Von Wolfram Schrems*
Am 30. Juni dieses Jahres jähren sich die unerlaubten Bischofsweihen durch Erzbischof Marcel Lefebvre und Bischof Antonio de Castro Mayer zum 30. Mal. Zu diesem denkwürdigen Jahrestag seien einige persönliche Beobachtungen und Überlegungen gestattet. Sie sollen einer glaubensgemäßen Interpretation der Ereignisse dienen, den beteiligten Personen Gerechtigkeit widerfahren lassen und die Verantwortungsträger zum Handeln aufrufen.
Der Text wird in zwei Teile geteilt. Der zweite Teil erscheint in einigen Tagen.
Daher zunächst einige persönliche Reminiszenzen:
Frühsommer 1988: Anschein einer vitalen Kirche unter Papst Johannes Paul II.
Wenige Tage vor der Weihe der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X., nämlich am Samstag, dem 25. Juni, besuchte Papst Johannes Paul II. im Rahmen seiner Österreich-Pilgerfahrt Lorch (das historische Lauriacum bei Enns, Diözese Linz). Dort feierte er am Vormittag einen Wortgottesdienst. Ich nahm schulfrei und fuhr mit einem Schulkollegen per Fahrrad dorthin.
Ich erinnere mich an die große Zahl von Menschen, die dem Papst ihre Aufwartung machten. Ich erinnere mich auch an Verteiler von gegen den Papst gerichteten Pamphleten („Ja zum Glauben – nein zur Entmündigung“ als Widerspruch zum offiziellen Motto der Papstreise „Ja zum Glauben – ja zum Leben“), unter ihnen ein Klassenkollege, und an die Anwesenheit von Abt und Konvent des oberösterreichischen Trappistenklosters Engelszell, des einzigen kontemplativen Männerklosters in Österreich.
Aufgrund dieses Bildes eines blühenden kirchlichen Lebens war mir der wenige Tage später vollzogene „schismatische Akt“, wie die unerlaubte Bischofsweihe von Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Galarreta im Motu proprio Ecclesia Dei adflicta §3 genannt wurde, unverständlich und skandalös. Denn die Kirche in Person von Papst Johannes Paul II. war ja augenscheinlich vital und missionarisch. Der Papst versuchte auch, das von Kardinal König in Österreich angerichtete Chaos zu beheben, und wurde durch den illoyalen Akt von Erzbischof Lefebvre geschwächt.
Johannes Paul II. und die Piusbruderschaft – unterschiedliche Wirkungsgeschichten
Nun, dreißig Jahre später, stellt sich die Situation vollständig anders dar: Die von Johannes Paul II. proklamierte „Neuevangelisierung“ und die versuchte Rekatholisierung der Kirche Österreichs sind gescheitert. Die österreichische Situation ist schlimmer als je zuvor, einschließlich meiner Heimatdiözese Linz. Der Konvent von Engelszell hat nur mehr eine Handvoll Mönche und ist nach menschlichem Ermessen dem baldigen Untergang geweiht.
Die Weltkirche befindet sich seit dem Amtsantritt von Papst Franziskus in einem Zustand galoppierenden Wahnsinns.
Die positiven Eindrücke und Hoffnungen des Jahres 1988 haben sich also vollständig zerschlagen.
Im Gegenzug erlebte die Priesterbruderschaft St. Pius X. einen kontinuierlichen Aufstieg. Dieser muß angesichts äußeren Drucks und innerer Krisen, darunter etliche Austritte, als aufsehenerregend bezeichnet werden. Die Anzahl der Priester stieg auf über 600, Kirchen werden gebaut, neue Gläubige werden angezogen.
Man fragt sich: Kann ein schlechter Baum gute Früchte bringen?
Eben.
Der formal unerlaubte Akt der Bischofsweihen muß also neu bewertet werden. Denn nach menschlichem Ermessen gäbe es ohne ihn heute keine überlieferte Messe mehr. Es gäbe keine Ecclesia Dei-Gemeinschaften. Es gäbe kaum noch einen traditionellen Glauben, der uns jenseits des Bruchs durch das II. Vaticanum mit der Tradition seit den Anfängen der Kirche verbindet.
