
(New York) Eine explosive Meldung berichtete heute das Wall Street Journal: Ein Abkommen zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik China über die Bischofsernennungen stehe unmittelbar vor der Unterzeichnung.
„China and Vatican to Sign Landmark Deal Over Bishops“, lautet die Schlagzeile der Wirtschaftszeitung.
Zentraler Punkt des Einvernehmens: Das kommunistische Regime in Peking erkennt Papst Franziskus als legitimes Oberhaupt der chinesischen Katholiken an, und der Vatikan erkennt im Gegenzug die exkommunizierten, regimehörigen Bischöfe als rechtmäßige Oberhirten an.
Die Unterzeichnung des Abkommens soll noch „im Laufe des Monats“ erfolgen.
Das Abkommen enthält aber noch mehr.
Umstrittene Annäherung
Die Annäherung zwischen Rom und Peking und das beabsichtige Abkommen sind sehr umstritten. Die seit 1949 China diktatorisch regierende Kommunistische Partei Chinas (KPCh) verfolgte nach ihrer Machtübernahme die katholische Kirche. 1951 wurden alle diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl abgebrochen, der zu einer „ausländischen Macht“ erklärt wurde. Wer mit ihm zusammenarbeite, begehe Landesverrat, so die Auffassung der Kommunisten.
Die KP gründete nach Ostblock-Vorbild die Patriotische Vereinigung als regimehörige, katholische Organisation des Landes. Wer Katholik ist, hat sich ihr anzuschließen. Die Bischöfe der „Nationalkirche“ werden vom Regime ernannt. Neben dieser „offiziellen“ Kirche, entstand die romtreue Untergrundkirche mit eigenen Bischöfen.
Je nach Willkür und Laune des Regimes wechselten sich seit dem Tod Mao Tse-tungs Phasen einer gewissen Entspannung mit Phasen der Verfolgung ab. Die diplomatischen Beziehungen wurden nie mehr angeknüpft. Seit einiger Zeit gibt es aber wieder Gespräche auf informeller Ebene.
Bisher deutet aber nichts darauf hin, daß die Kommunistische Partei eine unabhängige Kirche neben sich dulden wird. Ganz im Gegenteil. In den vergangenen Jahren kam es unter dem neuen Staats- und Parteichef Xi Jinping zu einer Verschärfung der Unterdrückungsmaßnahmen.
Überwindung des Schismas

Als offizielles Ziel der Annäherung, die seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus betrieben wird, gilt der Wunsch nach besseren Beziehungen zur Volksrepublik China, dem bevölkerungsreichsten Land der Welt, wo das Christentum ein starkes Wachstum erlebt.
Zudem geht es Rom um die Überwindung des Schismas zwischen den romtreuen und den regimehörigen Katholiken. Kritiker, wie der emeritierte Bischof von Hong Kong, Kardinal Joseph Zen, warnen vor einem Abkommen. Das kommunistische Regime sei in Religionsfragen nicht paktfähig. Kardinal Zen, die graue Eminenz der chinesischen Untergrundkirche, sieht vielmehr die Gefahr, daß Rom mit dem Abkommen im Zuge seiner „Neuen Ostpolitik“ Peking die Untergrundkirche ausliefert. Da das Regime jede religiöse Aktivität kontrollieren und überwachen will, muß sich jede Gemeinde registrieren lassen und bedarf der staatlichen Erlaubnis. Demnach dürften künftig alle Katholiken, auch jene der Untergrundkirche, mit Unterstützung Roms nur mehr die staatlich anerkannten Kirchen der Patriotischen Vereinigung besuchen. Das Verhältnis zwischen regimehöriger und romtreuer Kirche wird von Insidern mit 1:4 angegeben.
Untergrundkirche dem Regime ausliefern
Das Regime würde mit Hilfe Roms erreichen, was ihm in 70 Jahren nicht gelungen ist: Die totale Kontrolle über die katholische Kirche in China zu erlangen.
Das Abkommen soll auch das für Rom besonders leidige Thema der Bischofsernennungen klären. Seit dem Bruch der Kommunisten mit Rom kann der Heilige Stuhl offiziell keine Bischofsernennungen mehr vornehmen. Die damals amtierenden Bischöfe, sofern nicht Ausländer, verschwanden in Konzentrationslagern und Gefängnissen. Wer nicht hingerichtet wurde, harrte bis an sein Lebensende im Bischofsamt aus, da keine Nachfolge gesichert war.

