
Von Roberto de Mattei*
Zu den „viri probati“ gab es eine Vollbremsung. Die Amazonasynode ist gescheitert. Nun gibt es einen offenen Konflikt mit den deutsch-amazonischen Bischöfen. In diesen drei Punkten kann die Dynamik zusammengefaßt werden, die durch das heute vorgestellte nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus ausgelöst wird.
Mit dem Apostolischen Schreiben, das den Schlußpunkt unter die Amazonassynode setzt, die vom 6.–27. Oktober 2019 in Rom stattfand, waren große Erwartungen verbunden. Sowohl das Instrumentum laboris vom 17. Juni 2019 als auch das Schlußdokument vom 26. Oktober 2019 legten eine pantheistische Kosmologie vor, deren sichtbarer Ausdruck die in den Vatikanischen Gärten verehrten und in Prozession durch den Petersdom getragenen Pachamama-Figuren waren, bevor sie von Alexander Tschugguel in den Tiber geworfen wurden. Diese kosmologische Vision bleibt der skandalöseste Aspekt der Amazonassynode, die jedoch noch andere ehrgeizige Ziele verfolgte, angefangen mit der Einführung der viri probati, also der Zulassung von verheirateten Männern zum Priestertum, obwohl Johannes Paul II. und Benedikt XVI. diese Möglichkeit kategorisch ausgeschlossen hatten, die von den progressivsten Bereichen der Kirche seit der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils vertreten wurde. Der Paragraph 111 des von der Synode gebilligten Schlußdokuments hatte in den vergangenen Monaten eine starke symbolische Bedeutung erhalten. Darin wurde vorgeschlagen, „geeignete und anerkannte Männer der Gemeinschaft als Priester zu weihen, die ein fruchtbares ständiges Diakonat ausüben und eine angemessene Ausbildung für das Priestertum erhalten, und eine rechtmäßig konstituierte und stabile Familie haben können“.
Während Papst Franziskus am endgültigen Wortlaut seines Schreibens arbeitete, sandte Kardinal Claudio Hummes, der Generalrelator der Amazonassynode und Vorsitzende der REPAM, am 13. und am 29. Januar 2020 allen Bischöfen sub secreto zwei Briefe, um sie auf die bevorstehende Veröffentlichung des Textes von Papst Franziskus vorzubereiten. Im zweiten Brief hatte der brasilianische Kardinal einen Link zum Paragraphen 111 des Schlußdokuments der Amazonassynode mitgeschickt, was darauf hindeutete, daß er Teil des nachsynodalen Schreibens sein würde.
Die Einführung der viri probati sollte in einigen Regionen des Amazonasbeckens begonnen und dann auf die Weltkirche ausgeweitet werden. Es sollte nicht nur eine „kirchliche Disziplin“ liquidiert werden, sondern ein Gesetz der Kirche, das auf ein Gebot göttlichen und apostolischen Ursprungs zurückgeht. Im nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia fehlt jedoch nicht nur der Verweis auf den Paragraphen 111, sondern auch auf jeden anderen Paragraphen des Synoden-Schlußdokuments, ganz im Gegensatz zu dem, was in Amoris laetitia der Fall ist, in dessen Fußnoten etwa achtzigmal der Synoden-Schlußbericht von 2015 zitiert wird. Es ist richtig, daß Papst Franziskus im Paragraph 3 seines Schreibens zum Lesen des Synoden-Schlußdokuments einlädt in der Hoffnung, daß die Kirche durch die Arbeit der Versammlung „bereichert werden kann“. Das Fehlen jeder ausdrücklichen Erwähnung von Passagen oder Paragraphen der Amazonassynode bedeutet jedoch eine Anerkennung ihres Scheiterns. Die Amazonassynode ist auf einen vergänglichen Traum reduziert, „ein Text“ – wie Andrea Tornielli schreibt – der „als Liebesbrief geschrieben“ ist.
Der Brief an die Bischöfe von Kardinal Hummes, von dem der Papst sicherlich nicht im Dunkeln gelassen wurde, bestätigt, wie Papst Franziskus seine Entscheidung unter dem Druck zweier gegensätzlicher Kräfte bis zuletzt aufgeschoben hat: zum einen der Druck der deutsch-amazonischen Bischöfe, auf der anderen Seite jener der rechtgläubigen Katholiken, die das gemeinsam von Kardinal Sarah und Benedikt XVI. verfaßte und im Januar veröffentlichte Buch „Aus den Tiefen unserer Herzen“ wie ein „Manifest“ begrüßten.
