
Mit mehreren Auszügen wurde gestern für das erste Gesprächsbuch von Papst Leo XIV. geworben. Dabei geht es um Aussagen des neuen Papstes zur Migrationsfrage, zum Nahost-Konflikt, zu Frauendiakonat und Homosexualität. Ein weiteres Thema ist die heilige Liturgie. Um die von Elise Ann Allen dem Papst im Buch gestellte Frage zu verstehen, ist an eine Bekanntgabe vom vergangenen Juli zu erinnern.
Damals teilte das Sekretariat der Synodalitätssynode unter Leitung von Kardinal Mario Grech mit, daß zu den zehn bereits bestehenden Studiengruppen, die Papst Franziskus zu spezifischen Themen eingesetzt hatte, von Papst Leo XIV. noch zwei weitere Gruppen hinzugefügt wurden. Eine dieser neuen Studiengruppen soll sich mit der Liturgie aus synodaler Perspektive befassen.
In seiner Antwort an Allen läßt Leo XIV. die Möglichkeit erkennen, sich bald „mit einer Gruppe von Personen zu treffen, die den tridentinischen Ritus verteidigen“. Damit liegt der Schluß nahe, daß diese baldige Gelegenheit die 14. Internationale Wallfahrt der Tradition Ad Petri Sedem sein könnte, die vom Coetus internationalis Summorum Pontificum organisiert und vom 24. bis 26. Oktober stattfinden wird.
Das Gesprächsbuch ist bisher nur in spanischer Übersetzung erschienen, während das Gespräch zwischen Leo XIV. und Allen auf englisch geführt wurde. Die folgende deutsche Übersetzung stützt sich daher auf den englischen Vorabdruck.
Elise Ann Allen: Was genau wird in der Studiengruppe zur Liturgie behandelt? Inwieweit hängt ihre Einrichtung mit den Spannungen rund um die traditionelle lateinische Messe zusammen, oder mit Themen wie dem neuen amazonischen Ritus?
Leo XIV.: Nach meinem Verständnis sind der Hauptanlaß für die Einrichtung dieser Gruppe vor allem Fragen, die die Inkulturation der Liturgie betreffen. Also: Wie kann man den Prozess fortsetzen, die Liturgie innerhalb einer anderen Kultur, innerhalb einer konkreten Kultur, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit bedeutsamer zu gestalten? Ich denke, das war das zentrale Anliegen.
Ein weiteres Thema, das ebenfalls kontrovers ist und zu dem ich bereits mehrere Anfragen und Briefe erhalten habe, betrifft die Frage, die die Leute immer wieder stellen, nämlich: „die Messe auf Latein“. Nun, man kann die Messe auch heute in Latein feiern. Wenn es sich um den Ritus des Zweiten Vatikansichen Konzils handelt, ist das überhaupt kein Problem. Natürlich im Moment kann man die Messe auf Latein feiern. Wenn es sich um den Ritus des Zweiten Vatikanischen Konzils handelt, gibt es kein Problem. – was die tridentinische Messe im Vergleich zur Messe des Zweiten Vatikanischen Konzils, der sogenannten Paul-VI-Messe betrifft – da bin ich mir nicht sicher, wohin sich das entwickeln wird. Das ist offensichtlich sehr komplex.
Ich weiß, daß dieses Thema – leider – wieder Teil eines Polarisierungsprozesses geworden ist. Die Liturgie wird von manchen als Vorwand benutzt, um andere Themen voranzutreiben. Sie ist zu einem politischen Instrument geworden, und das ist sehr bedauerlich. Ich denke, daß etwa der – sagen wir – mißbräuchliche Umgang mit der Liturgie des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht hilfreich war für Menschen, die eine tiefere Gebetserfahrung suchten, eine tiefere Berührung mit dem Geheimnis des Glaubens, die sie offenbar in der Feier der tridentinischen Messe fanden. Wieder einmal sind wir in eine Polarisierung geraten, statt sagen zu können: Wenn wir die Liturgie des Zweiten Vatikanischen Konzils richtig feiern, stellen wir dann wirklich so große Unterschiede zwischen dieser und jener Erfahrung fest?
Ich hatte bisher nicht die Gelegenheit, mich wirklich mit einer Gruppe von Menschen zusammenzusetzen, die sich für den tridentinischen Ritus einsetzen. Bald wird sich eine Gelegenheit ergeben, und ich bin sicher, es wird weitere geben. Ich denke aber, das ist ein Thema, über das wir – vielleicht im Geist der Synodalität – miteinander sprechen müssen. Es ist inzwischen zu einem so polarisierten Thema geworden, daß viele gar nicht mehr bereit sind, einander zuzuhören. Ich habe Bischöfe darüber sprechen hören – sie sagten mir: „Wir haben sie zu diesem und jenem eingeladen, aber sie wollen es nicht einmal anhören.“ Sie wollen nicht einmal darüber reden. Das ist schon für sich genommen ein Problem. Es bedeutet, daß wir uns inzwischen auf ideologisches Terrain begeben haben und uns nicht mehr für die Erfahrung kirchlicher Gemeinschaft interessieren. Und das ist eines der Themen, die auf der Tagesordnung stehen.
Leo XIV. wagt, was sein Vorgänger Franziskus kategorisch abgelehnt hatte: Er ist bereit, mit Vertretern des überlieferten Ritus zusammenzutreffen und grundsätzliche Gespräche über die Frage der heiligen Liturgie zu führen. Das ist nicht nur eine gute Nachricht – es ist eine echte Sensation. So direkt ist kein Kirchenoberhaupt seit der Liturgiereform von 1969 das Thema angegangen. Unter den vorbergoglianischen Päpsten gab es Gespräche, die jedoch im privaten Rahmen, teils in der päpstlichen Wohnung, stattfanden und nicht nach außen kommuniziert wurden.
Zugleich läßt Leo XIV. erkennen, daß er die Beweggründe jener Gläubigen, die dem überlieferten Ritus verbunden sind, sehr wohl versteht – vielleicht nicht teilt, aber versteht. Sein Vorgänger Franziskus hatte sich dagegen jeglichem Dialog verweigert. Die Kritik, die Leo XIV. an ideologischer Engführung und Gesprächsverweigerung äußert, trifft zumindest auch auf Franziskus selbst zu.
Bereits 2012 keimte Hoffnung auf, als spekuliert wurde, Papst Benedikt XVI. könne am feierlichen Pontifikalamt der Wallfahrt Ad Petri Sedem im Petersdom teilnehmen. Doch Benedikt blieb der Zelebration fern – ein Umstand, der die später unter Franziskus einsetzende Verfolgung des überlieferten Ritus begünstigte.
Mit den gestern veröffentlichten Äußerungen von Leo XIV. flammt nun erneut Hoffnung auf, daß der Papst selbst an dem Ritus teilnehmen könnte. Auch wenn man nicht damit rechnen sollte, scheint Leo XIV. durchaus bereit zu sein, mit symbolischen Gesten zu überraschen – vorausgesetzt, er ist von deren Bedeutung überzeugt. Die erklärte Gesprächsbereitschaft ist jedenfalls bereits ein wichtiger Schritt – einer, der vielleicht schon Ende Oktober konkrete Formen annehmen könnte.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Collage
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