
von Roberto de Mattei*
Information, Desinformation, Wahrheit, Halbwahrheit, Lüge scheinen sich in der Kommunikationsstrategie des Heiligen Stuhls zu vermischen. Die Geschichte der Kirche wird durch Interviews, improvisierte Ansprachen, Artikel auf halboffiziösen Blogs und Medienindiskretionen geschrieben, indem allen nur denkbaren Interpretationen das Feld überlassen wird, sodaß der Verdacht aufkommt, die Verwirrung sei geplant.
Zwei jüngste Beispiele.
Das erste betrifft die Entlassung des Präsidenten der Vatikanbank IOR, Ettore Gotti Tedeschi, im Jahr 2012. Im jüngsten Gesprächsbuch „Letzte Gespräche“ von Benedikt XVI. mit Peter Seewald nimmt der „emeritierte Papst“ die Verantwortung für die Entlassung von Gotti Tedeschi auf sich, die – laut seinen Angaben – der Notwendigkeit geschuldet gewesen sei, die Führungsspitze der Vatikanbank „zu erneuern“.
Der Sekretär des zurückgetretenen Papstes, Msgr. Georg Gänswein, hatte aber seinerzeit erklärt, daß Benedikt XVI. von dieser Absetzung nichts gewußt habe und „überrascht war, sehr überrascht über das Mißtrauen, das dem Professor ausgesprochen worden war“. Andrea Tornielli berichtete darüber am 22. Oktober 2013 in einem Artikel mit dem Titel: „Benedikt XVI. war sehr überrascht vom Rauswurf Gotti Tedeschis“.

Am 9. September 2016 präsentierte derselbe Vatikanist, ohne auf irgendeinen Widerspruch zu verweisen, die neue Version. Diesmal mit dem Titel: „Ratzinger: Es war meine Idee, 2012 die Spitze der Vatikanbank auszutauschen“. Was stimmt nun? Mit Sicherheit lügt jemand, und zurückbleibt die Verwirrung.
Schwerwiegender ist das zweite Beispiel.
Am 6. September veröffentlichte die Internetseite InfoCatolica ein Antwortschreiben von Papst Franziskus an die Bischöfe der Kirchenprovinz von Buenos Aires zum Dokument Criterios básicos para la aplicación del capàtulo VIII de Amoris laetitia (Grundkriterien für die Anwendung des Kapitels VIII. von Amoris laetitia).
In diesem Dokument, das dem Klerus bezüglich des achten Kapitels des Apostolischen Schreibens einige Kriterien an die Hand geben möchte, behaupten die argentinischen Bischöfe, daß die wiederverheiratet Geschiedenen durch Amoris laetitia zur sakramentalen Kommunion zugelassen seien, auch wenn sie more uxorio ohne die Absicht zusammenleben, Enthaltsamkeit zu üben. Papst Franziskus äußerte im Antwortschreiben seine Wertschätzung für diese Angabe und schrieb den Oberhirten, daß „der Text sehr gut ist und das Kapitel VIII von Amoris laetitia genau erklärt. Es gibt keine andere Interpretation. Und ich bin sicher, daß er sehr gut tun wird“. Es erhoben sich sofort Widerspruch und Polemiken und das päpstliche Schreiben verschwand auf mysteriöse Weise von der Internetseite, sodaß viele seine Existenz anzweifelten, bis der Osservatore Romano seine Echtheit bestätigte. „Es gibt keine andere Interpretation.“
Die Haltung von Papst Franziskus zu den wiederverheiratet Geschiedenen, die er bereits am 16. April auf dem Rückflug von der Insel Lesbos äußerte, scheint damit endgültig klar zu sein. Wenn das aber sein Denken ist, warum vertraute er es einer Fußnote in Amoris laetitia an und einem privaten Brief, der nicht für die Veröffentlichung bestimmt war, anstatt es klar und ausdrücklich zu erklären?
Vielleicht, weil auf diese Weise, der Widerspruch gegenüber dem immerwährenden Lehramt der Kirche öffentlich und formal wäre, während man auf zweideutige und stillschweigende Weise zur Änderung der Lehre der Kirche gelangen möchte?