Dieser zweite Schub hat sich durchgesetzt. Die Abwesenheit von Kardinal Hummes bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des nachsynodalen Schreibens ist aussagekräftig. Der Kardinal befindet sich in São Paulo, Brasilien, wo ein Protest gegen das nachsynodale Schreiben zu erwarten ist. Bei dem Treffen mit Journalisten am 28. Januar 2019 auf dem Rückflug aus Panama hatte Papst Franziskus noch zwischen seinen persönlichen Überzeugungen zugunsten des Zölibats und dem unterschieden, was – wie er sagte – von nun an für die Kirche aus pastoraler Sicht notwendig sein könnte. Bei dieser Gelegenheit zitierte der Papst das Buch des emeritierten Bischofs von Aliwal (Südafrika) Fritz Lobinger „Teams of Elders. Moving Beyond Viri Probati“, der die Einführung von zwei Arten von Priestern in der Kirche vorschlug: erstere zölibatär und Vollzeit; zweitere verheiratet und mit Familie. Der Osservatore Romano vom 6. Februar 2019 präsentierte den „Vorschlag für die Priester von morgen“ von Bischof Lobinger erneut und gab zu verstehen, daß die Amazonassynode ihn sich zu eigen machen werde.
Das ist nun nicht geschehen, und die Unzufriedenheit der progressistischen Kreise wird explodieren. Querida Amazonia markiert im Gegensatz zu Amoris laetitia nicht die von Msgr. Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen, angekündigte Wende, der zufolge nach der Bischofssynode über den Amazonas „nichts mehr wie vorher“ sein werde.
Was aber vor allem nicht vergessen werden darf: Das Schreiben von Papst Franziskus ergeht fast zeitgleich zum Beginn des „Synodalen Weges“ der deutschen Bischöfe, die bei ihrer Versammlung in Frankfurt am Main auf der Forderung nach zwei Formen des Priestertums beharrten, der zölibatären und der verheirateten. Querida Amazonia erscheint unter diesem Blickwinkel wie ein Schlag ins Gesicht der Deutschen Bischofskonferenz.
Jemand wird sich an dieser Stelle an die Strategie der „zwei Schritte vorwärts und einen zurück“ von Papst Franziskus erinnern, aber wenn ein Zug mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist, kann eine plötzliche Bremsung ihn zum Entgleisen bringen und die Fahrt auf dramatische Weise beenden. Der revolutionäre Prozeß ist eine soziale Maschine, die oft unkontrollierbar wird und die Lokführer überfordert.
„Die Revolution frißt ihre Kinder.“
Dieser berühmte Satz, den der Girondist Pierre Victurnien Vergniaud (1753–1793) vor dem Gericht der Jakobiner aussprach, das ihn zum Tode verurteilte, ist ein Schlüssel, um die Heterogenese der Zwecke einer jeden Handlung zu verstehen, die sich von der Wahrheit und der Ordnung entfernt.
Nach dem nachsynodalen Schreiben vom 12. Februar wird auch die Kundgebung, die in München von Katholiken der Acies ordinata durchgeführt wurde, in ihrer ganzen Bedeutung sichtbar. Unmittelbar vor der Veröffentlichung von Querida Amazonia hat Kardinal Reinhard Marx angekündigt, seine Position als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz im März abzugeben. Beobachter verbinden diesen überraschenden Schritt mit dem starken Druck gegen den synodalen Prozeß, den der Münchner Erzbischof in den letzten Monaten zu spüren bekam, darunter die Opposition des Erzbischofs von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, die „brüderliche Zurechtweisung“ durch die ukrainischen Bischöfe des lateinischen Ritus und die Vorwürfe der Acies ordinata bei der Pressekonferenz am 18. Januar in seinem Bistum München.
Dem „Synodalen Weg“ der deutschen Bischöfe, der sie zu einer neuen Kirche führt, die von der katholischen, apostolischen und römischen Kirche getrennt ist, hat die Acies ordinata in München das öffentliche Bekenntnis des Credo entgegengesetzt. Heute ist die Acies ordinata das Symbol all jener, die in der Kirche die Kräfte des Chaos auf geordnete Weise bekämpfen, standfest, mit dem Rosenkranz in der Hand und den Blick auf den Feind gerichtet, wie der heilige Ambrosius ermahnt:
„Der Soldat ist kampfbereit, er sitzt nicht; der bewaffnete Soldat ist nicht zurückgelehnt, sondern steht aufrecht. Deshalb wird den Soldaten Christi gesagt: ‚Wohlan, nun preiset den Herrn, all ihr Knechte des Herrn, die ihr steht im Haus des Herrn, zu nächtlicher Stunde.“
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017 und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
- Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Offenbar hat der Heilige Geist den Nachfolger des hl. Petrus erleuchtet. Jetzt wird sich zeigen, wie die Modernisten reagieren. Ich glaube aber, in ihrer Hybris lassen sich diese Wahnsinnigen vom Marx bis Overbeck nicht mehr stoppen. Sie werden sich vielmehr selbst ins Abseits katapultieren, und letztlich wird der Streit vielleicht in ein deutsches Schisma führen. Schade, dass gerade Deutschland in der Kirchengeschichte so viele unrühmliche Kapitel spielt.
