(Rom) Am 20. Juni 2017 verließ Papst Franziskus den Vatikan, um die Gründung von Don Lorenzo Milani in Barbiana zu besuchen und am Grab des 1967 verstorbenen Priesters zu beten. Dabei bezeichnete er ihn als Vorbild für die Priester. Am 23. Dezember wurde ein „Schüler“ von Don Milani, der dessen Projekt „noch besser und größer“ verwirklichen wollte, verhaftet. Er muß wegen des systematischen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen eine Gefängnisstrafe von 14 Jahren absitzen.
Die Toskana und ihr linkes Milieu
Die Toskana, seit den Zeiten von Peter Glotz, Joschka Fischer, Claudia Roth und Gerhard Schröder von den zu Einfluß und Ansehen gelangten 68ern des deutschen Sprachraums entdeckt, gehört zu den tiefroten Landschaften Italiens. Seit Kriegsende regieren dort, ohne Unterbrechung, die Kommunistische Partei und seit 1991 ihre Nachfolgeparteien (aktuell Demokratische Partei, PD, genannt).
Der Hinweis ist von Bedeutung, um das Milieu zu verstehen, in dem sich das Folgende zutragen konnte.
In Barbiana befindet sich das Zentrum der Anhänger von Don Lorenzo Milani (1923–1967). Der Sohn aus großbürgerlichem Elternhaus von Florenz wuchs in agnostischer und antiklerikaler Umgebung auf. Seine jüdische Mutter, Alice Weiss, entstammte dem liberalen, assimilierten Judentum. Die Eltern hatten nur standesamtlich geheiratet. Der Vater war faktisch abwesend, während die Mutter zur dominanten Bezugsfigur wurde. Seine Taufe wird mit den Rassengesetzen in Verbindung gebracht, vor denen der Sohn geschützt werden sollte.
Lorenzo, der sich für die schönen Künste interessierte, kam mit dem damals bekannt homophilen Künstlermilieu von Florenz in Berührung.
Als er im deutlich katholischer geprägten Mailand die Kunstakademie besuchte, kam es im Zweiten Weltkrieg zu seiner Bekehrung. Er trat in das Priesterseminar ein und wurde 1947 zum Priester geweiht. Der Schritt führte dazu, seine großbürgerliche Umgebung hinter sich zu lassen, die ihm allerdings noch viele Türen öffnen sollte. Er tauschte seine Herkunft mit Sympathien für den Marxismus ein, der in der Nachkriegs-Toskana tonangebend war.
Das antiautoritäre Erziehungsmodell
Ab 1954 entwickelte der einstige Bohemien in einem kleinen Bergdorf ein pädagogisches Reformmodell, mit dem er den Kindern sozial schwacher Schichten den Zugang zu Bildung eröffnen wollte. Im Kern handelte es sich dabei um eine Ganztagsschule für Arbeiterkinder.
Seine Herkunft verschaffte ihm für das Projekt zahlreiche Spenden des Florentiner Großbürgertums, während ihm sein „sozial engagierter Katholizismus“ zugleich die Sympathien der Kommunistischen Partei Italiens sicherten. Das war aufgrund seiner Gesinnung wenig verwunderlich. 1965 schrieb er in der kommunistischen Parteizeitschrift:
„Ich fordere das Recht, sagen zu dürfen, daß auch die Armen die Reichen bekämpfen dürfen und sollen.“
Sein didaktisches Modell beruhte auf dem Lehrer „als Freund“ und wurde zum Vorläufer des Antiautoritarismus, der die 68er-Bewegung charakterisieren sollte. Im Alter von 44 Jahren gestorben, war Don Milani beim Ausbruch der Studentenproteste bereits tot. Die Wirkung seines Modells war in linken Kreisen sehr groß. Seine Schriften, vor allem das Buch „Brief an eine Lehrerin“, wurden unter 68ern zu Bestsellern. Zumindest in Italien stand mit Don Milani ein Priester Pate bei der Revolutionierung der Schule durch die 68er, wie 2013 der zu früh verstorbene Rechtsphilosoph Mario Palmaro schrieb.
