
Ein Gastbeitrag von Hubert Hecker
Der Augsburger Historiker Johannes Burkhard hat mit seinem Buch: „Der Krieg der Kriege“ eine „neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ vorgelegt. Der Untertitel seines Werkes bezieht sich insbesondere auf die Darstellung und Würdigung der vielen Friedensinitiativen, die den gesamten Kriegsverlauf begleiteten.
Das Kapitel zum böhmischen Krieg beginnt mit dem Satz:
„Wenn je ein Krieg vermeidbar war, dann dieser“.
Schon drei Tage nach dem Fenstersturz wiegelte eine Erklärung der protestantischen Ständeherren den glimpflich ausgegangenen Vorfall zu einer übereilten Tat herab: Man habe nur gegen konfessionelle Übergriffe von subalternen Räten protestieren, keinesfalls den König und die Landordnung angreifen wollen. Der damalige böhmische König und deutsche Kaiser Matthias reagierte mit einem milden Tadel auf die Protestation. Aber die bereits begonnen Rüstungen sollten die Stände einstellen, es sei doch kein Feind in Sicht – so der König. Dass die Stände mit ihrer Aufrüstung eben den böhmischen König als Feind im Visier hatten, schien Matthias geflissentlich übersehen zu wollen. Die Aufrührer stellten ein Ständeheer auf und zogen nach Wien zur Belagerung der habsburgischen Hauptstadt. Auch auf diese offensichtliche Aggression der Stände reagierte der Kaiser hilflos, denn er hatte keine vergleichbare kriegerische Gegenmacht. Offiziell gaben sich die Protestanten aus der Position der Macht verhandlungsbereit. In einem großen „Apologia“-Manifest betonten sie ihre historischen Rechte, aber auch die Bereitschaft zu Friedenswahrung durch Verhandlungen.

In diesem Sinne bot der benachbarte sächsische Kurfürst Johann Georg seine Vermittlungs- und Friedensdienste an. Der lutherische Herzog nahm in dem böhmischen Religionsstreit eine konfessionsneutrale Position ein, indem er den böhmischen Konflikt zum politischen Streit erklärte. Tatsächlich stand hinter dem konfessionellen Konflikt ein „Staatsbildungsprozess“, darin ist sich die heutige Geschichtsforschung einig. Für politische Verhandlungen bekam der Kurfürst vom böhmischen König ein Mandat. Der sächsischen Kanzleidiplomatie gelang es, für einen Verhandlungsfahrplan zur Befriedung des Landes die Zustimmung und Mitarbeit beider Seiten zu erreichen. Am 14. April 1619 sollte mit den Verhandlungen begonnen werden. Wegen der inzwischen bedrohlich eskalierenden Aufrüstung und Kriegszüge der Stände waren entmilitarisierende Vorleistungen gefordert und vage versprochen worden. Da starb am 20. März Kaiser Matthias. Mit seinem Tod war der persönliche Vermittlungsauftrag an den sächsischen Herzog hinfällig geworden.
Auch die Stände sahen sich nicht mehr an die ausgehandelten Vorleistungen gebunden. Ihre militärische und bündnispolitische Aufrüstung ging nun ungebremst weiter – mit dem bekannten Ergebnis: Die Stände setzten Erzherzog Ferdinand als böhmischen König ab, gründeten einen föderativen Ständestaat und wählten Kurfürst Friedrich von der Pfalz als neuen König. Sachsen wertete diese Aktionen reichsrechtlich als Umsturz und trat deshalb in die Kriegskoalition mit dem neuen Kaiser Ferdinand II. ein. Johann Georgs Ziel war nun, mit Gewaltanwendung das böhmische Feuer der Rebellion zu löschen, bevor es auf andere Teile des Reiches übergriff. Für seinen Aktionsbereich in der Lausitz und Schlesien gelang das auch. Aber die böhmischen Stände hatten mit der Wahl des pfälzischen Kurfürsten schon das Reich in ihren Konflikt hineingezogen. Allein die Tatsache, dass der Kurfürst vom Rhein mit dem böhmischen Königtum zwei Kaiserwahlstimmen auf sich vereinigte, enthielt reichspolitisch explosiven Zündstoff. Gleichzeitig trug der andere Koalitionspartner des Kaisers, Bayerns Herzog Maximilian I., mit seinen politisch-militärischen Ambitionen zu der kurfürstlichen Pfalz den böhmischen Krieg ins Reich hinein. Auch Ferdinands Absprache mit Spanien, den linksrheinischen Teil der Pfalz zu erobern, gab der Kriegsflamme im Südwesten des Reichs neue Nahrung. Drei protestantische Heere machten sich auf den Weg zum Kampf um die Pfalz. Sie wurden vom Liga-Heer unter dem Feldherrn Tilly in mehreren Gefechten zurückgetrieben.
