(Rom) Kardinal Raymond Burke, einer der Unterzeichner der Dubia zum umstrittenen nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia richtet einen neuen Appell an Papst Franziskus. Edward Pentin vom National Catholic Register führte ein Interview mit dem namhaften Kardinal.
Pentin: Eminenz, heute vor einem Jahr haben Sie mit Kardinal Walter Brandmüller und den beiden, jüngst verstorbenen Kardinälen Joachim Meisner und Carlo Caffarra die Dubia veröffentlicht. Wie ist der Stand der Dinge?
Kardinal Burke: Ein Jahr nach der Veröffentlichung der Dubia zu Amoris laetitia, die keinerlei Antwort vom Heiligen Vater erfahren haben, stellen wir fest, daß die Verwirrung in der Interpretation des apostolischen Schreibens immer größer wird. Aus diesem Grund ist auch unsere Sorge zur Lage der Kirche und ihrer Mission in der Welt um so größer. Ich bin ständig in regelmäßigem Kontakt mit Kardinal Walter Brandmüller, was diese schwerwiegenden Probleme betrifft. Wir beide sind auf das engste mit den beiden verstorbenen Kardinälen Joachim Meisner und Carlo Caffarra verbunden, die uns in den vergangenen Monaten verlassen haben. Aus diesem Grund mache ich noch einmal auf die Schwere der Situation aufmerksam, die sich weiter verschlechtert.
Pentin: Es wurde viel über die Gefahren der zweideutigen Natur des Achten Kapitels von Amoris laetitia gesprochen, indem betont wurde, daß es für viele Interpretationen offen ist. Warum ist es so wichtig, Klarheit zu schaffen?
Kardinal Burke: Die Klarheit der Lehre bedeutet keine Starrheit, die das Volk daran hindert, den Weg des Evangeliums zu gehen, sondern das Gegenteil: Die Klarheit schenkt das nötige Licht, um die Familien auf den Weg der Jüngerschaft Christi zu führen. Es ist die Finsternis, die uns daran hindert, den Weg zu sehen und die die Evangelisierung durch die Kirche behindert, wie Christus es sagte: „Es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann“ (Joh 9,4).
Wo Klarheit fehlt, kann nicht das Lehramt sprechen
Pentin: Können Sie die aktuelle Lage im Licht der Dubia etwas näher erklären?
Kardinal Burke: Die gegenwärtige Lage mindert die Bedeutung der Dubia nicht, sondern macht sie noch dringlicher. Es handelt sich nicht, wie jemand behauptet hat, um eine ignorantia affectata, die Zweifel aufwirft, nur weil man eine bestimmte Lehre nicht akzeptieren will. Die Sorge ist vielmehr die, genau zu klären, was der Papst als Nachfolger des Petrus lehren will. Die Fragen entstehen also gerade wegen der Anerkennung des Petrusamtes, das Papst Franziskus durch den Herrn empfangen hat, um seine Brüder im Glauben zu stärken. Das Lehramt ist ein Geschenk Gottes an die Kirche, um Klarheit zu schaffen zu Punkten, die das depositum fidei betreffen. Aussagen, denen es an dieser Klarheit fehlt, können ihrer Natur nach nie qualifizierter Ausdruck des Lehramtes sein.
Pentin: Warum ist es Ihrer Meinung nach so gefährlich, daß es verschiedene Interpretationen zu Amoris laetitia gibt, vor allem was den pastoralen Ansatz für jene betrifft, die in einer irregulären Verbindung leben und besonders die wiederverheirateten Geschiedenen, die nicht enthaltsam leben, aber die heilige Kommunion empfangen?
Kardinal Burke: Es ist offensichtlich, daß einige Anweisungen von Amoris laetitia, die wesentliche Aspekte des Glaubens und der Praxis des christlichen Lebens betreffen, mehrere Interpretationen erfahren haben, die sich voneinander unterscheiden und manchmal untereinander unvereinbar sind. Diese nicht zu bestreitende Tatsache bestätigt, daß diese Anweisungen zweideutig sind und eine Varietät an Lesarten erlauben, von denen viele im Widerspruch mit der katholischen Glaubenslehre sind. Die von uns Kardinälen aufgeworfenen Zweifel betreffen also die Frage, was genau der Heilige Vater lehren will und wie seine Lehre mit dem Depositum fidei im Einklang ist, denn „das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft“ (Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei verbum, 10).
