So erlebe ich als Priester die Selbstauflösung der Kirche

Brief aus Genua


Das Modell ist nördlich der Alpen wohlbekannt: Wie Pfarreiverbände und Synodaler Weg die Rest-Kirche zersetzen, schildert ein Priester der Erzdiözese Genua.
Das Modell ist nördlich der Alpen wohlbekannt: Wie Pfarreiverbände und Synodaler Weg die Rest-Kirche zersetzen, schildert ein Priester der Erzdiözese Genua.

Ein Prie­ster des Erz­bis­tums Genua, die seit 2020 von dem berg­o­glia­ni­schen Mino­ri­ten Msgr. Mar­co Tas­ca gelei­tet wird, wand­te sich mit einem Brief an Aldo Maria Val­li, den ehe­ma­li­gen Lei­ter der Reli­gi­ons­ab­tei­lung der ita­lie­ni­schen Fern­seh­an­stalt RAI, der ihn auf sei­nem Blog Duc in alt­um ver­öf­fent­lich­te. Da die Schil­de­rung nicht nur die Diö­ze­se Genua betrifft, legen wir das Schrei­ben auch in deut­scher Über­set­zung vor:

So erlebe ich als Priester die Selbstauflösung der Kirche

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Ich bin Prie­ster der Diö­ze­se Genua. Da Duc in alt­um bereits mehr­fach Auf­merk­sam­keit für unse­re Situa­ti­on gezeigt hat, füh­le ich mich ermu­tigt, eini­ge Über­le­gun­gen mit Ihnen und Ihren Lesern zu teilen.

Seit Jah­ren erle­ben wir den regel­rech­ten Abbau unse­rer Diö­ze­se, beson­ders seit Juli vor fünf Jah­ren, als Pater Mar­co Tas­ca – zuvor Gene­ral­mi­ni­ster des Ordens der Fran­zis­ka­ner-Kon­ven­tua­len – zum Bischof ernannt wurde.

Natür­lich war die Diö­ze­se schon zuvor von der all­ge­mei­nen Kri­se betrof­fen, die die gesam­te Welt­kir­che durch­zieht. Doch seit­her sind wir auf dem Weg der Selbst­auf­lö­sung, beglei­tet von einer tief­grei­fen­den Umwand­lung aller diö­ze­sa­nen Strukturen.

Der Bischof hat sich ein Umfeld enger Mit­ar­bei­ter geschaf­fen – aus den Pfar­rei­en abge­zo­gen – den soge­nann­ten magi­schen Zir­kel, mit dem er seit­her arbeitet.

Zen­trum die­ses Kur­ses ist der Syn­oda­le Weg. Eine Grup­pe von Lai­en wur­de ins Leben geru­fen, die zuneh­mend das Sagen hat. Es han­delt sich um Men­schen mit hohem sozia­lem und kul­tu­rel­lem Sta­tus – Uni­ver­si­täts­pro­fes­so­ren, Anwäl­te, Ver­tre­ter der fei­nen Genue­ser Gesell­schaft –, größ­ten­teils Ex-68er mit ultra­pro­gres­si­ver Gesin­nung. Ihre The­men sind die typi­schen Paro­len des kirch­li­chen Main­streams: mehr Raum für Lai­en, Mar­gi­na­li­sie­rung der Prie­ster und der Sakra­men­te, eine „hören­de Kir­che“, eine „Kir­che der Armen“ sowie femi­ni­sti­sche und que­e­re For­de­run­gen. Und das alles mit dem Para­dox, daß die­se Leu­te stän­dig von den Armen spre­chen, selbst aber wohl­ha­bend sind und abge­schie­den in den noblen Vier­teln der Stadt leben.

Bischof und Syn­od­al­team ver­fol­gen ein neu­es Modell der „Für­sor­ge“ für die Pfar­rei­en, bei dem Lai­en immer stär­ker in den Vor­der­grund tre­ten – bis hin zur fak­ti­schen Erset­zung des Prie­sters. Das geschieht nicht etwa nur in admi­ni­stra­ti­ven Din­gen (wo Hil­fe wirk­lich will­kom­men wäre), son­dern in der all­täg­li­chen Lei­tung und sogar in der Lit­ur­gie. Das Modell heißt „Pfarr­ge­mein­schaf­ten“, betreut von einem Prie­ster zusam­men mit einem „Team“.

In letz­ter Zeit wur­den eini­ge Pfar­rer zu „Mode­ra­to­ren“ ernannt – ein Titel, den das Kir­chen­recht gar nicht kennt – und ihnen meh­re­re, teils weit aus­ein­an­der­lie­gen­de Pfar­rei­en über­tra­gen. Das geschieht nicht in erster Linie wegen Prie­ster­man­gels, son­dern um das Prie­ster­tum bewußt umzu­deu­ten und Lai­en die Macht zu geben.