Auch wenn alle Friedensmissionen scheiterten, so zeigten die Initiativen doch, dass der Krieg nicht deterministisch zu der folgenden 30jährigen Tragödie werden musste.

Wallenstein als Friedensdiplomat
1628 hatten das Liga-Heer unter Tilly und die kaiserliche Wallenstein-Armee den aggressiven Dänenkönig Christian IV. bis an die Nord- und Ostseeküste zurückgedrängt und sogar Jütland erobert. Für die Friedensverhandlungen 1629 in Lübeck war Wallenstein als Verhandlungsführer vom Kaiser beauftragt. Der Kriegsmacher und ‑sieger wurde zum Friedensdiplomat mit dem Vertrag: Dänemark sollte Jütland und alle Herrschaften im Reich behalten, aber in Zukunft auf alle Einmischungen in Reichsangelegenheiten verzichten. Diesen Kompromissfrieden wollte der Kaiser in Erwartung eines Siegfriedens – etwa mit Kriegsentschädigungen etc. – nicht unterschreiben. Doch letztlich konnte Wallenstein mit dem „maßvollen Pazifikationsprogramm“ überzeugen. Er verwies darauf, dass man wegen der fehlenden kaiserlichen Flotte keine Druckmöglichkeiten auf die geschützte Insellage Dänemarks hätte. Der Teilfriede mit Dänemark blieb im weiteren Krieg wirksam. Das Friedensengagement des großen Kriegsunternehmers erschien umso erstaunlicher, als er sich dadurch mit seinem Großheer eigentlich überflüssig gemacht hatte, zumal dem Kaiser noch das Liga-Heer blieb. Diese Tatsache, der gemäßigte Friedensschluss und die Machtfülle des Emporkömmlings als Herzog von Mecklenburg, nutzten die fürstlichen Gegner Wallensteins, um den Kaiser im September 1630 zur Abberufung des Generalissimus zu zwingen.
Nach der Invasion des Schwedenkönig Gustav Adolf und seinem siegreichen Vorrücken bis nach Süddeutschland rief der Kaiser Wallenstein Ende 1631 wieder zurück und gab ihm im März nächsten Jahres einen umfassenden Kommandoauftrag einschließlich der Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen. Der Friedländer organisierte mehre erfolgreiche Feldzüge und Defensivaktionen. Er hielt auch in der Schlacht von Lützen dem Schwedenheere stand. Danach verlegte er sich aber auf Verhandlungen mit allen Kriegsmächten. Er machte das, was im Westfälischen Frieden den deutschen Fürsten zugestanden wurde: nach allen Seiten Kontakte aufzunehmen. Der Historiker Johannes Burkhardt ist überzeugt, dass Wallenstein nach einer rationalen Methode vorging: Im Friedensplan A mit dem Kaiser und dem Kurfürstentum Sachsen zu verhandeln, im Plan B mit den Schweden und mit Frankreich. Die Berater des Kaisers sahen darin Kompetenzüberschreitung und Hochverrat. Ein kaiserliches Geheimgericht verurteilte ihn zum Tode.