Milanis Buch „Brief einer Lehrerin“ endet mit einem Traum von den neuen, demokratischen Lehrern, die ihren Schülern sagen, daß sie von ihnen eigentlich gar nichts wollen, ihnen weder etwas beibringen noch ihre Kenntnisse prüfen wollen. Die Menschen sollen so sein und bleiben, wie sie sind! Jeder soll seine Vorstellungen behalten, die er schon hat oder haben will. Es wird eine Schule verlangt, die nichts hinzufügt, nicht aufbaut, nicht herausfordert und nicht fördert. Es ist eine Schule der Gleichheit, die sich gleich macht den Gleichen und daher Gleichmacherei betreibt, die unweigerlich auf der untersten Stufe des „Gleichseins“ zu erfolgen hat. Damit benachteiligt sie alle, vor allem aber die Schwächsten, die nicht unterstützt und gefördert werden, sondern denen alle anderen gleich schwach gemacht werden sollen. Alle ganz unten, aber dafür alle gleich.
Don Milani ist durch seinen frühen Tod noch mehr als zu Lebzeiten zur Scharnierfigur zwischen der politischen Linken und progressiven Kirchenkreisen geworden, da man ihn zum Säulenheiligen machte. Die progressive Schule von Bologna besorgte im Mai 2017 die Herausgabe seiner gesammelten Werke, die von Papst Franziskus persönlich in einem Kurzfilm für die Mailänder Buchmesse vorgestellt wurden. Don Milani lobte er darin überschwenglich.
Don Milani und die Homopädophilie
Zur selben Zeit erschien der Roman „Bruciare tutto“ (Alles verbrennen) des linken Schriftstellers Walter Siti. Der bekennende Homosexuelle identifizierte die Hauptfigur seines Romans, ein homophiler Priester, der seine Neigungen aber nicht auslebt, mit Don Milani. Siti begründete dies mit Briefen von Don Milani, die er entdeckt hatte. Durch sie erkannte er den Priester als seinen „Seelenverwandten“, dem er mit seinem Roman seine „Wertschätzung und tiefe Bewunderung“ zum Ausdruck bringen wollte.
In den Briefen hatte Don Milani unter anderem geschrieben:
„Ich weiß: Wenn ich Gefahr für meine Seele laufe, dann sicher nicht, weil ich zu wenig geliebt habe, sondern weil ich zuviel liebe (das heißt, sie mir auch mit ins Bett nehme)!“
„Wer könnte die Kinder bis auf den Knochen lieben, ohne damit zu enden, ihn ihnen auch in den Arsch zu stecken, wenn nicht ein Lehrer, der mit ihnen auch Gott liebt und die Hölle fürchtet?“
Seine Anhängerschaft ignoriert solche Stellen. Die Sympathie der Medien hält an und bewahrt vor unangenehmen Fragen. Die betreffen nicht nur pädophile Neigungen, sondern auch seine vulgäre, teils obszöne Sprache, seine Streitsucht gegen das Privateigentum und sein Anarchismus gegenüber der kirchlichen und staatlichen Obrigkeit.
1952 bezeichnete Don Milani das, was von der Katholischen Aktion kommt, als „Scheiße“, das von Papst Pius XII. als „Scheiße“ und ebenso das von Alcide De Gasperi als „Scheiße“, der damals Vorsitzender der Christdemokratischen Partei und italienischer Ministerpräsident war.
Laut der Historikerin Sylvia Ronchey, die Don Milani in einem Artikel in der Tageszeitung La Repubblica verteidigte, seien seine „kaum verhüllten homosexuellen Neigungen“ bereits Ende der 30er Jahre bekannt gewesen. Ronchey, Tochter eines hochrangigen Freimaurers und Schwägerin von Lucetta Scaraffia, der verantwortlichen Redakteurin der Frauenbeilage des Osservatore Romano, ist sowohl in der Loge als auch in der Kirche bestens vernetzt und ist entsprechend gut informiert. So bleibt die Frage, wie Milani zur Priesterweihe zugelassen werden konnte, zumal der Umgang mit der Homosexualität vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis noch ein anderer war als danach.
Verhaftung im Forteto
Am vergangenen 23. Dezember wurde der 76 Jahre alte Rodolfo Fiesoli verhaftet. Er ist der Gründer und „Prophet“ von „Il Forteto“ (die kleine Festung), einer Einrichtung, die als italienische Variante der berüchtigten Odenwaldschule bezeichnet werden kann. Rodolfo Fiesoli ist der italienische Gerold Becker. Die Parallelen sind verblüffend: dasselbe politische Milieu, experimentelle Erziehung, sexuelle Freizügigkeit, Ablehnung von Familie und christlicher Moral, die Perversionen der Führungsgestalten. In beiden Fällen applaudierten linke Kreise dem „alternativen Modell“ und verschlossen die Augen vor der Verstrickung von „sexueller Freiheit“ und Perversion.
