
(New York) Die Grenzen des Skurrilen sind weit gesteckt in einer medial überhitzten Gesellschaft, die auf „Arbeiten für den Konsum“ und „Brot und Spiele“ getrimmt wird. Das „Horrorkabinett“ öffnet immer neue Zimmer, so Nuova Bussola Quotidiana. Nachdem sich Lifestyle-Journalisten, „Kulturexperten“ und sonstige „Intellektuelle aller Art“ mit der „Liebe“ und „Ehe“ zwischen Menschen und Androiden beschäftigten, steht nun die „Selbstheirat“ auf der Tagesordnung. Ganz neu ist die Idee nicht, wird aber aktuell von einigen Medien wieder ins Gespräch gebracht.
„Warum ich mich selbst geheiratet habe“
Das US-Monatsmagazin Good Housekeeping veröffentlichte den Artikel „Warum ich mich selbst geheiratet habe“. Untertitel: „Die Ehe mit sich selbst ist ein kleines Phänomen, das aber weltweit zunimmt“.
Das Magazin erzählt die Geschichten von Erika Anderson und anderen Durchgeknallten. Überlegen Sie sich also, ob Sie wirklich weiterlesen wollen. Es könnte der finale Angriff auf Ihre Nerven sein.
Erika Anderson hat nach einer Scheidung „sich selbst“ geheiratet. Die Hochzeitsfeier fand mit vielen Geladenen auf einer Terrasse im New Yorker Stadtteil Brooklyn statt. Die Braut trug ein klassisches, weißes Brautkleid. Sie sprach auch eine Art Eheversprechen an sich selbst: „Ich habe mich für Dich entschieden“. Dann kippte sie zwei Gläser Whiskey hinunter, schließlich mußte sie ja für „beide“ Brautleute trinken. Ein Glas für sich und eines … für sich.
Zur Selbstheirat waren Hochzeitseinladungen verschickt worden, es gab eine Hochzeitsliste und einen Verlobungsring. Hätten es eigentlich nicht zwei sein müssen? Erika gestand dem Monatsmagazin: „Die Entscheidung war nicht leicht“. Offensichtlich hat Erika Probleme mit sich selbst. Da will eine Ehe schon gut überlegt sein. Doch dann kam ihr ein „Geistesblitz“: „Dann habe ich aber beschlossen, daß es Zeit ist, unter die Haube zu kommen“. Die Zeit sei „reif“ gewesen: „Ja zu mir selbst zu sagen“. Der klassische Satz, aus jedem Hollywood-Streifen bekannt, „Sie dürfen nun die Braut küssen“, fruchtete bei Erika allerdings nicht. Eine solche Verrenkung wäre auch ihr unmöglich gewesen, weshalb sie darauf verzichtete.
Nasenring als Ehering, „um mein Eheversprechen mir selbst gegenüber jeden Tag zu atmen“
Eine ähnliche Geschichte wird von Dominique Youkhehpaz berichtet. Auch sie entschied sich dafür, sich selbst „zu achten und zu lieben“. Als „Ehering“ wählte sie einen Nasenring, „um mein Eheversprechen jeden Tag atmen zu können“. 2011 sei ihre Entscheidung gereift, zu sich selbst „Ja, ich will“ zu sagen. Das war, nachdem sie an der Veranstaltung „Verbrennt den Mann“ teilgenommen hatte. Hundert Frauen sagten damals vor einem Spiegel zu sich selbst: „Ich will Dich“. Ein Ritual der Verachtung des Mannes. Der antike, griechische Mythos des Narziß und Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ finden hier eine groteske Bestätigung und Neuauflage.
Dominique sprach zu sich selbst die Formel: „Ich verspreche, Dich nie zu verlassen“, „ich verspreche, Hilfe zu holen, wenn Du leidest, „ich verspreche, jeden Tag in den Spiegel zu schauen und Dir dankbar zu sein“, „ich verspreche, Dir ein Leben zu schenken, das Du Dir schon lange gewünscht hast“.
Das einzige vernünftige Versprechen fehlte, sich selbst zu versprechen, nie mehr Blödsinn zu reden. Pathologische Schizophrenie als Teil der Sitten. Die gespaltene Persönlichkeit, die sich in einem peinlich-bemitleidenswerten Solipsismus selbst zelebriert und vor der Gleichgültigkeit oder dem Applaus der Mitmenschen im egozentrischen Morast versinkt.
Sicherheitshalber Gütertrennung, man weiß nie
Dominique betreibt eine eigene Internetseite „Self Marriage Ceremonies“, auf der sie Tips und Dienstleistungen für die „Selbstheirat“ anbietet. Sie behauptet, jede Woche Personen zu treffen, sie so in sich selbst „verliebt“ sind, sich selbst heiraten zu wollen. Bliebe nur noch die Frage, wie das mit einer eventuellen Scheidung funktioniert, und ob ein Ehevertrag aufgesetzt oder Gütertrennung vereinbart werden sollte. Immerhin sind das ja alles „wichtige“ Hinweise, die heute jedem Paar gleich bei der Ehevorbereitung beigebracht werden.

