(Rom) Ungewöhnlich, aber möglich: Papst Franziskus gewährte dem neuen Bischof von Chur noch vor dessen Bischofsweihe und Amtseinführung eine Verlängerung im Amt über die kanonische Altersgrenze hinaus.
Am 15. Februar hatte Franziskus Joseph M. Bonnemain zum neuen Bischof der Schweizer Diözese Chur ernannt. Im Vorfeld hatte das Domkapitel nur für den konkreten Fall auf das ihm zustehende Ernennungsrecht verzichtet und auf den Papst übertragen.
Die Ernennung verwunderte, da Bischof Bonnemain im kommenden Juli bereits 73 wird, das Kirchenrecht aber mit Vollendung des 75. Lebensjahres vorsieht, daß Bischöfe dem Papst ihren Rücktritt anbieten müssen. Sollte mit der Ernennung Bonnemains die eigentliche Entscheidung über den Bischof und die künftige Ausrichtung des Bistums, um die seit Jahrzehnten gerungen wird, nur aufgeschoben werden?
Gestern veröffentlichte das Bistum folgende Erklärung:
Joseph M. Bonnemain, der ernannte Bischof von Chur, wird gemäss einem Schreiben aus dem Vatikan vom 15. Februar 2021 wenigstens 5 Jahre im Amt bleiben. So hat es Papst Franziskus verfügt.
Das Kirchenrecht sieht vor, dass ein Bischof mit 75 Jahren dem Papst seine Demission anbietet. Dies wird Joseph M. Bonnemain im Juli 2023, wenn er 75 Jahre alt wird, nicht tun, sondern seine Amtszeit wird automatisch verlängert. Damit wird seine Amtszeit frühestens im Jahr 2026 enden, sofern die Gesundheit des Bischofs dies erlaubt.
Chur, 22. Februar 2021
Das italienisch gehaltene Schreiben aus dem Vatikan ist von Kardinal Marc Ouellet, dem Präfekten der Bischofskongregation, unterzeichnet und stammt vom 15. Februar, dem Tag der Bischofsernennung. Darin heißt es in der deutschen Übersetzung des Bistums:
„Der Heilige Vater ist sich der Komplexität der Situation in der Diözese bewusst. Ihre Exzellenz ist dazu berufen, vor allem die Communio und Einheit der Ortskirche zu fördern und sich grosszügig für das Werk der Evangelisierung einzusetzen. Im Bewusstsein der anspruchsvollen Dimensionen der Ihnen anvertrauten Sendung und in Anbetracht Ihres Alters hat Papst Franziskus verfügt, dass Ihr Mandat – sollte Ihre Gesundheit es Ihnen ermöglichen – wenigstens fünf Jahre dauern soll.
Mit der Mitteilung des vorher Gesagten an Ihre Exzellenz ist diese Kongregation im Auftrag des Heiligen Vaters auch damit betraut, Ihnen mitzuteilen, dass er Ihnen, Ihren Angehörigen, dem Klerus und dem ganzen Volk Gottes in der Diözese Chur gerne den Apostolischen Segen erteilt.“
Die Verlängerung der Amtszeit um zwei Jahre war unter Benedikt XVI. für Metropoliten die Regel. Sie ist ein Zeichen der Wertschätzung. Unter Paul VI. war die einstige Regelung, daß eine Bischofsernennung auf Lebenszeit erfolgt, abgeschafft worden. Die Rechte und Pflichten, die mit der Bischofsweihe verbunden sind, gelten lebenslang. Eine Jurisdiktion wird allerdings nur mehr auf Zeit verliehen.
Mit der gleich vorab gewährten Verlängerung um zwei Jahre wurde dem Bischof und der Diözese Chur zugesichert, daß Msgr. Bonnemain mindestens fünf Jahre im Amt sein wird. Dies scheint auch die Bitte des neuen Bischofs gewesen zu sein, die er mit der Annahme des Amtes verknüpft hatte.
Polemik um „falsche Demut“
Mit harter Polemik reagierte der bekannte spanische Journalist, Historiker und Blogger Francisco José Fernández de la Cigoña auf die Ernennung von Msgr. Bonnemain. Fernández de la Cigoña, selbst mit dem Opus Dei verbunden, stößt sich daran, daß Bonnemain, ein Opus-Dei-Priester, gleich nach seiner Ernennung glaubt, „alle anderen Bischöfe belehren“ zu müssen, indem er auf ein bischöfliches Wappen verzichtet.
Kein Wappen mache einen Bischof nicht mehr zum Bischof als ein Wappen, so Fernández de la Cigoña auf seinem Blog. Dennoch gebe es keinen Grund, außer einer „falschen Demut“, sich einer so alten Gewohnheit ohne erkennbaren Grund zu entledigen.
Es ist die zur Schau getragene „falsche Demut“, die Fernández de la Cigoña erzürnt, denn damit habe Msgr. Bonnemain alle anderen Bischöfe und auch seine Vorgänger gedemütigt, indem er sich hinstelle und rufe, seht her, wie bescheiden ich bin – im Gegensatz zu …
Die Folge ist eine Polemik gegen Bonnemain, die selbst von Lesern seines Blogs als „überzogen“ kritisiert wird. Fernández de la Cigoña fand auf der Facebook-Seite des ernannten Bischofs ein Bild, das diesen im „Räuberzivil“ zeigt:
„Nun hoffen wir, daß das schlechte Outfit nicht das Image des neuen Opus Dei ist.“
Gerade das Opus Dei habe stets Wert auf ein tadelloses Erscheinungsbild gelegt. Dabei sei es nicht nur um einen bewußten Gegensatz zur allgemeinen Kleiderordnung gegangen, sondern in erster Linie um „den Respekt vor dem Weiheamt“, das sich im Äußeren widerspiegeln sollte. Selbst nicht-klerikale Angehörige der Personalprälatur achteten auf ein gepflegtes Äußeres als Erkennungsmerkmal.
Auf dem von Fernández de la Cigoña veröffentlichten Foto des neuernannten Bischofs Bonnemain zeige sich dieser „absolut nicht präsentabel“. Es entstand 2017, als der damalige Opus-Dei-Priester im süditalienischen Palmi an einer Schulung teilnahm
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Bistum Chur (Screenshot)/La Cigüeña De La Torre