In diesem Zusammenhang soll daher an noch ein Ereignis aus dem Frühsommer 1988 erinnert werden:
Papst Johannes Paul II. ernannte am 28. Mai den Schweizer Priester, Gelehrten und Ex-Jesuiten Hans Urs von Balthasar (1905 – 1988) zum Kardinal. Der so Geehrte starb aber am 26. Juni, bevor ihm der Kardinalshut überreicht werden konnte.
Diese Kardinalskreierung ist eine der vielen Ambivalenzen des Wirkens von Johannes Paul II. Warum um alles in der Welt hat er von Balthasar zum Kardinal ernannt? Was sollte damit kirchenamtlich unterstützt werden? Die leere Hölle? Die durch die Offenbarung in keiner Weise gestützte „Hoffnung, daß alle Menschen gerettet werden“ – 71 Jahre nach der Höllenvision der Seherkinder von Fatima?
Von Balthasar hatte seine Verdienste, blieb aber eine ambivalente Gestalt der jüngeren Kirchengeschichte.
All das zeigt, daß Johannes Paul II. innerlich zerrissen war. Dazu gibt es einen faktenbasierten Roman aus dem Jahr 1996.
Malachi Martin, Windswept House (Der letzte Papst), als Verständnisschlüssel
Der irische Ex-Jesuit, Papstberater, Priester und Schriftsteller Malachi Martin (1921 – 1999) behandelt in seinem aufsehenerregenden Roman Windswept House (1996, dt. Der letzte Papst, 2004) die rätselhafte Politik von Papst Johannes Paul II. (im Buch „der slawische Papst“)[1]Über Malachi Martin kann man im Internet viel kontroverses lesen. Seine Bücher und Interviews machen allerdings nicht den Eindruck, daß hier ein Verrückter oder Hochstapler am Werk gewesen wäre. … Continue reading
Martin legt dar, daß Johannes Paul II. um feindliche Umtriebe im Vatikan und in der Weltkirche zwar wußte, diese aber nicht bekämpfte. Allzu viele Wölfe im Schafspelz ließ er in ihrem destruktiven Tun gewähren. Martin zeichnet den Papst als persönlich fromm, aber in der Lehrverkündigung nicht deutlich und konfrontativ genug. In geopolitischen Fragen ist er bestens informiert, aber zu weltlich in der Vorgangsweise (etwa in der Ansprache, die „Kardinal Cosimo Maestroianni“ – gemeint ist wahrscheinlich Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli – vor der UNO halten soll).
Nach einer plausiblen Interpretation wollte Martin mit diesem Buch Papst Johannes Paul II. zum energischen Eingreifen aufrütteln. Diese Interpretation ist umso glaubwürdiger, als die Handlung am Ende ja in einen Schwebezustand mündet, in dem der Papst eine lange aufgeschobene Entscheidung treffen muß.
Dreizehn Jahre nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. und angesichts der apokalyptischen Situation von Kirche und Welt wird man schlußfolgern können, daß der Appell offenbar nicht gehört wurde: Johannes Paul II. hat die Konspiration innerhalb des Vatikans nicht entscheidend bekämpft und häretische Theologen und Bischöfe nicht ihrer Ämter enthoben. Im Gegenteil gab es unverständliche Kardinalsernennungen. Er hat seine geistliche Vollmacht nicht genützt, um die Kirche zu schützen. Wie wir wissen, hat der Papst auch die Forderungen von Fatima nicht umgesetzt.
À propos Fatima:
Malachi Martin läßt sein Buch mit der Episode beginnen, als Papst Johannes XXIII. in Gegenwart einiger Vertrauter das Dritte Geheimnis von Fatima liest. Dieses hätte bekanntlich im Jahr 1960 veröffentlicht werden sollen. Papst Johannes weigert sich aber und stößt damit Millionen von Katholiken, die auf die Veröffentlichung warten, vor den Kopf.[2]Das kann man auch in Mark Fellows, Fatima in Twilight, so lesen. Vgl. dazu die Angaben zu den Jahren 1959 und 1960 in dieser Zusammenfassung der Ereignisse und ebenfalls zu 1960.