Der Eindruck ist, daß wir eine Manipulation der Informationen erleben, die in der Kirche genau jene Spannungen und Spaltungen hervorruft, die der Papst in seiner Rede vom 12. September in Santa Marta beklagt hatte: „Ideologische, theologische Spaltungen zerreißen die Kirche. Der Teufel sät Eifersucht, Ambitionen, Idee, um zu spalten […] Die Spaltungen führen dazu, daß man diesen Teil sieht, diesen anderen Teil, der gegen das und gegen … Immer dagegen! Es gibt kein Öl der Einheit, Balsam der Einheit.“
Die Spaltungen entstehen aber durch die gespaltene Zunge des Teufels und werden vor allem durch die Wahrheit besiegt. Durch die Wahrheit des Glaubens und der Moral, aber auch durch jene Wahrheit der Sprache und des Verhaltens, die verlangt, auf jede Lüge, jede Verfälschung und jedes Verschweigen zu verzichten, indem man dem Evangelium folgt: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen“ (Mt 5,37).
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschienen: Vicario di Cristo. Il primato di Pietro tra normalità ed eccezione (Stellvertreter Christi. Der Primat des Petrus zwischen Normalität und Ausnahme), Verona 2013; in deutscher Übersetzung zuletzt: Das Zweite Vatikanische Konzil – eine bislang ungeschriebene Geschichte, Ruppichteroth 2011.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/La Stampa/InfoCatolica (Screenshot)
„Rom“ scheint den Glauben verloren zu haben oder die Anforderungen und damit auch die Probleme sind zu groß geworden, und wohl der beste Papst könnte ihrer nicht mehr Herr werden.
Die Globalisierung der Welt seit einigen Jahrzehnten hat offenbar die Kirche in einen Strudel hineingerissen. Es ist alles zu viel geworden: die innerkichlichen Probleme wären schon genug, aber die Kirche muß auch Stellung zur Welt, den Weltanschauungen und Religionen beziehen und auf jedes Wort aufpassen, denn sie werden mit der Federwaage gewogen.
Die europazentrierte Kirche gibt es so nicht mehr wie man sehen kann. Und Europa wird von allen Seiten in die Zange genommen. Etwas wert ist meist, was von außen kommt und das Eigene wird geringgeschätzt. Wie kann man beides miteinander in ein neues Gleichgewicht bringen- oder geht das gar nicht? War es nicht so ähnlich auch im 4. und 5. Jahrhundert?
Vor 50 Jahren kannte ein (europäischer) Katholik noch seine Identität, und die Kirche war ihm Heimat. Das ist alles lange her.
Noch zur Ergänzung:
Man kann sehen, daß es in der Kirche seit Jahrhunderten manche Fehlentwicklungen gibt, die von Theologen und Geistlichen verursacht worden sind. Daneben gab‚s auch reichlich Gutes wie die Verkündigung von Mariendogmen u.v.a.m.
Aber der Theologe will ja immer noch mehr wissen und beißt gerne in die glänzende Frucht. Die sog. Aufklärung etwa wurde im Schoß der Kirche soz. selbst vorbereitet. Durch verkehrte Predigten, wenn etwa der Mensch von jeder Eigenverantwortung abgehalten wird und alles, sein Denken und Handeln entgegen der Gleichnisse des Herrn, der „Heiligmachenden Gnade“ untergeordnet wird. Die ist ja immer, Gott sei Dank, schon vorhanden und muß „nur“ vom Menschen willentlich soz. gelebt werden wie im Beispiel mit den Talenten u.v.a.m. ersichtlich ist.
Durch verkehrte Predigt breiten sich Un- und Aberglaube aus. Das ist das Problem auch hinter der ganzen „Aufklärung“: sie kommt von der Theologie.
Papst Benedikt XVI. aber hat versucht, die Theologie wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Gerade auch der sog. Traditionalismus ist verkehrte Theologie, denn die Grundrichtung (Entmündigung des Menschen)ist nicht richtig trotz vieler guter Details.
Und nun trifft sich die Piusbruderschaft mit dem (lutherischen- wie es aussieht) Papst Franziskus zu einem „deal“. Nicht von ungefähr sagt man, daß sich die Extreme berühren. Die Extreme aber spiegeln nur Teilwahrheiten wider. Was sie zusammenbringt, sind die ähnlichen Defizite: das ist die Gemeinsamkeit.
