(Rom) Vor 1409 Jahren wurde eines der berühmtesten Bauwerke Roms in eine Kirche umgewandelt. Nach ebensolanger Zeit wurde nun, fast 50 Jahre nach der Liturgiereform von 1969/1970 ein feststehender, sogenannter Volksaltar errichtet und geweiht.
Am 13. Mai 609 wurde aus dem Pantheon von Kaiser Hadrian, dem heidnischen Tempel, der allen Göttern geweiht war, die katholische Kirche Sancta Maria ad Martyres.
Die Umwandlung war Teil einer umfassenden Christianisierung Roms. Das Christentum hatte das Heidentum überwunden. Die Christen, die in den ersten drei Jahrhunderten im Römischen Reich immer wieder einer blutigen Verfolgung ausgesetzt waren, zögerten lange, die heidnischen Tempel für den christlichen Kult zu adaptieren. Sie warteten, bis der heidnische Götterglaube weitgehend abgestorben war. Erst dann erachteten sie es als möglich, die Götzentempel zu übernehmen. Vor mehr als 1400 Jahren fand in diesem Rahmen unter Papst Bonifatius IV. (608–615) die feierliche Reinigung, die Lustration, des Pantheons statt.
Das „Pantheon“ ist ein Touristenmagnet. Wer die Sehenswürdigkeiten Roms gesehen haben will, wird an diesem in seiner Urform bald 2050 Jahre alten Gebäude nicht vorbeikommen. An Sonn- und Feiertagen finden regelmäßig Meßfeiern statt, so auch gestern zum Hochfest Christi Himmelfahrt und zugleich Weihefest der Kirche. Während die offizielle Internetseite der Touristenattraktion nichts davon berichtete, fand sich in den Tage zuvor bereits ein Hinweis auf der Internetseite der Basilika. Der 1409. Weihetag sollte auch einen tiefgreifenden Eingriff in das Presbyterium bedeuten.
Der neue Volksaltar
Wie gewohnt wurde um 10.30 Uhr, gestern von Kanonikus Msgr. Salvatore Genchi, das Hochfest zelebriert. Mit der Basilika ist ein Kollegiatsstift verbunden, das einzige noch bestehende in Rom neben jenen an den vier Patriarchalbasiliken. Stiftspropst ist der italienische Militärbischof.
Um 16 Uhr folgte jedoch eine weitere Messe, zelebriert vom Päpstlichen Legaten, Msgr. Angelo De Donatis, dem Generalvikar der Diözese Rom, mit „der Weihe des neuen Bronzealtars im 1409. Jahr der Weihe der Basilika“.
Gestern wurde ein feststehender, sogenannter „Volksaltar“ geweiht, und damit jene Altardoppelung mit dem Hauptaltar geschaffen, die zum seltsamen „Charakteristikum“ der Liturgiereform von 1969/1970 wurde.
Der Eingriff erfolgte still und leise, weshalb nicht bekannt ist, welcher Vertreter des zuständigen Denkmalamtes seine Einwilligung erteilte, den Hauptaltar, an dem im Laufe so vieler Jahrhunderte zahlreiche Heilige, Päpste und Priester das heilige Meßopfer zelebrierten, „überflüssig“ zu machen bzw., sollte er genützt werden, den Blick darauf zu verstellen. Es handelt sich um eine regelrechte Verdrängung. Der Volksaltar wurde so nahe an den Stufen zum historischen Hauptaltar errichtet, daß dieser für eine Zelebration in der überlieferten Form des Römischen Ritus praktisch unbrauchbar gemacht wurde.
