Papstvertrauter will „Freiheit“ statt Kardinalswürde

Die seltsame Gedankenwelt eines römischen Prälaten


Vincenzo Paglia will Freiheit statt Kardinalswürde. Das seltsame Denken eines engen Papstvertrauten
Vincenzo Paglia will Freiheit statt Kardinalswürde. Das seltsame Denken eines engen Papstvertrauten

Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia, ein enger Papst­ver­trau­ter, ist für „selt­sa­me“ Aus­füh­run­gen bekannt, um es euphe­mi­stisch zu sagen. In Rom nennt man die­se, in Anspie­lung an sei­nen Fami­li­en­na­men, „Pagli­ac­cia­te“, was soviel wie „Blöd­sinn“ oder „Nar­ren­pos­se“ meint. Die jüng­ste Pagli­ac­cia­ta, ein Inter­view im Cor­rie­re del­la Sera vom 27. August, ist für die Welt­kir­che immer­hin denk­bar harm­los aus­ge­fal­len, wirft jedoch ein bezeich­nen­des Licht auf die Per­sön­lich­keit des ersten geist­li­chen Gene­ral­as­si­sten­ten der Gemein­schaft von Sant’Egidio.

Erster Generalassistent der Gemeinschaft von Sant’Egidio

Anzei­ge

Obwohl die 1968 in Rom gegrün­de­te Gemein­schaft von Sant’Egidio ziem­lich anders gewickelt ist, ach­te­te sie stets auf ein Nahe­ver­hält­nis zum jeweils regie­ren­den Papst, was ihr auch in der in pro­gres­si­ven Krei­sen ver­pön­ten „restau­ra­ti­ven Pha­se“ von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. Auf­stiegs- und Aus­brei­tungs­mög­lich­kei­ten sicher­te. Kon­kret bedeu­te­te das vor allem die Eta­blie­rung einer Par­al­lel­di­plo­ma­tie auf inter­na­tio­na­lem Feld.

Paglia, 1970 zum Prie­ster geweiht und erster geist­li­cher Assi­stent die­ser Gemein­schaft, hat­te als Initia­tor und Pro­mo­tor erheb­li­chen Ein­fluß auf deren höchst umstrit­te­nes erstes Welt­ge­bets­tref­fen für den Frie­den in Assi­si im Jahr 1986. Die damit ver­bun­de­nen Kir­chen­schän­dun­gen und Syn­kre­tis­mus-Vor­wür­fe hat­ten zu einer gewis­sen Abküh­lung zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und der Gemein­schaft geführt, wie es all­ge­mein heißt. Paglia selbst sieht das ganz anders, wie er in dem neu­en Inter­view enthüllte.

Den­noch wur­de schließ­lich spät, aber doch auch die Gemein­schaft von San­t’E­gi­dio im Hei­li­gen Jahr 2000 mit einer Bischofs­er­nen­nung belohnt. Die Wahl fiel auf ihren höch­sten geist­li­chen Expo­nen­ten Vin­cen­zo Paglia, der die Bischofs­wür­de der eher unbe­deu­ten­den umbri­schen Diö­ze­se Ter­ni erhielt. Das war kei­ne „gro­ße“ Aus­zeich­nung, aber doch das von der Gemein­schaft erhoff­te Zei­chen des Wohlwollens.

Der Schuldenberg und das Jüngste (Homo-) Gericht

In Ter­ni hin­ter­ließ Msgr. Paglia nicht nur ein ziem­li­ches Durch­ein­an­der in den Finan­zen und einen veri­ta­blen Schul­den­berg, son­dern in der Kathe­dra­le auch die rie­si­ge Wand­ma­le­rei eines homo­ero­ti­schen Jüng­sten Gerichts. Mit der Aus­füh­rung hat­te Paglia inter­es­san­ter­wei­se den argen­ti­ni­schen Künst­ler Ricar­do Cinal­li beauf­tragt, der, selbst homo­se­xu­ell, in einem Video zu sei­nem „Jüng­sten Gericht“ von Ter­ni erklär­te, daß es zum Aus­druck brin­ge, daß „Schwu­le und Trans­se­xu­el­le geret­tet wer­den“. Cinal­li und sein Auf­trag­ge­ber Paglia nah­men im Jahr 2007, dem Ent­ste­hungs­jahr der Wand­ma­le­rei, die Homo-Agen­da von Papst Fran­zis­kus vorweg.

In dem am Diens­tag ver­öf­fent­lich­ten Inter­view sagt Paglia, daß sei­ne erste Begeg­nung mit Jor­ge Mario Berg­o­glio bereits „lan­ge bevor er Papst wur­de, in Valen­cia“ statt­ge­fun­den habe.

„Zudem wuß­te ich von ihm durch die Tref­fen mit der Gemein­schaft von Sant’Egidio in Bue­nos Aires, wohin sich auch Don Matteo Zup­pi oft begab. Bereits damals sahen wir in ihm den Aus­druck einer neu­en Visi­on der Kir­che. Eine arme Kir­che mit den Armen.“

Don Matteo Zup­pi folg­te 2000 Paglia als Gene­ral­as­si­stent der Gemein­schaft von San­t’E­gi­dio nach und ist heu­te durch Papst Fran­zis­kus Kar­di­nal und Erz­bi­schof von Bologna.

