Donum vitae und die 180-Grad-Drehung der deutschen Bischöfe


Donum vitae - deutschen Bischöfe legen 180-Grad-Drehung hin und sagen plötzlich über den Verein das Gegeneteil von dem, was sie bisher sagten.
Donum vitae - deutschen Bischöfe legen 180-Grad-Drehung hin und sagen plötzlich über den Verein das Gegenteil von dem, was sie bisher sagten.

(Mün­chen) Kar­di­nal Marx und die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz haben mit ihrem Lob für den ZdK-Ver­ein Donum vitae eine 180-Grad-Wen­dung voll­zo­gen. Steht sie im Zei­chen einer bevor­ste­hen­den Abkehr Roms von Hum­a­nae vitae?

Deutsche Distanzierung von Humanae vitae

Anzei­ge

Die deut­schen Bischö­fe hat­ten von Anfang an ihre Pro­ble­me mit der „pro­phe­ti­sche Enzy­kli­ka“ von Papst Paul VI. für das Leben. Kein Zufall ist, daß die Enzy­kli­ka gera­de im Revo­lu­ti­ons­jahr 1968 erschie­nen ist. Noch im sel­ben Jahr gin­gen die deut­schen Bischö­fe auf Distanz. Die König­stei­ner Erklä­rung schwebt seit­her im deut­schen Sprach­raum wie ein Damo­kles­schwert über der Kir­che und mar­kiert den Wen­de­punkt zu einem bei­spiel­lo­sen Nie­der­gang. Die Tat­sa­che, daß die­se Erklä­rung bis heu­te nicht zurück­ge­nom­men wur­de, spricht Bän­de über den Wider­wil­len und den Wider­stand der Mehr­heit in der Bischofskonferenz.

Sie mar­kiert noch einen wei­te­ren Men­ta­li­täts­wan­del. Die Distan­zie­rung von Rom, die bereits im Zuge des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils zum offe­nen Aus­bruch gelangt war, führ­te zu einer Anleh­nung an die poli­ti­sche Macht, wie sie bis dahin vor allem vom Pro­te­stan­tis­mus bekannt war. Zunächst in Bonn, heu­te in Ber­lin. Ohne Rom führt der Weg in die Natio­nal­kir­che. Soweit kam es bis­her nicht, doch eine Grund­ten­denz ist feststellbar.

Das vergiftete Ei der Wiedervereinigung

Das sub­al­ter­ne Ver­hält­nis zu den Mäch­ti­gen im Staat führ­te die Kir­che in einen unge­wöhn­li­chen Kon­flikt zum Abtrei­bungs­ge­setz. Im Zuge der Wie­der­ver­ei­ni­gung wur­de der ver­grö­ßer­ten Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ein ver­gif­te­tes Ei ins Nest gelegt. Die lin­ken Kräf­te nütz­ten die Rechts­har­mo­ni­sie­rung zur Durch­set­zung eines noch grau­sa­me­ren Abtrei­bungs­ge­set­zes. Noch mehr unge­bo­re­ne Kin­der soll­ten noch leich­ter getö­tet wer­den können.

Die Kräf­te im Staat, die Wider­stand lei­sten soll­ten, die Uni­ons­par­tei­en und die Kir­chen, erwie­sen sich als zu lust­los, den bereits in den 70er Jah­ren ver­lo­re­nen Kampf für das Lebens­recht noch ein­mal auf­zu­neh­men. Durch Kapi­tu­la­ti­on und Resi­gna­ti­on war das The­ma in die­sen Krei­sen bereits ad acta gelegt wor­den. Auf der poli­ti­schen Prio­ri­tä­ten­li­ste stan­den ande­re Themen.

