(Brüssel) An der Katholischen Universität Löwen in Belgien darf nicht gesagt werden, daß Abtreibung Mord ist. Von der Universitätsleitung wurde ein Disziplinarverfahren gegen einen Dozenten der Philosophie eingeleitet, der in einer Lehrveranstaltung sich „aus philosophischer, nicht theologischer Sicht“ mit der Abtreibung befaßte.
Die Abtreibung als „Tod eines unschuldigen Menschen“ zu bezeichnen, ist eine bloße Tatsachenfeststellung. Ebenso, da es sich nicht um einen natürlichen Tod handelt, daß eine willentliche Tötung vorliegt, es sich also um Mord handelt. Eine solche Aussage sollte an einer katholischen Bildungseinrichtung eine Selbstverständlichkeit sein.
Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Der Gesetzgeber erlaubt die Tötung ungeborener Kinder. Organisationen und Parteien treten für ein angebliches „Recht“ auf Tötung ein. Doch beim Namen nennen soll man nicht dürfen, was so viele wollen und praktizieren. Allein in der Bundesrepublik Deutschland werden laut Schätzungen jährlich rund 250.000 Kinder durch Abtreibung getötet.
Die Abtreibung ist das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, soll aber im wahrsten Sinne des Wortes totgeschwiegen werden. Diese Heuchelei gehört zu den neuen Tabus jener, die einst ausgezogen sind, die herrschenden Tabus zu brechen.
Nun wurde die bloße Tatsache, daß ein Dozent der Philosophie an einer katholischen Universität in Belgien ausgesprochen hat, was Tatsache ist, zu einem landesweiten Skandal. Ein Skandal, dem Groteskes anhaftet.
Abtreibung ist Mord
Der Skandal betrifft die Katholische Universität Löwen in Flandern, der ältesten und mit mehr als 50.000 Studenten auch größten Universität Belgiens. Deren Leitung scheint der absurde Widerspruch nicht aufzufallen, jedenfalls stört er sie nicht, daß man nur mehr dem Namen nach „katholisch“ ist. Und tatsächlich hatte es bereits Bestrebungen gegeben, die Selbstbezeichnung „katholisch“ aus dem Universitätsnamen zu streichen. 2011 wurde zwar dagegen entschieden, doch mit einem Zusatz. Die Universität heißt weiterhin „Katholische Universität Löwen“, trete aber vermehrt unter dem Kürzel KU Löwen auf und – auf das Wort „katholisch“ könne auch verzichtet werden.
Stephane Mercier, Dozent der Philosophie an der Universität, geriet ins Visier der belgischen Medien, wegen einer Lehrveranstaltung, die „zu Pro Life“ gewesen sei.
Das Rektorat veröffentlichte eine irritierende Presseerklärung, in der es sich von Mercier distanzierte und betonte, daß Abtreibung „im belgischen Recht verankert“ sei. Man habe „Informationen“, so die Universitätsleitung, daß die Lehrveranstaltung „im Widerspruch zu den tragenden Werten der Universität“ stehe. „Positionen im Rahmen der Lehre zu vertreten, die diesen Werten widersprechen, ist inakzeptabel.“
Nun möchte man annehmen, daß die „Position“, die Mercier lehrte, für die Abtreibung war, und der Dozent daher gegen die katholischen „Werte“ der Katholischen Universität Löwen verstoßen haben muß, zu denen sicher auch das Bekenntnis zum uneingeschränkten Lebensrecht aller Menschen von der Zeugung bis zum natürlichen Tod gehört. Doch weit gefehlt. Das genaue Gegenteil ist der Fall.
Feministisches Geschrei – Was die Kirche lehrt
Mercier befaßte sich mit seinen Studenten mit dem Thema „Die Philosophie für das Leben“ und behandelte dabei auch die Abtreibung. Die Abtreibung wurde als „Mord an einem unschuldigen Menschen“ bezeichnet und „als besonders verächtlicher Mord, weil der Unschuldige wehrlos ist“.
Im Gefolge kam es zu einem wilden Geschrei feministischer Kreise, das bei den weltlichen Medien Gehör fand.
Die Moral der Geschichte: Der Dozent wurde von den zuständigen Universitätsgremien vorgeladen und ihm mitgeteilt, daß ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wurde.
Stephane Mercier konfrontierte die Studenten einer katholischen Universität mit nichts anderem als der Position, die der Katechismus der Katholischen Kirche vertritt. Darin heißt es unter den Nummern 2271–2272:
2271: Seit dem ersten Jahrhundert hat die Kirche es für moralisch verwerflich erklärt, eine Abtreibung herbeizuführen. Diese Lehre hat sich nicht geändert und ist unveränderlich. Eine direkte, das heißt eine als Ziel oder Mittel gewollte, Abtreibung stellt ein schweres Vergehen gegen das sittliche Gesetz dar:
„Du sollst … nicht abtreiben noch ein Neugeborenes töten“ (Didaché 2,2) [Vgl. Barnabasbrief 19,5; Diognet 5,5; Tertullian, apol. 9].
„Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muß. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige Verbrechen“ (GS 51,3).
2272: Die formelle Mitwirkung an einer Abtreibung ist ein schweres Vergehen. Die Kirche ahndet dieses Vergehen gegen das menschliche Leben mit der Kirchenstrafe der Exkommunikation. „Wer eine Abtreibung vornimmt, zieht sich mit erfolgter Ausführung die Tatstrafe der Exkommunikation zu“ ( CIC, can. 1398), „so daß sie von selbst durch Begehen der Straftat eintritt“ 1463 (CIC, can. 1314) unter den im Recht vorgesehenen Bedingungen [Vgl. CIC, cann. 1323–1324.]. Die Kirche will dadurch die Barmherzigkeit nicht einengen; sie zeigt aber mit Nachdruck die Schwere des begangenen Verbrechens und den nicht wieder gutzumachenden Schaden auf, der dem unschuldig getöteten Kind, seinen Eltern und der ganzen Gesellschaft angetan wird.
Eine Position, die bestimmte laizistische Kräfte nicht mehr dulden wollen, weil ihnen die Meinungsfreiheit gleichgültig ist, solange nur ihre eigene Meinung Oberhand hat. Die Perversion: Das „Recht“ zu töten, unschuldige, wehrlose ungeborene Kinder, gilt der vorherrschenden Meinung in Belgien mehr als die Meinungsfreiheit.
An der Universität fand eine feindliche Übernahme statt
Zu den „tragenden Werten“ der Katholischen Universität Löwen gehört offenbar nicht mehr die „Kultur des Lebens“, sondern die „Kultur des Todes“. An der ältesten Bildungseinrichtung Belgiens hat unbemerkt eine feindliche Übernahme stattgefunden.
Besonders schwerwiegend ist, daß das Rektorat der Universität mit einer lebensverachtenden Haltung gemeinsame Sache macht und vergessen zu haben scheint, was katholisch ist. Der eigentliche Skandal von Löwen liegt darin, daß heute offensichtlich auch an katholischen Universitäten, sogar in den höchsten Positionen, Abtreibungsbefürworter sitzen und den Ton angeben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
„… und betonte, daß Abtreibung „im belgischen Recht verankert“ sei.“
Eine denkwürdige Aussage, die Kodizes mit Recht verwechselt.
Katholiken sollte dies nicht passieren. Und schon gar nicht steht menschliches Machwerk über Gottes Fügung. Welche allein Sein, Maß und Ordnung des Rechts begründet.
Darum ist Recht auch durch jedermann guten Willens erkennbar. Recht löst (konkurrierende) Probleme. Dies ist bei der Abtreibung unbestreitbar nicht der Fall. Hier setzt sich die mächtige Person gegen die machtlose durch und läßt diese mit dem Leben bezahlen. Solche Machtausübung ist Willkür, schlimmste Willkür, und somit das genaue Gegenteil von Recht.
Man kann nicht Universität sein, ohne das zu sehen.
Das enge Verhältnis von Kirche und Staat in Belgien wurde im 19. Jahrhundert zutiefst geprägt durch den abgefallenen Priester, Häretiker und Sozialisten Félicité de Lamennais. Die katholische Kirche in Belgien wird genauso wie die Vereinigung der Atheisten und andere Kulte vollständig direkt aus dem Staatssäckel finanziert. Voraussetzung für eine offizielle Anerkennung als staatlich förderungswürdiger Kult ist der „Nachweis eines sozialen Nutzens“ und das Fehlen von „Aktivitäten, die der sozialen Ordnung entgegengesetzt sind“. Diese soziale Ordnung hat allerdings seit Jahrzehnten in einer europäischen Vorreiterrolle die Eigenschaft, dass die sozial verträgliche Liquidierung von Ungeborenen, inzwischen auch von Behinderten, Alten und Kranken gesetzlich gefördert wird. Jede Kritik an diesem System von Seiten der „Kirche“ bringt demnach die Gefahr mit sich, die Anerkennung und damit die Pfründe zu verlieren oder gar als Sekte eingestuft zu werden.
Das mag ein Klima erklären, in dem die Kirche unterwürfig wartet, bis sie von der Universität vor die Tür gesetzt wird, anstatt ihrerseits die Universität vor die Tür zu setzen.
Genauso wie in Deutschland erdrückt die Gestalt als Sozial- und Bildungskonzern die sakramentale Gestalt der Kirche. Auch hier in Deutschland wird ja versucht, auf Teufel komm raus einen monströsen Apparat aufrecht zu erhalten, für den längst kein katholisch gesinntes Führungspersonal mehr zur Verfügung steht. Anstatt sich aus der ungesunden Monopolstellung zurückzuziehen, wird eher das kirchliche Arbeitsrecht angepasst, damit ja kein Ehebrecher zu laut klagt, wenn er entlassen wird.