2012 wur­de Paglia, als es eng wur­de, als Bischof von Ter­ni abge­zo­gen und dank sei­ner guten Kon­tak­te als Vor­sit­zen­der des Päpst­li­chen Fami­li­en­rats an die Römi­sche Kurie beru­fen. Mit die­ser Ret­tungs­ak­ti­on und dem Orts­wech­sel war auch die Beför­de­rung zum Erz­bi­schof ver­bun­den. Kurz­um: Paglia, der drauf und dran war, zu stür­zen, fiel recht­zei­tig nach oben. Wie es dazu kom­men konn­te, dar­über wird bis heu­te gerät­selt. Paglia wur­de der katho­li­schen Kir­che und Bene­dikt XVI. weni­ge Mona­te vor des­sen über­ra­schen­dem Amts­ver­zicht wie ein Kuckucks­ei ins Nest gelegt. Für die 35 Mil­lio­nen Ter­ni-Schul­den muß­ten die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz und die Vatik­an­bank IOR aufkommen.

Die neue Morallehre und ihre „Propheten“

Doch gleich die erste Pres­se­kon­fe­renz des neu­en vati­ka­ni­schen „Fami­li­en­mi­ni­sters“ unter dem Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus wur­de zum Skan­dal, weil er sich für die Plä­ne der dama­li­gen links­li­be­ra­len ita­lie­ni­schen Regie­rung zur Ein­füh­rung ein­ge­tra­ge­ner Homo-Part­ner­schaf­ten aus­sprach. Doch anstatt einer Ermah­nung gab es für Paglia nun kein Hal­ten mehr.

Papst Fran­zis­kus erkann­te in Msgr. Paglia den Mann, der Son­der­auf­trä­ge wunsch­ge­mäß ausführt

Nach­dem Kar­di­nal Wal­ter Kas­per im Febru­ar 2014 vor dem ver­sam­mel­ten Kar­di­nals­kol­le­gi­um im Auf­trag des neu­en Pap­stes die Aner­ken­nung von Schei­dung und Zweit­ehe hat­te pro­pa­gie­ren kön­nen, leg­te Paglia eif­rig nach, indem er im Umkehr­schluß erklär­te, die Kir­che habe mit ihrer Ehe- und Moral­leh­re zwei­tau­send Jah­re lang die Men­schen drangsaliert.

Im Mai 2015 nahm Msgr. Paglia dann am Geheim­tref­fen der Kas­pe­ria­ner an der römi­schen Jesui­ten­uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na teil, um die zwei­te Fami­li­en­syn­ode vor­zu­be­rei­ten und den ange­streb­ten Erfolg zu sichern, der in der umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Erklä­rung Amo­ris lae­ti­tia zum Aus­druck kommt. Als Syn­oda­le fiel Paglia bei die­ser Syn­ode prompt mit homo­phi­len Aus­sa­gen auf.

Die Sonderaufträge, die brachial ausgeführt wurden

Paglia war jedoch etwas zu frei­mü­tig mit den Medi­en, um wirk­lich die gro­ße Gunst von Fran­zis­kus zu erlan­gen. Die­ser erkann­te aller­dings Pagli­as „Fähig­kei­ten“, bestimm­te heik­le Auf­trä­ge zu erle­di­gen. Als neu­en Stern der Gemein­schaft von Sant’Egidio zog Fran­zis­kus ihm jedoch Pagli­as Nach­fol­ger als Gene­ral­as­si­stent von San­t’E­gi­dio Msgr. Matteo Zup­pi vor, den er zum Erz­bi­schof von Bolo­gna ernann­te, zum Kar­di­nal kre­ierte und zum Vor­sit­zen­den der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz beförderte.

Einen Son­der­auf­trag erhielt Paglia am 15. August 2016, als ihn Fran­zis­kus zum Prä­si­den­ten der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben und zum Groß­kanz­ler des Päpst­li­chen Insti­tuts Johan­nes Paul II. für Stu­di­en über die Ehe und die Fami­lie ernann­te. Die Über­ra­schung war nicht nur groß, son­dern wur­de schnell zum regel­rech­ten Schock. Fran­zis­kus hat­te aus­ge­rech­net Paglia die­se bei­den zen­tra­len Insti­tu­tio­nen des Pon­ti­fi­kats von Johan­nes Paul II. zur Ver­tei­di­gung des Lebens, der Ehe und der Fami­lie über­ant­wor­tet. Der Auf­trag an Paglia lau­te­te, die­se Ein­rich­tun­gen, die die neue Agen­da stör­ten, auf Berg­o­glio-Kurs zu brin­gen. Das tat Paglia eben­so wunsch­ge­mäß wie brachial.

Bei­de Insti­tu­tio­nen wur­den regel­recht eli­mi­niert und als berg­o­glia­nisch gewan­de­te Ein­rich­tun­gen neu gegrün­det. Alle Aka­de­mie­mit­glie­der, obwohl auf Lebens­zeit ernannt, wur­den von Paglia vor die Tür gesetzt und der Direk­tor des Päpst­li­chen Insti­tuts von Paglia ent­las­sen. Damit wur­de der inner­ku­ria­le Wider­stand gegen die Anpas­sung der Kir­che an die Welt, wie er sich noch wäh­rend der bei­den Fami­li­en­syn­oden gezeigt hat­te, im Bereich des Lebens­rechts und von Ehe und Fami­lie gebro­chen. Schließ­lich hat­te Fran­zis­kus gleich in sei­nem ersten Inter­view nach der Papst­wahl erklärt, daß für ihn die „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te“ nicht von Bedeu­tung seien.

