
Am frühen Montagmorgen, dem 28. Juli 2025, wurde das christlich geprägte Dorf Taibeh bei Ramallah im israelisch besetzten Westjordanland erneut Ziel eines gewaltsamen Angriffs durch eine Gruppe israelischer Siedler.
Nach Angaben der palästinensischen Behörden setzten die Angreifer mehrere Fahrzeuge in Brand und hinterließen rassistische Parolen in hebräischer Sprache an Hauswänden. Anwohner berichteten, der Übergriff habe gegen 2:00 Uhr morgens Ortszeit begonnen.
Der Vorfall hat weit über die Region hinaus Bestürzung ausgelöst, weil es sich bereits um den dritten Angriff auf das Christendorf innerhalb weniger Wochen handelt. Trotz der internationalen Aufmerksamkeit schrecken die jüdischen Siedler nicht vor neuen Angriffen zurück. Sie betreiben eine ethnische Säuberung durch Verdrängung. Ihr Ziel ist es, die arabische Bevölkerung, ob Christen oder Moslems, zu vertreiben, um ihr Land zu übernehmen und Groß-Israel zu errichten. Die Vorgehensweise würde bei jedem anderen zivilisierten Volk einhellige Empörung und internationale Ächtung zur Folge haben. Die jüdischen Extremisten hingegen scheinen sich ihrer Sache sehr sicher zu sein, was auf Rückendeckung schließen läßt.

Das palästinensische Außenministerium verurteilte die Tat als „terroristischen Akt“. Auch der bundesdeutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, fand erstaunlich deutliche Worte und erklärte:
„Diese extremistischen Siedler mögen behaupten, Gott habe ihnen das Land gegeben, aber in Wahrheit sind sie nichts weiter als Kriminelle ohne Glauben.“
Noch schärfer äußerte sich das Lateinische Patriarchat von Jerusalem, das gemeinsam mit weiteren Kirchenführern eine offizielle Stellungnahme veröffentlichte. Darin bringen sie ihre tiefe Besorgnis über den Angriff zum Ausdruck und verurteilen ihn als gezielten Akt der Einschüchterung gegen eine friedliche und gläubige Gemeinschaft, die tief mit dem Land Christi verbunden sei. Der Angriff sei kein Einzelfall, sondern Teil eines zunehmend besorgniserregenden Musters systematischer Gewalt durch israelische Siedler gegen palästinensische Zivilisten in der Westbank.
Erst wenige Tage zuvor war es in Taibeh zu einem ähnlichen Vorfall gekommen: Maskierte, teils bewaffnete Siedler, einige zu Pferd, drangen in den Ort ein und führten sogar Vieh mitten in das Dorfzentrum. Sie verbreiteten Angst unter der Bevölkerung. Dabei wurde auch die aus byzantinischer Zeit stammende Georgskirche des Ortes – ein Symbol für das jahrhundertealte christliche Erbe in der Region – durch Feuer beschädigt.
Kritik richtet sich zudem gegen die israelische Polizei, die die Vorfälle laut der Kirchenführer lediglich als „Sachbeschädigung“ einstufte und so den weiteren Kontext gezielter Einschüchterung und Menschenrechtsverletzungen ignorierte. Auch gezielte Desinformationskampagnen aus dem Umfeld der Siedler, die als Reaktion auf jüngste diplomatische Besuche in Taibeh gestartet wurden, rufen Besorgnis hervor. Diese versuchten, die Opfer zu diskreditieren und die internationale Solidarität zu untergraben. Auch hierin zeigt sich ein internationales Unterstützernetzwerk: Die gewalttätigen jüdischen Fanatiker sind keine isolierte Gruppe.
In ihrer Erklärung rufen die Kirchenführer die israelische Regierung auf, endlich ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Sie fordern:
- die strafrechtliche Verfolgung der Täter ohne Verzögerung,
- den Schutz der Bevölkerung von Taybeh und anderer gefährdeter Gemeinden,
- sowie die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere hinsichtlich Gleichheit vor dem Gesetz und Schutz religiöser Minderheiten.
Dank und Anerkennung sprachen sie internationalen diplomatischen Vertretungen aus, die Taibeh in jüngster Zeit besucht und Solidarität gezeigt hatten. Diese internationale Präsenz sei ein Zeichen der Hoffnung, betonten die Kirchenführer, und sie riefen dazu auf, dieses Engagement fortzusetzen.
„Die Aggression dauert an – und ebenso muß unsere gemeinsame Wachsamkeit und unser Gebet für einen gerechten Frieden fortbestehen“, heißt es abschließend in der Erklärung der Kirchen von Jerusalem.
Was auf die Titelseite kommt
Noch ein Wort zum Unterstützerumfeld: Am Tag nach dem jüngsten jüdischen Angriff auf Taibeh, dem einzigen christlichen Dorf im gesamten Heiligen Land, berichtete der Corriere della Sera, Italiens führende Tageszeitung, nicht über diese neue Gewalttat. Sie setzte stattdessen eine verbale Beleidigung französischer Juden auf die Titelseite, die in Italien Urlaub machen. Diesem Vorfall an einer Autobahnraststätte wurde dadurch maximale Sichtbarkeit und Bedeutung beigemessen und als „antsemitischer“ Angriff gebrandmarkt.
Es wird mit unterschiedlichem Gewicht gemessen.
Zudem sagte der Corriere nichts darüber, was dem Wortwechsel vorausgegangen war. Zu verbalen Schlagabtauschen, meist wegen irgendwelcher Nichtigkeiten, kommt es an italienischen Autobahnraststätten in der Sommerhitze zuhauf. Keiner davon schafft es auf die Titelseite der großen Medien. Das weiß die Chefredaktion des Corriere natürlich. Wenn sie dennoch einen solchen Vorfall auf die Titelseite setzt und nicht den Angriff auf Taibeh, handelt es sich um eine bewußte Entscheidung, die im doppelten Sinn als einseitige Parteinahme zu sehen ist. Gleich mehrere hochrangige italienische Politiker verurteilten die Beleidigung mit starken Worten, während es keine Stellungnahmen zum Angriff auf Taibeh gab.
Genau dieses Verhalten eines starken philosemitischen und pro-zionistischen politischen und medialen Netzwerks beklagten jüngst die Patriarchen von Jerusalem. Sie prangerten es an, daß Mainstream-Medien kaum über den Besuch des lateinischen und des griechisch-orthodoxen Patriarchen in der einzigen katholischen Pfarrei im Gaza-Streifen, nach dem tödlichen Angriff des israelischen Militärs, berichtet haben.
Laut inoffiziellen Informationen hält man im lateinischen Patriarchat den Angriff auf die katholische Pfarrei von Gaza für eine mögliche israelische Vergeltungsmaßnahme, weil die Patriarchen drei Tage zuvor das Christendorf Taibeh im Westjordanland besucht und die zwei ersten Angriffe jüdischer Siedler auf das Dorf verurteilt hatten.
Der erneute Angriff auf Taibeh scheint die im lateinischen Patriarchat angestellten Mutmaßungen zu stützen. Der Vorfall zeigt zudem, daß Israel und pro-zionistische Kreise große Anstrengungen zur internationalen Meinungsbeeinflussung unternehmen.
Papst Leo XIV. hatte Israel nach dem Angriff auf die katholische Pfarrei in Gaza eindringlich zu einem Waffenstillstand aufgefordert. Bisher vergebens.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: X/Corriere della Sera (Screenshots)