Wie heute die israelische Tageszeitung Haaretz berichtet, wird Israels Staatspräsident Isaac Herzog am kommenden Donnerstag von Papst Leo XIV. in Audienz empfangen. Harretz berichtete unter der Überschrift: „Präsident Herzog trifft Papst Leo XIV. und den vatikanischen Staatssekretär“.
Haaretz ist die älteste, seit 1918 erscheinende Tageszeitung im heutigen Israel. Sie ist nicht die auflagenstärkste Zeitung des Landes, aber die international einflußreichste. In ihrer Ausrichtung ist sie dem linksliberalen Spektrum zuzuordnen.
Wörtlich schreibt Haaretz in ihrer heutigen Ausgabe:
„Präsident Isaac Herzog wird am Donnerstagmorgen zu einem eintägigen Besuch im Vatikan aufbrechen – auf Einladung des Papstes.
Während seines Besuchs wird der Präsident sowohl mit Papst Leo XIV. als auch mit dem vatikanischen Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin, zusammentreffen.
Im Mittelpunkt der Gespräche stehen die Bemühungen um die Freilassung der Geiseln, der weltweite Kampf gegen Antisemitismus sowie der Schutz christlicher Gemeinschaften im Nahen Osten. Darüber hinaus sollen auch weitere politische Themen erörtert werden.“
Der Heilige Stuhl bemüht sich seit Beginn des jüngsten israelisch-palästinensischen Konflikts um Vermittlung, insbesondere in der Frage der Geiselfreilassung.
Papst Leo XIV. wird Gelegenheit haben, Israels Staatsoberhaupt die katholische Position im Nahost-Konflikt zu vermitteln. Es darf angenommen werden, daß er auch die Frage des Status von Jerusalem ansprechen wird.
Unter seinem Vorgänger Franziskus gab es vorsichtige Zeichen einer Positionsänderung: Die Zwei-Staaten-Lösung gemäß UN-Teilungsplan von 1947 wurde 2022 in einem Aufsatz der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica, der vorab die Druckerlaubnis des Heiligen Stuhls erhalten hatte, zugunsten eines einheitlichen israelisch-palästinensischen Staates aufgegeben. Damit änderte sich noch nicht die offizielle Position des Heiligen Stuhls. Dennoch fand der Aufsatz internationale Aufmerksamkeit.
Die Folgen einer solchen Ein-Staaten-Lösung sind allerdings kaum abschätzbar. Sie würde sich einerseits mit Bestrebungen von Teilen der israelischen Staatsführung treffen, Groß-Israel errichten zu wollen. Andererseits wäre aufgrund der demographischen Frage unklar, ob in diesem gemeinsamen Staat die arabisch-muslimische Bevölkerung nicht in absehbarer Zeit die Bevölkerungsmehrheit stellen würde. Insgesamt würde sich die Frage des Zusammenlebens der beiden großen Gemeinschaften, der jüdisch-israelischen und der muslimisch-palästinensischen, stellen. Für den Papst hat zudem die kleinste der Gemeinschaften, die christliche, die oberste Priorität zu haben.
Siehe zum Thema auch: Ein „heiliges Land“ für Israelis und Palästinenser, für Juden, Moslems und Christen? Zur Nahostpolitik von Papst Franziskus.
Einstweilen dominiert im Heiligen Land grausame Gewalt. Damit verbunden sind eine Reihe indirekter Fragen, die aus einer regionalen eine internationale Frage machen. Das hat mit der weltweiten jüdischen Unterstützung des Zionismus zu tun, ebenso wie mit der, allerdings deutlich geringeren, Unterstützung der islamischen Welt für die muslimischen Araber des Landes (Palästinenser). Ein weiterer international relevanter Faktor, der nicht unerheblich zur allgemeinen Stimmungslage beiträgt, sind die christlichen Zionisten, eines der seltsamsten Phänomene der jüngeren Geschichte des Christentums. Ihre Entstehung als nennenswertes Phänomen geht erst auf die Zeit nach dem Sechstagekrieg von 1967 zurück.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
