Von Roberto de Mattei*
Es gab große Erwartungen wegen der Synode, die am 4. Oktober 2023 im Vatikan eröffnet wurde, doch drei Tage später, am 7. Oktober, richtete sich die internationale Aufmerksamkeit auf den Nahen Osten, der durch den brutalen Angriff der Hamas auf Israel plötzlich blutig war. Dieses Ereignis, das auf die russische Invasion in der Ukraine im Februar 2022 folgte, stellt einen neuen Faktor dar, der das zerbrechliche Gleichgewicht in der Welt störte und die Existenz einer Kriegsgefahr für den Westen bestätigte, die in diesem Moment ihr Epizentrum in Palästina hat, dem Land, in dem der Erlöser der Menschheit lebte und sein Blut vergoß.
Papst Franziskus hat sich mehrfach zu Wort gemeldet, um den Krieg zu beklagen, die Freilassung der Geiseln zu fordern und eine Eskalation des Konflikts zu verhindern. Aber ist das alles, was man von dem Stellvertreter Christi erwarten kann?
Franziskus hätte eine außergewöhnliche Gelegenheit gehabt, den Mächtigen der Erde seine Stimme zu Gehör zu bringen, vereint mit jener der in Rom versammelten Synodenväter. Welche bessere Gelegenheit hätte es gegeben, sie feierlich daran zu erinnern, daß der Grund für Kriege wie für alle Übel in der Anhäufung der öffentlichen Sünden der Menschen liegt, daß die gegenwärtigen Kriege eine Strafe für die Entfremdung der Welt von Gott sind und daß der einzige Weg zum Frieden in der Achtung des Naturrechts und der Bekehrung zum Evangelium besteht.
Aber der Stellvertreter Christi sollte auch daran denken, daß Palästina das Land ist, das durch das Leben und den Tod des Erlösers geheiligt wurde, und um den Schutz Jerusalems und der Heiligen Stätten bitten, die zusammen mit der Stadt Rom, dem Sitz der Cathedra Petri, das Herz der Welt darstellen.
Die Kirche hat seit der christlichen Antike immer das Eigentumsrechts oder die Obhut über die Heiligen Stätten beansprucht, die Gegenstand der Verehrung und das Ziel von Pilgerfahrten sind. Der Kult um die christlichen Heiligtümer in Palästina begann mit Kaiser Konstantin, der nach dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 einigen anwesenden Bischöfen den Auftrag erteilte, nach Jerusalem zu reisen, um die Stätten des Leidens und der Auferstehung Jesu Christi zu ermitteln und dort Kirchen zu errichten. Die heilige Helena, die Mutter Konstantins, unterstützte sie bei der Suche nach den kostbaren Reliquien. Es entstanden fünf Basiliken: die erste über dem Heiligen Grab, eine zweite über der Geburtsgrotte in Bethlehem, eine dritte auf dem Ölberg, wo die Himmelfahrt unseres Herrn stattfand, eine vierte im Garten von Gethsemane und eine weitere in Nazareth am Ort der Verkündigung. Dem heiligen Hieronymus und seiner Gruppe römischer Patrizier, die sich gegen Ende des 4. Jahrhunderts in Bethlehem niederließen, verdanken wir die ersten Hospize und Herbergen für Pilger. Damit begann eine Pilgerbewegung, die durch die muslimische Herrschaft über Palästina unterbrochen wurde und mit wechselnden Phasen bis 1917 andauerte.