Beratungsschein und Scheinberatung

So wur­de von der uni­ons­ge­führ­ten Bun­des­re­gie­rung nur etwas Kos­me­tik betrie­ben und 1995 ein staat­li­ches Bera­tungs­sy­stem ein­ge­führt. Die­ses zwingt zwar jede abtrei­bungs­ent­schlos­se­ne Frau zur Bera­tung, weil die Beschei­ni­gung über die durch­ge­führ­te Bera­tung (Bera­tungs­schein) Vor­aus­set­zung für eine for­mal­recht­lich nicht lega­le, aber straf­freie Abtrei­bung ist. Die Bera­tung muß jedoch „ergeb­nis­of­fen“, also wert­neu­tral durch­ge­führt werden.

Die „Neu­tra­li­tät“ des Staa­tes gegen­über dem Schutz des Lebens mach­te es mög­lich: Die Trä­ger­schaft der Schein­be­ra­tungs­stel­len über­nahm die Abtrei­bungs­lob­by teils selbst. Der bun­des­deut­sche Able­ger des welt­größ­ten Abtrei­bungs­kon­zerns Plan­ned Paren­thood, Pro Fami­lia, betreibt Bera­tungs­stel­len für schwan­ge­re Frau­en im Sin­ne des staat­li­chen Bera­tungs­sy­stems und dane­ben prak­ti­scher­wei­se gleich die Abtrei­bungs­kli­ni­ken dazu. Natür­lich alles pro for­ma und keim­frei getrennt. Und die Bera­tungs­stel­len läßt sich die Abtrei­bungs­lob­by auch noch bis zu 90 Pro­zent vom Staat bezahlen.

Die­ses Geld lock­te auch man­chen auf katho­li­scher Sei­te. Mit dem Bera­tungs-Fei­gen­blatt soll­ten die Abtrei­bungs­geg­ner unter den gesell­schaft­lich rele­van­ten Grup­pen näm­lich in das staat­li­che Abtrei­bungs­sy­stem ein­ge­bun­den wer­denn­nach dem Mot­to: „mit­ge­han­gen, mit­ge­fan­gen“. Eini­ge Krei­se in der katho­li­schen Kir­che, die sich ohne­hin mit der Abtrei­bung abge­fun­den hat­ten und dem poli­ti­schen System beson­ders nahe­stan­den (oder noch deut­li­cher gesagt: Uni­ons­po­li­ti­ker und Grü­ne), lie­ßen sich bereit­wil­lig auf den fau­len „Kom­pro­miß“ ein, an dem sie selbst mit­ge­zim­mert hatten.

Das Nein aus Rom

Die Lebens­recht­ler unter den Katho­li­ken waren aber stark genug, die Fal­le zu erken­nen und –  mit der Hil­fe Roms, wo damals noch Papst Johan­nes Paul II. regier­te und Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger Glau­bens­prä­fekt war – dage­gen Wider­stand zu lei­sten. Der Hei­li­ge Stuhl ver­lang­te schließ­lich eine kla­re Tren­nung und den Aus­stieg der Kir­che aus dem Bera­tungs­sy­stem, indem Johan­nes Paul II. den Bera­tungs­stel­len der katho­li­schen Kir­che die Aus­stel­lung von Bera­tungs­schei­nen unter­sag­te. Der Wunsch Leben ret­ten zu wol­len und die Mit­wir­kung am Tötungs­sy­stem stellt einen inak­zep­ta­blen Wider­spruch dar.

Teils bereit­wil­lig, teils wider­wil­lig gehorch­ten die Bischö­fe. Den läng­sten Wider­stand lei­ste­te der beson­ders „sozia­le“ Bischof Franz Kamph­aus von Limburg.