„Die Beseitigung des Verhandlungsführers durch den eigenen Kriegsherrn, der offenbar von einem Friedenschluss noch nichts wissen wollte, sprach für die Echtheit von Wallensteins eigener Friedenssuche. Gerade mit seinem gewaltsamen Tod beglaubigte der Kriegsmacher seinen Wandel zum Mann des Friedens“ (J. Burkhardt).
Ferdinands Gesandter von und zu Trauttmansdorff, der Wallenstein zum Abbruch der Verhandlungen und weiteren Feldzügen bewegen sollte, trug dem Kaiser die Beseitigung des Generalissimus an. 13 Jahre später, als der neue Kaiser Ferdinand III. im Krieg mit dem Rücken zur Wand stand, schickte er den gleichen Gesandten nach Münster mit Instruktionen zum Frieden um jeden Preis.
Nach der Hinrichtung von Wallenstein im Februar 1634 gelangen dem kaiserlichen Heer unter der Führung von Erzherzog Ferdinand und dem Liga-Heer unter bayrischem Oberbefehl zwei Siege über die schwedische Armee: Die besetzte Reichsstadt Regensburg konnten sie zurückerobern; mit Unterstützung von spanischen Truppen wurde dann das schwedische Heer bei Nördlingen vernichtend geschlagen.
Der Reichsfrieden von Prag: Friede gelungen…
In dieser Situation startete der sächsische Kurfürst eine neue Initiative für ein Ende des Krieges. Sachsen wollte ausdrücklich verhindern, dass sich ein protestantischer Reichsbund unter der Führung der ausländischen Schwedenmacht konstituierte. Der Reichsfrieden sollte zusammen mit dem rechtmäßigen Kaiser auf der Basis der Reichsverfassung aufgebaut sein. Die Methode der Vertragserarbeitung war ungewöhnlich: Ein einzelner Kurfürstenstaat handelte auf Augenhöhe, also gleichberechtigt mit dem Kaiser einen Vertrag aus, dem sich die deutschen Fürsten anschließen sollten. Das gelang auch weitgehend durch den Prager Friedensvertrag von 1635 aufgrund verschiedener Kompromissformeln. Grundlegend waren die Gemeinsinnformulierungen wie „dem Reich zu Nutz“ und zur „Ehre der teutschen Nation“, ein „Frieden für Land und Leute“ durch das „alte Vertrauen der Reichsmitglieder untereinander“. Der Kaiser versprach, Recht, Verfassung und die „Libertät“ der Fürsten zu achten, während die Reichsstände „untertänigen Respekt, Ehr, Lieb und Treue“ zu erbringen hätten. In der Konfessionsfrage einigte man sich auf die Bestätigung des Augsburger Reichs- und Religionsfriedens. Der entscheidende Verhandlungsgegenstand aber war der seit 1555 erfolgte Besitzwechsel von Klöstern, Kirchengut und Bistümern. Der Kaiser musste seine Maximalforderung zur Restitution aller seit 1555 protestantisierten Kirchengebiete aufgeben. Man einigte sich schließlich auf ein besitzlegitimierendes „Normaljahr“ von 1627. Zugleich war damit einer weiteren Protestantisierung ganzer Territorien durch fürstlichen Konfessionswechsel ein Riegel vorgeschoben. Das war eine friedensförderende Status-quo-Regelung, die der Augsburger Vertrag versäumt hatte und die im Westfälischen Friedensvertrag übernommen werden sollte. Damit war das „jus reformanda“ für ganze Gebietskörperschaften abgeschafft. Als Zugeständnis an den Kaiser begrenzte man diese Regelung auf 40 Jahre, nach der eine paritätische Kommission jeweils einvernehmliche Lösungen suchen sollte. Auch diese Paritätsformel ging in den späteren Westfälischen Friedensvertrag bezüglich der Konfessionsfragen ein. Die neue Kooperationsform zwischen der Zentrale und den Regionalmächten des Reiches wurde auch in der Heeresreform festgeschrieben: Unter dem kaiserlichen Oberbefehl sollten die drei weltlichen Kurfürsten von Sachsen, Bayern und Brandenburg als Generäle von je eigenen Heeresteilen fungieren.
