„Heute bin ich sehr traurig, weil in dem Land, in dem die Jungfrau Maria erschienen ist, ein Gesetz zur Tötung erlassen wird, ein weiterer Schritt in der langen Liste der Länder mit Euthanasie.“
Mit diesen Worten kommentierte Papst Franziskus am 13. Mai in der Aula Paul VI. vor den Teilnehmern der Generalversammlung der Unión Mundial de Organizaciones Femeninas Católicas (UMOFC) die Nachricht, daß das portugiesische Parlament am Vortag mit absoluter Mehrheit für das Gesetz zur Euthanasie-Legalisierung gestimmt hatte.
Die Portugiesische Bischofskonferenz, die seit 2020 vom derzeitigen Bischof von Leiria-Fatima, Monsignore José Ornelas Carvalho, geleitet wird, hatte sich bereits in der Vergangenheit gegen den staatlich legitimierten Selbstmord auf Kosten der Allgemeinheit von „Menschen in großem Leid und mit unheilbaren Krankheiten“ ausgesprochen und die Pflicht bekräftigt, unschuldige Menschenleben auch im Moment des natürlichen Verfalls und der schwersten Krankheit zu schützen. In den vergangenen zwei Jahren wurde das Euthanasiegesetz nicht weniger als viermal hintereinander verabschiedet, wobei es dreimal von Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa wegen Textunklarheiten abgelehnt und an den Verfassungsgerichtshof weitergeleitet wurde. Nun aber ist der Staatschef aufgrund einer ausdrücklichen Bestimmung der Verfassung verpflichtet, das Gesetz innerhalb von acht Tagen nach seiner Verabschiedung zu unterzeichnen, ohne daß er erneut ein Veto einlegen kann.
In einer christlichen Lesart der Geschichte läßt es einen sicherlich nicht gleichgültig, daß die mit absoluter Mehrheit regierende Sozialistische Partei Lusitaniens unter der Führung von Antonio Costa ausgerechnet am Vorabend des Gedenkens an die im Heiligtum Cova da Iria verehrte Jungfrau das Gesetz zur Entkriminalisierung der Euthanasie verabschieden wollte. Bei den jüngsten Parlamentswahlen 2022 erzielte der Partido Socialista eine „bulgarische Mehrheit“ von 41 Prozent der Stimmen, mit denen er jedoch 52 Prozent der Parlamentssitze erhielt.
Neben den SP-Abgeordneten haben auch die Marxisten vom Linksblock BE, die Liberale Initiative, die ökosozialistische Bewegung PAN und die linksgrüne Partei Livre das Euthanasiegesetz unterstützt. Diese Parteien zusammen erzielten im Vorjahr 53,5 Prozent der Wählerstimmen. Auch sieben Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei (PSD) der bürgerlichen Volkspartei, deren Vorsitzender das amtierende Staatsoberhaupt von 1996 bis 1999 war, trugen zur endgültigen Verabschiedung des Gesetzes bei, die mit 129 Ja-Stimmen gegen 81 Nein-Stimmen und einer Enthaltung (vom PSD) erfolgte. Geschlossen gegen das Gesetz stimmte die rechtsgerichtete Oppositionspartei Chega! (Genug!), deren Vorsitzender André Ventura sich bereits in der Vergangenheit gegen das Gesetz ausgesprochen hatte.
Das soeben verabschiedete Gesetz sieht die Entkriminalisierung der Beihilfe zum Selbstmord für volljährige, einsichtsfähige und willensstarke Personen vor, die an Krankheiten oder Verletzungen leiden, „die auf eine schwere und unheilbare Krankheit oder eine endgültige Verletzung von extremer Schwere, großer Intensität, anhaltend, kontinuierlich oder dauerhaft zurückzuführen sind und von der Person selbst als unerträglich angesehen werden“. Das Gesetz sieht außerdem vor, daß ab dem Zeitpunkt, an dem ein Antrag auf Selbstmord gestellt wird, mindestens zwei Monate vergehen müssen, in denen eine Nachbeobachtungsphase über den psychischen Zustand der Person obligatorisch ist.
Die Beihilfe zum Selbstmord ist nur dann zulässig, wenn der Antragsteller körperlich nicht in der Lage ist, sich das tödliche Medikament zu verabreichen (der Unterschied zwischen Beihilfe zum Suizid und Euthanasie besteht darin, daß sich im ersten Fall der Patient das „tödliche Medikament“ selbst verabreicht, während im zweiten Fall die Intervention eines „Arztes“ erforderlich ist). Wohin das führt, zeigt allerdings die Euthanasiegesetzgebung in Holland und Belgien.
In diesem Zusammenhang hatte Präsident Rebelo de Sousa in der Vergangenheit auch gefordert, daß festgelegt werden sollte, wer die körperliche Unfähigkeit des Patienten zur Ausübung der Beihilfe zum Selbstmord bescheinigen sollte, aber die gewünschte Änderung wurde nicht akzeptiert und nicht in den Text des soeben verabschiedeten Gesetzes aufgenommen, was einen Konflikt zwischen zwei Verfassungsorgangen bedeutet, was bisher aber kaum Beachtung fand. Das Gesetz ermöglicht den Zugang zur Sterbehilfe nur für Personen mit Wohnsitz in Portugal, nicht aber für Ausländer.
Text: Andreas Becker
Bild: Wikicommons