Befürworter zweifelhafter Interpretationen widersprechen sich gegenseitig
Pentin: Hat der Papst nicht mit dem Brief an die argentinischen Bischöfe geklärt, welche Position er einnimmt, indem er erklärte, daß es „keine andere Interpretation“ gibt außer die Richtlinien, die diese Bischöfe ausgearbeitet haben; Richtlinien, die sich der Möglichkeit öffnen, daß unverheiratete, aber sexuell intime Paare die Heilige Eucharistie empfangen können?
Kardinal Burke: Im Gegensatz zu dem, was einige sagten, können wir den Brief des Papstes an die Bischöfe der Kirchenprovinz Buenos Aires nicht als angemessene Antwort auf unsere Fragen betrachten, da er geschrieben wurde, kurz bevor der Papst unsere Dubia erhalten hat. Einerseits können diese Richtlinien auf unterschiedliche Weise interpretiert werden, andererseits ist nicht klar, ob dieser Brief ein lehramtlicher Text ist, mit dem der Papst als Nachfolger des Petrus zur Weltkirche sprechen wollte. Schon die Tatsache, daß man von diesem Schreiben nur Kenntnis erhalten hat, weil es in die Medien durchgesickert ist – und erst dann vom Heiligen Stuhl veröffentlicht wurde –, wirft Zweifel an der Absicht des Heiligen Vaters auf, sich an die Weltkirche wenden zu wollen. Zudem erschiene es auch etwas seltsam – und im Widerspruch zum ausdrücklich von Papst Franziskus formulierten Wunsch, daß die konkrete Anwendung von Amoris laetitia den Bischöfen eines jeden Landes obliegt (vgl. AL, 3) –, daß er nun der Weltkirche die konkreten Direktiven einer bestimmten Region aufzwingen wollte. Müßten dann nicht alle Bestimmungen der verschiedenen Bischöfe für ihre Diözesen von Philadelphia bis Malta ungültig sein? Eine Lehre, die nicht ausreichend eindeutig ist, sei es was die Autorität als auch den tatsächlichen Inhalt betrifft, kann nicht die Klarheit des beständigen Lehramtes der Kirche in Zweifel ziehen, das in jedem Fall nomativ bleibt.
Pentin: Besorgt Sie auch, daß einige Bischofskonferenzen es wiederverheirateten Geschiedenen, die more uxorio leben, erlauben, die heilige Kommunion zu empfangen ohne einen festen Vorsatz, ihr Leben zu ändern, und damit der vorherigen päpstlichen Lehre widersprechen, besonders dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio des heiligen Johannes Paul II.?
Kardinal Burke: Ja, die Dubia und die Fragen bleiben offen. Jene, die behaupten, daß die von Familiaris consortio Nr. 84 gelehrte Disziplin geändert sei, widersprechen sich selbst, sobald sie die Gründe und die Konsequenzen erklären müssen. Einige gehen soweit, zu behaupten, daß die Geschiedenen in einer neuen Verbindung, die weiterhin more uxorio leben, sich nicht im objektiven Stand der schweren Sünde befinden (indem sie AL, 303 zitieren); andere leugnen diese Interpretation (indem sie AL, 305 zitieren), überlassen es aber ganz dem Urteil des Gewissens, die Kriterien für den Zugang zu den Sakramenten zu bestimmen. Es scheint das Ziel vieler Interpreten, auf die eine oder andere Weise zu einer Änderung der Disziplin zu gelangen, während die Gründe, die sie zu diesem Zweck geltend machen, keine Rolle spielen. Sie scheinen sich auch nicht darum zu sorgen, daß sie dadurch wesentliche Bereiche des Depositum fidei gefährden.
Prozeß, der wesentliche Teile der Tradition umstürzen will
Pentin: Was ist der greifbare Effekt dieses Interpretationsgewirrs?