In Kanada gibt es eine Agentur „Heirate Dich selbst“. Das Angebot reicht vom Fotografen bis zum Catering. In Japan bietet ein Reisebüro Pakete für „Flitterwochen“ für Selbsthochzeiten an – all inclusive, wegen des Einzelzimmerzuschlags allerdings im Verhältnis etwas teurer. Wir ersparen uns die Vorstellung, wie ein Selbstverheirateter die Hochzeitnacht mit sich selbst verbringt.
Die Selbstheirat ist – zwangsläufig – homosexuell und damit voll im Trend. Wahrscheinlich ist sie aber noch nicht der Tiefpunkt in der Zersetzung der Ehe. Die Ehe ist heute, wenn sie überhaupt geschlossen wird, vielen nur eine weitere Form der ohnehin praktizierten Selbstverwirklichung. Das Scheitern wird von vorneherein einkalkuliert und billigend in Kauf genommen, wenn der Partner dem eigenen Ich in die Quere kommen sollte. Manche sammeln Briefmarken, andere Ehen. Der Spruch hat „Gültigkeit“, seit es Hollywood gibt.
Verwaltung vorbereitet: Ein-Personen-Familien
Die Selbstheirat wird von ihren Verfechtern als Ausdruck der Selbstwertschätzung behauptet: „Ich zähle“. Eigentlich wurde die Ehe von den Feministinnen als „bürgerlicher Käfig“ für Frauen behauptet. Nun wird im Supermarkt der Möglichkeiten die Selbstheirat als „Angebot“ für „alleinstehende Frauen“ beworben, doch noch unter die Haube zu kommen.
Nachdem die „Homo-Ehe“ als Ehe-Voraussetzung die Geschlechterverschiedenheit beseitigt hat, beseitigt die Selbstheirat nun auch das Du, die Gemeinschaft zweier Persönlichkeiten. Nihilismus pur.
Die Politik hat der Selbstheirat bereits den Boden bereitet. Für die Bürokratie ist sie problemlos „integrierbar“, seit aus der Familie „Familien“ wurden und in manchen Ländern alle Haushalte als „Familien“ geführt werden, obwohl in den Großstädten mehr als die Hälfte der Haushalte nur aus einer Person bestehen. Der Begriff „Singlehaushalt“ war einmal. Die altmodische Familie ist wieder In, allerdings eine uminterpretierte „Familie“, die nur noch eine Namensähnlichkeit aufweist. „Mach kaputt, was dich kaputt macht“ lautete eine der bekanntesten Parolen der 68er-Revolte. Im Bereich Ehe und Familie wurde sie konsequent und auf – Im Rückblick – durchaus überraschende Weise umgesetzt.
Ernst ist vielmehr die Anfrage, warum bevorzugt Frauen zur Selbstheirat neigen. Sind sie einmal mehr die Betrogenen der „neuen“ Ideen?
Gedankenspiele
Aber gehen wir noch weiter, noch ist der Boden des Abgrunds nicht erreicht. In Zukunft werden wir uns mit der Luft, dem Wasser und dem Feuer verheiraten können, vielleicht mit Persönlichkeiten der Vergangenheit oder Scheinfiguren. Welcher Mann möchte nicht mit Kleopatra verheiratet sein, oder mit Alma Mahle, oder vielleicht der Comic-Sex-Bombe Jessica Rabbit? Oder welche Frau nicht mit Napoleon, Cäsar oder gar Homer Simpson? Hitler wäre natürlich ausgenommen, eine Eheschließung würde sicher unter das Verbotsgesetz fallen, wenngleich die Zeugung von Nachkommenschaft ja ausgeschlossen wäre.
Was aber, wenn potente Knaben, etwa Barack Obama oder François Hollande, die ihren Ländern die „Homo-Ehe“ beschert haben, ihr Sperma in Samenbanken einfrieren und Frauen sich in hundert oder zweihundert Jahren damit befruchten lassen würden? Die Posthum-Ehe samt Nachwuchs wäre die „ideale“ Lösung. Bliebe noch die Frage, ob die verspätete Ehefrau und ihre Kinder Erbansprüche geltend machen könnten.
Und noch weiter gedacht, weil denken Freude macht, innovativ ist, geistig Regsamkeit und Dynamik beweist: Wir könnten uns in Zukunft ja auch mit der Traurigkeit oder der Euphorie verheiraten, mit Tugenden oder Lastern, mit großen Ideen wie Frieden oder gar Weltfrieden, mit Ideologien wie Liberalismus, Anarchismus, oder vielleicht in letzter Konsequenz mit dem Nichts. Am besten gleich mit einem Abstecher ins Irrenhaus.
Text: Andreas Becker
Bild: Self Marriage (Screenshot)