… Krieg entfesselt
Der neue Reichsfriedensvertrag war darauf gerichtet, die Schweden aus dem Land zu komplimentieren. Um den Schweden den Rückzug schmackhaft zu machen, boten ihnen Kaiser und Kurfürst eine höhere Abfindung an, als im Westfälischen Frieden später vereinbart wurde. Verschiedene schwedische Institutionen waren dem Angebot nicht abgeneigt. Aber letztendlich ließ sich der Schwedenkanzler von französischen Unterstützungsavancen umstimmen zu dem fatalen Bündnisvertrag von Compiègne. Damit stieg Frankreich an der Seite Schwedens in den Krieg ein, der in den nächsten 12 Jahren alle bisherigen Verheerungen im Reich übertreffen sollte.
Der Prager Frieden von 1635 ist ein Beleg dafür, dass sowohl Kaiser wie auch die meisten Reichsfürsten beider Konfessionen den bis dato siebzehnjährigen Krieg endgültig beenden wollten. Es waren hauptsächlich der beiden Großmächte Schweden und Frankreich, die aus Hegemonialinteressen den verheerenden Krieg weiterführten, bis das „gantz Land ermordet und beraubt“ war.
Sachsen blieb im weiteren antischwedischem Krieg an der Seite des Kaisers. Nachdem die Schweden 1636 die erste große Schlacht nach dem Prager Friedensvertrag gegen die vereinigte Reichsarmee für sich entscheiden konnten, wurde wieder Norddeutschland und vor allem das unglückliche Sachsen zum besonderen Objekt von Schwedens französisch finanziertem Krieg gegen das Reich und die Habsburger.
Neun Jahre später war Sachsen so zerstört, bedrängt und zermürbt, dass der Kurfürst einen Sonderfrieden mit den Schweden schloss. Die anderen Fürsten drängten den neuen Kaiser Ferdinand III. einen Gesamtfrieden anzustreben, notfalls zu jedem Preis. Das katholische Bayern forderte, der Kaiser müsse sich von den spanischen Kämpfen und Interessen lösen. Ein Reichsstand nach dem anderen führte Verhandlungen und schloss Waffenstillstände und Sonderfrieden.
Kriegs- und Friedenshandlungen schleppten sich dahin
Die Bevollmächtigten des Kaisers verhandelten seit 1637 mit allen Kriegsparteien. 1638 begannen die offiziellen Friedensverhandlungen. Im Präliminarfrieden von Hamburg einigte man sich 1641 auf die Verhandlungsorte Münster und Osnabrück. Gegen den Widerstand des Kaisers setzten Frankreich und Schweden 1643 durch, dass alle Reichsstände an den Verhandlungen teilnehmen konnten, sodass der Friedenskongress auch eine Art deutscher Verfassungskonvent wurde. In Münster verhandelten unter vatikanischer und venezianischer Vermittlung die kaiserlichen, französischen, holländischen und spanischen Delegierten. In Osnabrück kamen die Gesandten des Kaisers, der Reichsstände und Schwedens zusammen.