Die künstlerische Aussage des neuen Volksaltars wird auf der Basilika-Intersetseite beschrieben. Dazu wird das Apostolische Schreiben Evangelii gaudium von Papst Franziskus zitiert:
„Es ist gut, dass jede Katechese dem „Weg der Schönheit” (via pulchritudinis) besondere Aufmerksamkeit schenkt. Christus zu verkündigen, bedeutet zu zeigen, dass an ihn glauben und ihm nachfolgen nicht nur etwas Wahres und Gerechtes, sondern etwas Schönes ist, das sogar inmitten von Prüfungen das Leben mit neuem Glanz und tiefem Glück erfüllen kann. In diesem Sinn können alle Ausdrucksformen wahrer Schönheit als Weg anerkannt werden, der hilft, dem Herrn Jesus zu begegnen. Es geht nicht darum, einen ästhetischen Relativismus zu fördern, der das unlösbare Band verdunkeln könnte, das zwischen Wahrheit, Güte und Schönheit besteht, sondern darum, die Wertschätzung der Schönheit wiederzugewinnen, um das menschliche Herz zu erreichen und in ihm die Wahrheit und Güte des Auferstandenen erstrahlen zu lassen“ (Evangelii gaudium, 167).
„Erschütternder Exorzismus“
Am 13. Mai 609, wie in den päpstlichen Annalen nachgelesen werden kann, führte Papst Bonifatius IV. einen „erschütternden Exorzismus“ des heidnischen Tempels durch, bevor er zur feierlichen Weihe der Basilika schritt. Der Tempel war ihm im Jahr zuvor vom byzantinischen Kaiser Phokas (602–610) übertragen worden. Nach der äußeren Reinigung wurden die Tore geöffnet und der Papst zog in das Innere des Tempels ein, der von Christen bis dahin nicht betreten worden war. „Eine immense Menschenmenge“ wohnte dem Ereignis bei. Die Chroniken berichten von furchteinflößenden Geräuschen und entsetzlichem Schreien, die aus dem Inneren drangen. Die Dämonen und Götzen „jaulten entsetzlich“, weil sie sich bewußt waren, vertrieben zu werden. Der Papst betete und weihte das Gebäude Christus, sodaß die Dämonen unter lautem Lärm fluchtartig den alten Tempel verließen.
Auch die Mystikerin Anna Katharina Emmerick (1774–1824) schaute in einer Vision die Reinigung und Umwandlung des Pantheons in eine Kirche.
In Erinnerung an die Zeit der Verfolgung weihte Bonifatius IV. die Basilika der Gottesmutter und allen Märtyrern. Dazu ließ er zahlreiche Reliquien von Märtyrern, die Überlieferung berichtet von 28 Wagen voll, unter den nun verdrängten Hauptaltar legen. Aus der einstigen, vergoldeten Bronzedecke der Kuppel, die Papst Gregor III. (731–741) anbringen ließ, schuf Gian Lorenzo Bernini 1624–1633 den fast 30 hohen Baldachin über dem Grab des Apostelfürsten Petrus und dem Papstaltar im Petersdom.
In der Basilika sind berühmte Künstler, darunter Raffael, begraben. Dort befindet sich auch die Grablege der Könige des geeinten Italiens.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: santamariaadmartyres/MiL (Screenshots)
Eine ungeheure Schande und ein wirkliches Sakrileg!
Naja, auf präventive Interventionen über die Denkmalbehörden sollte man gerade auch in Italien nicht zählen.
Man kann zum Glück sagen, daß nicht gleich die alte Altarmensa ganz abgebrochen wurde (wie in den 1980ern an der Cathedra Petri des Petersdomes, die ja heute geradezu verstümmelt ist und einen fürchterlich entstellten Anblick bietet mit der kahlen schwarz weiß gescheckten Wand vor der ein billiger Holzsstuhl sich anstatt der alten Altarmensa befindet), aber es gibt auch in Italien selbst aberdutzende Bischofskirchen, Kollegiatskirchen oder Pfarrkirchen wo eben nicht nur so ein Tisch oder Steinbrocken mit naiven und brutalistischen Motiven vor die alte Altarmensa und den Hochaltar hingestellt wird, sondern dieselbigen vollkommen abgebrochen werden. Selbst, ja gerade eben dort, in sowohl kunst- als auch kirchengeschichtlich sehr bedeutenden Sakralgebäuden.
Das Opfer für Gott soll abgeschafft werden, dies ist ein Schritt dazu.