In der Odenwaldschule wie im Forteto herrschte als konstitutives Element der gesamten Einrichtung ein System des Mißbrauchs. In Deutschland wie in Italien werden diese Zusammenhänge in den Medien lange und bereitwillig verdrängt. Dabei hätte es nicht an Hinweisen gefehlt.
Il Forteto, der Namen „Festung“ ist in ihrer ganzen Grausamkeit wörtlich zu nehmen, in dem jahrzehntelang Kinder systematisch mißbraucht wurden, war wie die Odenwaldschule ein linkes Vorzeigemodell. Das garantierte mediale Unversehrtheit. Im Forteto wurden schließlich die bürgerliche Gesellschaft und ihr Moral- und Sexualverhalten sowie die traditionelle Familie „überwunden“. Antiautoritäre Erziehung, sexuelle „Freiheit“, „neue Beziehungen“ zwischen den Geschlechtern, Gender-Theorie ante litteram bildeten die Grundlage einer „Staatssekte“, wie die beiden toskanischen Journalisten Francesco Pini und Duccio Tronci ihr 2015 erschienenes Buch über die „kleine Festung“ und den dort stattgefundenen massenhaften sexuellen Kindesmißbrauch nannten.
Dem Forteto wurden von den rotgelenkten, staatlichen Einrichtungen der Toskana fast 40 Jahre lang physisch und psychisch behinderte und schwererziehbare Kinder anvertraut. Das „Erziehungsmodell“ wurde von den „Experten“ der Landes- und Kommunalverwaltungen als „zukunftsweisend“ und damit förderungswürdig eingestuft. Und die Steuerzahler mußten die „Lager-Kommune“ finanzieren.
Homopädophile Triebtäter mit perversen Machtphantasien
In der Tat war die „kleine Festung“ ein Lager, in dem homopädophile Triebtäter ihre perversen Machtphantasien auslebten.
Rodolfo Fiesoli ließ sich „der Prophet“ nennen. Ihm zur Seite stand seit der Gründung 1977 Luigi Goffredi, der „Ideologe“ des Forteto. Die progressive Intelligenz, ob laizistisch oder katholisch, hing an ihren Lippen. Ihr hatte Fiesoli verkündet und vielfach wiederholt, daß er im Forteto das Erziehungsmodell von Don Milani umsetze, nur noch „besser und größer“.
Fiesoli muß nun für seine „Umsetzung“ eine Gefängnisstrafe von 14 Jahren absitzen. Deswegen wurde er am Tag vor dem Heiligen Abend verhaftet und in eine Gefängniszelle gebracht.
Er war Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung Don Lorenzo Milani. Das war die institutionelle Verbindung zwischen den beiden Projekten von Barbiana und Forteto. Der entscheidende Unterschied, soweit bisher bekannt, bestand darin, daß Don Milani offenbar durch sein Priestertum und seine Gottesfurcht zurückgehalten wurde. Vielleicht war er sogar deshalb Priester geworden, um sich und die Kinder, vor seinen Neigungen zu schützen.
Fehlende Hemmschwelle
Dieser Schutzdamm und diese Hemmschwelle fehlten aber bei Fiesoli. „Er duldete niemand über sich. Über ihm war nur Gott“, so ein Priester, der als Zeuge im Gerichtsverfahren aussagte. Wahrscheinlich ist, daß sich der „Prophet“ in seinem sexuellen Größenwahn selbst für Gott hielt. Don Milani hatte Sympathien für den Marxismus, Fiesoli war überzeugter Kommunist. Aus der Zeugenaussage des Gewerkschafters Edoardo Martinelli geht hervor, daß Fiesoli davon überzeugt war, daß Don Milani seine Zöglinge auch mißbraucht habe. Martinelli war ein solcher Zögling gewesen und gehörte dann zu den Gründern des Forteto, dem er aber bereits 1978 den Rücken kehrte.
