
Der Vatikan-Korrespondent der französischen Tageszeitung La Croix, Mikael Corre, zitiert in seiner wöchentlichen Kolumne vom 11. Oktober 2025 zwei Aussagen hochrangiger vatikanischer Persönlichkeiten – wobei beide Aussagen möglicherweise von ein und derselben Person stammen –, die sich zu den Schwierigkeiten und Folgen äußern, welche durch spontane und freimütige Äußerungen der Päpste entstehen.
Nach der Wahl von Papst Franziskus wurde zunächst verbreitet, der bisherige Erzbischof von Buenos Aires gebe keine Interviews. Das genaue Gegenteil war jedoch der Fall. Eine Flut von Interviews sorgte zwölf Jahre lang für immer neue Irritationen, teils schwerwiegender Natur. Da der Heilige Stuhl auf notwendige Richtigstellungen verzichtete, blieben von den Medien wiedergegebene Aussagen eindeutig häretischen Inhalts unkommentiert im Raum stehen (siehe die Gespräche von Eugenio Scalfari mit Franziskus).
Nach der Wahl von Papst Leo XIV. nahmen viele Katholiken mit Erleichterung an, das neue Kirchenoberhaupt werde zur nüchternen, klugen und zurückhaltenden Art seiner Vorgänger zurückkehren – jener Päpste, die Interviews mit wenigen Ausnahmen ausschlossen und insbesondere keine spontanen Äußerungen gegenüber Journalisten machten.
Unter Johannes Paul II. wurden die sogenannten „fliegenden Pressekonferenzen“ eingeführt und von seinen Nachfolgern beibehalten. Allerdings waren die Fragen den Päpsten im voraus bekannt, so daß das Kirchenoberhaupt keine völlig spontanen Antworten geben mußte. Eine gewisse Spontaneität hielt dennoch Einzug und wurde auch kritisiert.
Dann folgte die Enttäuschung: Seit kurzem gibt auch Leo XIV. – wie sein argentinischer Vorgänger – spontane Interviews, die, wie zu erwarten, auch prompt entsprechende Irritationen hervorrufen. Ob er auch die Praxis der fliegenden Pressekonferenzen fortsetzen wird, ist derzeit noch nicht bekannt. Seine erste Auslandsreise wird der neue Papst Ende November in die Türkei und den Libanon unternehmen.
Das erste von Mikael Corre angeführte Zitat:
„Ich würde es vorziehen, wenn der Papst keine Interviews gäbe“, vertraute ein hoher vatikanischer Würdenträger La Croix an. „Das stiftet Verwirrung: Man weiß nie, wer da spricht – der Papst oder der Mensch. Und alles wird auf eine Stufe gestellt: Eine Aussage gegenüber einem Journalisten bekommt das gleiche Gewicht wie ein Satz in einer Enzyklika.“
Das zweite Zitat lautet:
„Diese Wortwechsel an Bord lassen die Kurienbeamten kalten Schweiß schwitzen. Wenn man mich fragt, was ich mir zu Weihnachten wünsche“, lächelte ein römischer Prälat, „dann antworte ich: die Abschaffung der Pressekonferenzen im Flugzeug.“
Hohe Prälaten im Vatikan sorgen sich also bereits wegen der möglichen Fortsetzung der fliegenden Pressekonferenzen. Doch das Problem ist weit größer – die Kirche steckt bereits mitten darin: Leo XIV. gibt seit kurzem allgemein spontane Interviews und äußert sich – wie ein Politiker – zu den jeweils aktuellsten Themen (siehe dazu den Kommentar von Prof. Ivan Poljaković).
Journalisten neigen dazu, wenn ihnen die Gelegenheit geboten wird, möglichst viele und provokante Themen anzureißen, vor allem solche, für die sie gerade mit öffentlicher Aufmerksamkeit rechnen können. Wer sich auf diese Form der Kommunikation einläßt, wird in eine eigene Dynamik hineingezogen, die nicht einfach zu kontrollieren ist. Das erhöht das Risiko fehlerhafter, ungenauer oder verschwommener Aussagen und untergräbt letztlich die eigentliche Lehrautorität des Papstes.
In der Vergangenheit äußerten bereits verschiedene hohe Prälaten, daß die Gläubigen – ja, die ganze Menschheit – sich darauf verlassen können müsse, daß sie, wenn der Papst spricht – und er muß nicht oft sprechen –, verläßliche und klare Aussagen erhalten, die Orientierung geben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews/Youtube (Screenshot)
Hinterlasse jetzt einen Kommentar