Der Papst wollte – in den Worten Martins – auch über eine Weihe Rußlands nicht einmal nachdenken, weil er durch eine solche Weihe seine Beziehungen zur Sowjetunion gefährden und sein Lieblingsprojekt, das Konzil, aufs Spiel setzen würde.
Martin legt nahe, daß dieser Ungehorsam des „guten Papstes“ kausal zu den folgenden Katastrophen in Kirche und Welt führte. Durch diesen Ungehorsam wurde die Abwehrkraft der Kirche geschwächt und „der Rauch Satans“, wie Papst Paul VI. am 29. Juni 1972 beklagen sollte, drang in das Heiligtum der Kirche ein.[3]Man kann lesen, daß Paul VI. damit vielleicht auf ein einige Jahre zuvor durchgeführtes satanistisches Ritual innerhalb des Vatikans anspielte. Martin datiert dieses Ritual auf den 29. Juni 1963. … Continue reading
Johannes Paul II. griff in die Machinationen von Konspiratoren und Dissidenten nicht oder fast nicht ein. Aber die Exkommunikation von Erzbischof Lefebvre und der von ihm geweihten Bischöfe hat er ausgesprochen und bis zu seinem Tod aufrechterhalten. Auch hier kann man sich fragen, wieweit er seinerseits unter Druck gesetzt worden war. Aber er war der Pontifex. Er trug die Verantwortung.[4]Auf dem Hintergrund der Handlung von Windswept House, in dem von einer massiven Intrige, den Papst zum Rücktritt zu zwingen, die Rede ist, muß das Durchhalten von Johannes Paul II. bis zum Ende als … Continue reading
Und noch etwas muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden: Nämlich ein Detail des Wirkens von Papst Johannes Paul II. und dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger, das schwerwiegende Fragen aufwirft.
(Fortsetzung folgt)
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, Pro-Lifer
Bild: FSSPX.org/Wikicommons/Youtube/Cssr/MiL (Screenshots)
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↑1 | Über Malachi Martin kann man im Internet viel kontroverses lesen. Seine Bücher und Interviews machen allerdings nicht den Eindruck, daß hier ein Verrückter oder Hochstapler am Werk gewesen wäre. Um sich selbst ein Bild machen zu können, ist die Konsultation der auf Youtube greifbaren Interviews empfohlen z. B.: Radio: Art Bell Show: Das letzte Interview; Fernsehen: Firing Line mit William F. Buckley jr.: Folge 119 (07.12.1973), Folge 339 (06.09.1978) und Folge 414 (22. April 1980). |
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↑2 | Das kann man auch in Mark Fellows, Fatima in Twilight, so lesen. Vgl. dazu die Angaben zu den Jahren 1959 und 1960 in dieser Zusammenfassung der Ereignisse und ebenfalls zu 1960. |
↑3 | Man kann lesen, daß Paul VI. damit vielleicht auf ein einige Jahre zuvor durchgeführtes satanistisches Ritual innerhalb des Vatikans anspielte. Martin datiert dieses Ritual auf den 29. Juni 1963. Genauere Informationen sind naturgemäß praktisch nicht zu bekommen. Der vor kurzem verstorbene Exorzist Roms, P. Gabriele Amorth, sprach jedoch von Aktivitäten satanistischer Gruppen innerhalb des Vatikans. Damit ist die Handlung im Roman von Malachi Martin nicht unglaubwürdig. |
↑4 | Auf dem Hintergrund der Handlung von Windswept House, in dem von einer massiven Intrige, den Papst zum Rücktritt zu zwingen, die Rede ist, muß das Durchhalten von Johannes Paul II. bis zum Ende als heroisch gewürdigt werden. Das war zweifellos eine vorbildliche Dimension in einem ambivalenten Pontifikat. |