Bis 2014/2015 wurde die „kleine Festung“ des „Propheten“ bejubelt. Was auf der Linken Rang und Namen hatte, darunter mehrere linke Ministerpräsidenten und Minister Italiens, waren dorthin gepilgert, von den führenden Landesvertretern der Toskana ganz zu schweigen.
Die beiden Soziologen Giuseppe Fornari und Nicola Casanova haben 2008 die Studie „Der virtuose Widerspruch. Das Erziehungsproblem: Don Milani und Il Forteto“ vorgelegt, die im Verlag Il Mulino, dem renommiertesten, linken Wissenschaftsverlag Italiens, erschienen ist. Darin haben sie die Zusammenhänge zwischen Don Milani und Fiesoli herausgearbeitet und gerühmt.
Ein weiteres Bindeglied ist Gian Paolo Meucci (1919–1986), der seinerzeitige Präsident des Jugendgerichts der Toskana und führende Gestalt des Florentiner Linkskatholizismus. Er stand nicht nur in ständigem beruflichem Kontakt mit Fiesoli – das Jugendgericht spielte eine zentrale Rolle bei der Zuweisung der schwererziehbaren Kinder –, sondern war zuvor bereits „ein enger Freund von Don Milani“, so der Vatikanist Sandro Magister. Bereits 1985 war Fiesoli wegen „sexueller Unzucht mit Gewalteinwirkung“ und Verführung von Minderjährigen von einem Gericht verurteilt worden. Dank einflußreicher Fürsprecher, darunter Richter Meucci, blieb das Urteil jedoch folgenlos. Damit soll nicht unterstellt werden, daß ein Pädophilenring gedeckt werden sollte, aber, daß sich die Linke durch ein Netzwerk des Schweigens und der Kumpanei effizient schützte. Das Parteibuch oder die ideologische Gesinnung wurde zum Unbedenklichkeitsattest. Noch 2013 bestritt der spätere italienische Ministerpräsident Matteo Renzi, Wahlkampfauftritte zusammen mit Fiesoli. Renzi war damals Bürgermeister von Florenz und ist heute Vorsitzender der linken Demokratischen Partei (PD), die Italien regiert. Fiesoli an seiner Seite sollte Bildungskompetenz garantieren. Der „Prophet“ erklärte, wie Italiens Schul- und Erziehungssystem durch die Linke „reformiert“ werden solle. Nach seiner Verurteilung versuchte man diese Spuren verschwinden zu lassen. Ein Video findet sich aber noch auf Youtube.
Im Juni 2015 brach das Forteto und sein Image zusammen, als Fiesoli von einem Gericht zu mehr als 17 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Goffredi erhielt acht Jahre. Das Urteil umfaßt mehr als tausend Seiten. Detailliert werden darin die „Lager-Kommune“ und die dort begangenen Verbrechen durch Aussagen von Opfern und Zeugen beschrieben. Dieses Urteil wurde nun vom Obersten Gerichtshof mit einem etwas reduzierten Strafmaß bestätigt und damit rechtskräftig.
Heterosexualität verboten
Im Forteto herrschte strikte Geschlechtertrennung. Heterosexualität war verboten. Homosexualität wurde gefördert und auch erzwungen. Der Bruch mit den Herkunftsfamilien, meist ohnehin bereits der Fall, wurde zur Regel. Wer nicht folgte, wurde in „öffentlichen“ Prozessen gedemütigt. In der „kleinen Festung“ gab es keine Religion, dafür aber einen Personenkult um den „Propheten“, der die ihm unterstellten Jugendlichen, nur die männlichen, systematisch sexuell mißbrauchte.
Im Urteil, so Sandro Magister, findet sich auch die Aussage eines Priesters des Erzbistums Bologna. Sechs Seiten umfaßt sie. Don Stefano Benuzzi, heute 47 Jahre alt, unterrichtete zur Zeit des Gerichtsprozesses Religion an einer Schule und zelebrierte in einer Pfarrei am Stadtrand die Heilige Messe. Den „Propheten“ hatte er 2001 bei einem Gedenkmarsch für Don Milani in Barbiana kennengelernt. Von da an intensivierte sich der Kontakt zwischen beiden, da der junge Priester von Fiesoli „fasziniert“ war.