Die Neomalthusianer im Vatikan und ein „ganz Großer“

Zu den sicht­bar­sten Fol­gen gehört, daß seit­her auch Neo­mal­thu­sia­ner Zugang zum Vati­kan haben, ob Abtrei­bungs- oder Eutha­na­sie­be­für­wor­ter oder Über­be­völ­ke­rungs­ideo­lo­gen. Als Fran­zis­kus die Schwe­re der Abtrei­bung als Sün­de zurück­stuf­te und die Abso­lu­ti­on davon jedem Prie­ster ermög­lich­te, fand Paglia, obwohl for­mal ober­ster Lebens­schüt­zer der Kir­che, kein Wort des Wider­spruchs. Im Gegen­teil. Von einer ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung gefragt, ob Fran­zis­kus in naher Zukunft auch for­mal die mit der Abtrei­bung ver­bun­de­ne Tat­stra­fe der Exkom­mu­ni­ka­ti­on auf­he­ben wer­de, gab sich Paglia im Novem­ber 2016 pro­ba­bi­li­stisch, denn es sei „nicht ver­wun­der­lich“, wenn „der Fort­schritt des Lebens […] zu einem Aggior­na­men­to des Kir­chen­rechts“ füh­ren würde.

Am 17. Febru­ar 2017 nahm Paglia als Kir­chen­ver­tre­ter an der post­hu­men Vor­stel­lung der Auto­bio­gra­phie des homo­se­xu­el­len, radi­ka­len Kir­chen­geg­ners und Abtrei­bungs­be­für­wor­ters Mar­co Pan­nella teil. Des­sen Radi­ka­le Par­tei mit besten Kon­tak­ten zu den Bil­der­ber­gern wur­de von der Fami­lie des Stuhl­mei­sters der omi­nö­sen Frei­mau­rer­lo­ge P2 gespon­sert, eben­so seit den 90er Jah­ren von Geor­ge Sor­os. Anders gesagt: Pan­nella war ein Mann mit enger Ver­bin­dung zur Frei­mau­re­rei. Paglia rühm­te ihn als „ganz Gro­ßen“. Auch dar­in folg­te er Papst Fran­zis­kus (oder die­ser ihm?), indem er sich die­sem gänz­lich unan­ge­mes­se­nen Lob anschloß. Die dar­auf fol­gen­den Rück­tritts­for­de­run­gen an Paglia muß­ten daher zwangs­läu­fig im Sand verlaufen.

Msgr. Vin­cen­zo Paglia mit dem Kir­chen­geg­ner Mar­co Pan­nella, der zusam­men mit Euge­nio Scal­fa­ri die Radi­ka­le Par­tei gegrün­det hatte. 

Apropos Freimaurerei

Apro­pos Frei­mau­re­rei: Die Hin­wei­se zu Quer­ver­bin­dun­gen sind zahl­reich. Das beginnt bei den inhalt­li­chen Posi­tio­nen und reicht über den erstaun­li­chen Hand­lungs­spiel­raum die­ses römi­schen Prä­la­ten, als sei er „unan­tast­bar“, bis zu beson­de­ren Auf­merk­sam­kei­ten, die ihm zuteil wur­den. Eine sol­che war eine mit außer­or­dent­lich viel Lob gesät­tig­te Buch­be­spre­chung, die kein Gerin­ge­rer als Euge­nio Scal­fa­ri, der Doy­en des ita­lie­ni­schen Links­jour­na­lis­mus und Papst­freund, im Herbst 2017 dem damals ver­öf­fent­lich­ten Buch Pagli­as wid­me­te. Dabei wuß­te Scal­fa­ri Erstaun­li­ches zu berichten:

„Papst Fran­zis­kus – ich wie­der­ho­le es – hat die Orte einer ewi­gen Wohn­statt der See­len im Jen­seits abge­schafft. Die von ihm ver­tre­te­ne The­se ist, daß die vom Bösen beherrsch­ten und nicht reu­igen See­len auf­hö­ren zu exi­stie­ren, wäh­rend jene, die sich vom Bösen befreit haben, in die Selig­keit auf­ge­nom­men wer­den, wo sie Gott schau­en.
Das ist die The­se von Fran­zis­kus und auch von Paglia. Hier füge ich eine Anmer­kung ein: Das Jüng­ste Gericht, das zur Tra­di­ti­on der Kir­che gehört, wird sinn­los. Die See­len, die das Böse gewählt und prak­ti­ziert haben, ver­schwin­den und das Jüng­ste Gericht bleibt eine blo­ße Vor­la­ge für groß­ar­ti­ge Bil­der der Kunstgeschichte.“

Oder für die Homo-Pro­pa­gan­da, wie sie Paglia in der Kathe­dra­le von Ter­ni den Gläu­bi­gen auf das Auge gedrückt hatte.

Der Papst­freund Euge­nio Scal­fa­ri (1924–2022), der aus einer alten Frei­mau­rer­dy­na­stie stamm­te und dies auch stolz beton­te, erhob in sei­ner Buch­be­spre­chung den Anspruch, den „Kern der Bot­schaft“ Pagli­as (und von Fran­zis­kus) her­aus­zu­strei­chen, so wie er ihn aus dem Buch erkann­te. Scal­fa­ris Aus­füh­run­gen soll­ten daher im Wort­laut nach­ge­le­sen werden:

