(Madrid) Das Erzbistum Valencia beauftragte Wissenschaftler DNS- und Radiokarbontests an den sterblichen Überresten eines Kindes durchzuführen, die seit 1437 in einem Reliquienschrein der Kathedrale aufbewahrt werden. Damals wurden sie der Kathedralkirche von König Alfons V. „dem Großmütigen“ (Regierungszeit 1416–1458) geschenkt. Für das aragonesische Königshaus, das die Reliquien von Generation zu Generation weitergab, handelte es sich dabei um eines der Unschuldigen Kinder, die König Herodes der Großen im Zuge des Bethlehemitischen Kindermordes töten ließ.
Soviel steht fest: Bei den im Reliquiar in der Kathedrale aufbewahrten einbalsamierten Überresten handelt es sich um ein neugeborenes Kind. Mit Hilfe der Wissenschaft will das Domkapitel den Herkunftsort und das Alter des Kindes klären. Laut Schenkungsurkunde der Könige von Aragon würde das Kind aus Judäa im Heiligen Land stammen und eines der unter zweijährigen männlichen Kinder sein, die König Herodes töten ließ, als er von den drei Weisen aus dem Morgenland, die auf dem Weg zum soeben in Betlehem geborenen Jesus waren, von der Geburt eines „Königs“ erfuhr.
Zwei Labors führen DNS- und Radiokarbontests durch
Die Untersuchungen werden parallel und unabhängig voneinander von zwei wissenschaftlichen Labors in Valencia (Spanien) und Miami (USA) durchgeführt. Das Forschungsprojekt wird von der Generalitat Valenciana, der autonomen Landesregierung von Valencia finanziell unterstützt. Jaime Sancho, der Diözesankonservator des Erzbistums bestätigte der Nachrichtenagentur AVAN, daß der Zustand des Kindes bei der Öffnung des Reliquiars „geradezu perfekt“ war, so daß es „fast wie eine Puppe oder Skulptur“ schien.
Es handelt sich um ein „sehr junges Kind in einer Position, als würde es schlafen, mit einem Schnitt oder einer Wunde im Nacken“, so Sancho. Die Untersuchung soll klären, ob der Schnitt für den Tod des Kindes verantwortlich war.
Kinderleiche „perfekt“ erhalten
Durch die Aufbewahrung in dem Reliquienschrein des 15. Jahrhunderts habe sich die Mumie „überdurchschnittlich gut“ erhalten. Das Äußere sei allerdings gedunkelt, weil sich auf den Kissen, auf denen die Leiche ruhte, Schimmel gebildet hatte. Einer der ersten Schritte werde daher die Reinigung und Befreiung vom Schimmel sein, um möglichst nicht kontaminierte Proben der sterblichen Überreste für die Untersuchungen entnehmen zu können. Es gehe darum, mögliche Fehlerquellen auszuschließen, die zu einer Fehldatierung führen könnten, so der Kunst- und Denkmalschutzbeauftragte der Erzdiözese.
Sancho selbst hält es für „unwahrscheinlich“, daß es sich tatsächlich um eines der Unschuldigen Kinder des Bethlehemitischen Kindermordes handeln könnte. Er vermutet vielmehr „ein Relikt aus der Zeit der Kreuzzüge“. Damals „gab es eine ganze Welle von Reliquien, die aus dem Osten in die lateinische Kirche gelangten. Darunter befanden sich einige echte Reliquien und viele falsche, die den Kreuzfahrern im Orient angeboten wurden, weil diese nach Möglichkeit Reliquien aus dem Heiligen Land mitbringen wollten“, so Sancho.
Aus der Zeit Herodes des Großen oder „Relikt der Kreuzzüge“?
Vorerst gelte es aber die Ergebnisse der Untersuchungen abzuwarten, dann seien gesicherte Angaben möglich. Für den Diözesankonservator ist die Kinderleiche auch „unabhängig von ihrem religiösen Wert oder dem Zusammenhang mit der Geburt Jesu“ von herausragender Bedeutung, denn es gebe weltweit nur „sehr wenige historische Beispiele eines so perfekt erhaltenen Kindes aus der Zeit vor 1200“. Bis dahin lasse sich die Überlieferung nämlich gesichert nachweisen. Auch an anderen Kirchen und Kathedralen würden „angebliche Reliquien der Unschuldigen Kinder aufbewahrt“, doch handle es sich dabei nur um Fragmente oder Knochen, so Sanchez. Das einzige vollständig erhaltene, einbalsamierte Kind befinde sich in der Kathedrale von Valencia.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Europress