Die römi­sche For­de­rung nach Klar­heit sorg­te tat­säch­lich für eine Was­ser­schei­de. Nun wur­de sicht­bar, wie vie­le Unge­hor­sa­me es an der Spit­ze des deut­schen Ver­band­s­ka­tho­li­zis­mus gab, die es sich im System Bun­des­re­pu­blik gemüt­lich gemacht hat­ten und sich auch von der Tötung unge­bo­re­ner Kin­der nicht stö­ren las­sen woll­ten. Sie sahen in der Maß­nah­me Roms nur ein Rück­zugs­ge­fecht aus Staat und Gesell­schaft, denn die Tötung der unge­bo­re­nen Kin­der war ja schon seit Jahr­zehn­ten im Gan­ge. Ange­führt wur­de der Unge­hor­sam gegen die Kir­che vom Zen­tral­ko­mi­tee der deut­schen Katho­li­ken (ZdK) höchstsel­bigst. Die­se Spal­tung, die es schon längst gab, wur­de nun offen sicht­bar. Sie erklärt auch zu einem guten Teil die Schwä­che der deut­schen Katho­li­zi­tät. Weil die höch­ste Füh­rungs­rie­ge gei­stig ermat­tet und längst von einem nicht­ka­tho­li­schen Den­ken unter­mi­niert wur­de. Die Qua­dra­tur des Krei­ses will auch dem ZdK nicht gelingen.

Die Provokation mit Donum vitae e.V.

Vom ZdK aber woll­ten sich die Bischö­fe nicht tren­nen, und daher lahmt die Abtrei­bungs­fra­ge wie ins­ge­samt die gan­ze katho­li­sche Prä­senz im Staat. Viel­mehr stand von Anfang an die Fra­ge im Raum, wel­che Sei­te in die­sem selt­sa­men Dua­lis­mus die Ober­hand gewin­nen und die ande­re Sei­te kapern würde.

ZdKDas ZdK, mit aus­rei­chend Infra­struk­tur und Geld­mit­teln aus­ge­stat­tet, vor allem aber mit den besten Kon­tak­ten zu den Regie­ren­den, grün­de­te – Rom, dem Papst und der katho­li­schen Moral­leh­re zum Trotz – 1999 den Ver­ein Donum vitae (Geschenk des Lebens). Der pro­vo­kan­ten Namens­wahl man­gelt es nicht an einer Por­ti­on Gehässigkeit.

Donum vitae nennt sich eine Instruk­ti­on der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, die Kar­di­nal Ratz­in­ger und Papst Johan­nes Paul II. 1987 über die Ach­tung vor dem unge­bo­re­nen Leben und die Wür­de der Fort­pflan­zung erlas­sen hat­ten. Die von den bei­den Kir­chen­füh­rern gewoll­te Ana­lo­gie zu Hum­a­nae vitae wur­de als Namen für einen Ver­ein, deren Grün­der sich ande­ren Zie­len ver­schrie­ben hat­ten, zum Hohn.

Donum vitae trat, so die Inten­ti­on, an die Stel­le der kirch­li­chen Bera­tungs­stel­len von Cari­tas und dem Sozi­al­dienst katho­li­scher Frauen (SKF), die sich aus dem Schein­sy­stem ver­ab­schie­den muß­ten. Damit ent­stand im Schoß des ZdK ein wei­te­rer gro­ßer Ver­ein und Arbeit­ge­ber. Vie­le Nie­der­las­sun­gen und Mit­ar­bei­ter, die vom Staat bezahlt wer­den. Gan­ze 200 Bera­tungs­stel­len unter­hält der Ver­ein heu­te auf dem Bun­des­ge­biet. Dafür stel­len die Donum vitae-Bera­tungs­stel­len flei­ßig den Bera­tungs­schein aus, mit dem schwan­ge­re Frau­en dann straf­frei ihr unge­bo­re­nes Kind töten las­sen kön­nen. Das ZdK und Donum vitae haben ihre Hän­de mit Blut beschmiert. Von einem ernst­haf­ten Lebens­schutz kann kei­ne Rede sein: Zeug­nis von Schwan­ge­ren über ihre Erfah­rung mit Donum vitae spre­chen eine deut­li­che Spra­che. Sie agie­ren wie katho­li­sche Ehe­vor­be­rei­tungs­kur­se, bei denen Braut­paa­ren erklärt wird, wie sie sich schei­den las­sen können.

