(Rom/Moskau) Bis zum Donnerstag hält sich Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der Kabinettschef des Heiligen Stuhls, zu einem Besuch in Rußland auf. Das vatikanische Presseamt veröffentlichte das Programm des Staatsbesuchs.
Treffen mit Patriarch Kyrill und Staatspräsident Putin
Demnach wird der Kardinalstaatssekretär noch heute mit Metropolit Hilarion, dem „Außenminister“ des Moskauer Patriarchats der russisch-orthodoxen Kirche zusammentreffen. Morgen folgt am Vormittag eine Begegnung mit Rußlands Außenminister Sergej Lawrow und am Nachmittag mit dem russischen Patriarchen Kyrill I.
Am Mittwoch wird der höchste vatikanischen Staatsvertreter nach Papst Franziskus nach Sotschi am Schwarzen Meer fliegen, wo er mit Staatspräsident Wladimir Putin zusammentrifft.
Themen der Treffen sind laut vatikanischem Presseamt: „die internationale Lage, besonders die Suche nach friedlichen Lösungen für die herrschenden Konflikte mit besonderer Berücksichtigung humanitärer Aspekte“. Zudem möchte der Kardinalstaatssekretär „die geistliche Verbundenheit des Papstes mit der örtlichen, katholischen Gemeinschaft bekunden“
In der vatikanischen Erklärung wird weder die Ukraine noch ein eventueller Besuch von Papst Franziskus in Rußland erwähnt. Der Ukraine-Konflikt, der auf völkerrechtlicher wie kirchlicher Ebene – Stichwort: Unierte – ausgetragen wird, läßt sich im Thema „Suche nach friedlichen Lösungen für die herrschenden Konflikte“ wiederfinden.
Vorbereitung eines Papst-Besuches in Rußland
Am vergangenen 9. August sagte Kardinal Parolin gegenüber dem Corriere della Sera etwas deutlicher, er unternehme die Reise nach Rußland, „um die Brücken zwischen Ost und Wert zu stärken“. Und auch:
„Die Vorbereitung eines eventuellen Besuches des Heiligen Vaters Franziskus in Rußland ist ein Grund meines Besuches.“
Im vergangenen März hatte Papst Franziskus einen eventuellen Rußland-Besuch mit einem Besuch der Ukraine gekoppelt.
Seit Paul VI. bemühen sich die Päpste um eine Annäherung zwischen der römisch-katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche. Der Besuch eines Papstes in Rußland, der seit Johannes Paul II. angestrebt wird, war bisher nicht möglich. Die Chancen standen aber noch nie so gut. Am 12. Februar 2016 fand in Havanna auf Kuba die erste Begegnung eines Moskauer Patriarchen mit einem Papst statt.
Moskau ist seit 1589 Sitz eines orthodoxen Patriarchen. Bis dahin unterstand der ganze Rus dem Patriarchen von Konstantinopel.
Historische Komplikationen – Die Lösung von 1439
Die Eroberung Konstantinopels durch die islamischen Osmanen 1453 machte die auf dem Konzil von Florenz (Unionskonzil) 1439 erreichte Einheit von Ost- und Westkirche unter der Leitung des Papstes zunichte, noch bevor sie wirklich umgesetzt werden konnte. Die Schwächung Konstantinopels, das von muslimischen Herrschern abhängig wurde, hatte die Rangerhöhung des Moskauer Metropoliten zum Patriarchen. Eine Rangerhöhung, die parallel zur Ausrufung des Großfürsten von Moskau zum Zaren (Kaiser) einherging, nachdem sich das Großfürstentum erfolgreich der Mongolenherrschaft entledigt hatte. Sowohl Zar als auch Moskauer Patriarch sahen sich in Abwehr der islamischen Expansion, aber auch des lateinischen Westens als Erben der oströmischen Kaiser- und Patriarchenwürde.
Die Folgen der Begegnung auf Kuba waren im Zusammenhang mit der Ukraine und den mit Rom unierten Ukrainern des byzantinischen Ritus ziemlich turbulent. Daher rührt auch die Aussage von Franziskus, den Besuch Rußlands mit einem Besuch der Ukraine koppeln zu wollen. Kurz zuvor hatte das Moskauer Patriarchat im vergangenen März die ukrainischen Unierten scharf angegriffen und sich dabei auf die Gemeinsame Erklärung berufen, die Papst Franziskus mit Patriarch Kyrill in Havanna unterzeichnet hatte – und von der sich die griechisch-katholischen Ukrainer verraten fühlten. Die 1596 in der Union von Brest besiegelte Einheit zwischen den orthodoxen Ukrainern der heutigen Westukraine, die damals zum Königreich Polen (in Personalunion mit dem Großfürstentum Litauen) gehörte, und Rom hatte mit den zahlreichen, angedeuteten und weiteren Umbrüchen zu tun. Sie konnte sich dabei auf die 1439 erreichte Union von Florenz berufen, die von ihren Bischöfen unterzeichnet worden war.
„Der Friede stellt die höchste Priorität dar“
Kardinalstaatssekretär Parolin sagte dem Corriere della Sera auch:
„In diesem historischen Moment, in dem wir in verschiedenen Teilen der Erde eine Zunahme der Spannungen und der Konflikt erleben, stellt der Frieden für Papst Franziskus, aber auch für mich persönlich, die höchste Priorität dar.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Il Sismografo (Screenshot)