Von Roberto de Mattei*
Der Zweck der Kirche ist die Verehrung Gottes und die Rettung der Seelen. Rettung aber wovor? Vor der ewigen Verdammnis, die das Schicksal der Menschen ist, die in einer Todsünde sterben. Für das Heil der Menschen hat Unser Herr sein erlösendes Leiden auf sich genommen.
Die Gottesmutter hat in Fatima daran erinnert: Das erste Geheimnis, das sie den drei Hirtenkindern anvertraute, jenes vom 13. Juli 1917, beginnt mit einer erschütternden Höllenvision. Hätte die Gottesmutter ihnen nicht versichert, sie in den Himmel zu bringen – schreibt Sr. Lucia –, wären die Seherkinder vor Aufregung und Angst gestorben. Die Worte der Gottesmutter sind traurig und streng:
„Ihr habt die Hölle gesehen, wohin die Sünder gehen. Um sie zu retten, will Gott die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen in der Welt begründen.“
Ein Jahr zuvor hatte der Engel von Fatima die drei Hirtenkinder dieses Gebet gelehrt:
„O mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen.“
Jesus spricht wiederholt von „Gehinnom“ und vom unauslöschlichen „Feuer der Hölle“ (Mt 5,22; 13,42; Mk 9,43–49), das jenen bestimmt ist, die sich am Ende des Lebens weigern, sich zu bekehren. Das erste Feuer, das spirituelle, ist die Gottferne. Sie stellt die schrecklichste Strafe dar, die im wesentlichen die Hölle ausmacht, denn durch den Tod wird die Seele von ihren irdischen Bindungen gelöst und strebt mit aller Kraft danach, sich mit Gott zu vereinen, aber es ist ihr nicht möglich, wenn der Mensch zu Lebzeiten sich aus freien Stücken durch die Sünde dafür entschieden hat, sich von Gott zu trennen.
Die zweite Strafe ist jene geheimnisvolle, durch die die Seele das wirkliche Feuer spürt, nicht nur ein metaphorisches, das unauslöschlich dem geistlichen Feuer des Verlustes von Gott folgt. Da die Seele unsterblich ist, dauert auch die Strafe, die auf die reuelose Todsünde folgt, solange wie das Leben der Seele dauert, nämlich endlos, für die Ewigkeit. Diese Lehre wurde vom Vierten Laterankonzil, dem Zweiten Konzil von Lyon, dem Konzil von Florenz und dem Konzil von Trient definiert. In der Konstitution Benedictus Deus vom 29. Januar 1336, mit der die Irrlehre der seligmachende Schau seines Vorgängers Johannes XXII. verurteilt wurde, bekräftigte Papst Benedikt XII.:
„Wir definieren zudem, daß nach allgemeiner Anordnung Gottes die Seelen der in einer aktuellen Todsünde Dahinscheidenden sogleich nach ihrem Tod zur Hölle hinabsteigen, wo sie mit den Qualen der Hölle gepeinigt werden“ (DH 1002).
Am 29. März 2018, dem Gründonnerstag, wurde ein Interview von Papst Franziskus veröffentlicht, das dieser der Tageszeitung La Repubblica gab. Sein inzwischen gewohnter Gesprächspartner, Eugenio Scalfari, fragte ihn:
„Sie haben nie von Seelen gesprochen, die in der Sünde gestorben sind und in die Hölle fahren, um dort in alle Ewigkeit zu bleiben. Sie haben mir hingegen von guten Seelen gesprochen, die zur Anschauung Gottes gelangen. Aber die bösen Seelen? Wo werden sie bestraft?“
Papst Franziskus antwortete so:
„Sie werden nicht bestraft. Jene, die bereuen, erhalten die Vergebung Gottes und reihen sich unter die Seelen, die ihn betrachten. Aber jene, die nicht bereuen, denen kann nicht vergeben werden, und sie verschwinden. Es gibt keine Hölle. Es gibt das Verschwinden der sündigen Seelen.“
Diese Worte stellen, so wie sie klingen, eine Häresie dar. Der Wirbel setzte bereits ein, als das vatikanische Presseamt mit einer Erklärung eingriff, in der man lesen kann:
„Der Heilige Vater hat jüngst den Gründer der Tageszeitung La Repubblica wegen Ostern zu einem Privattreffen empfangen, ohne ihm ein Interview gegeben zu haben. Was vom Autor des heutigen Artikels berichtet wird, ist das Ergebnis seiner Rekonstruktion, in der nicht das vom Papst wörtlich Gesagte zitiert wird. Nichts vom genannten Artikel, das unter Anführungszeichen steht, ist daher als getreue Wiedergabe der Worte des Heiligen Vaters zu verstehen.“
Es handelte sich also nicht um ein Interview, sondern um ein privates Gespräch, von dem der Papst allerdings genau wußte, daß es sich in ein Interview verwandeln würde, weil dies bereits bei den vier vorherigen Gesprächen mit Scalfari der Fall war. Wenn er trotz der Kontroversen, die durch die vorherigen Interviews mit dem Journalisten von La Repubblica entstanden sind, daran festhält, diesen als bevorzugten Gesprächspartner zu empfangen, bedeutet es, daß der Papst die Absicht hat, durch diese Gespräche eine Art von Medienlehramt auszuüben – mit unvermeidlichen Konsequenzen.