Im Untergrund wurden, wie auch in Staaten des kommunistischen Ostblocks, geheim, romtreue Bischöfe geweiht, die vom Staat aber nicht anerkannt werden. Umgekehrt sind Bischöfe, die vom Regime ernannt und ohne Erlaubnis des Papstes geweiht werden, automatisch exkommuniziert. Das betrifft derzeit sieben Bischöfe. Ihre Anerkennung durch Rom machte Peking zur conditio sine qua non für die Unterzeichnung eines Abkommens.
Das ganze vergangene Jahr, so das Wall Street Journal, hätten die Verhandlungen um die Bischofsernennungen gekreist. In der jüngeren Vergangenheit zeigte Franziskus gegenüber dem Regime ein Entgegenkommen, indem er die Anerkennung einiger exkommunizierter Bischöfe vorbereitete. Genaue Details sind nicht bekannt. Die Umstände dieser Vorbereitung aber waren hochdramatisch und lösten in der Untergrundkirche größte Besorgnis aus.
Geht es um vatikanische Geopolitik mit ideologischem Einschlag?
Laut den Indiskretionen, auf die sich das Wirtschaftsblatt beruft, sei der Vatikan bereit, das Vorschlagsrecht für Bischofsernennungen dem kommunistischen Regime in Peking zu überlassen. Dem Papst räumt das Regime im Gegenzug ein Vetorecht ein. Damit könnte es in China bald nur mehr KP-treue Bischöfe geben.
Politische Schmeicheleien für das kommunistische Regime durch Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, den politischen Arm des Papstes, die weit über diplomatische Gepflogenheiten hinausgingen, sorgten für weitere Zweifel und Bedenken. Beobachter sprechen von möglichen geopolitischen Überlegungen, die weit über das eigentliche Thema hinausgehen und mit der „Papistischen Internationale“ zu tun haben könnten, die laut dem marxistischen Philosophen Gianni Vattimo die Kommunistische Internationale ablösen sollte.
Sicher ist, daß Papst Franziskus und seine politischen Berater das Abkommen wollen. Nicht sicher ist, ob es zustande kommt. Das Regime erwies sich bereits in der Vergangenheit als launisch. Eine wirkliche Einigung mit einer „ausländischen Macht“, zudem noch mit einer Religionsgemeinschaft scheint mehr als einigen an der KP-Spitze zuwider. Schließlich schärfte das Regime erst vor kurzem den Parteimitgliedern ein, daß Religion Opium für das Volk sei.
Kapitulation des Vatikans

Das Abkommen könnte, so das Wall Street Journal unter Berufung auf eine sachkundige Quelle, daher im letzten Augenblick noch durch Unvorhergesehenes platzen. Die Schließung von Kirchen und die Zerstörung von christlichen Symbolen belasteten in jüngster Zeit die Geheimverhandlungen durch verstärkten öffentlichen Druck.
Auf einer Routine-Pressekonferenz des chinesischen Außenministeriums wollte Pressesprecher Geng Shuang keine Fortschritte bei den Verhandlungen bestätigen, sagte aber, daß die Volksrepublik „ehrlich“ bemühe, die Beziehungen mit dem Vatikan „zu verbessern“.
Von der Zentralabteilung Vereinigte Arbeitsfront, einem Organ des ZK der KPCh, das laut ZK-Beschluß vom vergangenen Februar nun für die Religionsangelegenheiten zuständig ist, gab es auf Anfragen des Wall Street Journal überhaupt keine Reaktion.
Fest stehe, so die Zeitung unter Berufung auf informierte Kreise, daß beide Seiten sich darauf einigten, daß der Text des Abkommens nicht veröffentlicht wird.
Die Kritiker sehen darin ein weiteres Indiz für eine vatikanische Kapitulation.
Die Wirtschaftszeitung zitierte dazu Kardinal Joseph Zen, der in einem EWTN-Interview sagte:
„Ich würde eine Karikatur anfertigen“, die den Papst vor Staat- und Parteichef Xi Jinping „auf den Knien zeigt, dem er die Schlüssel zum Himmelreich übergibt mit den Worten: ‚Und nun erkenn mich bitte als Papst an‘“.
Gloria.tv veröffentlichte die Karikatur nach den Angaben des Kardinals (siehe oben).
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wallstreet Journal/Gloria.tv/