Kardinal Burke: Diese hermeneutische Verwirrung hat ein trauriges Resultat hervorgebracht. Die Zweideutigkeit zu einem konkreten Punktes der pastorale Sorge um die Familie hat dazu geführt, daß einige einen Paradigmenwechsel der gesamten Moralpraxis der Kirche fordern, deren Grundlagen vom heiligen Johannes Paul II. mit großer Autorität in seiner Enzyklika Veritatis splendor gelehrt wurden.
In der Tat wurde ein Prozeß in Gang gesetzt, der einige wesentliche Teile der Tradition umstürzen will. Was die christliche Moral betrifft, behaupten einige, daß die absoluten Moralnormen relativiert werden müßten, und daß zu Fragen der Moral das subjektive und selbstbezogene Gewissen den – letztlich zweifelhaften – Vorrang haben müßte. Worum es geht, ist daher keineswegs zweitrangig gegenüber dem „kerygma“, also der grundlegenden Botschaft des Evangeliums. Wir sprechen von der Möglichkeit, ob die Begegnung mit Christus, durch die Gnade Gottes, dem Weg des christlichen Lebens eine Form geben kann, sodaß es in Einklang mit dem weisen Plan des Schöpfers ist. Um die Tragweite dieser Veränderungen zu erfassen, genügt es, daran zu denken, was geschehen würde, wenn dieses Denken auf andere Fälle angewandt würde, zum Beispiel einem Arzt, der Abtreibungen durchführt, einem Politiker, der Teil eines Korruptionsringes ist, oder einer leidenden Person, die dafür entscheidet, aktive Sterbehilfe zu beantragen…
Sogar regula fidei gefährdet
Pentin: Einige haben gesagt, daß die zersetzendste Wirkung von allen – neben dem Angriff auf die Morallehre der Kirche – ein Angriff auf die Sakramente sei. Ist dem so?
Kardinal Burke: Abgesehen von der Moraldebatte zerbröselt in der Kirche das Verständnis für die sakramentale Praxis immer mehr, besonders was das Bußsakrament und das Altarsakrament betrifft. Das entscheidende Kriterium für die Zulassung zu den Sakramenten war immer die Übereinstimmung der Lebensweise eines Menschen mit der Lehre Jesu. Wenn das entscheidende Kriterium aber der Mangel an subjektiver Schulhaftigkeit der Person würde – wie einige Interpreten von Amoris laetitia behaupten –, würde das nicht die Natur der Sakramente ändern? Die Sakramente sind weder private Begegnungen mit Gott noch Instrumente der sozialen Integration in eine Gemeinschaft. Sie sind vielmehr lebendige und wirksame Zeichen unserer Einbindung in den Leib Christi, Seine Kirche, in dem und durch den die Kirche öffentlich den Glauben bekennt und umsetzt. Die verminderte Schuldhaftigkeit einer Person oder das Fehlen von Schuldhaftigkeit zum entscheidenden Kriterium für die Zulassung zu den Sakramenten zu machen, würde sogar die regula fidei in Frage stellen, die die Sakramente proklamieren und nicht nur mit Worten, sondern auch mit sichtbaren Gesten umsetzen. Wie könnte die Kirche weiterhin ein universales Heilssakrament sein, wenn die Bedeutung der Sakramente ihres Inhalts entleert würden?
Ein letzter Appell
Pentin: Obwohl Sie und viele andere, darunter mehr als 250 Akademiker und Priester, die eine Correctio filialis veröffentlich haben, bereits ernste Zweifel an den Wirkungen dieser Passagen von Amoris laetitia geäußert, aber bisher keine Antwort vom Heiligen Vater erhalten haben: Wollen Sie einen letzten Appell an ihn richten?
Kardinal Burke: Ja, wegen dieser schwerwiegenden Gründe wende ich mich ein Jahr nach der Veröffentlichung der Dubia erneut an den Heiligen Vater und die ganze Kirche und unterstreiche, wie dringend es ist, daß der Papst in der Ausübung seines vom Herrn empfangenen Amtes seine Brüder im Glauben stärkt, durch eine klare Bekundung der Lehre über die christliche Moral und der Bedeutung der sakramentalen Praxis der Kirche.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: NCR/NBQ/MiL (Screenshots)
Wieso setzt sich nur ein Kardinal für die Erhaltung der kath. Lehre ein? Wo bleiben die anderen Purpurträger? Kardinal Burke ist der Allerallerbeste; wie sehr liebe ich ihn! Beten wir für diesen großen Mann der Kirche, der sich nicht scheut, die Kirche im Alleingang zu retten!