Mit der Eroberung Jerusalems durch die Seldschuken im Jahr 1071 begann eine Zeit der Christenverfolgung, die die Empörung der Christenheit hervorrief, und es entstand die große Bewegung der Kreuzzüge, deren Ziel die Befreiung des Heiligen Grabes war. Nach dem Ende dieses Epos ist den Franziskanern die Verteidigung und Verehrung der Heiligen Stätten zu verdanken, die im Laufe der Jahrhunderte und trotz zahlloser Wechselfälle bewahrt wurden. Die Mission der Minderbrüder im Heiligen Land wurde sowohl durch die beiden Bullen Gratias agimus und Nuper carissimae von Clemens VI. (1342) als auch durch den Pakt zwischen dem König von Neapel und dem Sultan Qalāwūn von Ägypten geregelt. Die Rechte der Katholiken wurden drei Jahrhunderte lang von allen Sultanen Ägyptens, die an Handelsbeziehungen mit Europa interessiert waren, bestätigt und erweitert, bis Palästina von den osmanischen Türken besetzt wurde, die die Schikanen wieder aufnahmen. Zur gleichen Zeit ließen sich griechisch-orthodoxe Mönche in Jerusalem nieder. Daraufhin begann ein langer und zäher Streit zwischen dem katholischen Klerus und den östlichen Schismatikern, der in den folgenden Jahrhunderten durch die Ansprüche Rußlands, das das Recht auf den Schutz der orthodoxen Religion in der gesamten Levante beanspruchte, noch verschärft wurde.
1847 stellte Papst Pius IX. mit dem Erlass Nulla celebrior das lateinische Patriarchat von Jerusalem wieder her, das seit der Zeit der Kreuzzüge vakant war. Am 11. Dezember 1917, als das Osmanische Reich zusammenbrach, befreite der britische General Edmund Allenby Jerusalem von der jahrhundertealten Herrschaft des Islam. Aus Respekt vor der Heiligen Stadt stiegen Allenby und seine Offiziere von ihren Pferden ab und schritten durch das Jaffa-Tor, begleitet von militärischen Vertretern aus Italien und Frankreich. Die Christenheit jubelte, doch die Hoffnungen auf eine vollständige Befreiung des Heiligen Landes zerschlugen sich bald.
In den Jahren, in denen der Staat Israel entstand und der Krieg zwischen Juden und Arabern in Palästina aufflammte, widmete Papst Pius XII. den Heiligen Stätten drei Enzykliken: die Auspicia quaedam vom 1. Mai 1948, die In multiplicibus vom 24. Oktober 1948 und die Redemptoris nostri vom 15. April 1949.
In der ersten Enzyklika erinnerte der Papst daran, daß ein bestimmter Grund sein Herz beunruhigte und schmerzte: „Wir meinen die heiligen Stätten Palästinas, die seit langem von traurigen Ereignissen heimgesucht werden und fast täglich von neuen Massakern und Zerstörungen verwüstet werden. Und doch, wenn es ein Gebiet in der Welt gibt, das jeder würdigen und zivilisierten Seele besonders am Herzen liegen muß, so ist es gewiß Palästina, von dem seit den dunklen Anfängen der Geschichte so viel Licht der Wahrheit für alle Völker ausgegangen ist; in dem das fleischgewordene Wort Gottes die Chöre der Engel dazu brachte, allen Menschen guten Willens den Frieden zu verkünden, und wo Jesus Christus schließlich, an den Kreuzesstamm geschlagen, dem ganzen Menschengeschlecht das Heil brachte und, indem er seine Arme ausbreitete, als wolle er alle Völker zu einer brüderlichen Umarmung einladen, er durch das Vergießen seines Blutes das große Gebot der Nächstenliebe weihte.
In seiner zweiten Enzyklika In multiplicibus bekräftigte er: „die Gelegenheit, Jerusalem und seiner Umgebung, wo sich so viele und so wertvolle Erinnerungen an das Leben und den Tod des Erlösers befinden, einen internationalen Charakter zu geben, der unter den gegenwärtigen Umständen am besten geeignet erscheint, den Schutz der Heiligtümer zu gewährleisten. Es wird auch notwendig sein, mit internationalen Garantien sowohl den freien Zugang zu den über ganz Palästina verstreuten heiligen Stätten als auch die Freiheit der Religionsausübung und die Achtung der religiösen Sitten und Gebräuche zu gewährleisten“.
