
In einem gestern von der Tagespost veröffentlichten Interview mit dem Apostolischen Nuntius in den baltischen Staaten, Erzbischof Georg Gänswein, der viele Jahre persönlicher Sekretär von Benedikt XVI. war, geht es auch um den überlieferten Römischen Ritus. Papst Leo XIV. kündigte in seinem ersten Interview an, mit Vertretern des überlieferten Ritus zusammentreffen und sie anhören zu wollen. Msgr. Gänswein wurde gefragt, ob „gut vier Jahre“ nach Traditionis custodes, die Zeit „reif dafür“ sei:
Erzbischof Gänswein: Die schmerzlichen innerkirchlichen Wunden, die „Traditiones custodes“ hinsichtlich der Feier des überlieferten römischen Ritus geschlagen hat, bedürfen einer dringenden Heilung. Nach Jahren der Einschränkungen bietet die in Aussicht gestellte päpstliche Initiative, Befürworter und Kritiker der überlieferten römischen Liturgie zusammen und ins Gespräch zu bringen, eine einmalige Möglichkeit, Feindbilder zu schleifen und gegenseitige Verwerfungen zu überwinden. Hier ist Papst Leo in seiner Hauptaufgabe als Pontifex, als Brückenbauer, gefragt und gefordert.
Interessanterweise betont Msgr. Gänswein, Papst Leo XIV. wolle „Befürworter und Kritiker zusammen und ins Gespräch bringen“. Die eigentliche Sensation der päpstlichen Ankündigung besteht eigentlich darin, daß Leo XIV. selbst bereit ist, die Befürworter des überlieferten Ritus anzuhören und damit das zu tun, was Franziskus herablassend verweigert hatte. Weder Benedikt XVI. noch Franziskus, wenn auch auf völlig konträre Weise, wählten den von Gänswein skizzierten Weg.
Kurz nach dem Tod von Benedikt XVI. sagte Msgr. Gänswein am 2. Januar 2023, auch damals gegenüber der Tagespost, daß den deutschen Papst das traditionsfeindliche Motu proprio traditionis custodes seines Nachfolgers Franziskus „geschmerzt“ habe.
Die Tagespost schob im neuen Interview gleich die Frage nach, ob es „Hoffnung“ gebe, daß „Benedikts Bemühungen um Aussöhnung mit den Lefebvriarner noch Früchte tragen“:
Erzbischof Gänswein: Die Aussöhnung mit den Lefebvrianern war ein Herzensanliegen von Kardinal Ratzinger, das er als Papst kräftig weiterverfolgt hat. Zunächst gab es Fortschritte, am Ende allerdings überwogen Mißtrauen und Vorbehalte der Piusbrüder. Die Bemühungen um Aussöhnung landeten in einer Sackgasse. Wie weit die Aussöhnung unter Papst Franziskus vorangekommen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Sachlich greifbar geworden ist jedoch nichts. Solange die substanziellen Lehrfragen ungeklärt bleiben, ist eine wirkliche Versöhnung in weiter Ferne.
Einleitung: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube (Screenshot)
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