„Ich wer­de den Kern des Gedan­kens zitie­ren, den der Autor in den ersten Sei­ten des Buches zum Aus­druck bringt: ‚Wenn es einer­seits stimmt, daß der Mensch des 21. Jahr­hun­derts sich frei­er füh­len kann, ist er heu­te aber sicher auch mehr allein, gekrümmt unter dem Gewicht einer unsicht­ba­ren und den­noch sehr schwe­ren Last. Da ist das Ich, erfüllt von sei­ner vor­han­de­nen Kom­pe­tenz. Er fühlt sich ein­zig­ar­tig. Alles muß sich um ihn dre­hen. Das Indi­vi­du­um fühlt sich gezwun­gen, träu­men, ent­schei­den, wol­len und neu erfin­den zu müs­sen‘. Und er schließt, indem er die Wor­te eines sei­ner Kol­le­gen von höch­stem intel­lek­tu­el­lem Niveau zitiert, der inzwi­schen lei­der nicht mehr ist: Car­lo Maria Mar­ti­ni. Die­se Wor­te wur­den von ihm 2003 gespro­chen. Das sind sie: ‚Ihr moder­nen Huma­ni­sten, die ihr gegen die Tran­szen­denz der höhe­ren Din­ge seid, müßt unse­ren neu­en Huma­nis­mus aner­ken­nen. Auch wir, wir mehr als alle, sind För­de­rer des Men­schen. Wir wol­len eine gemein­sa­me Sicht­wei­se und einen gemein­sa­men Ein­satz zwi­schen Gläu­bi­gen und Nicht-Gläu­bi­gen begün­sti­gen, um gemein­sam den gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit begeg­nen zu können.‘

Ich erlau­be mir an die­ser Stel­le dar­an zu erin­nern, was der Papst und ich uns zu die­sem The­ma bei einer unse­rer Begeg­nun­gen sag­ten, bei denen wir Freun­de wur­den. Wir betrach­te­ten sei­nen Ein­satz für eine moder­ne Kir­che, die sich mit der lai­zi­sti­schen Moder­ne zu ver­stän­di­gen weiß. ‚Hei­lig­keit‘, sag­te ich, ‚berück­sich­ti­gen Sie, daß wir nicht an die abso­lu­te Wahr­heit glau­ben. Wir sind Rela­ti­vi­sten, wie es die Kul­tur der Auf­klä­rung uns gelehrt hat. Ihr Katho­li­ken glaubt hin­ge­gen an das Abso­lu­te.‘ ‚Das stimmt‘, ant­wor­te­te der Papst, ‚wir Gläu­bi­ge glau­ben alle an das Abso­lu­te, was die von Gott aus­ge­hen­de Wahr­heit betrifft. Unser ein­zi­ger Gott reprä­sen­tiert für uns das Absolute.‘

An die­ser Stel­le unse­res Gesprächs frag­te ich ihn, wie eine Begeg­nung mit der Moder­ne mög­lich sein könn­te, und das war sei­ne Ant­wort: ‚Wir Gläu­bi­ge und natür­lich vor allem wir Prie­ster und wir Bischö­fe glau­ben an das Abso­lu­te, aber jeder auf sei­ne Wei­se, weil jeder sei­nen eige­nen Kopf hat und sein eige­nes Den­ken. Unse­re abso­lu­te Wahr­heit also, die wir alle tei­len, ist von Mensch zu Mensch ver­schie­den. Wir ver­mei­den daher Dis­kus­sio­nen nicht, wenn wir unser unter­schied­li­ches Den­ken ver­glei­chen. Eine Art von Rela­ti­vis­mus gibt es also auch unter uns.‘ Das war die Ant­wort von Papst Fran­zis­kus, die natür­lich am häu­fig­sten von Paglia in sei­nem Buch zitiert wird.

An die­ser Stel­le glau­be ich die The­men auf­li­sten zu sol­len, die der Autor in sei­nem Buch behan­delt. Es sind fol­gen­de: die Armen, die Ungleich­heit, einer, du, wir, Papst Fran­zis­kus, Rela­ti­vis­mus und Abso­lu­tes, Moder­ne, der ein­zi­ge Gott, Gesell­schaft, Jesus und der Sama­ri­ter, die Fami­lie, die Jugend, Gott und Lie­be, die Brü­der­lich­keit, die Zahl der Wider­sprü­che, der Huma­nis­mus, der Näch­ste, das Wort.

Die­se The­men sind unter­ein­an­der ver­wo­ben, und dar­in liegt der Wert des Buches. Zum Bei­spiel die Frei­heit: Sie ist eine für alles und für alle not­wen­di­ge Bedin­gung, aber ver­wirk­licht zugleich auch den Tri­umph der Indi­vi­dua­li­tät. Paglia schreibt dazu: ‚Das Ich ist allein geblie­ben, viel­mehr das ein­zi­ge. Der Indi­vi­dua­lis­mus, der Ego­is­mus, die Selbst­ver­wirk­li­chung und das Stre­ben nach einem pri­va­ten Glück erin­nern an den anti­ken Mythos des Nar­zis­ses. Das nar­ziß­ti­sche Indi­vi­du­um hat die Sze­ne­rie über­nom­men.‘ Das ist ein Pro­blem, das sich direkt mit jenem der Armen ver­knüpft. Der Nar­ziß­mus schließt fak­tisch die Beach­tung des Näch­sten aus, außer der Näch­ste ist vom Nar­ziß bezau­bert und stellt sich in des­sen Dienst. Häu­fig ist es das, was von Mon­tai­gnes Freund, Eti­en­ne de la Boé­tie, als ‚frei­wil­li­ge Dienst­bar­keit‘ beschreibt, das auto­ri­tä­re Regime oder sogar tyran­ni­sche Dik­ta­tu­ren her­vor­bringt. Die anti­ke und moder­ne Geschich­te ist lei­der voll von sol­chen Fäl­len: Frei­heit, Nar­ziß­mus, Gebrauch des sou­ve­rä­nen Vol­kes als wert­vol­les Instru­ment, das die­se Sou­ve­rä­ni­tät in eine frei­wil­li­ge Unter­wür­fig­keit ver­wan­delt, die durch die Dem­ago­gie erreicht wird und die Dik­ta­tur zur Fol­ge hat. Das sind Mecha­nis­men, die sehr häu­fig funk­tio­niert haben und nicht nur Ego­is­mus, son­dern Haß und Krieg her­vor­ge­bracht haben. Der Wil­le zur Macht wird zum cha­rak­te­ri­sti­schen Zug der Geschich­te. Die Abhil­fe wäre, die bei­den gro­ßen Wer­te der Frei­heit und der Gerech­tig­keit zusam­men­zu­hal­ten. Frei­heit und Gleich­heit. Erin­nert Ihr Euch an die ursprüng­li­chen Wer­te der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on von 1789? Erin­nert Euch an die drei­far­bi­ge Fah­ne und an die Bedeu­tung die­ses Sym­bols des libe­ra­len Euro­pas: ‚Liber­té, Ega­li­té, Fra­ter­ni­té‘. Nicht zufäl­lig wur­den sie vom Faschis­mus getö­tet. Dazu zitiert Paglia einen Text von Ari­sto­te­les, der von höch­ster Bedeu­tung ist: ‚Wer nicht Teil einer Gemein­schaft sein kann oder nichts braucht, weil er sich selbst genügt, der ist nicht Teil einer Stadt, son­dern ein wil­des Tier oder ein Gott‘.

