(Rom) Papst Franziskus besuchte am Sonntag die Stadt Carpi in der Emilia. Das Bistum in der Poebene war 2012 durch ein schweres Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen worden. Medien und einige katholische Kreise schafften es dabei Erstaunliches aus dem Kaffeesud zu lesen. Am Papstbesuch nahm auch Carlo Kardinal Caffarra teil als emeritierter Metropolit der angrenzenden Kirchenprovinz Bologna. Caffarra ist einer der vier namhaften Kardinäle, die dem Papst Dubia (Zweifel) zum umstrittenen Apostolischen Schreiben Amoris laetitia zukommen ließen. Die fünf Fragen wurden vom Papst bis heute nicht beantwortet und liegen als dunkler Schatten über dem Pontifikat.
Seit Dezember 2015 ist Matteo Maria Zuppi Erzbischof von Bologna. Er gehört der Gemeinschaft von Sant’Egidio an. Da der Papst gestern eine Bischofskirche nur wenige Kilometer von Bologna entfernt besuchte, nahmen naheliegenderweise sowohl Erzbischof Zuppi als auch Kardinal Caffarra an dem Treffen teil. „Beide vertreten sehr unterschiedliche Positionen innerhalb der Kirche“, wie der Corriere della Sera am 1. April vorausschickte.
Die Tatsache, daß Kardinal Caffarra anwesend war und vom Papst begrüßt wurde, sorgte für einige Spekulationen. Beim Mittagessen im Priesterseminar von Carpi saß der Kardinal, seines Ranges wegen, sogar zur Rechten des Papstes, während zur Linken ein 95 Jahre alter Priester, der älteste Bewohner des angeschlossenen Priesterruhesitzes, Platz nehmen durfte.
Wer aber meint, wie manche es getan haben, daß ein Gruß genügt, und alles sei gut, der irrt sich. Die Welt ist dann doch nicht so simpel, wie sie manchen erscheint. Einige Beispiele:
Medjugorje und der Rosenkranz „vom Papst“
Der Vatikan schickt sich an, die Übernatürlichkeit des Phänomens Medjugorje nicht anzuerkennen. Das steht eigentlich schon lange fest, doch sucht man seit Jahren nach dem geeigneten Weg, es den Gläubigen möglichst schonend begreiflich zu machen.
Als Marija Pavlovic, eine „Seherin“ von Medjugorje, übrigens ein sehr liebenswerter Mensch, im September 2015 auf Medienberichte angesprochen wurde, daß Rom die „Erscheinungen“ und „Botschaften“ von Medjugorje nicht anerkennen werde, tat sie es als „Gerüchteküche der Medien“ ab, denn sie habe erst in der Vorwoche von Papst Franziskus einen Rosenkranz erhalten. Ein Priester habe ihn ihr gebracht, der an einem Treffen mit dem Papst teilgenommen und vom Papst den Rosenkranz erhalten hatte. Er habe den Papst gefragt, ob er ihn Marija Pavlovic bringen könne. Der Papst sei einverstanden gewesen.
So einfach können Dinge sein oder zumindest scheinen. Die so bedeutsame Frage der Übernatürlichkeit von Marienerscheinungen ist dadurch „geklärt“, weil der Papst einverstanden ist, daß einer „Seherin“ ein Rosenkranz gebracht wird.
Die Grußnote für Bergoglio-Kritiker Erzbischof Aguer
Ein jüngeres Beispiel liegt erst einen Monat zurück. Papst Franziskus übermittelte Erzbischof Hector Aguer von La Plata zum 25. Jahrestag seiner Bischofsweihe, übrigens morgen, eine Glückwunschnote. Solche Aufmerksamkeiten sind selbstverständliche Gepflogenheit in der Kirche. Sie erfolgen ganz unabhängig vom Ansehen der Person. Erzbischof Aguer war der Gegenspieler von Jorge Mario Bergoglio im argentinischen Episkopat. Beide waren zugleich Weihbischöfe von Buenos Aires, vertraten allerdings unterschiedliche Positionen, vergleichbar dem Verhältnis zwischen Erzbischof Zuppi und Kardinal Caffarra in Bologna. Beide wurden Metropoliten: Aguer von La Plata, Bergoglio von Buenos Aires und damit Primas von Argentinien. Zwischen den beiden Erzbischöfen flogen in der Bischofskonferenz immer wieder die Funken. Mit der Papstwahl von Franziskus war endgültig entschieden, wer von beiden sich durchsetzt. Franziskus machte seither unter seinen ehemaligen argentinischen Gegenspielern tabula rasa. Erzbischof Aguer ist zwar noch im Amt, aber ziemlich einsam geworden in der Bischofskonferenz.
Eine Gratulation vom Papst uns alles ist gut? Ein Büro des Vatikans bereitet solche Glückwunschnoten vor, die dann vom Papst unterzeichnet werden. Eine Höflichkeit, die letztlich nichts über das Verhältnis zwischen dem Papst und dem Erzbischof aussagt.
Dasselbe gilt für die Umarmung von Papst Franziskus und Kardinal Caffarra. Dieser Gruß ist unter Kardinälen und Bischöfen üblich. Ein höflicher Gruß bedeutet nicht, daß „alles gut“ ist und damit auch die Dubia vom Tisch sind.
So einfach ist die Welt nicht gestrickt.
Das Beispiel zeigt jedoch, wie lästig die Dubia sind und wie groß die Belastung ist, weil Papst Franziskus die darin gestellten Fragen nicht beantworten will.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: SMM/MiL/NMM (Screenshots)