(Rom) Für den Papst-Vertrauten Kardinal Maradiaga, Erzbischof von Tegucigalpa und Koordinator des C9-Kardinalsrates, sind die Ex-Kardinal Theodore McCarrick nach dem kanonischen Recht begangenen Straftaten eine „private Angelegenheit“ und eine „Verwaltungsfrage“.
Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga gehört zu den umtriebigsten Gestalten des derzeitigen Pontifikats, was ihm den Spitznamen „Vize-Papst“ einbrachte. Tatsächlich wird dem Primas von Honduras und ehemaligen Vorsitzenden der Caritas Internationalis Ambitionen auf die Franziskus-Nachfolge nachgesagt.
Religion Digital, das wichtigste progressive Nachrichtenportal der spanischsprachigen Welt, veröffentlichte ein Interview mit dem Kardinal, der darin etwas andere Töne anschlug als noch vor kurzen.
Homo-Lobby im Vatikan eine Medienphantasie
Im Januar 2016 bestätigte er in einem Interview mit der Tageszeitung El Heraldo de Honduras die Existenz einer „Homo-Lobby im Vatikan“, die „Druck“ auf die Kirchenleitung ausübe, um Entscheidungen zu ihren Gunsten herbeizuführen. Unter anderem sagte Maradiaga damals:
El Heraldo: Gab es eine Infiltration der Homo-Gemeinschaft in den Vatikan oder einen solchen Versuch?
Kardinal Maradiaga: Nicht nur das, der Heilige Vater selbst hat es gesagt, daß es dort eine „Lobby“ in diesem Sinn gibt. Der Heilige Vater versucht das langsam langsam zu reinigen. Das sind Sachen… man hat Verständnis und es gibt Maßnahmen, um ihnen pastoral zu dienen, doch was falsch ist, kann nicht wahr sein.
Nun sagte er hingegen:
„Die Homo-Lobby im Vatikan ist etwas, das mehr in der Druckerschwärze der Medien existiert als in Wirklichkeit.“
Die Bemerkung war auf den ehemaligen Apostolischen Nuntius, Erzbischof Carlo Maria Viganò, gemünzt, der in seinem berühmten gewordenen Dossier, das am 26. August veröffentlicht wurde, Kardinal Maradiaga zu jenen zählt, die Ex-Kardinal McCarrick gedeckt hätten. Der einstige vatikanische Spitzendiplomat, so Maradiaga ironisch, müßte wissen, daß die „Homo-Lobby im Vatikan“ vor allem eine Medienphantasie sei.
Überhaupt überrascht das Interview vor allem durch Nicht-Antworten, die ihrerseits und auf ihre Art doch auch Auskunft geben.
Der Kardinal wurde konkret auf das Viganò-Dossier und den Fall McCarrick angesprochen:
Religion Digital: Das Viganò-Dossier beschuldigt den Papst, die homosexuellen Beziehungen von Kardinal McCarrick mit Seminaristen zu vertuschen und fordert von Franziskus den Rücktritt. Was denken Sie dazu?
Kardinal Maradiaga: Eine private Angelegenheit zu einer Bombe zu machen, die in der Welt explodiert, und deren Splitter den Glauben vieler Menschen verletzen, scheint mir nicht richtig zu sein. Ich denke, daß eine Verwaltungsfrage nach ruhigeren und objektiveren Kriterien verbreitet werden sollte, und nicht mit einer Ladung bitterer Ausdrücke. Ich denke, daß der Msgr. Viganò, den ich kannte, nicht derselbe ist, der diese Dinge schreibt und sagt.
Religon Digital: Wenn es wahr ist, daß Viganò den Papst informiert hat, warum hat dann Franziskus Ihrer Meinung nach nicht gehandelt?