In der dritten Enzyklika erneuerte Pius XII. die Aufforderung an „die Machthaber und all jene, deren Aufgabe es ist, über ein so wichtiges Problem zu entscheiden, der Heiligen Stadt und ihrer Umgebung eine angemessene rechtliche Situation zu geben, deren Stabilität unter den gegenwärtigen Umständen nur durch ein gemeinsames Verständnis friedliebender Nationen, die die Rechte der anderen respektieren, sichergestellt und garantiert werden kann. Es ist aber auch notwendig, für den Schutz aller heiligen Stätten zu sorgen, die nicht nur in Jerusalem und seiner Umgebung, sondern auch in anderen Städten und Dörfern Palästinas zu finden sind. Da nicht wenige von ihnen infolge der jüngsten Kriegsereignisse schweren Gefahren ausgesetzt waren und beträchtlichen Schaden erlitten haben, ist es notwendig, daß diese Stätten, die so große und ehrwürdige Erinnerungen bewahren, die Quelle und Nahrung der Frömmigkeit für jeden Christen sind, durch ein rechtliches Statut geschützt werden, das durch irgendeine Form von internationalen Abkommen oder Verpflichtungen garantiert wird“.
Pläne für einen internationalen Schutz Jerusalems und der Heiligen Stätten wurden nie verwirklicht, und die Pilgerströme hielten vor dem Hintergrund eines latenten Konflikts an. Heute ist in dem Land, in dem der von den Propheten als „Friedensfürst“ (Jes 9,6) verkündete Mensch geboren wurde und starb, ein Krieg ausgebrochen, der sich auf Ost und West auszudehnen droht. Aber wenn Christus nicht von denen verkündet wird, die ihn repräsentieren und die Menschheit zur Umkehr aufrufen sollten, wie kann man sich dann wundern, wenn die Welt einen Krieg riskiert, der schlimmer ist als alle Kriege, die ihm vorausgegangen sind?
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Wir sprechen hier über das heilige Land in dem der Sohn Gottes vor 2000 Jahren gewandelt ist. Und wir sprechen über das Volk der Juden, dem dieses Land von Gott zueignet worden ist. Neuer und alter Bund, repräsentiert durch das christliche Abendland und durch Israel. Die älteren und jüngeren Brüder, wie die Katholiken beide Seiten wohlwollend nennen. Auch auf jüdischer Seite finden wir vereinzelt dieses Wohlwollen erwidert.
Gegenwärtig werden eine Reihe Fehlannahmen gemacht, weil man sich nicht direkt auf das Wort Gottes, die heiligen Schriften bezieht. Man bezieht sich auf Interpretationen oder auf Interpretationen von Interpretationen. Es verwäscht sich dabei.
Im Rückblick sehen wir den Erlöser Jesus Christus. In der Vergangenheit findet sich ein Friedensfürst. In der Realität stehen wir aber vor seiner Wiederkunft als Richter. Er kommt ebenso zurück wie er in den Himmel aufgefahren ist. Und er kommt als Richter. Sein einmaliges Gericht wird hart und gerecht sein. Im Gericht selbst gibt es keine Gnade. Er nimmt mit oder er sagt, ich kenne Dich nicht.
Ein zweiter Punkt ist die Friedensoption. Nur das alte Testament befaßt sich ausführlich mit Kriegen. Immer wieder spricht Gott zu den Israeliten. Gott fordert mitnichten zu Frieden auf. Gott gibt exakte Anweisungen, wie entsprechend seinem Ratschluß Krieg geführt werden soll und sagt gleichzeitig wie es ausgehen wird.
Eschatologisch betrachtet sind die Kriege, die Israel vor der Wiederkunft Christi führen wird, Teil des Gerichtes. Israel ist der Augapfel Gottes, den niemand antasten darf. Das wissen heute alle Beteiligten des Konfliktes im heiligen Land. Die Bibel sagt eindeutig, die Kriege vor der Wiederkunft Christi sind Kriege, die Gott mit Hilfe seines auserwählten Volkes führt.
Auf jüdischer und christlicher Seite gibt es Stimmen, die sinngemäß die gleiche Aufforderung ausrufen. Es sollte hier im Kern wiederholt werden: Es können nur einzelne Menschen bekehrt werden. Nichts hat am Ende der Tage, soviel Bedeutung, wie der Einsatz um die Bekehrung. Missioniert!
Der Apostel Jakobus schreibt (5,20): „Wisset: Wer einen Sünder, der auf einem Irrweg ist, zur Umkehr bewegt, rettet ihn vor dem Tod und deckt viele Sünden zu.“