Im Buch, über das wir spre­chen, wid­met der Autor vie­le Sei­ten der Bibel des Alten Testa­ments und beson­ders dem Teil, der Gene­sis heißt und die Schöp­fung schil­dert und dann die Ver­trei­bung von Adam und Eva aus dem irdi­schen Para­dies, weil sie vom ver­bo­te­nen Baum geges­sen hat­ten, indem sie auf die Schlan­ge hör­ten, die nichts ande­res als der Teu­fel ist. Hier tut sich aber ein nicht leicht zu lösen­des Pro­blem auf: Wem ver­dan­ken wir die Exi­stenz des Teu­fels? Ist er eine Macht gegen Gott oder ist er Gott selbst in einem gewollt ande­ren Gewand als sei­nem natür­li­chen? Die katho­lisch-christ­li­che Reli­gi­on unter­schei­det natür­lich zwi­schen Gut und Böse, behan­delt aber nicht den Ursprung des Bösen: Hat Gott selbst es erschaf­fen, als er sei­nen mensch­li­chen Geschöp­fen das Recht des frei­en Wil­lens zuer­kann­te? Papst Fran­zis­kus hat, nach­dem ihm dar­in Johan­nes XXIII. und Paul VI. vor­aus­ge­gan­gen waren, aber mit mehr revo­lu­tio­nä­rer Kraft im Ver­gleich zur kirch­li­chen Theo­lo­gie, die Orte abge­schafft, in die die See­len nach dem Tod gehen soll­ten: Höl­le, Fege­feu­er, Para­dies. Zwei­tau­send Jah­re der Theo­lo­gie haben sich auf die­se Art des Jen­seits gestützt, die auch die Evan­ge­li­en bestä­ti­gen. Mit einer beson­de­ren Auf­merk­sam­keit aber, zum Teil auf die Brie­fe des hei­li­gen Pau­lus (den an die Korin­ther und den an die Römer) und zum noch grö­ße­ren Teil auf Augu­sti­nus von Hip­po, für das The­ma der Gna­de. Alle See­len ver­fü­gen über Gna­de und wer­den daher völ­lig unschul­dig gebo­ren, und das blei­ben sie auch, außer sie beschrei­ten den Weg des Bösen. Wenn sie sich des­sen bewußt sind und es nicht ein­mal zum Zeit­punkt des Todes bereu­en, sind sie verdammt.

Papst Fran­zis­kus – ich wie­der­ho­le es – hat die Orte einer ewi­gen Wohn­statt der See­len im Jen­seits abge­schafft. Die von ihm ver­tre­te­ne The­se ist, daß die vom Bösen beherrsch­ten und nicht reu­igen See­len auf­hö­ren zu exi­stie­ren, wäh­rend jene, die sich vom Bösen befreit haben, in die Selig­keit auf­ge­nom­men wer­den, wo sie Gott schauen.

Das ist die The­se von Fran­zis­kus und auch von Paglia. Hier füge ich eine Anmer­kung ein: Das Jüng­ste Gericht, das zur Tra­di­ti­on der Kir­che gehört, wird sinn­los. Die See­len, die das Böse gewählt und prak­ti­ziert haben, ver­schwin­den und das Jüng­ste Gericht bleibt eine blo­ße Vor­la­ge für groß­ar­ti­ge Wer­ke der Kunst­ge­schich­te. Nichts ande­res, nur das.

Natür­lich behaup­tet die Theo­lo­gie, daß ein gött­li­cher Fun­ke in allen Spe­zi­es vor­han­den ist, also der Schöp­fer in den See­len von allen Lebe­we­sen ist und beson­ders in der mensch­li­chen Spe­zi­es, die er ‚nach sei­nem Eben­bild‘ erschaf­fen hat. Die­se The­se, die bis­her nie in Fra­ge gestellt wur­de, ist jene, die Spi­no­za gebrauch­te, um zu behaup­ten, daß Gott in allen Geschöp­fen gegen­wär­tig ist und nur in die­ser Form exi­stie­re. Spi­no­zas The­se ver­wan­del­te kurz­um die Tran­szen­denz in Imma­nenz, und des­halb wur­de er aus der jüdi­schen Gemein­schaft exkom­mu­ni­ziert und sei­ne Schrif­ten von der Kir­che auf den Index gesetzt. Jüngst habe ich über die­ses Argu­ment mit Papst Fran­zis­kus gespro­chen. Ich habe ihn gefragt, ob die Ver­ur­tei­lung sei­ner The­sen rück­gän­gig gemacht wer­den könn­te. Sei­ne Ant­wort war aber nega­tiv: Die Tran­szen­denz Got­tes kann nicht in Fra­ge gestellt wer­den. Ohne die Tran­szen­denz wür­de das gött­li­che Wesen auf­hö­ren zu exi­stie­ren, sobald unse­re Spe­zi­es von der Erde ver­schwin­den wür­de. Wenn Gott imma­nent wäre, wür­de auch er ver­schwin­den. Des­halb kann jene Exkom­mu­ni­ka­ti­on nicht auf­ge­ho­ben wer­den. Für einen Nicht-Gläu­bi­gen ist eine sol­che The­se nicht akzep­ta­bel, auch wenn die Grün­de, die die Tran­szen­denz bekräf­ti­gen, ver­ständ­lich sind.