Don Benuzzi gründete eine eigene, kleine Gemeinschaft nach dem Vorbild von Don Milani und des „Propheten“. Er wollte nach eigenen Angaben „Il Forteto“ nachahmen. Zugleich ging er eine Liebesbeziehung zu einer Frau ein, von der er unvorsichtigerweise seinem „verehrten“ Meister erzählte. Dieser machte ihn bei einem Besuch in der „kleinen Festung“ deswegen zum öffentlichen Gespött.
Anschließend, als er und Fiesoli allein waren, habe dieser ihn geküßt. Bei der Einvernahme versuchte Benuzzi die Situation zu „retten“, indem er erklärte, daß das alles von „unglaublicher Reinheit“ gewesen sei, der „Ausdruck einer Person, die sich ehrlich und transparent ganz den Beziehungen zu anderen widmen wollte“. Und weiter: „Im Forteto wurde das griechische Modell der tiefen Freundschaft gepflegt, denn in den Beziehungen von Mann zu Mann, von Frau zu Frau kann eine Spitze der Übereinstimmung erreicht werden, die höher ist als heterosexuelle Beziehungen.“
Die Richter gingen nicht der Frage nach, ob Don Benuzzi von Fiesoli wegen seiner Beziehung zu einer Frau erpreßt oder sogar sexuell genötigt wurde. Sie schrieben zu den Aussagen des Priesters lapidar: „Es handelt sich um eine Aussage, zu der jeder Kommentar überflüssig scheint“.
Wer nicht sehen wollte
Heute ist Don Benuzzi Pfarrer einer Bergpfarrei auf dem Apennin. „Die glorreichen Zeiten, in denen sein Name als vortragender ‚Erziehungsexperte‘ bei internationalen Tagungen aufschien, sind vorbei“, so Magister. Er trat bei Tagungen auf, die vom Umfeld des „Forteto“ organisiert wurden. Man stützte sich offenbar gegenseitig. Organisator solcher Tagungen war vor allem Luigi Goffredi, der „Ideologe“ der „kleinen Festung“ und Nummer Zwei hinter Fiesoli. Zu den Referenten einer solchen Tagung, im Jahr 2005, gehörte neben Don Benuzzi beispielsweise auch der damalige Landesminister der Toskana für Internationale Zusammenarbeit und Frieden, Massimo Toschi. Toschi, an den Rollstuhl gefesselt, ist Mitglied der Stiftung der progressiven Schule von Bologna. Auch er wollte nicht sehen, was im von ihm so geschätzten Forteto wirklich geschah.
Applaudierter Redner war auf jener Tagung auch René Girard (1923–2015) von der Stanford University. Den Anthropologen von Weltruf bezeichneten Fiesoli und Goffredi, als ihr großes Vorbild neben Don Milani. Auch Don Benuzzi war von Girard begeistert. Laut Gerichtsurteil hatte Benuzzi Girard in Paris kennengelernt, wo er sich mit einigen Vertretern des Forteto aufhielt: mit Fiesoli und Goffredi.
Am Beispiel von Don Benuzzi zeigen die Richter in ihrem Urteil auf, welch manipulierende Wirkung der „Prophet“ auf andere Menschen ausübte. Seine „starke Persönlichkeit“ gab anderen Halt, die „schwächer“ und „ängstlicher“ waren.
Das seltsame Priestermodell von Papst Franziskus
Am vergangenen 20. Juni besuchte Papst Franziskus die Schule von Barbiana und bezeichnete Don Milani als „Vorbild“. Mit genagelten Schuhen trat er in die Causa um das Gedächtnis über Don Milani ein, um das zwei Bücher ritterten, die einen Monat zuvor der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Das Bild des Homopädophilen von Walter Siti oder die Hagiographie der Schule von Bologna unter der Leitung von Alberto Melloni. Die Schule steht Papst Franziskus sehr nahe und Melloni tritt in seinen Kolumnen öffentlich als Papst-Interpret auf.
Franziskus scheint „mobilisiert“ worden zu sein, um das „Idol“ der 68er zu retten, und fand sich gleich bereit dazu. Er reiste nach Barbiana und lieferte seine Interpretation von Don Milani:
„Es würde mir gefallen, wenn wir ihn vor allem als Gläubigen in Erinnerung behalten würden, der in die Kirche verliebt war, wenn auch verletzt, und als leidenschaftlichen Erzieher.“
Roma locuta, causa finita.