Priorität Abtreibung

Donum vitae
Donum vitae

Die wirk­lich katho­li­schen Bera­tungs­stel­len, die im Sin­ne der christ­li­chen Moral­leh­re bera­ten, müs­sen sich hin­ge­gen selbst finan­zie­ren. Sie sind von den üppi­gen staat­li­chen Finan­zie­run­gen aus­ge­schlos­sen. Ent­we­der man akzep­tiert die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der und macht dabei mit, oder es gibt kei­ne müde Mark. Der „Schutz des mensch­li­chen Lebens, nament­lich den Schutz des Lebens unge­bo­re­ner Kin­der“, für die Donum vitae sich laut Eigen­an­ga­ben ein­setzt, spielt in Wirk­lich­keit nur eine ver­ba­le Rol­le, weil schon das gesetz­li­che System gegen­tei­lig auf­ge­zo­gen ist. Vom Gesetz­ge­ber wur­den kla­re Prio­ri­tä­ten gesetzt: Die Mög­lich­keit zur Tötung des unge­bo­re­nen Kin­der hat unbe­ding­ten Vor­rang. Das ist der „poli­ti­sche Kon­sens“, den die Poli­ti­ker beschwören.

Die Verurteilung durch Rom

Gegen­über dem Ver­ein Donum vitae wur­de 2000 vom Hei­li­gen Stuhl ein kla­rer Trenn­strich gezo­gen. Der Apo­sto­li­sche Nun­ti­us erklär­te im Auf­trag der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on,

daß sich der Ver­ein Donum vitae „in offe­nem Wider­spruch zu den Anwei­sun­gen des Hei­li­gen Vaters“ und sein Han­deln „das Zeug­nis der katho­li­schen Kir­che ver­dun­kelt, für die alle Glie­der – Geist­li­che, Ordens­leu­te und Lai­en – Ver­ant­wor­tung tra­gen“. Durch die Aus­stel­lung des Bera­tungs­schei­nes wer­de die Kir­che in den Voll­zug eines Geset­zes ver­strickt, „das die Tötung unschul­di­ger Men­schen zuläßt“.

Die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz, wo sich unter­schied­li­che Posi­tio­nen gegen­über­ste­hen, ver­hielt sich zurück­hal­ten­der. Sie ver­such­te den Spa­gat, einer­seits dem Papst zu gehor­chen, ande­rer­seits den guten Draht zur Regie­rung nicht zu verlieren.

Der Abgrenzungsbeschluß der Bischofskonferenz

Erst im Juni 2006 kam es zu einer expli­zi­ten Stel­lung­nah­me, als die Bischofs­kon­fe­renz fest­stell­te, daß Donum vitae ein Privatverein

„außer­halb der katho­li­schen Kir­che“ ist.

Der Ver­ein ist von der Kir­che nicht aner­kannt und eine Zusam­men­ar­beit kirch­li­cher Ein­rich­tun­gen mit ihm ist nicht mög­lich. Auch die opti­sche und räum­li­che Tren­nung müs­se so ein­deu­tig sein, daß eine Unter­brin­gung einer kirch­li­chen Bera­tungs­stel­le und von Donum vitae im sel­ben Gebäu­de unzu­läs­sig ist. Kirch­li­chen Ange­stell­ten wur­de jede Mit­ar­beit bei Donum vitae unter­sagt. Zugleich wur­den alle Katho­li­ken, die in kirch­li­chen Räten, Gre­mi­en, Ver­bän­den und Orga­ni­sa­tio­nen mit­wir­ken, „ersucht […], zum Zweck der größ­ten Klar­heit des kirch­li­chen Zeug­nis­ses auf eine lei­ten­de Mit­ar­beit bei donum vitae zu ver­zich­ten und so die Unter­schie­de zwi­schen Donum Vitae e. V. und Posi­tio­nen der Kir­che bes­ser zur Gel­tung zu brin­gen und zu respektieren“.

Die spä­te Klar­stel­lung zeigt, daß bis dahin die­se Klar­heit beim katho­li­schen Kir­chen­ap­pa­rat noch nicht über­all ange­kom­men war.

Selbst das reich­te noch nicht, wenn den Wor­ten kei­ne Taten fol­gen. Papier ist bekannt­lich geduldig.