Man wird gut beraten sein, die reale Entwicklung der kirchlichen Lebenswirklichkeit zu beobachten. Auch in Deutschland hat sich kirchenrechtlich wenig geändert, real hingegen wurde z.B. schleichend mit der flächendeckend in Albe und Stoa-artigem Schal Begräbnisse und Wortgottesfeiern durchführenden Pastoralassistentin bereits das Vorstadium einer „Pfarrerin“ etabliert – unangefochten und allgemein akzeptiert. Auch die Interkommunion ist nicht erlaubt – gleichwohl erhält jeder den Leib des Herrn, der mit der Masse nach vorne trottet, ob Katholik, Protestant, Atheist oder was auch immer. Die Laienpredigt ist nicht erlaubt und in unzähligen Gottesdiensten ist sie bereits sonntägliche Realität, vom Ordinariat stillschweigend „abgesegnet“.
Vor zu starker Textfixierung ist daher auch hier zu warnen…
Ich kann den Überschwang über dieses Dokument in keiner Weise teilen. Wenn man bedenkt, was vorausgegangen ist, lässt sich einmal mehr sagen: es bleiben Verunsicherung und Verwirrung auf allen Seiten.
Der Zug des Abbruchs wurde gebremst, aber nicht gestoppt.
Das Dokument ist tatsächlich, wie es Kardinal Marx sagt, kein Hindernis für eine Fortsetzung der progressiven Agenda.
Im Schreiben wird nicht wirklich positiv bekräftigt, was den Umstürzlern ein für alle Male den Wind aus den Segeln nehmen würde und der gesamten Kirche helfen würde, sich aus der Tiefe des Evangeliums zu erneuern.
Es wird nicht gesagt, dass das Priestertum ausschließlich Männern vorbehalten ist.
Die viri probati werden nicht erwähnt, ja der gesamte Punkt 111 der Exhortation wird nicht aufgegriffen.
Für den „vorläufigen“ Verzicht auf das Weiheamt der Frau wurde der unschöne Begriff des „Klerikalismus“ gewählt, der die Schönheit der zölibatäreren Ganzhingabe nicht wirklich trifft.
Viele Punkte sind zusammengekommen, weshalb das Dokument nun eigentlich ein reines nichtssagendes, eher poetisches Etwas ist. Es hat seinen Wert und gleichzeitig seine Gefahr in dem, was es nicht sagt.
Franziskus wird sich am Ende zerrissen gesehen haben zwischen den deutschen Umstürzlern und den bewahrenden Kräften in den USA und Afrika.
Er wird nicht plötzlich zu einem Konservativen, was ihm nun die enttäuschten deutschen Synodenvertreter vorwerfen.
So viel Ruhe und Ordnung könnte in die Weltkirche kommen, wenn Franziskus sich endlich und ausschließlich zu der Lehre seiner Vorgänger bekennen würde; und zwar glaubhaft.
Was mit dem Abschlussschteiben zur Amazonassynode hervorgerufen wurde, ist Verwirrung, Verunsicherung, Frustration, Groll.
Wie wunderbar wäre es, wenn Franziskus als nächstes das Buch seines Vorgängers Benedikt XVI. persönlich vorstellen würde und so die Einheit in der Lehre glaubhaft machen würde.
Doch geschehen wird nichts außer die Rückkehr zum Tagesgeschäft, oder – was zu befürchten ist – das Auftauchen irgendwelcher halboffizieller Verlautbarungen – , die den synodalen Weg stützen sollen und klammheimlich als Teil des Lehramts ausgegeben werden.
Die vielfach angepriesene Dialogkultur unter diesem Pontifikat gleicht doch eher einem schrecklichen Tohuwabohu.
So schnell wird aus Aschenputtel keine Prinzessin und eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Holzauge sei wachsam.
Eines scheint sicher zu sein: es geschehen Dinge, die man so nicht vorhersehen konnte. Es sieht so aus, als sei Sand in das Getriebe der Häretiker gekommen. Dazu hat wohl auch das gemeinsame Buch von Papst em. Benedikt mit Kardinal Sarah beigetragen. Wäre der Zölibat oder die Unmöglichkeit des „Frauendiakonats“ irgendwie ersichtlich aufgeweicht worden, wäre die Kirche heute, am Tag danach, im Schisma. Dazu wollte man es wohl nicht kommen lassen, noch nicht jetzt, wer weiß!
Sollte jedoch tatsächlich eine Umkehr stattgefunden haben, muß sich das m.Er. jedoch auch bei neuen Bischofsernennungen und Kardinalserhebungen widerspiegeln- und anderem mehr.
Heute hat auch Clemens Victor Oldendorf eine erste Einschätzung zu QA abgegeben:
https://www.kathnews.de/synedrion-und-ekklesia-identifikation-oder-differenz.