Don Milani sei ein „verletzter“ Priester gewesen, der aber dennoch ein „leidenschaftlicher Erzieher“ war. Auch Siti schrieb wörtlich von einem „verletzten“, weil pädophilen Priester.
Papst Benedikt XVI. wollte im „Jahr des Priesters“ (2019/2010) den heiligen Johannes Maria Vianney (1786–1859) zum Patron der Priester machen, scheiterte damit aber am heftigen Widerstand progressiver Kirchenkreise, darunter von Kardinal Claudio Hummes, der damals Präfekt der Kleruskongregation war.
2017 nannte Papst Franziskus nicht den Pfarrer von Ars, sondern Don Lorenzo Milani als vorbildlichen Priester. Daraus sind bisher keine Konsequenzen erwachsen. Franziskus versicherte sich damit aber der Begeisterung von Linkskreisen in- und außerhalb der Kirche.
„Ich liebe meine Kinder (…) mehr als die Kirche und den Papst“
Auf Don Milanis Briefe wurde bereits hingewiesen. In den von der Schule von Bologna im Vorjahr veröffentlichten Gesammelten Werken wurden sie veröffentlicht. Auch der zitierte Brief an den Journalisten Giorgio Pecorini in dem Milani schrieb:
„Diese beiden Priester fragten mich, ob mein letztlicher Zweck, eine Schule zu betreiben, darin besteht, sie [die Schüler] der Kirche zuzuführen oder nicht, und was sonst mich an der Welt des Schule-Machens interessieren könne, wenn nicht das. Wie konnte ich ihnen, die so fromm und so rein waren, erklären, daß ich meine Kinder liebe, daß ich den Kopf für sie verloren habe, daß ich nicht lebe, um sie wachsen zu lassen, sie aufgehen zu lassen, sie blühen zu lassen, sie Frucht bringen zu lassen? Wie konnte ich ihnen erklären, daß ich meine Pfarrkinder mehr liebe als die Kirche und den Papst? Ich weiß: Wenn ich Gefahr für meine Seele laufe, dann sicher nicht, weil ich zu wenig geliebt habe, sondern weil ich zuviel liebe (das heißt, sie mir auch mit ins Bett nehme!). […] Wer könnte die Kinder bis auf den Knochen lieben, ohne damit zu enden, ihn ihnen auch in den Arsch zu stecken, wenn nicht ein Lehrer, der mit ihnen auch Gott liebt und die Hölle fürchtet?“
„Bereits zu Lebzeiten wurde Don Milani homosexueller Praktiken bezichtigt“, so der Vatikanist Sandro Magister. Das Thema wurde aber erst wieder vor wenigen Monaten durch den Roman von Walter Siti aufgegriffen, kurz vor dem Besuch von Papst Franziskus, der Don Milani in den Bergoglianischen Olymp beförderte. Das zeitliche Zusammenfallen der beiden Ereignisse, vielmehr die chronologische Abfolge, ist verblüffend.
Die von seinen Anhängern angestrebte Seligsprechung von Don Milani ist durch Sitis Roman – und trotz Papstbesuch – dennoch vorerst vom Tisch. Vom zuständigen Erzbischof von Florenz, Giuseppe Kardinal Betori, wurde eine eindeutige Entscheidung getroffen. Auf die Frage, ob er bereit wäre, ein Seligsprechungsverfahren einzuleiten, antwortete er:
„Absolut nicht, jedenfalls solange ich bin. Ich glaube nicht an eine Heiligkeit von Don Milani.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il Messaggero/MiL/Settimo Cielo (Screenshots)
Ein wahrlich erschütternder Bericht, schier unglaublich, aber offensichtlich wahr. Kaum anzunehmen, dass Papst Franziskus ahnungslos war, als er im Juni 2017 nach Barbiana pilgerte. Ich gehe eher davon aus, dass er ziemlich genau Bescheid wusste. Kardinal Giuseppe Betori: „Ich glaube nicht an eine Heiligkeit von Don Milani.“ Ist es mir gestattet, das diesen Bericht abschließende Zitat auch auf Papst Franziskus anzuwenden? Also: Ich glaube nicht – jedenfalls bis zur Stunde nicht – an eine Heiligkeit von Jorge M. Bergoglio. – Aber auch dieser Papst hat ja noch alle Chancen.
Ungeheuerlich, diese explizite und schamlose Beschreibung. Arme Kinder!