Im Febru­ar 2007 muß­te Glau­bens­prä­fekt Kar­di­nal Leva­da erneut auf das The­ma zurück­kom­men und gegen­über den deut­schen Bischö­fen dar­auf pochen,

daß den Gläu­bi­gen „ent­schie­den“ klar­ge­macht wer­den sol­le, „nicht nur auf eine lei­ten­de Mit­ar­beit bei donum vitae e. V., son­dern auf jeg­li­che Form der Unter­stüt­zung ver­zich­ten“ zu sollen.

Der Glau­bens­prä­fekt erin­ner­te auch dar­an, daß das von Johan­nes Paul II. erlas­se­ne Ver­bot „für alle Glie­der der Kir­che“ gilt.

Und dann kam Franziskus

Im ZdK und bei Donum vitae gab man sich unein­sich­tig und attackier­te statt­des­sen die Kir­che, was denn Gra­ben wei­ter ver­tief­te. Aller­dings vor­dring­lich den zu Rom hin. Denn in Deutsch­land selbst zeig­te das Zusam­men­tref­fen von Donum vitae-Expo­nen­ten und hohen Kir­chen­ver­tre­tern bei öffent­li­chen und halb­öf­fent­li­che Ereig­nis­sen, daß man wei­ter­hin recht gut mit­ein­an­der kann.

Papst Franziskus mit P. Antonio Spadaro SJ
Papst Fran­zis­kus mit P. Anto­nio Spa­da­ro SJ

Und dann kam Fran­zis­kus, und plötz­lich schwieg der Papst auf dem Stuhl Petri  zu den nicht ver­han­del­ba­ren Grund­sät­zen. Ein hal­bes Jahr schwieg das Kir­chen­ober­haupt zu Abtrei­bung, Lebens­recht und Unge­bo­re­nen. Ein Schwei­gen, das von den einen mit zuneh­men­dem Ent­set­zen, von den ande­ren mit stei­gen­der Auf­merk­sam­keit beob­ach­tet wur­de. Im Sep­tem­ber 2013 nahm Fran­zis­kus erst­mals in einem Inter­view mit der Jesui­ten­zeit­schrift Civil­tà Cat­to­li­ca Stel­lung und bestä­tig­te die Befürch­tun­gen. Man müs­se „nicht stän­dig“ über sol­che The­men sprechen.

Damit lei­te­te er eine Abkehr der Kir­che ein, die zwar for­mal nicht ihren Inhalt, aber dafür um so deut­li­cher ihre Vor­ge­hens­wei­se ändert.

Die heu­ti­ge Hal­tung Roms zum The­ma Lebens­recht ent­spricht in etwa jener, die von der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz schon seit lan­gem prak­ti­ziert wird. Man nimmt gele­gent­lich, mög­lichst an unbe­ach­te­ter Stel­le für das Lebens­recht der unge­bo­re­nen Kin­der Stel­lung, ver­mei­det aber jede zu lau­te Ver­ur­tei­lung der Abtrei­bung und stellt vor allem nicht die gel­ten­de Abtrei­bungs­ge­setz­ge­bung in Fra­ge. Die Schlacht gilt als ver­lo­ren. Die Gegen­sei­te hat gesiegt. Wir blei­ben Freunde.

Der Rhein fließt wirklich in den Tiber

Gemein­sam schwie­gen Papst Fran­zis­kus und das ZdK 2015 zur Abtrei­bungs­agen­da der UNO, als die Zie­le für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (Sus­tainable Deve­lo­p­ment Goals, SDGs) beschlos­sen wurden.

Kardinal Marx
Kar­di­nal Marx

Die Aus­wir­kun­gen des päpst­li­chen Schwenks konn­ten auch auf die bun­des­deut­sche Katho­li­zi­tät nicht aus­blei­ben. Von einer Zurück­nah­me der König­stei­ner Erklä­rung ist die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz heu­te wei­ter ent­fernt denn je. Eine sol­che ist nicht ein­mal mehr ein The­ma. Nach­dem das lin­ke Spek­trum von den Kom­mu­ni­sten über Grü­ne und SPD bis zu den Libe­ra­len ihren Mord­plan gegen die Unge­bo­re­nen durch­ge­setzt hat­te, mach­te sie das The­ma zum Tabu. Deut­sche Bischö­fe reden daher nicht mehr dar­über. Sie hal­ten sich an die Spiel­re­geln ihrer Nähe zu den Mäch­ti­gen. Sie spre­chen daher über poli­ti­sche kor­rek­te The­men und ent­fal­ten dort dafür Eifer und Tatendrang.