Vier Jahre dauerten die Vorverhandlung bis zum Beginn der substantiellen Friedensgespräche im Juni 1645. Diese Zeit war geprägt durch Streit um Titel und Vorrangstellungen sowie gegenseitige Übertrumpfung in repräsentativen Auftritten, Gastmählern und Kulturveranstaltungen. Der politische Hintergrund für diese Repräsentationskonkurrenz bestand in der Machtkonkurrenz der drei beteiligten Großmächte: Der Universalanspruch der römisch-deutschen Kaisermacht unter Karl V. hatte seit dem deutschen Fürstenaufstand von 1552–1555 Schaden genommen, war aber immer noch präsent und virulent. Schweden und später Frankreich waren deshalb in den Krieg eingetreten, um die habsburgische Vormachtstellung zu brechen. Beide Mächte trieb selbst das Bestreben, an Stelle des Kaisertums Hegemonialmächte in und über Europa zu werden. Aber im 30jährigen Krieg konnte keine der beiden Aufsteigermächte eine europäische Überordnungsstellung erreichen. Die beiden neuen Hegemonialaspiranten mussten von ihrem universalen Herrschaftsanspruch abrücken und sich mit einigen Gewinnmitnahmen begnügen. Die alte Kaisermacht der Habsburger musste beim Westfälischen Friedensvertrag auf ihre entscheidende Bündnis- und Machtstütze Spanien verzichten. Der Kaiser konnte aber seine „Hausmachtgebiete“ in Österreich, Böhmen und Ungarn konsolidieren.
Im Prozess der Verhandlungen vollzogen die beteiligten europäischen Mächte einen epochalen Paradigmenwechsel: weg von der Normvorstellung eines universalhierarchischen Europas, hin zu einem Komplex von souveränen Staaten, die durch völkerrechtliche Verträge miteinander verbunden sein sollten. Der politische Modellwechsel vollzog sich auch im Begegnungsstil der Gesandten: von der Repräsentationskonkurrenz zu Verhandlungen auf Augenhöhe ab 1645.
Im Ergebnis bestätigte der Westfälische Frieden eine gleichrangige Mehrstaatlichkeit, gelegentlich ausgedrückt in einer Kleeblattdarstellung von den drei friedensschließenden ehemaligen Universalmächten. Noch aussagekräftiger ist die Bilddarstellung von einem „Friedenswagen“. Der wird nicht von einem Sieger, sondern der Friedensgöttin gelenkt und fährt über abgelegtes Kriegsgerät. Der Weg ist gesäumt von vier Säulen, die Grundsätze der Friedensfindung sowie der neuen europäischen Staatsordnung festhalten: „ratio status“, also die Staatsräson der souveränen Staaten, die Regelung der „amnistia“, die friedensverhindernde Kriegsschuldfragen ausschloss, „neutralitas“ als Heraushalten von Dritten beim Streit von zwei Ländern oder Parteien und „amor patriae“. Der Friedenswagen wird von vier Rossen gezogen, deren Wappen auf die Länder Frankreich, Schweden, Deutsches Reich und Spanien hinweisen, also mit der vollzogenen Trennung der deutschen und spanischen Habsburger. „Diese vier Staaten ziehen den europäischen Karren aus dem Universalmächtekonkurs“ (Johannes Burkhardt). Spaniens wichtiger Beitrag war der Verzicht auf die nördlichen Niederlande, die zugleich aus dem Verbund das Deutschen Reichs entlassen wurden – ebenso wie die Schweiz.
Die Friedensordnung von 1648
Diese Reform der Reichsverfassung förderte und festigte die bundesstaatliche Struktur des deutschen Gesamtstaates – und wirkte damit bis in die Gegenwart hinein.
Eine weitere Leistung des Friedensvertrages war die politisch-rechtliche Einbindung der Konfessionskonflikte in die Reichsverfassung. In den weitaus umfangreichsten Artikeln waren konfessionelle Streitfragen bis ins Detail geregelt. Das war eine Reaktion auf die vielfach vagen Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555, die wegen ihrer Allgemeinheit zu „Interpretationskriegen“ beigetragen hatten. Zum andern sollte die detaillierte Verrechtlichung von strittigen konfessionellen Ansprüchen verhindern, dass überhebliche Intoleranzen von Seiten der Konfessionen wieder zu Kriegsstimmungen aufflammen könnten. Schließlich wurde das Verhältnis der lutherischen und der inzwischen reichsrechtlich anerkannten reformierten Konfession in einem eigenen Kapitel festgelegt.