Die Kirche ist der Mystische Leib Jesu Christi. Sie muss – und wird – das Leiden Jesu Christi (nach)vollziehen: Derzeit können wir die Kirche fast in ihrem Vollalter angekommen erblicken. D. h. Es bildet sich die Leidens- und Sterbenszeit Jesu Christi in der wahren Kirche mit dem Papst und den Aposteln ab: Die Apostel sind alle weggelaufen. Nur Johannes und Petrus sind zurück gekommen, Petrus hat dann den Herrn – aus Menschenfurcht – verleugnet; und es bald bitter bereut. Johannes, der ganz reinen Herzens war, ist nach dem Weglaufen während der Gefangennahme Jesu, zur Mutter Jesu gegangen und bei ihr geblieben, hat sich um sie gekümmert bzw. hat ihr beigestanden, bis unter das Kreuz.
Wenn wir den schmerzhaften Rosenkranz (oder auch den Barmherzigkeitsrosenkranz: „Durch sein schmerzhaftes Leiden“) betrachtend beten und uns mit der Mystik zum Leiden des Herrn betend betrachtend befassen, können wir einige Elemente davon in der Situation der Kirche heute wieder erkennen: Der Judas-Verrat findet immer schon und heute durch Unberufene oder ihre Berufung verworfene (z. B.: Martin Luther) statt.
Und auch im Lesen der Evangelien können uns die Analogien zwischen der Zeit des Leidens Jesu und der Situation der heutigen Kirche (besonders auch aufgrund der oft wesentlichen wahrheitsliebenden Hintergrundberichte in diesem ausgezeichneten Portal) bewusst werden.
In Kardinal Burke und Kardinal Sarah scheinen sich die Elemente des Johannes abzubilden: ein reines Herz, Demut (zur ständigen inneren Umkehr) und unbedingte Liebe, frei von Ego(zentr)ismus. Leider müssen wir feststellen, dass heute viele Bischöfe/Apostel vor den Pressionen der Welt – aus Menschenfurcht weglaufen. Aber fragen wir uns: Was würden wir tun? Würden wir standhalten können bei solchen modernen direkten Umfeldern? Sind wir so rein wie Johannes?
Ich hoffe, Ihnen mit diesem Versuch einer Antwort ein wenig geholfen zu haben, im Verständnis der Kirche und ihres Mysteriums ein wenig mehr fündig werden zu können. Als Rosenkranzbeter und Betrachter der Evangelien sowie gelegentlicher Leser der Mystik-Literatur sind mir diese o. g. Aspekte im Laufe der letzten zwanzig Jahre immer bewusster geworden. Und ich wünsche auch Ihnen – und anderen fromm sein wollenden Christen – solche Einsichten aus Gebet und Betrachtung in das Mysterium des weiter lebenden Christus, welcher die wahre Kirche ist und genau so leiden muss wie Christus.
Dieser Appell wird auch nichts fruchten, Bergoglio wird weiter auf Tauchstation gehen, so viel kann prognostiziert werden. Und was kommt dann? Kardinal Brandmüller ist ja auch schon ein sehr, sehr alter Mann, der auf den 90er zugeht. Die Zahl der Dubienten hat sich in den letzten Monaten halbiert. Ich denke, dass Bergoglio davon ausgeht, das locker durchzustehen.
Auch Eb. Lefèbvre wurde zu seiner Zeit von allen seinen Mitstreitern des Coetus Patrum, deren immerhin annähernd 500 waren, in Stich gelassen. Hinter dem Vorhang klopfen sie auf die Schultern und ermutigen, in der Öffentlichkeit sind es feige Memmen! Das Schicksal wahrhaft großer Männer ist es eben, im Kampf allein zu stehen und dafür Zeugnis abzulegen, daß der einzelne, wenn er mit Christus kämpft, immer in der Mehrheit ist!