Ich been­de die­se Rezen­si­on mit einem Satz, den der Autor schreibt, um damit den Kern sei­nes Den­kens auf­zu­zei­gen: ‚Jene, die an Gott glau­ben (Reli­giö­se), und jene, die an den Men­schen glau­ben (Huma­ni­sten), fin­den in der Begeg­nung mit den Armen wie­der zu einer kost­ba­ren Alli­anz. Ich wür­de sagen, daß man von hier aus­ge­hen soll­te, um die in unse­rer Gesell­schaft vor­han­de­nen Ris­se zu flicken. Die Betei­li­gung an der Befrei­ung der Armen zeich­net eine Linie des erbau­li­chen Wan­dels. Für die Chri­sten ist die­ser Huma­nis­mus grund­le­gend: Wer den Armen begeg­net, begeg­net Gott selbst.‘

Mei­ner­seits füge ich hin­zu: Für die Nicht-Gläu­bi­gen ist es eine Begeg­nung mit den lai­zi­sti­schen Wer­ten der Frei­heit, der Gleich­heit und der Brüderlichkeit.

Dan­ke, lie­ber Vin­cen­zo, für das Buch, das Du geschrie­ben hast.“

Scal­fa­ris Beto­nung der „Frei­heit“ gilt es im Hin­ter­kopf zu behal­ten. Vor­erst aber zurück zur Chronologie. 

Die Förderung der Künstlichen Intelligenz und Big Tech

Msgr. Paglia gehört zu den wich­tig­sten kirch­li­chen Befür­wor­tern der Künst­li­chen Intel­li­genz: als Pro­mo­tor einer 2019 begon­ne­nen Koope­ra­ti­on zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und Micro­soft und der 2021 durch Fran­zis­kus errich­te­ten Stif­tung zu Fra­gen der Künst­li­chen Intel­li­genz, die den Namen renAIs­sance trägt. Durch die Künst­li­che Intel­li­genz könn­ten die Lebens­be­din­gun­gen der Mensch­heit mas­siv ver­bes­sert wer­den, so Paglia in dem vor zwei Tagen ver­öf­fent­lich­ten Interview.

Gele­gent­lich, wenn auch nur äußerst sel­ten, kommt auch „moder­nen“ Prä­la­ten wie Paglia ein Wort zur Ket­ze­rei über die Lip­pen, so gesche­hen kurz vor Weih­nach­ten 2019. Doch wenn dies geschieht, dann in der Regel auf eher ver­que­re Art und Wei­se. So erklär­te Paglia im Ton der Empö­rung: „Wer sagt, Judas ist in der Höl­le, ist ein Ket­zer.“ Das erin­nert an Fran­zis­kus, der eigent­lich nie über die Sün­de spricht, und wenn doch, nur dazu, um „die Mafia“ zur Sün­de zu erklären. 

Vin­cen­zo Pagli­as wort­rei­ches Schweigen

Schweigen als Paglias Auftrag?

Pünkt­lich wie zum The­ma Abtrei­bung und Eutha­na­sie ver­sag­te Pagli­as umge­bau­te Päpst­li­che Aka­de­mie für das Leben auch in der Coro­na-Pseu­do­pan­de­mie. Ihr Part bestand allein dar­in, im Inter­es­se der Phar­ma­in­du­strie und des Nar­ra­tivs von Bill Gates: „Impf­stoff für alle“ zu for­dern. Daher stand die Fra­ge im Raum, ob sich die Kir­che selbst über­flüs­sig machen will. Im Ernst: Wer braucht Orga­ni­sa­tio­nen und Insti­tu­tio­nen, die reden, wenn sie bes­ser schwei­gen soll­ten, und schwei­gen, wenn sie reden sollten?

So ver­wun­der­te es nicht, daß Paglia im US-Wahl­kampf 2020 dem Abtrei­bungs­be­für­wor­ter Joe Biden gegen Donald Trump zu Hil­fe eil­te und die Abtrei­bungs­fra­ge ein­fach des­halb für irrele­vant erklär­te, weil sie Biden an den Wahl­ur­nen scha­den konnte.

Als 2021 ein neu­er Anlauf genom­men wur­de, um in Ita­li­en ein Eutha­na­sie­ge­setz ein­zu­füh­ren, erwies sich Paglia als wen­di­ger Win­kel­ad­vo­kat, um das Lebens­recht auf­zu­wei­chen, indem er – anstatt die Leh­re der Kir­che von der Hei­lig­keit des Lebens zu ver­tei­di­gen – dar­über sin­nier­te, was denn schon ein „gutes Gesetz“ sei.

Als im Juni 2022 der Ober­ste Gerichts­hof der USA nach einem hal­ben Jahr­hun­dert das unsäg­li­che Urteil Roe gegen Wade kipp­te, mit dem ohne gesetz­li­che Grund­la­ge Mil­lio­nen von unge­bo­re­nen Kin­dern getö­tet wor­den waren, fiel dem ober­sten Lebens­schüt­zer des Vati­kans zu die­sem Jahr­hun­der­tur­teil nichts ein. Die­ses Schwei­gen schrie gera­de­zu in die Welt hin­aus, auf wes­sen Sei­te die Schwei­ger ste­hen und daß die poli­ti­schen Alli­an­zen mit der US-Lin­ken wich­ti­ger sind, die sich durch das Urteil schwer gestört fühlte.

Doch was Paglia auch sagt oder unter­läßt, er hat die uner­schüt­ter­li­che Unter­stüt­zung von Papst Fran­zis­kus. Als 2022 erneut der Rück­tritt des Prä­la­ten gefor­dert wur­de, weil er die lin­ke Abtrei­bungs­ver­fech­te­rin Maria­na Maz­zuca­to als ordent­li­ches Mit­glied in die Päpst­li­che Aka­de­mie für das Leben geholt hat­te, war es wie­der Fran­zis­kus, der sich schüt­zend vor Paglia stell­te, schließ­lich hat­te der Papst das Ernen­nungs­de­kret für Maz­zuca­to ja auch selbst unter­zeich­net.

Obwohl Msgr. Paglia für eine „beschä­men­de Unter­wer­fung der Kir­che unter die kri­mi­nel­le Poli­tik der glo­ba­li­sti­schen Eli­te“ steht, wie der ehe­ma­li­ge Apo­sto­li­sche Nun­ti­us in den USA Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò Anfang 2024 kri­ti­sier­te, befin­det sich der bald 80jährige Paglia wei­ter­hin in sei­nen Ämtern, wäh­rend Msgr. Viganò inzwi­schen für exkom­mu­ni­ziert erklärt wurde.

Das Denken von Msgr. Paglia – und von Franziskus

Der Sozi­al­ethi­ker und Phi­lo­soph Ste­fa­no Fon­ta­na tadel­te Paglia vor kur­zem – und auch Papst Fran­zis­kus, in des­sen Namen Paglia ger­ne spricht. Der umtrie­bi­ge Papst­ver­trau­te hat­te in einem Inter­view die Erklä­rung Digni­tas infi­ni­ta über die mensch­li­che Wür­de inter­pre­tiert und sich dabei auf Papst Fran­zis­kus beru­fen. Das Doku­ment war vom Glau­bens­dik­aste­ri­um unter Kar­di­nal Tucho Fernán­dez mit Zustim­mung von Fran­zis­kus ver­öf­fent­licht wor­den. Fon­ta­na nahm dies zum Anlaß sei­ner Kri­tik, weil er in Paglia, auf­grund sei­nes Nahe­ver­hält­nis­ses, einen „maß­geb­li­chen“ Inter­pre­ten von Fran­zis­kus sieht. Paglia erklär­te in dem Inter­view, wie Fon­ta­na her­aus­ar­bei­te­te, daß das Den­ken von Fran­zis­kus weder Gegen­sät­ze noch „nicht ver­han­del­ba­re Wer­te“ ken­ne, weil die­se sei­ne natu­ra­li­sti­sche Sicht der Exi­stenz stö­ren, die ganz ohne das Chri­sten­tum aus­kom­me, wie indi­rekt schon Euge­nio Scal­fa­ri erfreut fest­ge­stellt hatte.

Am Diens­tag, dem 27. August, ver­öf­fent­lich­te nun der libe­ra­le Cor­rie­re del­la Sera, Ita­li­ens füh­ren­de Tages­zei­tung, ein ganz­sei­ti­ges Inter­view mit Msgr. Vin­cen­zo Paglia über dies und das, vor allem jedoch über sei­ne Unter­stüt­zung der Künst­li­chen Intel­li­genz. Ein klei­ner Aus­schnitt, jener mit der ein­gangs erwähn­ten „Pagli­ac­cia­ta“, soll wört­lich wie­der­ge­ge­ben werden:

Cor­rie­re del­la Sera: Haben Sie die Ambi­ti­on Kar­di­nal zu wer­den, Don Vincenzo?

Vin­cen­zo Paglia: Papst Woj­ty­la woll­te mich schon zum Bischof ernen­nen, als ich 40 Jah­re alt war. Ich bin es dann mit 55 gewor­den und glück­lich damit, um mei­ne Frei­heit zu bewahren.

Cor­rie­re del­la Sera: Aber Kar­di­nal zu wer­den wür­de Ihnen heu­te gefallen?

Vin­cen­zo Paglia: Aber immer in Anbe­tracht mei­nes Alters und der Über­zeu­gung, daß kein Amt die Frei­heit wert ist…

Der eit­le Alters­hin­weis ist inter­es­sant, denn Paglia sagt de fac­to, Johan­nes Paul II. habe ihn just in der Zeit des unsäg­li­chen ersten Assi­si-Tref­fens, offen­bar als Zei­chen der Zufrie­den­heit, zum Bischof ernen­nen wol­len. Ande­re wuß­ten das offen­sicht­lich zu verhindern.

Zudem darf nun dar­über sin­niert wer­den, ob Msgr. Paglia, wie in der Ver­gan­gen­heit schon öfter, ein­fach nur schwa­dro­nier­te oder ernst­haft der „Über­zeu­gung“ ist, daß die Kar­di­nals­wür­de der hei­li­gen Kir­che die Unfrei­heit bedeu­ten wür­de. Doch wel­che „Frei­heit“ kann Paglia damit mei­nen, jene Scalfaris?

