten. Schließ­lich wur­de das Ver­hält­nis der luthe­ri­schen und der inzwi­schen reichs­recht­lich aner­kann­ten refor­mier­ten Kon­fes­si­on in einem eige­nen Kapi­tel festgelegt. 

Zwei neue poli­tisch-recht­li­che Grund­re­geln sind her­vor­zu­he­ben: das Pari­täts­prin­zip und die Fest­le­gung eines Nor­mal­jah­res. Die Stich­tags­re­ge­lung war seit dem Pra­ger Frie­den von 1635 all­seits als frie­dens­för­dernd aner­kannt durch recht­li­che Fest­schrei­bung der gesam­ten deut­schen Kon­fes­si­ons­kar­te. Sie legi­ti­mier­te einer­seits zahl­rei­che unrecht­mä­ßi­ge Über­nah­men katho­li­scher Bis­tü­mer und Klo­ster­gü­ter, mach­te ande­rer­seits aber die wei­te­re Pro­te­stan­ti­sie­rung von Gebie­ten mit­tels Herr­scher­kon­ver­sio­nen unmög­lich – ein trei­ben­der Fak­tor für den Aus­bruch des 30jährigen Krie­ges. Strit­tig war die kon­kre­te Jah­res­zahl. Die von den säch­si­schen Diplo­ma­ten ein­ge­wor­fe­ne Jah­res­zahl von 1624 setz­te sich als Kom­pro­miss durch zwi­schen den katho­li­schen Maxi­mal­for­de­run­gen von 1627/​30 und den pro­te­stan­ti­schen von 1618/​20.

Das Prin­zip der Pari­tät bedeu­te­te, dass künf­tig die bei­den gleich­ge­stell­ten Reli­gi­ons­cor­po­ra der Katho­li­ken und Pro­te­stan­ten in kon­fes­si­ons­re­le­van­ten Kon­flikt­fra­gen eine Lösung aus­han­deln muss­ten. Mit die­ser Rege­lung konn­ten die kon­flikt­ver­schär­fen­den Majo­ri­sie­rungs­be­schlüs­se im Reichs­tag vor 1618 ver­mie­den wer­den. Die bei­den kon­fes­sio­nel­len Kriegs­bün­de Uni­on und Liga wur­den gewis­ser­ma­ßen ent­mi­li­ta­ri­siert und fun­gier­ten nun­mehr wie Frak­tio­nen im Reichstag. 

Nach­zu­tra­gen sind noch zwei Ein­zel­bau­stel­len des West­fä­li­schen Frie­dens: Der Sohn des pfäl­zi­schen Kur­für­sten Fried­rich V. erhielt die Kur­pfalz und eine neu­ge­schaf­fe­ne ach­te Kur­wür­de. In der Reichs­stadt Augs­burg instal­lier­te man ein Stadt­mo­dell der Pari­tät, indem jedes städ­ti­sche Amt kon­fes­sio­nell ver­dop­pelt wurde. 

Die päpst­li­che Kurie erkann­te den west­fä­li­schen Frie­dens­ver­trag wegen sei­ner kon­fes­si­ons­po­li­ti­schen Beschlüs­se nicht an. Ins­be­son­de­re gegen die Rück­ga­be von reka­tho­li­sier­ten Bis­tü­mern und Kir­chen­gü­tern in den Jah­ren bis 1630 leg­te der Papst Rechts­ver­wah­rung ein. Die geist­li­chen Kur­für­sten und die ande­ren Fürst­bi­schö­fe hiel­ten sich in Kon­flikt­fäl­len in der Regel an das Reichsrecht. 

  • War viel­leicht die Bestä­ti­gung und Festi­gung der dop­pel­staat­lich-föde­ra­le Staats­auf­bau des Rei­ches der fol­gen­reich­ste Ansatz des West­fä­li­schen Frie­dens? Zwar ist das Alte Reich 1806 unter den Schlä­gen des über­mäch­ti­gen Napo­le­on zusam­men­ge­bro­chen. Aber für Deutsch­land selbst blieb die föde­ra­li­sti­sche Staats­idee seit 1815 immer kon­sti­tu­tiv – bis auf die zwölf Jah­re Nazi­herr­schaft. Und auch die Idee der euro­päi­schen Kon­fö­de­ra­ti­on nach dem 2. Welt­krieg konn­te nicht aus der Tra­di­ti­on des staat­li­chen Zen­tra­lis­mus in Eng­land und Frank­reich ent­wickelt wer­den. In die­ser Hin­sicht wirkt der West­fä­li­sche Frie­den bis in die Gegen­wart hinein. 
  • Das Kai­ser­tum im Reich ging geschwächt aus dem West­fä­li­schen Frie­den her­vor. Die Vor­ga­be aus dem Pra­ger Reichs­frie­den, eine eige­ne Reichs­ar­mee unter kai­ser­li­chem Ober­be­fehl mit drei kur­fürst­lich geführ­ten Hee­res­tei­len auf­zu­stel­len, wur­de abge­lehnt. Das Reich wur­de struk­tu­rell auf Nicht­an­griffs­fä­hig­keit gestutzt. Aber selbst die defen­si­ve Kriegs­mo­bi­li­sie­rung über die Reichs­krei­se funk­tio­nier­te nicht ange­mes­sen. So konn­te man etwa im kur­pfäl­zi­schen Erb­fol­ge­krieg (1688–1697) nicht ver­hin­dern, dass die Trup­pen Lud­wig XIV. tief in die Län­der an der Rhein­schie­ne bis nach Köln ein­fie­len und dort Ver­hee­run­gen anrich­te­ten wie im 30jährigen Krieg. 

Lite­ra­tur: Johan­nes Burk­hardt: Der Krieg der Krie­ge. Eine neue Geschich­te des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges, Stutt­gart 2018 

Text: Hubert Hecker
Bil­der: deacademic/​Wikicommons/​Giuseppe Nardi

In der Rei­he Der Drei­ßig­jäh­ri­ge Krieg – Ursa­chen, Ver­lauf und Fol­gen bis­her veröffentlicht:

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