Von Ľubomír Urbančok*
Am vergangenen Samstag, dem 15. November, erklang im berühmten gotischen Dom der Heiligen Veit, Wenzel und Adalbert das Requiem von Antonín Dvořák. Prag war Schauplatz der Exequien eines der letzten Zeugen der kommunistischen Verfolgung: des Kardinals Dominik Duka, Erzbischof von Prag und Primas von Böhmen. Das Requiem des berühmten tschechischen Komponisten ertönte wie eine musikalische Ikone des Widerstands und der Treue – in vollkommenem Einklang mit dem Leben des verstorbenen Purpurträgers. Mehr als dreißig Bischöfe, der Kardinal von Krakau und der Primas von Ungarn waren zu dieser feierlichen Zeremonie gekommen, an der alle lebenden Präsidenten der Tschechischen Republik sowie eine offizielle Delegation der slowakischen Regierung teilnahmen.
Dominik Jaroslav Duka war von 2010 bis zu seinem Rücktritt im Jahr 2022 Erzbischof von Prag und Primas von Böhmen. Zuvor war er Diözesanbischof und Provinzial der Dominikaner – ein Amt, das er während des Kommunismus nach dem Entzug der staatlichen Erlaubnis zum priesterlichen Dienst im Untergrund ausüben mußte. 1981 wurde er aufgrund seiner „subversiven“ Tätigkeit, was nichts anderes als sein geheimer priesterlicher Apostolatseinsatz war, verurteilt und verbrachte seine Haftzeit gemeinsam mit Václav Havel, dem künftigen ersten Präsidenten des freien Landes. Nach seiner Haftentlassung arbeitete er bis 1989 als technischer Zeichner im Škoda-Werk in Pilsen.
Kardinal Duka zeichnete sich durch einen außergewöhnlich wachen Geist und umfassendes Wissen aus. Während der kommunistischen Verfolgung organisierte er geheime Treffen, um die intellektuelle und geistliche Ausbildung der Ordensleute, insbesondere der Dominikaner, zu vertiefen. Niemand, der ihn kannte, vergaß je seine geistige Klarheit, sein historisches Gedächtnis und seinen weiten Horizont.
Duka war zudem Initiator der tschechischen Übersetzung der Jerusalemer Bibel und der Werke des heiligen Thomas von Aquin. Dank dieser Initiative steht die Veröffentlichung der gesamten Summa Theologiae, anläßlich des 800. Geburtstags des Aquinaten, kurz vor dem Abschluß.
Dukas pastoraler Stil vereinte liturgische Würde, Treue zur Tradition und eine tiefe Liebe zur Heimat, deren kulturelles und geistliches Erbe er als integralen Bestandteil der katholischen Identität betrachtete. Sein Dienst an der Weltkirche zeigt sich auch in den Dubia des Jahres 2023 zur Exhortation Amoris laetitia. Bereits 2015, während der Familiensynode, hatte er Kritik an den Vorschlägen des Kardinals Walter Kasper geübt, die im Buch der fünf Kardinäle enthalten ist. 2022 kritisierte er öffentlich und mit Nachdruck Kardinal Reinhard Marx und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz wegen der gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI. erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit Mißbrauchsfällen. In den letzten Jahren gehörte er zudem zu den entschiedensten Gegnern des deutschen Synodalen Weges und zu den schärfsten Kritikern des geheimen Abkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und der Regierung in Peking, das für ihn unmittelbar die im kommunistischen Gefängnis erlittene Not wachrief.
Das Leben von Kardinal Duka ist zutiefst mit der Geschichte der katholischen Kirche unter dem kommunistischen Joch verbunden. Für ihn war der Kommunismus nicht nur ein politisches Regime, sondern dessen Zeit an der Macht eine Schule der Treue, in der die Echtheit des Glaubens auf die Probe gestellt wurde. Die härteste Prüfung kam 1981, als er wegen „Subversion“ für seine Tätigkeit im Untergrundzweig des Dominikanerordens angeklagt und im Gefängnis von Pilsen-Bory inhaftiert wurde, wo er fünfzehn Monate verbrachte. Er berichtete von dieser Zeit ohne Pathos, aber mit tiefer Ernsthaftigkeit:
„Im Gefängnis begreift man, was es heißt, ohne Wahrheit zu leben. Und was es heißt, aus der Wahrheit zu leben.“
Der dominikanische Gebetsrhythmus, das stille Vertrauen auf Gott und die Solidarität unter den Gefangenen wurden zu seinem täglichen Brot.
Er wiederholte oft, daß die Diktatur nicht nur ein Übel gewesen sei, sondern auch ein Spiegel, in dem sichtbar wurde, wer in der Kirche standhaft blieb und wer nicht. Seine persönliche Erfahrung des Leidens ließ keine Verbitterung entstehen, sondern Hoffnung: die Überzeugung, daß Gott gerade dort wirkt, wo Regime versuchen, Seine Stimme zum Schweigen zu bringen.
Die feierlichen Exequien, die am vergangenen Samstag im Prager Dom begangen wurden und mehr als drei Stunden dauerten, krönten die letzte irdische Wegstrecke dieses Hirten, den selbst das tyrannische Regime nicht zu beugen vermochte. Die Schönheit der Liturgie, bereichert durch zahlreiche traditionelle Elemente, rief die Worte in Erinnerung, die der Kardinal selbst 2012 in seinem Gesprächsbuch ausgesprochen hatte. In Erinnerung an das Begräbnis von Otto von Habsburg im Wiener Stephansdom sagte er:
„Diese Liturgie ist keine Nostalgie nach der Vergangenheit, sondern Ausdruck des Verlangens nach der Tradition.“
Nach seiner Berufung auf den Veitsstuhls nahm er sich auch der Eigentumsfrage am Dom an, in dem heute eine monumentale Orgel vollendet wird – eine der größten Europas. Er betrachtete deren Bau als letzten Schritt zur endgültigen Vollendung jenes großen Gotteshauses, das das Gedächtnis der böhmischen Krone bewahrt – jenem Ort, an dem er selbst nun seine letzte Ruhe gefunden hat. Die Anwesenden konnten erstmals den Klang dieses Meisterwerks hören, als der Kardinal in die Krypta übergeführt wurde.
Um ihn auf diesem letzten Weg zu begleiten, erklang – seinem eigenen Wunsch entsprechend – das berühmte Va’ pensiero aus Verdis Nabucco, Sinnbild des menschlichen Verlangens nach Befreiung aus der Knechtschaft. Auch die in der Prager Kathedrale versammelten Gläubigen beteten, der Herr möge die Seele seines treuen Dieners, der einst Gefangener des Kommunismus war, befreien und ihn unter seinen Auserwählten in der Herrlichkeit des Himmels aufnehmen.
*Ľubomír Urbančok ist Priester der Erzdiözese Tyrnau. Er studierte Physik an der Karls-Universität in Prag, Philosophie an der Comenius-Universität in Preßburg sowie Theologie an der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz in Rom. Er wirkte nach der Priesterweihe in der Pfarrei Komorn und anschließend als Sekretär des Erzbischofs von Tyrnau. Derzeit studiert er Dogmatik am Angelicum in Rom. Er ist Kaplan der Vereinigung für den überlieferten Römischen Ritus in der Slowakei und betreibt die Internetseite oteclubomir.sk.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana

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