Auch die Herrschaften des säkularen belgischen Staates müssen sich an rechtliche und wissenschaftliche Standards halten. Damit kann ich auch als Katholische Universität argumentieren und durchdringen.
Danke Ihnen für die näheren Erläuterungen. Es ist gut, wenn die Leserschaft darum weiß. Selbst kenne ich die Situation in Belgien ein wenig, weshalb ich auf die dennoch gegebenen Möglichkeiten, hier der Unvernunft, dem Unrecht und der Beschränkung von wissenschaftlicher Arbeit (zu der natürlich auch die Lehre gehört), Grenzen zu setzen. Als Katholik ist man schließlich kein Weichei. Es ist viel mehr möglich, wenn man dafür auch kämpft.
Wer sich schon einmal mit der Forschungsarbeit von Prof. Erich Blechschmidt bezüglich der menschlichen Embryonalentwicklung befaßt hat, weiß in etwa um die Tragödie einer Abtreibung, daß damit ein Mensch sein – irdisches – Leben verliert. Ein Mensch wird getötet! Daran gibt es nichts zu deuteln. Bei der Verwendung des Terminus „Mord“ unterstellt man jedoch m. E. dem Mädchen oder der Frau, die ein Kind abtreibt, die Absicht, freiwillig und bewußt ein Leben kaltblütig auszulöschen. „Dank“ Tatort und Co. bedeutet Mord in den Augen der meisten Menschen heutzutage ein eiskalt geplantes Verbrechen. Das kann sich aber im Falle einer Abtreibung ganz anders verhalten. Oft fehlt die Einsicht in das, was man da tut mangels Aufklärung über das äußere Erscheinungsbild des Embryos zu einem bestimmten Zeitpunkt der Schwangerschaft, über die unglaublich grazile Organbildung bereits in den ersten Lebenswochen des Embryos. Möglicherweise spukt in den Köpfen so mancher Frau noch der Terminus „Schwangerschaftsgewebe“ herum und sie hat keine blasse Ahnung davon, wie komplex menschliches Leben in diesem frühen Stadium schon aussieht. Soll man dieses Wissensdefizit wirklich den Jugendlichen allein anlasten, wenn diesem eine schwere Unterlassung in der schulischen Aufklärung zugrunde liegt? Wenn immer nur gesagt wird: ihr dürft eigentlich alles, was ihr wollt, und wenn‚s dann mal ein Problem, sprich eine Schwangerschaft, gibt, dann laßt „es“ wegmachen. Von erwachsenen Frauen sollte man aber schon erwarten dürfen, daß sie sich irgendwann detailliert mit den Vorgängen während einer Schwangerschaft, mit dem neuen Lebensprozess des Embryos auseinandersetzen. Wer tut es? Wir leben weitgehend in einer hedonistischen Gesellschaft. Der Glaube an ein übernatürliches Leben, an die Seele eines Embryos, das Wissen darüber, daß da wirklich ein Mensch heranwächst, ist weitgehend verdunstet. Ein furchtbares Drama unserer Tage! Häufig handelt man zudem in einer verzweifelten Situation, aus der man keinen anderen Ausweg mehr sieht. Vielen ist die Verantwortung über das, was sie tun, nicht oder zunächst nicht vollends bewußt.
Daher wäre mir persönlich der Ausdruck „Tötung“ in Bezug auf Abtreibung lieber, wodurch man sich zudem eines persönlichen Urteils über die Tat bewußt enthält. Nur Gott allein weiß um die seelischen Konflikte einer Schwangeren, und er weiß auch um die Hintergründe, um die moralische Schuld jedes einzelnen, der bei einer Abtreibung mitwirkt. Daher würde ich dafür plädieren, zunächst auch mit den Augen der Barmherzigkeit auf Menschen schauen, die eine Abtreibung durchführen lassen. Die grundsätzliche Verwerflichkeit einer Abtreibung kann und darf nicht geleugnet werden. Ein menschliches Leben wird zerstört – mit all den schrecklichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben.
Die Universität zu Löwen hat jeglichen Hauch von Kaholischer Glaubenssubstanz verloren.
Sie sind nicht nur heidnisch, sondern zutiefst durchtränkt von Frust über den eigenen Glaubensverlust und Selbsthaß auf die eigene Herkunft und Historie.
Bei allen großen moralischen Streitpunkten in Belgien in den letzten Jahrzehnten (Einführung der Abtreibung; Pädophilie; Einführung der Euthanasie, inzwischen auch für psychisch Kranken und Kinder) glänzte die Universität Löwen durch totales Versagen bei der Verteidigung des katholischen Standpunkts.
Apostasie auf breiter Linie.