Beim Katho­li­ken­tag 2014 kam es zum ersten Damm­bruch. Die­ser fand in Regens­burg statt, wo einer der weni­gen, stand­haf­te­ren Bischö­fe regiert. Der Druck auf Bischof Voder­hol­zer war enorm. Ihm wur­de qua­si abge­spro­chen, für eine lan­des­wei­te Ver­an­stal­tung „Par­ti­ku­lar­po­si­tio­nen“ durch­set­zen zu wol­len. Der Streit dreh­te sich um die Teil­nah­me von Donum vitae, auf dem das ZdK poch­te. Am Ende wur­de der Ver­ein zugelassen.

Woher der Druck kam, ließ eine ande­re Stel­lung­nah­me erah­nen. Kar­di­nal Rein­hard Marx, Erz­bi­schof von Mün­chen-Frei­sing und Vor­sit­zen­der der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, sprach erst­mals davon, daß Mit­ar­bei­ter von Donum vitae nicht aus der Kir­che aus­ge­grenzt wer­den dürf­ten. Der Aus­gren­zungs-Dis­kurs beab­sich­tig­te einen Rol­len­tausch und mach­te Donum vitae impli­zit zum Opfer. Zum Opfer der Kir­che. Kein dia­lek­ti­scher Kunst­griff hät­te die Distanz des Vor­sit­zen­den der deut­schen Bischö­fe gegen­über der Posi­ti­on der Päp­ste Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. dra­sti­scher unter­strei­chen können.

Die 180-Grad-Wende

Von da führt der Weg gera­de­wegs zum nun­meh­ri­gen Schrei­ben von Kar­di­nal Marx an das ZdK. Im Namen der Bischofs­kon­fe­renz dankt der Kar­di­nal plötz­lich Donum vitae für sei­nen „Ein­satz zum Schutz des Lebens“ und sei­ne „Erfol­ge“ in der Kon­flikt­be­ra­tung. Dabei geht es nicht nur um Wor­te. Die Bischö­fe haben kon­kre­te Beschlüs­se gefaßt, wie ZdK-Chef Tho­mas Stern­berg, ein lang­jäh­ri­ger CDU-Abge­ord­ne­ter, betont.

Donum vitae Wört­lich schrieb Marx laut kir­che + Leben:

„Es besteht kein Zwei­fel, dass das Ziel von Donum Vitae eben­so wie das der bischöf­lich ver­ant­wor­te­ten Schwan­ge­ren­be­ra­tung der Schutz des unge­bo­re­nen Men­schen ist. Ich stel­le fest, dass es über die Jah­re hin­weg auch vie­len Bera­te­rin­nen von Donum Vitae gelun­gen ist, zahl­rei­chen Frau­en bzw. Eltern Mut zu machen für ein Leben mit dem Kind, und dafür best­mög­li­che Hil­fe­stel­lun­gen zu bie­ten. Dafür dür­fen wir gemein­sam dank­bar sein.“

Auch was die Mit­ar­beit angeht, fin­det die Bischofs­kon­fe­renz ganz neue Töne. Marx weiter:

„Des­halb hal­te ich es für selbst­ver­ständ­lich, dass Per­so­nen, die in einer Schwan­ger­schafts­kon­flikt­be­ra­tungs­stel­le des Donum Vitae e.V. gear­bei­tet haben, in bischöf­lich aner­kann­ten Schwan­ge­ren­be­ra­tungs­stel­len beschäf­tigt wer­den können.“

Wie das? „Selbst­ver­ständ­lich“? „Best­mög­li­che Hilfestellung“?