Ein beson­ders deut­li­ches Bei­spiel ist die Ernen­nung eines jun­gen Prie­sters zu sei­nem ersten Pfarr­amt in der Val Bisag­no: Als „Mode­ra­tor“ betreut er nicht eine, son­dern gleich vier Pfar­rei­en – obwohl es durch­aus genü­gend Prie­ster gäbe. Doch das Ziel ist klar: Lai­en sol­len künf­tig die Pfar­rei­en lei­ten. Sein Vor­gän­ger hat­te sich gegen die­ses System gestellt.

Wer sich dem wider­setzt, wird aus­ge­grenzt. Wer mit­macht, ver­liert sei­ne prie­ster­li­che Iden­ti­tät als Hir­te der Gemein­de. Das Amt des Leh­rens und Hei­li­gens wird aus­ge­höhlt. Die Sen­dung der Kir­che und die Beru­fung des Prie­sters ver­schwim­men. Statt­des­sen wird gebets­müh­len­ar­tig wie­der­holt: „Gemein­sam gehen“, „Bes­ser Unrecht haben, als die Bezie­hung ver­lie­ren“ – lau­ter gefühls­du­se­li­ge Phrasen.

Die Beru­fungs­pa­sto­ral ist fak­tisch tot. Das Prie­ster­se­mi­nar – des­sen Rek­tor gern T‑Shirts mit Che-Gue­va­ra-Auf­druck trägt – ist am Tief­punkt ange­kom­men. Es herr­schen dort unzäh­li­ge sozia­le Expe­ri­men­te. Kein Gebet, kei­ne Früchte.

Kürz­lich fand ein Fort­bil­dungs­tag für die Kurie statt, gelei­tet vom Syn­od­al­team, in dem meh­re­re Frau­en laut­stark mehr Raum und Bedeu­tung für sich und die Lai­en for­der­ten. Eini­ge gehö­ren zu einer femi­ni­sti­schen Bewe­gung, die unrecht­mä­ßi­ge Lit­ur­gien ver­an­stal­tet – mit einem Prie­ster als „Vor­sit­zen­dem“, wäh­rend die Frau­en alles lei­ten. Eine ideo­lo­gisch auf­ge­la­de­ne Visi­on, die mit dem Evan­ge­li­um nichts zu tun hat.

Und dann gibt es noch die unver­meid­li­chen Vigi­li­en gegen „Homo- und Trans­pho­bie“, bei denen Prie­ster und bischöf­li­che Vika­re mit­wir­ken. Dort redet man end­los von Inklu­si­on – aller­dings nicht, um die Men­schen zur Bekeh­rung zu füh­ren, son­dern um die Sün­de zu legitimieren.

Natür­lich haben Lai­en mit christ­li­chem Geist seit jeher in den Pfar­rei­en mit­ge­wirkt. Doch nun domi­nie­ren radi­kal-schicke Eli­ten, die in Papst Fran­zis­kus ihren Vor­den­ker sehen.

Wenn die­se „auf­ge­klär­ten“ Vor­rei­ter vom „Prot­ago­nis­mus der Lai­en“ spre­chen, tun sie so, als hät­ten Lai­en frü­her kei­ne Rol­le gespielt. Dabei ist ihre gan­ze Sicht­wei­se ideo­lo­gisch – nicht evangeliumstreu.

In die­ser Lage sind vie­le Prie­ster zutiefst ent­mu­tigt. Sie leben in einer diö­ze­sa­nen Rea­li­tät, die nichts mehr mit dem Wesen des Prie­sters und dem Wei­he­sa­kra­ment zu tun hat. Ein sehr begab­ter Prie­ster, der kürz­lich ver­setzt wur­de, gestand mir sein gan­zes Unbe­ha­gen: Er will Prie­ster sein – nicht „Mode­ra­tor“, nicht Koor­di­na­tor eines Teams wie in einem Unternehmen!

Was wir erle­ben, ist eine Ver­fäl­schung des Glau­bens durch die Pasto­ral: Nicht mehr die Ret­tung der See­len steht im Zen­trum, nicht mehr das Ver­lan­gen, Chri­stus zu brin­gen, son­dern ein poli­tisch kor­rek­tes Sozi­al­pro­gramm, wie es genau­so gut vom lin­ken Par­tei­spek­trum kom­men könn­te: Öko­lo­gis­mus, Gen­der-Gleich­heit, Inklu­si­on, Dia­log… Und so ver­flüch­tigt sich das Chri­sten­tum – und stirbt.

Das Pon­ti­fi­kat von Papst Leo XIV. hat bis­her kei­ne Wen­de gebracht. Man fährt fort mit den­sel­ben Schlag­wor­ten – blind für die Dra­ma­tik der Lage.

Eini­ge von uns ver­su­chen noch, katho­lisch zu blei­ben, aber das Gefühl ist: Wir sind am Limit angekommen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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