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Youtube/​MiL/​NBQ (Screen­shots)

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2 Kommentare

  1. Ein Häre­ti­ker als Erz­bi­schof, der vom Papst gedeckt und geför­dert wird. – Wer all dies für katho­lisch hält, dem ist nicht zu hel­fen, und dies schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass dies inzwi­schen der Regel­fall ist. Die Kir­che hört von der Spit­ze her auf, katho­lisch zu sein! Dass das Got­tes Werk ist, glau­be ich kaum …

  2. Die Kir­che ist das Dilem­ma sel­ber Schuld, gibt es doch seit dem Mit­tel­al­ter eine redu­zier­te kirch­li­che Leh­re über Kör­per See­le und Geist, die für das End­ge­richt kei­nen aus­rei­chen­den Schutz bie­tet. Die Prot­ago­ni­sten hier im Arti­kel nut­zen den Spiel­raum aus. Ich möch­te auf Aspek­te hin­wei­sen, die nicht falsch ver­stan­den wer­den soll­ten und ver­wen­de bewußt nicht die Aus­drücke aus den Zita­ten des Artikels. 

    Es gibt die Geschich­te über die Unzu­läng­lich­keit des Men­schen. Der Mensch fühlt sich immer unzu­läng­lich wegen sei­nes Flei­sches (Begier­den), wegen sei­nes Gewis­sens (Tho­ra) und wegen der höhe­ren Ziel­set­zung, die ihm mit dem Fun­ken Got­tes in unse­rem Geist gege­ben ist. Die Bela­stung, die das Chri­sten­tum in kür­ze­ster Form mit Erb­sün­de bezeich­net, beglei­tet uns durch unser Leben. Die Momen­te, in denen wir uns frei und unbe­la­stet füh­len, sind nur weni­ge. Uns ist die hei­li­ge Mes­se mit der Eucha­ri­stie geschenkt. Wer glaubt, ist nach der Kom­mu­ni­on frei von der Unzu­läng­lich­keit. Auch die ande­ren Sakra­men­te haben die Stär­ke, ähn­li­ches zu bewir­ken. Vig­a­no sagt dar­über hin­aus: „Ohne die Mes­se kann man leben, ohne den Glau­ben nicht“. Es kann sein, daß wir also auf uns selbst gestellt sind ohne Sakra­men­te. Aber wir müs­sen auf Jesus aus­ge­rich­tet sein, der der Weg und das Ziel ist. 

    Nun fin­det die Kon­zils­kir­che einen ande­ren Ansatz. Rich­tig erkennt sie die akut gewor­de­ne Situa­ti­on in der End­zeit. „Das Indi­vi­du­um fühlt sich gezwun­gen, träu­men, ent­schei­den, wol­len und neu erfin­den zu müs­sen“. Ein inne­rer Druck, sozusagen. 

    Zuletzt gab es auf die­ser Inter­net­sei­te den in fünf Tei­len ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel von Vigi­lus, der die Kon­zils­kir­che defi­niert: „Uni­ver­sa­le natür­li­che Brü­der­lich­keit jen­seits sekun­dä­rer reli­giö­ser Tra­di­tio­nen.“ Ich hat­te die Defi­ni­ti­on des Vigi­lus um „in der Sün­de“ erwei­tert. Wenn die Kon­zils­kir­che mit der Unzu­läng­lich­keit des Men­schen han­tiert, stellt die Defi­ni­ti­on des Vigi­lus ihre Ant­wort dar. Alle, alle, alle sol­len einen Kon­sens fin­den, in dem sie akzep­tiert sind. Weil reli­giö­se Tra­di­tio­nen irrele­vant sind, ist dabei auch Lüge erlaubt. Der Weg wird frei gemacht für den Mei­ster der Lüge. Natür­lich ist die Brü­der­lich­keit, weil die Gemein­sam­keit in der fleisch­li­chen Natur zu fin­den ist (Gegen­satz zu den Kin­dern Got­tes). Das gan­ze wird in der Sün­de ver­wirk­licht, weil ein Über­hand­neh­men der Sün­de in einer Per­son die Aus­lö­schung des Gewis­sens bewir­ken kann. Es tut ihnen Dank der sünd­haf­ten Befrie­di­gung und Dank der gegen­sei­ti­gen Akzep­tanz nicht mehr leid. Nun erfah­ren sie eine ande­re Art der Stär­kung, die sie von der Gott­heit neh­men, die mit den See­len in Ver­bin­dung steht. Die Kon­zils­kir­che hat zu die­ser Gott­heit fol­gen­des erkannt: „Ohne die Tran­szen­denz wür­de das gött­li­che Wesen auf­hö­ren zu exi­stie­ren, sobald unse­re Spe­zi­es von der Erde ver­schwin­den wür­de“. Es kann sich also nicht um den han­deln, den wir Vater nen­nen, weil der Vater ewig und unend­lich ist. ER ist nicht an sei­ne Schöp­fung gebunden. 

    Der brü­der­li­che Mensch sieht hin­ge­gen dann so aus, wie ihn das homo­ero­ti­sche „Jüng­ste Gericht“ von Vin­cen­zo Paglia dar­stellt. Ein völ­lig ego­isti­sches Wesen, das sich stür­misch-stol­pernd auf jedes Objekt sei­ner Begier­de hinbewegt. 

    Was mit jenen pas­siert, schreibt uns Pau­lus in 2 Tes­sa­lo­ni­ker 2: „Sie gehen ver­lo­ren, weil sie sich der Lie­be zur Wahr­heit ver­schlos­sen haben, durch die sie geret­tet wer­den soll­ten. Dar­um lässt Gott sie der Macht des Irr­tums ver­fal­len, sodass sie der Lüge glau­ben; denn alle müs­sen gerich­tet wer­den, die nicht der Wahr­heit geglaubt, son­dern die Unge­rech­tig­keit geliebt haben.“

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