Kein Satz, sagt der Heilige Stuhl, ist als getreue Wiedergabe zu betrachten, aber kein konkreter Inhalt des Interviews wird dementiert, sodaß wir nicht wissen, ob und welcher Punkt des Bergoglianischen Denkens entstellt wurde. In fünf Jahren seines Pontifikats äußerte Franziskus nicht den geringsten Hinweis zur Hölle als Ort der ewigen Verdammnis der Seelen, die in der Sünde sterben. Um sein Denken klarzustellen, müßten der Papst – oder der Heilige Stuhl – öffentlich die katholische Lehre zu allen Punkten des Interviews bekräftigen, in denen sie geleugnet wurde.
Das aber ist leider nicht geschehen, und man gewinnt den Eindruck, daß das, was die Repubblica veröffentlichte, keine Fake News ist, sondern eine willkürliche Initiative, um die Verwirrung unter den Gläubigen zu vergrößern. Die These, daß das ewige Leben den Seelen der Guten vorbehalten sei, während jene der Bösen verschwinden würden, ist eine alte Häresie. Sie leugnet nicht nur die Existenz der Hölle, sondern auch die Unsterblichkeit der Seele, wie sie vom Fünfte Laterankonzil als Glaubenswahrheit definiert wurde (DH 1440).
Diese extravagante Meinung wurde von den Sozinianern, den liberalen Protestanten, einigen adventistischen Sekten und vom Waldenserpastor Ugo Janni (1865–1938) vertreten, dem Theoretiker des „Panchristentums“ und Großmeister der Freimaurerloge Mazzini von Sanremo. Für sie ist die Unsterblichkeit ein Privileg, das Gott nur den Seelen der Guten gewährt.
Das Schicksal der Seelen, die hartnäckig in der Sünde verharren, sei nicht die ewige Strafe, sondern der völlige Existenzverlust. Diese Lehre ist auch bekannt als „fakultative Unsterblichkeit“ oder „Konditionierung“, weil sie die These vertritt, daß die Unsterblichkeit durch das moralische Verhalten konditioniert sei. Das Ende des tugendhaften Lebens ist die Fortdauer des Seins, das Ende des schuldhaften Lebens aber die Selbstauslöschung.
Die Lehre von der „fakultativen Unsterblichkeit“ verbindet sich mit dem Evolutionismus, weil sie behauptet, daß die Unsterblichkeit eine Errungenschaft der Seele sei, eine Art von menschlicher Höherentwicklung vergleichbar der „natürlichen Selektion“, die niedere Organismen dazu veranlaßt, sich in höhere Organismen zu verwandeln. Wir stehen hier einem zumindest implizit materialistischen Verständnis gegenüber. Der Grund der Unsterblichkeit der Seele ist ihre Spiritualität: Was spirituell ist, kann sich nicht auflösen. Wer die Möglichkeit dieser Auflösung vertritt, schreibt der Seele hingegen eine materielle Natur zu.
Eine spirituelle Substanz wie die Seele könnte ihre Natur nur durch das Eingreifen Gottes verlieren, ein solches wird von den Konditionalisten aber bestritten. Es hieße nämlich, die Strafe eines gerechten Gottes zuzugeben, der belohnt und bestraft in Zeit und Ewigkeit. Ihr Verständnis von einem ausschließlich barmherzigen Gott schreibt dem Willen des Menschen die Fähigkeit zu, sich selbst zu bestimmen, indem der Mensch entscheidet, ob er ein Funke werden will, der im göttlichen Feuer aufgeht, oder ob er sich ins absolute Nichts auflöst.
Pantheismus und Nihilismus sind die Optionen, die dem Menschen in dieser Kosmologie zukommen, die nichts mit dem katholischen Glauben und dem gesunden Menschenverstand zu tun hat. Der Atheist, der überzeugt ist, daß es nach dem Tod nichts gibt, wird durch die Konditionierungsthese der Möglichkeit der Bekehrung beraubt, die durch den Timor Domini ausgelöst werden könnte: durch die „Furcht des Herrn, der Anfang der Weisheit“ (Ps 111,10), dessen Gericht niemand entkommt. Nur indem wir an die unfehlbare Gerechtigkeit Gottes glauben, können wir uns Seiner unendlichen Barmherzigkeit anheimstellen.
Nie war es notwendiger als heute, über die letzte Bestimmung der Seelen zu predigen, über das, was die Kirche in den vier letzten Dingen, den quattuor novissima, zusammengefaßt hat: Tod, Gericht, Himmel und Hölle. Die Gottesmutter persönlich wollte uns in Fatima daran erinnern, indem sie die Abtrünnigkeit der Hirten vorhersagte, aber uns zugleich versicherte, daß uns der Beistand vom Himmel nie fehlen wird.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/Wikicommons
Eine ähnlich verwirrend-diabolische Diskussionskultur gesagt-nicht gesagt, gemeint- anders gemeint kennen wir von den Mohammedanern. Jeder weiß was im Koran steht und trotzdem wird alles zerredet mit dem Hinweis auf die „ungefähre“ Übersetzung.