Marx legt eine 180-Grad-Dre­hung hin.

Was wur­de aus der Ver­ur­tei­lung durch Papst Johan­nes Paul II. von 2000 und aus dem Abgren­zungs­be­schluß der deut­schen Bischö­fe von 2006?

ZdK-Chef Sternberg: „Qualitativer Sprung“

ZdK-Prä­si­dent Tho­mas Stern­berg „begrüß­te“ die „Ent­schei­dung“ und spricht von einer „wich­ti­gen Klä­rung“ und einem „qua­li­ta­ti­ven Sprung“, der „man­che Wun­den hei­len“ könne.

Damit steht zumin­dest eines fest: Der Abgren­zungs­be­schluß der Bischofs­kon­fe­renz von 2006 ist Maku­la­tur. Obwohl sich seit damals in der Sache nichts geän­dert hat, haben die Bischö­fe unter Mar­xens Füh­rung ihre „Per­spek­ti­ve“ geän­dert. Damit ist auch die oben gestell­te Fra­ge beant­wor­tet, wel­che Sei­te in die­sem selt­sa­men Dua­lis­mus die Ober­hand gewin­nen und die ande­re Sei­te kapern wür­de. Für die Bischö­fe gilt, was Goe­the schrieb: halb san­ken sie hin, halb wur­den sie gezogen.

Die „Annä­he­rung“ so gegen­sätz­li­cher Posi­tio­nen kommt nicht über Nacht. Viel­mehr gab es immer einen Teil der deut­schen Kir­chen­füh­rung, der sich nur wider­wil­lig dem „römi­schen Dik­tat“ unter­wor­fen hat­te. Man war­te­te auf die Gele­gen­heit, und die erkann­te man durch die Wahl von Papst Fran­zis­kus. Zwi­schen­zeit­lich wur­den durch neue Bischofs­er­nen­nun­gen wei­te­re Bischö­fe ins Amt gesetzt, die in Sachen Lebens­recht „kei­nen Kreuz­zug“ begin­nen wol­len. Der Kon­sens mit der Regie­rung ist wich­ti­ger und ver­langt noch eine ganz ande­re Anpassungsfähigkeit.

Breiter Konsens in den oberen Etagen

Donum vitaeWie breit die­ser Kon­sens­strom wider die kirch­li­che Leh­re ist, zeigt der Umgang der kirch­li­chen Medi­en mit dem Marx-Brief an das ZdK.

Die bereits zitier­te „Kirche+Leben“ titel­te gestern:

„Bischö­fe wür­di­gen Schwan­ge­ren­be­ra­tung von ‚Donum Vitae‘. Annä­he­rung an Schwangerschaftsberatungsverein“

Dom­ra­dio meldete:

„Ent­span­nung im Bera­tungs­streit. Bischö­fe und Donum Vitae gehen auf­ein­an­der zu“.

Wohl­wol­len­der geht es nicht mehr. Das ver­ord­ne­te Tabu­the­ma, die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der, wird aus­ge­blen­det. Schließ­lich gilt in der deut­schen Kir­che als päd­ago­gi­scher Ansatz die Maxi­me: Immer den Blick fest auf das „Posi­ti­ve“ richten.

Sabine Demel, das neue Gesicht von Donum vitae

Es lohnt daher ein kur­zer Blick zurück. Im ver­gan­ge­nen Okto­ber wur­de Sabi­ne Demel neue Vor­sit­zen­de von Donum vitae in Bay­ern. Sie gilt als das neue Gesicht von Donum vitae, des­sen Bun­des­vor­stand schon sehr ergraut ist. Demel ist Lehr­stuhl­in­ha­be­rin an der Fakul­tät für Katho­li­sche Theo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Regens­burg und das wohl­ge­merkt für Kir­chen­recht. Schon 1999 war sie Grün­dungs­mit­glied des Donum vitae-Lan­des­ver­ban­des Bay­ern. Trotz ihrer Posi­ti­on bei Donum vitae und trotz römi­schem Ver­bots und Unver­ein­bar­keits­be­schluß der deut­schen Bischö­fe hat sie ihren Lehr­stuhl und übt unzäh­li­ge Tätig­kei­ten im kirch­li­chen Umfeld aus. Erwähnt sei­en ledig­lich eini­ge aus­sa­ge­kräf­ti­ge: von 2001–2012 war sie Mit­glied des ZdK, sie ist Mit­glied des Berufs­ver­ban­des der Pasto­ral­re­fe­ren­tIn­nen Deutsch­lands, Mit­glied der Helen Strau­mann-Stif­tung für femi­ni­sti­sche Theo­lo­gie und Mit­glied im Stif­tungs­rat der Her­bert Haag-Stif­tung für Frei­heit in der Kir­che (wohl­ge­merkt, nicht Frei­heit der Kirche).