Zwei neue politisch-rechtliche Grundregeln sind hervorzuheben: das Paritätsprinzip und die Festlegung eines Normaljahres. Die Stichtagsregelung war seit dem Prager Frieden von 1635 allseits als friedensfördernd anerkannt durch rechtliche Festschreibung der gesamten deutschen Konfessionskarte. Sie legitimierte einerseits zahlreiche unrechtmäßige Übernahmen katholischer Bistümer und Klostergüter, machte andererseits aber die weitere Protestantisierung von Gebieten mittels Herrscherkonversionen unmöglich – ein treibender Faktor für den Ausbruch des 30jährigen Krieges. Strittig war die konkrete Jahreszahl. Die von den sächsischen Diplomaten eingeworfene Jahreszahl von 1624 setzte sich als Kompromiss durch zwischen den katholischen Maximalforderungen von 1627/30 und den protestantischen von 1618/20.
Das Prinzip der Parität bedeutete, dass künftig die beiden gleichgestellten Religionscorpora der Katholiken und Protestanten in konfessionsrelevanten Konfliktfragen eine Lösung aushandeln mussten. Mit dieser Regelung konnten die konfliktverschärfenden Majorisierungsbeschlüsse im Reichstag vor 1618 vermieden werden. Die beiden konfessionellen Kriegsbünde Union und Liga wurden gewissermaßen entmilitarisiert und fungierten nunmehr wie Fraktionen im Reichstag.
Nachzutragen sind noch zwei Einzelbaustellen des Westfälischen Friedens: Der Sohn des pfälzischen Kurfürsten Friedrich V. erhielt die Kurpfalz und eine neugeschaffene achte Kurwürde. In der Reichsstadt Augsburg installierte man ein Stadtmodell der Parität, indem jedes städtische Amt konfessionell verdoppelt wurde.
Die päpstliche Kurie erkannte den westfälischen Friedensvertrag wegen seiner konfessionspolitischen Beschlüsse nicht an. Insbesondere gegen die Rückgabe von rekatholisierten Bistümern und Kirchengütern in den Jahren bis 1630 legte der Papst Rechtsverwahrung ein. Die geistlichen Kurfürsten und die anderen Fürstbischöfe hielten sich in Konfliktfällen in der Regel an das Reichsrecht.
- War vielleicht die Bestätigung und Festigung der doppelstaatlich-föderale Staatsaufbau des Reiches der folgenreichste Ansatz des Westfälischen Friedens? Zwar ist das Alte Reich 1806 unter den Schlägen des übermächtigen Napoleon zusammengebrochen. Aber für Deutschland selbst blieb die föderalistische Staatsidee seit 1815 immer konstitutiv – bis auf die zwölf Jahre Naziherrschaft. Und auch die Idee der europäischen Konföderation nach dem 2. Weltkrieg konnte nicht aus der Tradition des staatlichen Zentralismus in England und Frankreich entwickelt werden. In dieser Hinsicht wirkt der Westfälische Frieden bis in die Gegenwart hinein.
- Das Kaisertum im Reich ging geschwächt aus dem Westfälischen Frieden hervor. Die Vorgabe aus dem Prager Reichsfrieden, eine eigene Reichsarmee unter kaiserlichem Oberbefehl mit drei kurfürstlich geführten Heeresteilen aufzustellen, wurde abgelehnt. Das Reich wurde strukturell auf Nichtangriffsfähigkeit gestutzt. Aber selbst die defensive Kriegsmobilisierung über die Reichskreise funktionierte nicht angemessen. So konnte man etwa im kurpfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697) nicht verhindern, dass die Truppen Ludwig XIV. tief in die Länder an der Rheinschiene bis nach Köln einfielen und dort Verheerungen anrichteten wie im 30jährigen Krieg.
Literatur: Johannes Burkhardt: Der Krieg der Kriege. Eine neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart 2018
Text: Hubert Hecker
Bilder: deacademic/Wikicommons/Giuseppe Nardi
In der Reihe Der Dreißigjährige Krieg – Ursachen, Verlauf und Folgen bisher veröffentlicht: