Echt oder unecht? – Unterscheidungskriterien bei Privatoffenbarungen

Ramon de Luca


Die vier apokalyptischen Reiter der Geheimen Offenbarung des Johannes (Kölner Bibel, 1479).
Die vier apokalyptischen Reiter der Geheimen Offenbarung des Johannes (Kölner Bibel, 1479).

Von Wolf­ram Schrems*

Anzei­ge

In Zei­ten, da sich wirk­li­che oder angeb­li­che Pri­vat­of­fen­ba­run­gen schnell ver­brei­ten und vie­le Gläu­bi­ge beun­ru­hi­gen, ist es kei­ne schlech­te Idee, sich auf die kirch­li­chen Kri­te­ri­en für Pri­vat­of­fen­ba­run­gen zu besin­nen. Der Alver­na-Ver­lag brach­te schon 2015 eine dün­ne, aber inhalts­rei­che Bro­schü­re her­aus, die dazu gute Infor­ma­tio­nen lie­fert. Der Autor wer­tet dabei Klas­si­ker der Spi­ri­tu­el­len Theo­lo­gie und offi­zi­el­le Kir­chen­do­ku­men­te aus.

Wor­um geht es?

Der unter Pseud­onym schrei­ben­de Autor ist ein theo­lo­gisch gebil­de­ter Laie und Erwach­se­nen­bild­ner, der sei­ne Publi­ka­tio­nen von glau­bens­treu­en Theo­lo­gen über­prü­fen läßt. In dem Buch legt er die Kri­te­ri­en dar, nach denen die Kir­che an ein­zel­ne Gläu­bi­ge gerich­te­te spe­zi­el­le Offen­ba­run­gen über­prüft und beurteilt.

Der Autor zitiert die kirch­li­chen Doku­men­te (Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re, Nor­men für das Ver­fah­ren zur Beur­tei­lung mut­maß­li­cher Erschei­nun­gen und Offen­ba­run­gen, 25.02.78) und die theo­lo­gi­schen Fach­leu­te auf die­sem Gebiet. Neben den Mysti­kern selbst, also The­re­sa von Avila, Johan­nes vom Kreuz, Igna­ti­us von Loyo­la und Franz von Sales, sind das beson­ders Papst Bene­dikt XIV. (Pro­spe­ro Lam­ber­ti­ni), Kar­di­nal Gio­van­ni Bona SOCist, Régi­nald Gar­ri­gou-Lagran­ge OP, Alo­is Mager OSB, Augu­stin Pou­lain SJ (man fin­det auch „Augu­ste“), Gio­van­ni Bat­ti­sta Sca­ra­mel­li SJ, Mari­an­ne Schlos­ser und Josef Zahn. Ein reich­hal­ti­ges Lite­ra­tur­ver­zeich­nis regt zu wei­te­ren For­schun­gen an.

Im Vor­wort kon­sta­tiert der Autor den „Beginn einer Zeit“ im Jahr 1830 mit den Erschei­nun­gen der Mut­ter­got­tes in der Rue du Bac. Maria zeigt sich „immer wie­der den Men­schen“ und ruft sie „zur Umkehr und Buße“ auf: in La Salet­te 1846, in Lour­des 1858, in Fati­ma 1917, in Beau­raing 1932 und in Ban­neux 1933. Alle die­se Erschei­nun­gen brach­ten rei­che Früch­te (5). (Wir müs­sen aller­dings aus heu­ti­ger Sicht ergän­zen: nicht genügend.)

Aller­dings warn­te Kar­di­nal Otta­via­ni 1951 „vor der Sucht nach dem Wun­der­ba­ren, die zu einer ern­sten Gefahr für das christ­li­che Leben wird“ (6).

Das ist der Aus­gangs­punkt für die Dar­le­gung der Kri­te­ri­en von echt und unecht.

Anerkannte Privatoffenbarungen – wichtig für die Kirche

Zunächst defi­niert der Autor den Bereich der über­na­tür­li­chen und der natür­li­chen Offenbarung. 

Seh­erkin­der von Fati­ma 1917

Inner­halb erste­rer gibt es die öffent­li­che Offen­ba­rung und die Pri­vat­of­fen­ba­run­gen, „über­na­tür­li­che gött­li­che Kund­ge­bun­gen, wel­che nach Abschluss der für die gan­ze Mensch­heit bestimm­ten, gött­li­chen Offen­ba­rung ein­zel­nen Per­so­nen zu Teil wer­den“ (11).

Letz­te­re ent­hal­ten nichts, was nicht zumin­dest impli­zit im Glau­bens­gut ent­hal­ten wäre. Sie kön­nen sich direkt an eine ein­zel­ne Per­son zu deren eige­nem Nut­zen rich­ten oder an eine Per­son mit dem Auf­trag, die Inhal­te die­ser Offen­ba­rung der Kir­che bekannt zu machen. Sie sind zwar, sobald von der Kir­che aner­kannt (Hil­de­gard von Bin­gen, Fran­zis­kus von Assi­si, Johan­na von Orleans, Mar­ga­re­tha Maria Ala­co­que u. a.) nicht im Glau­ben ver­pflich­tend anzu­neh­men, dür­fen aber auch nicht grund­los abge­lehnt wer­den (12f).

Kirchliches Prüfverfahren zwischen göttlicher, menschlicher und teuflischer Aktivität

Die kirch­li­che Auto­ri­tät prüft neben dem Inhalt der Offen­ba­rung die Umstän­de ihrer Über­mitt­lung und die Aus­wir­kun­gen: Besteht die Bot­schaft den Test der Zeit? Wider­legt sie die Kri­tik? Regt sie zu wich­ti­gen Unter­neh­mun­gen an? Haben sich Ver­hei­ßun­gen erfüllt? Wie sind die Früchte?

Die kirch­li­che Auto­ri­tät prüft auch die psy­chi­sche Gesund­heit und die Bil­dung des Über­mitt­lers und vor allem den Lebens­wan­del vor und nach dem Gesche­hen der Offen­ba­rung. Für die Glaub­wür­dig­keit der Offen­ba­rung spricht natur­ge­mäß, wenn sich der Lebens­wan­del verbessert.

Klar ist aber auch, daß Emp­fän­ger von Offen­ba­run­gen nicht „auto­ma­tisch und sofort den Fol­gen der Erb­sün­de ent­ho­ben“ wer­den (18):

„Der Emp­fän­ger der Pri­vat­of­fen­ba­run­gen unter­liegt geschöpf­li­chen Ein­schrän­kun­gen, die bei der Beur­tei­lung der­sel­ben berück­sich­tigt wer­den müs­sen. Gott wie­der­um passt sich dem Emp­fan­gen­den in ver­schie­de­nen Hin­sich­ten an. Dann ist bei der Beur­tei­lung der Kund­ge­bun­gen die Absicht, der Zweck mass­ge­bend“ (21).

Der Autor führt aus, daß die Über­prü­fung der Glaub­wür­dig­keit der Bot­schaf­ten sehr schwie­rig sein kann, weil auch gilt:

„Krank­haf­te Ele­men­te und cha­ris­ma­ti­sche, bzw. mysti­sche Gna­den müs­sen sich nicht aus­schlie­ssen“ (29).

Seh­erkin­der von Med­jug­or­je, 1980er Jahre

Dar­über hin­aus muß man mit der Mög­lich­keit dämo­ni­scher Akti­vi­tä­ten rech­nen. Die ech­ten Mysti­ker waren aus die­sem Grund sehr miß­trau­isch gegen außer­or­dent­li­che Phä­no­me­ne. Ein tra­gi­sches Kapi­tel, das der Autor ein­fügt, sind die­je­ni­gen Mön­che und Wüsten­vä­ter, die sich vom Wider­sa­cher täu­schen ließen.

Bedeu­ten­de Mysti­ker wie die hl. The­re­sa, der hl. Johan­nes vom Kreuz und der hl. Igna­ti­us berich­ten aus eige­nem Erle­ben von teuf­li­schen Fin­ten. Sie war­nen davor, spe­zi­el­le Offen­ba­run­gen erhal­ten zu wol­len. Inter­es­sant ist die Begrün­dung des hl. Johan­nes vom Kreuz, eines der emi­nen­ten Leh­rer des mysti­schen Lebens, bezüg­lich sei­ner Zurück­hal­tung gegen­über Pri­vat­of­fen­ba­run­gen: Es bestehe die Mög­lich­keit der Täu­schung, aber vor allem kön­nen sie das „Leben des rei­nen Glau­bens“ behin­dern (84).

Demut, Gehorsam, Nüchternheit und gesunder Menschenverstand als Kriterien der Echtheit

Daß gro­ße, von der Kir­che aner­kann­te Mysti­ker zu Nüch­tern­heit mah­nen und die Kon­sul­ta­ti­on der offi­zi­el­len Offen­ba­rungs­quel­len, der all­ge­mei­nen kirch­li­chen Leh­re und des gesun­den Men­schen­ver­stan­des anstatt der Suche nach außer­or­dent­li­chen Ereig­nis­sen emp­feh­len, ist eine wich­ti­ge Lek­ti­on, die der Leser aus die­sem Buch zie­hen kann. Ech­te Mysti­ker sind nie über­spannt und – was ange­sichts der Exzes­se von fal­schen Enthu­sia­sten wich­tig fest­zu­hal­ten ist – ver­sto­ßen auch nicht gegen die guten Sitten.

Der Autor berich­tet pla­stisch über die dra­sti­schen Metho­den, die etwa der hl. Phil­ipp Neri anwand­te, als er im Auf­trag des Pap­stes eine Non­ne, die sich des Rufes der Hei­lig­keit erfreu­te, und die Grün­de­rin der Gesell­schaft der Thea­ti­ne­rin­nen Ursu­la Ben­in­ca­sa, Emp­fän­ge­rin einer gött­li­chen Bot­schaft an den Papst, die­ser sol­le in der Reform mehr Eifer an den Tag legen, über­prü­fen soll­te. Bei erste­rer war er schnell fer­tig, nach­dem er den Man­gel an Demut kon­sta­tiert hat­te (66). Die zwei­te behan­del­te er über einen län­ge­ren Zeit­raum sehr hart, weil er sich selbst nicht sicher war. Schließ­lich aner­kann­te er die Authen­ti­zi­tät der Bot­schaft (67).

Ein wich­ti­ges und unver­zicht­ba­res Zei­chen der Echt­heit mysti­scher Gott­ver­bun­den­heit ist also die Demut auf Sei­ten des Offenbarungsempfängers.

Ein ande­res Zei­chen sind die mas­si­ven Schwie­rig­kei­ten, die der sol­cher­art Aus­ge­zeich­ne­te durch­ste­hen muß:

Seher Sal­va­to­re Capu­ta, 2017

„Der Domi­ni­ka­ner Hein­rich Seu­se wur­de als Kir­chen­räu­ber, Schein­hei­li­ger, Betrü­ger und Gift­mi­scher ver­schrien. Die hl. The­re­sia von Avila wur­de als Ver­rück­te und vom Teu­fel Beses­se­ne erklärt. […] Der hl. Alfons v. Liguo­ri wur­de von den eige­nen geist­li­chen Söh­nen aus dem von ihm selbst gegrün­de­ten Orden und des­sen Obe­rer er war, aus­ge­sto­ssen“ (53).

Man beach­te: Seu­se († 1366) leb­te im katho­lisch gepräg­ten „Mit­tel­al­ter“. Die hl. The­re­sa leb­te im 16. Jahr­hun­dert, nur eine Gene­ra­ti­on nach der erfolg­rei­chen Recon­qui­sta und im Zeit­al­ter bedeu­ten­der Mis­sio­na­re und katho­li­scher Staats­män­ner. Ech­te Got­tes­um­gän­ger hat­ten es also auch in den­je­ni­gen Zei­ten schwer, in denen grund­sätz­lich das Evan­ge­li­um regier­te (um auf ein Kapi­tel in Rober­to de Mat­tei, Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on, anzu­spie­len). Es wäre also ein Irr­tum zu mei­nen, daß Wider­stän­de gegen Got­tes­bo­ten auf Zei­ten all­ge­mei­ner Lau­heit oder ver­brei­te­ten Glau­bens­ab­falls beschränkt wären.

Kirchlichkeit als weiteres Kriterium

Ech­te Pri­vat­of­fen­ba­run­gen haben immer den Sinn, der Kir­che zu nüt­zen. Die Emp­fän­ger die­ser Offen­ba­run­gen stel­len sich nie gegen die kirch­li­che Leh­re und die legi­ti­me kirch­li­che Auto­ri­tät als sol­che. An den Bei­spie­len der hl. Mar­ga­re­ta Maria Ala­co­que und der sel. Anna Maria Tai­gi „wird deut­lich, wie falsch die Vor­stel­lung ist, wenn man meint, man kön­ne Pri­vat­of­fen­ba­run­gen gegen die Kir­che aus­spie­len. Die ech­ten Offen­ba­run­gen spre­chen sich selbst expli­zit gegen eine sol­che Vor­stel­lung aus. Im Gegen­teil, sie lei­ten die Begna­de­ten zum voll­kom­me­nen Gehor­sam“ (69).

Das gilt auch dann, wenn die Hier­ar­chie selbst dem Begna­de­ten das Leben schwer macht: Etli­che Hei­li­ge und Visio­nä­re, unter ihnen Franz von Assi­si und Igna­ti­us von Loyo­la, „hat­ten mit gro­ssen Schwie­rig­kei­ten, auch von Kir­chen­ver­tre­tern her­rüh­rend, zu kämp­fen. Doch trotz allem war ihnen die Anbin­dung an die kirch­li­che Hier­ar­chie, die Ein­ord­nung in das Gesamt­ge­fü­ge des mysti­schen Lei­bes Chri­sti und die Abhän­gig­keit gegen­über den recht­mä­ssi­gen Stell­ver­tre­tern Chri­sti eine Selbst­ver­ständ­lich­keit“ (71).

Konkrete Fragen unserer Zeit: „die Warnung“ und Medjugorje

Der Autor schreibt unter dem Titel „Betrug“:

Mary McGo­vern-Car­ber­ry, „Die Warnung“

„Der aktu­el­le Fall der Maria Divi­ne Mer­cy (Pseud­onym für Mary McGo­vern-Car­ber­ry) deren angeb­li­che Offen­ba­run­gen unter dem Titel ‚Die War­nung‘ vie­le in den Bann zogen, und nun als Betrug ent­larvt wur­den, ist eine kla­re War­nung an alle leicht­gläu­bi­gen Chri­sten!“ (34f.)

Der Autor ist kri­tisch gegen­über den Vor­gän­gen im her­ze­go­wi­ni­schen Međug­or­je. Er the­ma­ti­siert den pro­ble­ma­ti­schen Lebens­wan­del eini­ger der dor­ti­gen Fran­zis­ka­ner bzw. Ex-Fran­zis­ka­ner und die nega­ti­ve Stel­lung­nah­me der Orts­bi­schö­fe und der Bischofs­kon­fe­renz (61). Er stößt sich an den „weni­gen bana­len, kur­zen Sät­zen, die auch im Kate­chis­mus nach­ge­le­sen wer­den könn­ten.“ Sicher könn­ten Offen­ba­run­gen auch ein­fa­che Wahr­hei­ten ent­hal­ten, aber wenn es nur um „Gewöhn­li­ches“ geht, sei das „sehr ver­däch­tig“, genau­so wie auch die extre­me Häu­fig­keit der Bot­schaf­ten. Der Autor kri­ti­siert auch den ste­reo­ty­pen Satz „Dan­ke, dass ihr mei­nem Ruf gefolgt seid!“ mit den Wor­ten: „Als ob uns der Him­mel dan­ken müss­te!“ (62)

Aller­dings zei­ge uns die Geschich­te, daß selbst „aus unech­ten Wall­fahrts­stät­ten Segen gewirkt wur­de“ (71, mit einer Fuß­no­te zu Kar­di­nal Ratz­in­ger, P. Galot und E. Micha­el Jones, Das Geheim­nis von Med­jug­or­je).

Schlußfolgerungen

Man kann aus dem Gesag­ten also schluß­fol­gern: Wer erstens behaup­tet, Offen­ba­run­gen von Gott zu emp­fan­gen, muß vor den Vor­hang. Anonym ver­brei­te­te Bot­schaf­ten sind pro­ble­ma­tisch. Sie wider­spre­chen der Vor­gangs­wei­se Got­tes bei den Pro­phe­ten des Alten und Neu­en Testa­men­tes (für letz­te­re führt der Autor etwa Apg 11,27f an). Es kur­sie­ren heu­te vie­le sol­cher anony­men oder pseud­ony­men Bot­schaf­ten. Die betref­fen­den Initia­to­ren müß­ten sich dem Urteil der Kir­che und der Öffent­lich­keit der Gläu­bi­gen stellen.

Nota bene: Gott bestraft die­je­ni­gen, die in sei­nem Namen Pro­phe­ti­en machen, ohne daß er sie dazu gesandt hät­te (Jer 14,14f).

Ramon de Luca: Echt oder unecht

Zwei­tens fällt die Kir­che kei­ne im stren­gen Sin­ne unfehl­ba­ren Ent­schei­dun­gen bezüg­lich der Pri­vat­of­fen­ba­run­gen. Fol­gen­des mag viel­leicht für man­che über­ra­schend klingen:

„Die Kir­che gibt also über die Tat­sa­che, ob eine pri­va­te Offen­ba­rung statt­ge­fun­den hat oder nicht, kei­ne unfehl­ba­re Ent­schei­dung. Daher ist von Sei­ten der Gläu­bi­gen den appro­bier­ten Offen­ba­run­gen gegen­über ein Akt gött­li­chen Glau­bens ‚weder not­wen­dig noch mög­lich … son­dern nur ein Akt mensch­li­chen Glau­bens nach den Regeln der Klug­heit, die sie uns als wahr­schein­lich und fromm glaub­wür­dig […] hin­stel­len‘“ (80).

Drit­tens emp­fiehlt es sich, dem Autor dar­in zu fol­gen, daß bei­de Extre­me ver­mie­den wer­den sol­len: Leicht­gläu­big­keit und Wun­der­sucht, aber auch kom­plet­te Ver­wer­fung aller Pri­vat­of­fen­ba­run­gen in Bausch und Bogen. Ver­mie­den wer­den soll­te aber auch Klein­gläu­big­keit, Spott und Kri­tik­sucht bei aner­kann­ten und durch unbe­zwei­fel­ba­re Wun­der bestä­tig­ten Offenbarungen:

„Wer Gott, dem Schöp­fer und Erlö­ser, grund­sätz­lich das Ein­grei­fen durch Pri­vat­of­fen­ba­run­gen ‚zuge­steht‘, was ein Katho­lik kei­nes­falls nicht tun kann, wür­de [bei eige­ner Beur­tei­lung nach Lust und Lau­ne] die geschul­de­te Ehr­furcht Gott gegen­über ver­let­zen und wür­de sich vie­ler Gna­den unwür­dig machen. Dies gilt spe­zi­ell dann, wenn Wun­der die Erschei­nun­gen beglei­ten oder ihr fol­gen (wie in Lour­des und Fati­ma) und so dem Gan­zen noch ein beson­de­res Glaub­wür­dig­keits­zei­chen ver­lei­hen“ (88).

Der Autor rät, sich haupt­säch­lich an die Hei­li­ge Schrift und die Doku­men­te der Kir­che, beson­ders den Kate­chis­mus, und an die Lit­ur­gie zu hal­ten (der Rezen­sent gestat­tet sich die Ergän­zung: alles das von vor dem II. Vati­ca­num) und den per­sön­li­chen Kon­takt mit Gott durch Sakra­men­te und Gebet zu pfle­gen. Gewis­se Schrif­ten der Hei­li­gen, die auf­grund von Offen­ba­run­gen ent­stan­den sind, sind, wenn sie die Kir­che appro­biert hat, Geist vom Geist der Kir­che und wir kön­nen ihnen ver­trau­en (89). Wenn es sich um Pri­vat­of­fen­ba­run­gen zum Leben Jesu und Mari­ens han­delt, sol­len wir aber „kein Dog­ma“ dar­aus machen (88). Denn bei letz­te­ren Offen­ba­run­gen fin­den sich auch Wider­sprü­che in Details.

Das ist eine sehr gute Anweisung. –

Der Rezen­sent fin­det das Buch inhalt­lich gut gemacht, aus­sa­ge­kräf­tig und zur per­sön­li­chen Kon­sul­ta­ti­on hilf­reich. Ein gewis­ses Man­ko sind aller­dings die zahl­rei­chen Verschreibungen.

Eine Anre­gung und drei klei­ne inhalt­li­che Kri­tik­punk­te sei­en um der Wahr­heit wil­len genannt:

Zunächst wären sowohl zum The­ma Med­jug­or­je als auch zu Inhalt und Über­brin­ger der „War­nung“ mehr Infor­ma­tio­nen von Inter­es­se. Gera­de Med­jug­or­je ist nach Ansicht des Rezen­sen­ten ein schwer zu deu­ten­des Phä­no­men. Es ist klar, daß das Buch von der Ziel­set­zung her nur eine Ein­füh­rung dar­stellt. Aber wenn der Autor schon die bei­den genann­ten heik­len Gegen­warts­fra­gen anschnei­det, wäre eine gewis­se Aus­wei­tung des Umfangs durch­aus zu rechtfertigen.

Der Autor erwähnt zwei­tens in Fuß­no­te 2, S. 11, die Erklä­rung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on vom 26. Juni 2000 über Fati­ma. Die­se habe auch den übli­chen Aus­druck „Pri­vat­of­fen­ba­rung“ ver­wen­det („als all­ge­mein in der Tra­di­ti­on ver­wen­de­ter Ter­mi­nus“). Hier wäre in Anbe­tracht der dra­ma­ti­schen Vor­gän­ge um die Aner­ken­nung der Erschei­nun­gen von Fati­ma durch den zustän­di­gen Orts­bi­schof (1930) und die bei­den Wei­hen Por­tu­gals an das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens durch den por­tu­gie­si­schen Epi­sko­pat (1931 und 1938) über das Her­um­la­vie­ren bezüg­lich der Bot­schaft unter Pius XII. bis zu ihrer Sabo­ta­ge durch Johan­nes XXIII. und aller Unge­reimt­hei­ten bis heu­te ein kri­ti­sches Wort zu die­ser hoch­pro­ble­ma­ti­schen Erklä­rung not­wen­dig. Dies auch des­halb, weil der dama­li­ge Kar­di­nal Joseph Ratz­in­ger selbst den Inhalt der Fati­ma-Bot­schaft nicht kor­rekt dar­stell­te und an ihr Zwei­fel säte (moder­ni­sti­sche Inter­pre­ta­ti­on des Vor­gangs der Visi­on und Audi­tion selbst, posi­ti­ve Nen­nung des Fati­ma-Fein­des Edu­ard Dha­nis SJ).

Zu bean­stan­den ist drit­tens die Formulierung:

„Es ist selbst­ver­ständ­lich, dass der Inhalt der Offen­ba­run­gen der Wür­de des­sen ent­spre­chen muss, der sie gege­ben hat. Wenn also Din­ge vor­kom­men, die der gött­li­chen Hei­lig­keit und sei­ner Weis­heit oder der Moral ent­ge­gen sind, kann es kaum von sei­ner gött­li­chen Maje­stät her­rüh­ren“ (59).

Nach all dem, was der Autor selbst kennt­nis­reich und scharf­sin­nig geschrie­ben hat, über­rascht hier das zöger­li­che „kaum“. Es muß „nicht“ heißen.

Über­se­hen hat vier­tens der Autor das außer­or­dent­lich lie­bens­wür­di­ge Detail, daß Unse­re Lie­be Frau von Lour­des die Sehe­rin Ber­na­dette Sou­bi­rous nicht mit „du“ ansprach, son­dern siez­te (!).1 Daher soll­te die Über­set­zung kor­ri­giert wer­den (59). –

Dem Buch sind wei­te­re Auf­la­gen – mit allen nöti­gen Aktua­li­sie­run­gen und Erwei­te­run­gen – und gro­ße Ver­brei­tung zu wünschen.

Ramon de Luca, Echt oder unecht – Die Unter­schei­dungs­kri­te­ri­en der Kir­che bei Pri­vat­of­fen­ba­run­gen, Alver­na Ver­lag, Wil (CH), 2., wesent­lich über­ar­bei­te­te und ver­mehr­te Auf­la­ge, 2015, 97 Sei­ten.
Die­ses und alle ande­ren lie­fer­ba­ren Bücher kön­nen bequem über unse­re Part­ner­buch­hand­lung bezo­gen werden.

*Wolf­ram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Kate­chist, Pro Lifer, beschäf­tigt sich mit maria­ni­schen Bot­schaf­ten, pil­ger­te nach Lour­des und Fati­ma. Und auch nach Medjugorje.

Bild: Wikicommons/​Madre mia/​Youtube (Screen­shots)


1 Auf der offi­zi­el­len Netz­sei­te des Hei­lig­tums von Lour­des heißt es:

A la deu­xiè­me paro­le de la Vier­ge : « Vou­lez-vous me fai­re la grâ­ce de venir ici pen­dant quin­ze jours? », Ber­na­dette est bou­le­ver­sée. C’est la pre­miè­re fois qu’on lui dit « vous ». Ber­na­dette, se sen­tant ain­si respec­tée et aimée, fait l’expérience d’être elle- même une per­son­ne. Nous som­mes tous dignes aux yeux de Dieu. Par­ce que cha­cun est aimé par Dieu.“

Gemäß der deut­schen Ver­si­on auf der­sel­ben Sei­te lau­ten die bei­den Sät­ze Unse­rer Lie­ben Frau so:

„Ber­na­dette betet den Rosen­kranz mit der Dame und fragt sie nach ihrem Namen. Die Wor­te Mari­ens: ‚Wür­den Sie die Güte haben, zwei Wochen lang hier­her zu kom­men?‘Ich ver­spre­che Ihnen nicht, Sie in die­ser Welt glück­lich zu machen, wohl aber in der ande­ren.‘“ (Her­vor­he­bung WS)

Die offi­zi­el­le Lour­des-Sei­te schreibt auch, daß Unse­re Lie­be Frau sich bei ihrer Selbst­vor­stel­lung der loka­len Spra­che („Patois“) bedien­te, was eben­falls ein rei­zen­des Detail darstellt:

Le 25 mars 1858, jour de la sei­ziè­me appa­ri­ti­on, Ber­na­dette deman­de à «la Dame» de dire son nom. «La Dame» lui répond en patois : «Que soy era Imma­cu­la­da Coun­cep­tiou», ce qui veut dire en fran­çais «Je suis l’Immaculée Conception»

Auch Franz Wer­fel legt im Lied der Ber­na­dette Wert auf die­se Details, gemäß sei­nen Recher­chen sprach die Dame über­haupt nur im Patois, und zwar in einer schö­nen und wür­de­vol­len Aussprache:

‚»Wol­len Sie mir die Güte erwei­sen«, sagt die Dame, »fünf­zehn Tage nach­ein­an­der hier­her zu kommen.«

Sie spricht die­se Wor­te nicht gut fran­zö­sisch, son­dern im Patois des Lan­des Béarn und Bigor­re, den Ber­na­dette und die Ihren spre­chen. Genau über­setzt, sagt sie auch nicht Güte (bou­ten­tat), son­dern Gna­de (gra­zia). Wol­len Sie mir die Gna­de erwei­sen, sagt sie also, und schließt nach einem sehr lan­gen Schwei­gen mit viel lei­se­rer Stim­me noch ein Sätz­chen an:

»Ich kann nicht ver­spre­chen, Sie in die­ser Welt glück­lich zu machen, aber in jener.«‘

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Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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6 Kommentare

  1. Der Start mit 1830 ist ein wenig will­kür­lich und zu eng, um die gan­ze Band­brei­te der Pri­vat­of­fen­ba­run­gen dar­zu­stel­len. Drei Welt­re­li­gio­nen grün­den auf PO, Juden- und Chri­sten­tum, Islam. Woher wuß­te Mose, was er berich­te­te? Er muß es geschaut haben.
    Die Ver­kün­di­gung an die Jung­frau Maria und die an den Kauf­mann Moham­med sind klar über­lie­fert. Aber bereits hier ver­sa­gen die Deu­ter, wenn sie den „Engel“ Gibril mit dem (Erz-)Engel Gabri­el gleich­set­zen. Das sind zwei grund­ver­schie­de­ne Wesen, ein könig­li­cher Bote und übler Rabau­ke. Hier ist der Schlüssel. 

    Vie­le Pri­vat­of­fen­ba­run­gen fie­len in unwil­li­ge Ver­hält­nis­se, zu deren Hei­lung sie eigent­lich erfolg­ten, aber gera­de des­we­gen nicht ange­nom­men wur­den. Man hät­te sich ja ändern müssen.

    Viel gebe­tet wur­de für die fran­zö­si­schen Sol­da­ten in dem from­men Dorf Pontmain
    Am 17. Janu­ar 1871 erschien die Got­tes­mut­ter Maria. Nur die Kin­der konn­ten sie sehen. Wäh­rend der Erschei­nung: „Die Preu­ßen sind in Laval!“ Eine Schrift sagt: „Aber betet doch kin­der, Gott wird euch in kur­zer Zeit erhören …“
    Laval wur­de nicht ein­ge­nom­men, die Preu­ßen zogen sich zurück und sie­ben Tage spä­ter wur­de ein Waf­fen­still­stand vereinbart.
    Der Höchst­kom­man­die­ren­de Prinz Fried­rich Karl von Preu­ßen, Pro­te­stant, gab als sol­cher eine unge­wöhn­li­che Erklä­rung ab: „Es ist irgend­wo eine Madon­na, die uns den Weg ver­sperrt.“ Soweit das Wesent­li­che aus „Kirch­li­che Umschau“ 2/​21. Bit­te selbst lesen.