Kardinal Maradiaga: Eigentlich weiß ich nicht, inwieweit der Heilige Vater gehandelt hat oder nicht. Das ist ein Thema, das außerhalb meiner Kenntnis und meiner Zuständigkeit liegt. Ich glaube, daß der Papst ein Mann Gottes ist, der immer mit Glauben und Weisheit handelt.
Maradiagas These: Alles nur ein Komplott gegen Franziskus
Bereits in der Vergangenheit tat der honduranische Kardinal Kritik an Papst Franziskus als Komplott ab. Eine Behauptung, bei der er wiederholt Kritik gegen seine Person mit Kritik an Franziskus koppelte, und sich als Opfer von Franziskus-Kritikern darstellte, die ihn angreifen würden, um in Wirklichkeit Franziskus zu treffen. Religion Digital hat kein Problem diese These aufzugreifen und noch zu akzentuieren.
Religion Digital: Ist das Viganò-Dossier Teil eines Komplottes der extremen Rechten in den USA, die das Lehramt von Franziskus nicht akzeptiert?
Kardinal Maradiaga: Vom ersten Augenblick an konnte man wahrnehmen, daß es eine Reaktion gegen Papst Franziskus gibt, die sein Lehramt beeinträchtigen will. Spannungen sind angesichts der Verschiedenheit der Personen unvermeidlich, aber die Wahrheit zu suchen und die Kirche zu lieben, ist eine Pflicht für alle, besonders wenn man aus dem Glauben handelt. Die Person des Papstes annehmen oder nicht annehmen hat nicht aus der weltlichen Optik von Sympathie und Antipathie zu erfolgen, sondern aus der des Glaubens. Wenn der Glaube fehlt, fehlt das Fundament.
Neu ist auch nicht, daß Kardinal Maradiaga, ohne auf die Kritik einzugehen, Kritikern der Amtsführung von Papst Franziskus den Glauben abspricht.
Homosexualität und Priestertum
Religion Digital: Gibt es eine Homo-Lobby im Vatikan?
Kardinal Maradiaga: Ich habe den Eindruck, daß die Vorstellung von einer Homo-Lobby im Vatikan unverhältnismäßig ist. Das ist etwas, das mehr in der Druckerschwärze der Zeitungen als in der Realität existiert. Es ist für mich offensichtlich, daß der Zweck all dieser Ausdrücke, die mit Gift und Verleumdung aufgeladen sind, darin besteht, den Heiligen Vater zu treffen. Aber wenn sie keinen Glauben haben, werden die Akteure dieses Medienzirkus ihre Lügen nicht aufgeben.
Religion Digital wollte darauf vom Papst-Vertrauten eine Antwort zu einer Frage, die im Zusammenhang mit den jüngsten Skandalen besondere Brisanz und Aktualität gewonnen hat. Der Kardinal bleib jedoch auf eine klare Frage eine klare Antwort schuldig. Mit seiner Antwort können die allermeisten Leser von Religion Digital und wohl ebenso die allermeisten Gläubigen nichts anfangen. Die Nicht-Katholiken schon gar nicht.
Religion Digital: Kann ein Homosexueller, der eine klare psychologische und sexuelle Reife erreicht hat, Priester werden?
Kardinal Maradiaga: Alle Bischofskonferenzen in allen Ländern der Welt sind uns der absoluten und apodiktischen Grundsätze der Kirche im Klaren, zum Beispiel jene, die in Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis festgelegt sind.
Das progressive Medium gab sich damit zufrieden. Auf Nachfragen wurde verzichtet.
Religion Digital: Hat Kardinal McCarrick die Wahl von Franziskus unterstützt, und fühlte sich der Papst deshalb dem nordamerikanischen Kardinal gegenüber in der Schuld?
Kardinal Maradiaga: Vor allem müßte man die letztliche Bedeutung dieser Behauptung im Dossier von Msgr. Viganò verstehen. Mir scheint sie haltlos. Er war nicht im Konklave dabei. Ich glaube es ehrlich gesagt nicht.