Demel wur­de am 5. Dezem­ber 2017 in der Tages­zei­tung Die Welt Raum gege­ben, einen Wunsch zu depo­nie­ren: Die Bischö­fe soll­ten ihre Hal­tung über­den­ken. Gleich­zei­tig beton­te sie, „stolz“ dar­auf zu sein, daß sich der Ver­ein auch gegen die „Amts­kir­che“ ent­wickelt habe.

Donum vitaeUnd wor­um geht es Demel?

Ums Geld.

Jedes Jahr müs­se sie für Donum vitae eine Mil­li­on Euro an Spen­den auftreiben.

„Wür­den die Bischö­fe end­lich ihre ableh­nen­de Hal­tung uns gegen­über über­den­ken und uns an Kir­chen­steu­er­mit­teln par­ti­zi­pie­ren las­sen, könn­ten wir noch viel mehr tun.“

Im Klar­text möch­te Demel, deren Ver­ein ohne­hin zum Groß­teil vom Staat finan­ziert wird, eine hun­dert­pro­zen­ti­ge Finan­zie­rung aus Steuermitteln.

Der Brief von Kar­di­nal Marx scheint nun den Weg zu ebnen.

Und 2018 muß aus Rom kein Wider­spruch mehr befürch­tet werden.

Dort wirkt seit über einem hal­ben Jahr eine vom Papst ein­ge­setz­te Kom­mis­si­on, deren Exi­stenz zuerst geleug­net wur­de, dann bestä­tigt wer­den muß­te. Eben­so undurch­sich­tig ist der Auf­trag der Kom­mis­si­on. Nur soviel ist bekannt, daß sie Hum­a­nae vitae einer „Über­prü­fung“ unter­zie­hen soll.

Lebens­recht­ler sehen dar­in kein gutes Zeichen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Donum vitae/ZdK/vatican.va/Kirche+Leben/Domradio/Die Welt (Screen­shots)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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Vergelt’s Gott!

 




 

3 Kommentare

  1. Ich lei­de dar­un­ter, dass mit mei­nem Kir­chen­steu­er­geld der Bag­ger des Abbruchs der Hei­li­gen katho­li­schen und apo­sto­li­schen Kir­che bezahlt wird. Die­ser Bag­ger sind fast alle deut­schen Bischö­fe und die unse­li­ge Bischofs­kon­fe­renz, die es in der Hier­ar­chie gar nicht gibt und die nur dazu da ist, rest­gläu­bi­ge Bischö­fe zu tabui­sie­ren. Unter gläu­bi­gen Bischö­fen wür­de es kei­ne femi­ni­sti­sche Theo­lo­gie, kei­ne Frau Demel, kein ungläu­bi­ges Zen­tral­ko­mi­tee, kei­nen Abtrei­bungs­ver­ein Donum vitae und fast alle heu­ti­gen kirch­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen nicht geben. Set­zen wir uns poli­tisch dafür ein, dass die recht­li­che Rege­lung zum Erhe­ben der Kir­chen­steu­er Ersatz­los gestri­chen wird.

  2. Es sieht so aus, als wären wir wirk­lich macht­los gegen die­se bedau­erns­wer­te Entwicklung!
    Sehe kei­ne Mög­lich­keit dies alles aufzuhalten!

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