    Ist Ähn­li­ches nicht aus dem WKI in Nord­frank­reich berichtet?

    Man kann für die Jetzt­zeit Schlüs­se zie­hen: Sind UNO, EU, Sozia­li­sten , Glo­ba­li­sie­rer wirk­lich die rech­ten Leh­rer für eine ver­nünf­ti­ge Zukunft, oder eher doch die Konservativen?

  2. Ich habe etwas über­se­hen. Ich muß mich als Ver­sa­ger outen.
    Ich bin sicher, daß der Rosen­kranz als All­zweck­waf­fe gegen alle Übel in der Welt wirk­sam ist, aber seit ich nicht mehr im Lkw unter­wegs bin, ande­re The­men die Vor­herr­schaft über­nom­men haben. Es reicht völ­lig aus, Gott gele­gent­lich dar­an zu erin­nern, wel­che eige­nen Nöte sei­ner Hil­fe bedür­fen. Ich war zwan­zig Jah­re ohne Ver­si­che­rungs­schutz für/​gegen eige­ne Erwerbsunfähigkeit.

    • Herr Kug­ler, ich ver­ste­he nicht, wo Sie ver­sagt haben wol­len. Jeder macht sei­ne Feh­ler. Nie­mand ist per­fekt. Eher ein gro­sses Lob an Sie, weil Sie die Fähig­keit besit­zen, sich selbst in Fra­ge zu stellen.

  3. Gott bestraft die­je­ni­gen, die in sei­nem Namen Pro­phe­ti­en machen, ohne daß er sie dazu gesandt hät­te (Jer 14,14f).
    Man muß auch beim Pri­vat­of­fen­ba­rung ach­ten, daß es nicht von Luzi­fer-Teu­fel stammt!

  4. Die Fra­ge, ob eine Pri­vat­of­fen­ba­rung echt oder unecht ist, ist sehr schwie­rig. Der Autor der bespro­che­nen Schrift zeigt auf, wie sich sogar bei­de Aspek­te im sel­ben Phä­no­men auf­tre­ten kön­nen. Die Kir­che hat sich des­halb immer zurück­ge­hal­ten. Es ist eine neue­re Erschei­nung, dass Rom heu­te über jedes Phä­no­men urtei­len soll­te. War­um aber? Nie­mand muss Pri­vat­of­fen­ba­run­gen glau­ben. Die Kir­che weiß, war­um sie hier solan­ge Spiel­raum lässt, solan­ge nicht offen­sicht­lich gegen eine Glau­bens­wahr­heit, gegen ein Kir­chen­ge­setz oder gegen den gesun­den Men­schen­ver­stand ver­sto­ßen wird (Geschäf­te­ma­che­rei, Sek­tie­rer­tum etc).

  5. Was soll die­ser Artikel?
    Wel­che Hil­fe bie­tet er?
    Dass die Unter­schei­dung schwie­rig ist, und auch her­vor­ra­gen­den Kir­chen­vä­tern schwer fiel, ist nichts Neues.
    Dass man Demut, Ver­nunft und Nüch­tern­heit braucht, um zu urtei­len, ist auch eine Binsenweisheit!
    Das auch Seher Schwä­chen haben, ist auch das Selbst­ver­ständ­lich­ste von der Welt
    Und frei­lich, vie­le kom­pli­zier­te Ver­läu­fe der Beweis­füh­rung bei Fati­ma benennt er anschei­nend nicht aus­führ­lich, eben­so das Ver­sa­gen vie­ler Päp­ste in der Ein­ord­nung der Bot­schaf­ten von Fatima.
    Ich gebe hier jedem einen Tipp, wie er ech­te von fal­schen Pro­phe­zei­un­gen unter­schei­den kann:
    Spricht aus die­ser Erschei­nung der Geist des „Non ser­vitam“ oder nicht?
    Ach­tet er auf die Klei­nig­kei­ten des All­tags, bzw. das Ver­hal­ten beim Mess­be­such, und sagt nicht nur, dass man hin­ge­hen soll? Kennt uns der dort spre­chen­de Geist bes­ser als wir uns selbst, oder plap­pert er irgend­wel­che Kli­schees nach?

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