Der Kampf insbesondere von Papst Pius X. gegen den Modernismus war gut und richtig. Aber die Ursachen liegen in (teilweiser) falscher Predigt schon Jahrhunderte vorher. Kampf gegen den Modernismus setzt insbesondere zuerst und zunächst die Reinigung der Kirche, wozu auch der Traditionalismus gehört, voraus. Das war und ist, darf man sagen, das Anliegen von Papst Benedikt XVI.
Die willkürliche Auslegung der Konzilstexte beruhte doch nicht auf Ratzinger? Das ist doch völliger Unsinn, sondern nach dem Konzil trat eine Rezeption des Konzils ein, die eigentlich keine Rezeption sondern eine Verfälschung der Absichten des Konzils war. Dass Papst Franziskus der Erosion des Glaubens nicht genügend entgegentritt ist, doch nicht das gleiche, wie sie befördern!
Was der junge Professor Ratzinger vielleicht etwas zu blauäugig gesehen und gutgeheissen hat, hat er als späterer Kardinal und schließlich als Papst korrigiert und auf rechte Bahnen gelenkt. Seine Absicht, das Wohl der Kirche zu fördern war zweifellos von jeher eine lautere. Stets war er um die Wahrheit des Glaubens und die Reinhaltung der Lehre bemüht, was man von seinem Nachfolger im Petrusamt nicht gerade behaupten kann. Man hat momentan den Eindruck, dass die gesunde Lehre absichtlich entstellt und verdunkelt wird. Auf alle Fälle ist es sehr verdächtig, wenn nach geheimen Absprachen bestimmte Versprechungen eingelöst werden müssen!
Verehrte Pia,
hier wurde oben die absurde Bezeichnung „Teufelskonzil“ eingeführt. Der Kommentar ist in sich bis ins Absurde widersprüchlich, da sich die Aussagen aufheben. So etwas ist schon merkwürdig.
Ein Konzil des Teufels in der katholischen Kirche? Soll das nun das neue katholische Glaubensgut sein?
Papst Benedikt ist nicht müde geworden, zu betonen, dass er theologisch immer auf dem Boden des Konzils stand und steht. Die wunderliche Hermeneutik des Konzils, die, wer die Konziltexte einmal genau liest, völlig frei von jeder Textbindung ganz andere Inhalte formulierte, wollte sich also von jeder Bindung an die Lehre emanzipieren. Man sollte in diesem Zusammenhang bedenken, dass selbst Kardinal Levebre die Konzilsbeschlüsse mitgetragen hat. Erst als er die spätere, verzerrende Rezeption wahrnahm, stellte er sich radikal gegen das Konzil.
Ratzinger lässt auch in dem Interview-Band „Letzte Gespräche“ mit Peter Seewald anklingen, dass der Zeitpunkt des Konzils problematisch war, da hier eine Zeitströmung mächtig wurde, die die ganze Intention des Konzils verfälscht hat. Papst Benedikt sieht aber weiterhin, dass die Kirche, der katholische Glaube, Antworten auf die Fragen und Angriffe der Aufklärung geben musste, die der Vernunft nicht widersprechen. Der bloße Rückzug in ein abstraktes Lehrgebäude, das jenseits der Realität seine Schönheit bewahrt, ist nicht seine Sache.
Ich würde nicht sagen, dass die Lehre von Papst Franziskus absichtlich verdunkelt wird, sondern dass der „Primat der Praxis“ (Pastoral) momentan ein Übergewicht hat und dabei sich Ungenauigkeiten in der Auslegung der Lehre entwickeln, die Papst Franziskus glaubt tolerieren zu können. Ob solche zeitlichen Erscheinungen ganz neu sind, wage ich zu bezweifeln. Es wird sicher in Zukunft auch wieder zu Klärungen kommen, wenn die erste Euphorie der Pastoral verflogen ist. Schon jetzt sieht man, dass der Papst immer vorsichtiger agiert. Steinig wird es immer in der „Praxis“ und da zeigen sich schon jetzt große Probleme.
Papst Franziskus hat mit der verheerenden Entwicklung der katholischen Kirche in Deutschland wenig zu tun, die hat ihren Ursprung in den 68 Zeiten und wirkt bis heute nach. Kardinäle wie Kasper und Lehmann waren immer die großen Gegenspieler zu Papst Benedikt. Sie sind aber mittlerweile aus dem „Rennen“, dank des Zweiten Vatikanischen Konzils. Man kann nicht einerseits die Logik des Konzils annehmen und andererseits wieder ablehnen.