(Washington) Am 14. März richtete eine Koalition aus 55 Abtreibungsorganisationen, darunter der weltgrößte Abtreibungskonzern Planned Parenthood, einen Brief an die US-Senatoren der Demokratischen Partei. Sie fordern die demokratischen Senatoren auf, den von US-Präsident Donald Trump nominierten Richter für den Obersten Gerichtshof abzulehnen.
Die Ausgangslage
Der Oberste Gerichtshof setzt sich aus neun Richtern zusammen, die auf Lebenszeit ernannt werden. Alleiniges Nominierungsrecht besitzt der US-Präsident. Allerdings bedürfen seine Ernennungen der Zustimmung von mindestens 60 der 100 US-Senatoren. Im Senat verfügt Trumps Republikanische Partei mit 52 Senatoren über eine absolute Mehrheit. Dennoch reicht das nicht aus. 46 Senatoren gehören der Demokratischen Partei an und zwei Senatoren sind unabhängig, stimmen aber meist mit den Demokraten, darunter Bernie Sanders. Die USA kennen keinen wirklichen Fraktionszwang.
Trump braucht für seine Nominierung jedenfalls die Unterstützung von mindestens acht Demokraten. Er drohte bereits damit, das Bestätigungsverfahren zu ändern, wie dies zuletzt Barack Obama in anderen Bereichen getan hatte, um sich gegen die republikanische Senatsmehrheit durchsetzen zu können.
55 Abtreibungsorganisationen in Panik
Die Abtreibungs-Koalition drängt die Senatoren im Brief zum Widerstand, weil Trump von den Kandidaten, die er für die Nominierung zu Höchstrichtern ins Auge fasse, verlange, das Urteil Roe gegen Wade „zu kippen“. 1973 hatte der Oberste Gerichtshof im genannten Urteil die Abtreibung in den USA legalisiert, wie Church Militant berichtet. Die USA haben bis heute kein Abtreibungsgesetz. Die Höchstrichter übernahmen ohne gesetzliche Grundlage die Aufgabe des Gesetzgebers. Jane Roe, eigentlich Norma McCorvey, die damals gegen das Abtreibungverbot geklagt hatte, bereute die Entscheidung später sehr. Nach ihrer Bekehrung zum Christentum wurde sie eine engagierte Lebensschützerin. Eine Gegenklage, mit der sie die Rücknahme des damaligen Urteils begehrte, wurde vom Obersten Gerichtshof aber zurückgewiesen. Am vergangenen 18. Februar ist Norma McCorvey gestorben.
Trump mache deutlich, heißt es im Brief der Abtreibungsgruppen, daß Gorsuch den „Test“ bestanden habe und „den Applaus der Anti-Abtreibungsgruppen bekommt“. US-Präsident Trump nominierte am 31. Januar den Bundesrichter Neil Gorsuch für den Obersten Gerichtshof. Er soll den Platz von Höchstrichter Antonin Scalia einnehmen, der im Februar 2016 gestorben ist. Die republikanische Mehrheit verhinderte die Besetzung des Postens durch Barack Obama. Nun fordern die Abtreibungsorganisationen, daß die Demokraten umgekehrt die Besetzung durch Trump verhindern sollen.
Lebensrechtsorganisation schreibt den Senatoren
Die Lebensrechtsgruppe Americans United for Life (AUL) richtete ihrerseits einen Brief an alle Senatoren, in dem sie für die Unterstützung von Neil Gorsuch wirbt, der „ein würdiger Nachfolger für Richter Antonin Scalia“ sei.
Selbst mit der Bestätigung Gorsuchs würden sich die Mehrheitsverhältnisse im höchsten Richtersenat allerdings nicht ändern, da Scalia ein Vertreter der konservativen Fraktion war. Es würde nur der Ist-Zustand vor Scalias Tod wiederhergestellt mit seiner Mehrheit von fünf liberalen Richtern gegen eine Minderheit von vier konservativen Richtern. Seit 13 Monaten haben die Liberalen ein Übergewicht von fünf gegen drei Stimmen. Erst mit der nächsten Ernennung eines Höchstrichters könnte es erstmals nach Jahrzehnten zu einem Mehrheitswechsel in Sachen Abtreibung kommen. Ein solches Szenario wird von der Abtreibungslobby gefürchtet, weshalb sie es erst gar nicht so weit kommen lassen möchte.
Kippen von Roe gegen Wade rechtlich unproblematisch
Das Kippen des Abtreibungsurteils von 1973 gilt nicht nur unter Lebensschützern, sondern auch unter Verfassungsjuristen als an sich unproblematisch. Das erklärt zusätzlich die Panik, von der die Abtreibungslobby erfaßt scheint. Wie Clarke Forsythe, der Vorsitzende von Americans United for Life in seinem Brief an die Senatoren erinnert, handelt es sich beim Urteil von 1973 um eine Willkürentscheidung, die ohne Rechtsgrundlage und ohne medizinische Grundlage aus der Luft gegriffen wurde.
Die Abtreibungsorganisationen werfen Gorsuch unter anderem vor, den katholischen Frauenorden der Little Sisters of the Poor unterstützt zu haben, die sich hartnäckig gegen jenen Teil von Obamas Gesundheitsreform Obamacare gewehrt haben, mit dem ihnen als Arbeitgeber die Abtreibung aufgezwungen werden sollte. Gorsuch plädierte für die Gewissensfreiheit und das Recht der Verweigerung aus Gewissensgründen, die vom Gesetzgeber berücksichtigt werden müsse.
Während die Abtreibungslobby gegen Gorsuchs Nominierung Sturm läuft, gibt es unter Lebensrechtsorganisationen einige kritische Stimmen, die eine deutlichere Pro-Life-Nominierung wünschen würden.
Unumstritten ist, daß Gorsuch ein entschiedener Gegner eines richterlichen Aktivismus ist. Er nahm in verschiedenen Fachaufsätzen dagegen Stellung, daß Richter sich über den Gesetzgeber und über den Souverän, das Volk, erheben, und sich deren Zuständigkeiten anmaßen. Die verfassungsmäßig gewählten Volksvertreter und die Wahlurnen seien das primäre Mittel, um Fragen von der „Homo-Ehe“ bis zur Euthanasie zu klären, nicht der Richterstand, hatte Gorsuch geschrieben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Church Militant