Doch damit nicht genug.
„Auftragskiller“ und „Morddrohungen“
Zwei Tage nach Religion Digital veröffentlichte auch die italienische Tageszeitung Il Giornale einen Artikel mit einer aufsehenerregenden Überschrift, der auf einem Gespräch mit Kardinal Maradiaga beruft:
„Der Krieg in der Kirche kennt keine Waffenruhe: ‚Eminenz, wenn sie reden, bringen wir sie um‘“.
Autor ist Fabio Marchese Ragona, ein Journalist der seit Jahren enge Kontakte zum Kardinal unterhält. Thema sind angebliche Morddrohungen gegen den honduranischen Purpurträger.
„Nach den Anschuldigungen und Angriffen der vergangenen Monate, auch durch das Dossier von Msgr. Carlo Maria Viganò, das den Papst und andere Kardinäle ins Visier nimmt, erhielt einer der engsten Mitarbeiter von Franziskus anonyme Telefonanrufe, auf spanisch, mit ernsten Morddrohungen: Wenn er öffentlich gegen jene Stellung nimmt, die ihn beschuldigen, werde er tot sein.“
Während Kardinal Maradiaga im Interview mit Religion Digital allen seinen Kritikern und jenen von Papst Franziskus den Glauben absprach, versucht er im Gespräch mit Il Giornale den Eindruck zu erwecken, daß alle seine Kritiker ihn mit dem Tod bedrohen.
Bereits am 29. August hatte er in einem Interview den US-Vatikanisten Edward Pentin (EWTN, National Catholic Register) als „Auftragskiller“ bezeichnet. Mit mehreren, im vergangenen Frühjahr veröffentlichten Enthüllungen, hatte Pentin, ein seriöser Profijournalist, den Kardinal schwer belastet.
Anschuldigungen kratzen am Papabile-Image
Doch nicht nur Pentins Enthüllungen kratzen am Papabile-Image des Erzbischofs von Tegucigalpa. Vor wenigen Tagen erhob ein Priester neue Anschuldigungen, der laut eigener Darstellung von Maradiaga ohne Angabe eines Grundes und ohne Möglichkeit, sich zu verteidigen, suspendiert wurde. Bei dem Priester handelt es sich um den gebürtigen Spanier Bernardo Font, der sich im Juli mit einem offenen Brief an Papst Franziskus wandte.
Wie die Botschafterwitwe Martha Reichmann Valladares fühlt auch er sich von Maradiaga betrogen.
Vor kurzem beschimpfte der Kardinal die sozialen Netzwerke, denen er vorwirft, Kritik gegen ihn zu verbreiten, als „fäkale Netzwerke“. Gegenüber Il Giornale behauptete er nun mehr oder weniger unverhüllt, daß jede Kritik an seiner Person eine Form von Morddrohung sei.
Beobachter bezweifeln, daß eine solche Verteidigungsstrategie lange durchgehalten werden könne, vor allem aber, daß sie Papst Franziskus hilft.
Dieser verteidigte Maradiaga Ende Januar und erklärte die damalige Kritik am Kardinal für erledigt. Doch die Kritik verstummte nicht, vielmehr kamen neue Enthüllungen dazu, sodaß Maradiaga im Juli seine rechte Hand, Weihbischof Juan Jose Pineda opfern mußte, um sich selbst halten zu können. Pinedas Abgang wiederum hat viel mit Homosexualität und der Frage zu tun, ob Homosexuelle Priester werden können und sollen, die Maradiaga nur sehr ausweichend beantwortete.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Giornale/Religion Digital (Screenshots)
Die Spitze eines Eisberges ist sowenig Privatsache wie der Eisberg selber.
Hoffentlich wird Maradiaga nie Kapitän.
Lehramt des Papstes Franziskus? Ich sage eher Leeramt, denn theologisch ist bei Bergoglio nicht viel vorhanden.