
Von Roberto de Mattei*
Vor achtzig Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Nach der Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands am 8. Mai 1945 befanden sich die Vereinigten Staaten noch immer im Krieg mit Japan. Am Morgen des 6. August 1945, um 8:15 Uhr, warf die US-Luftwaffe eine Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima. Drei Tage später, am 9. August, ging eine weitere Bombe auf Nagasaki nieder. Die beiden Städte wurden in Schutt und Asche gelegt. Die Gesamtzahl der Todesopfer wurde auf etwa 200.000 geschätzt, fast ausschließlich Zivilisten. Kaiser Hirohito akzeptierte am 14. August die bedingungslose Kapitulation Japans.
Die politischen und militärischen Instanzen der USA behaupteten, dieses Massaker habe dazu gedient, den Konflikt zu verkürzen, indem es das Leben zahlreicher amerikanischer und japanischer Soldaten gerettet habe, die bei einer Verlängerung der Militäroperationen gestorben wären. Dabei hätte es ausgereicht, die Bombe auf ein ausschließlich militärisches Ziel zu zünden, um die Macht der Bombe auf spektakuläre Weise zu demonstrieren, ohne so viele Unschuldige abzuschlachten. In der damals geltenden Haager Landkriegsordnung von 1907 heißt es in Artikel 25:
„Es ist untersagt, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, mit welchen Mitteln es auch sei, anzugreifen oder zu beschießen.“
Aber diese Regeln waren bereits von beiden Seiten der Kriegsparteien verletzt worden, was viele Kriegshandlungen des Zweiten Weltkriegs unmoralisch machte.
Die Atombombe war und ist der verheerendste Sprengsatz, den sich der menschliche Geist vorstellen kann.
Die Atomsprengköpfe von Hiroshima und Nagasaki hatten eine Sprengkraft von 15 bzw. 20 Kilotonnen. Heutige (amerikanische, russische und chinesische) Bomben sind fünf- bis zehnmal stärker, wenn sie als taktische Waffen eingesetzt werden, während strategische Bomben zehn- oder hundertmal stärker sein können.
Doch nach der katholischen Lehre ist die Atombombe, so schrecklich sie auch sein mag, weniger schlimm als eine einzige schwere Sünde. Der Grund dafür ist, wie der heilige Thomas von Aquin erklärt, daß „die Todsünde ihrer Art nach ein unermeßliches Übel ist; sie übersteigt alle körperlichen Schäden, ja sogar die Verderbnis des gesamten materiellen Universums“ (Summa Theologiae, I‑II, q. 73, a. 8, ad 3). Das körperliche Übel kann auch eine Rolle in der göttlichen Vorsehung spielen und einem größeren Gut dienen, aber eine einzige Todsünde ist schlimmer als alle körperlichen Übel des Universums zusammen, weil sie ein direktes und freiwilliges Vergehen gegen Gott ist, das den ewigen Verlust der Seele verursacht, und das Gut der Seele ist dem des Körpers unendlich überlegen (Summa Theologiae, II-II, q. 26, a. 3).
In Hiroshima wie in Nagasaki gab es jedoch einige Ereignisse, die uns daran erinnern, daß Gottes Liebe stärker ist als der Tod und uns vor allem Bösen schützen kann.
In Hiroshima lebte 1945 eine kleine Gemeinschaft deutscher Jesuitenpatres im Pfarrhaus der Mariä-Himmelfahrts-Kirche, nur acht Blocks vom Epizentrum der Atombombenexplosion entfernt.
Einer dieser Jesuiten, Pater Hubert Schiffer (1915–1982), erzählt, daß sie gerade die Messe gefeiert hatten und zum Frühstück gegangen waren, als die Bombe fiel:
„Plötzlich erfüllte eine furchtbare Explosion die Luft wie ein Feuersturm. Eine unsichtbare Kraft riß mich von meinem Stuhl, schleuderte mich durch die Luft, warf mich umher wie ein Blatt im Herbstwind.“
Einen ganzen Tag lang waren die vier Jesuiten in ein Inferno aus Feuer, Rauch und giftigen Wolken gehüllt, aber keiner von ihnen wurde durch die Strahlung kontaminiert, und ihre Pfarrkirche blieb stehen, während alle anderen Häuser in der Umgebung zerstört wurden und niemand überlebte. Als die Ordensleute gerettet wurden, stellten die Ärzte mit Erstaunen fest, daß ihre Körper anscheinend immun gegen Strahlung oder andere schädliche Auswirkungen der Explosion waren. Pater Schiffer lebte noch 37 Jahre lang bei guter Gesundheit und nahm 1976 am Eucharistischen Kongreß in Philadelphia teil. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Mitglieder der Hiroshima-Gemeinde noch am Leben. Ab dem Tag, an dem die Bomben fielen, wurden die überlebenden Jesuiten mehr als 200 Mal von Wissenschaftlern untersucht, ohne zu einem anderen Ergebnis zu kommen, als daß ihr Überleben ein für die menschliche Wissenschaft unerklärliches Ereignis darstellte.
Die Jesuiten schrieben ihre Rettung der Gottesmutter von Fatima zu, die sie verehrten, indem sie täglich den Rosenkranz beteten. „Als Missionare wollten wir die Botschaft Unserer Lieben Frau von Fatima in unserem Land leben und beteten deshalb jeden Tag den Rosenkranz“, bezeugt Pater Schiffer.
Ein ähnliches Wunder ereignete sich auch in Nagasaki. In dieser Stadt befand sich das Franziskanerkloster Mugenzai no Sono (Garten der Unbefleckten), das vom heiligen Maximilian Kolbe gegründet wurde. Bei der Explosion der Atombombe blieb dieses Kloster unversehrt wie das Jesuitenhaus in Hiroshima. Die Franziskaner in Nagasaki verehrten die Unbefleckte Empfängnis und verbreiteten die Botschaft von Fatima. Pater Kolbe, der Apostel der Immakulata, war am 14. August 1941 in Auschwitz ums Leben gekommen.
Diese Episoden bestätigen eine große Wahrheit: Wir müssen uns nicht vor der Atombombe fürchten, sondern vor der moralischen Störung, die die Menschheit heimsucht. Die Sünde ist der einzige Grund für die physischen Übel, die uns überfluten, denn wie der heilige Paulus sagt, sind Leiden und Tod durch die Sünde in die Welt gekommen (Röm 5,12). Doch das Gebet besiegt das Böse, und die Gottesmutter lehrte in Fatima, daß die Waffe des christlichen Kämpfers schlechthin der Rosenkranz ist. In einem Interview vom 26. Dezember 1957 mit Pater Agostino Fuentes sagte Schwester Lucia, eine der Seherinnen von Fatima:
„Die Strafe des Himmels steht unmittelbar bevor. […]. Gott hat beschlossen, der Welt die letzten beiden Mittel gegen das Böse zu geben, nämlich den Rosenkranz und die Verehrung des Unbefleckten Herzens Mariens. Es wird keine anderen geben (…). Es gibt kein noch so schwieriges Problem materieller oder besonders spiritueller Art im Privatleben eines jeden von uns oder im Leben der Völker und Nationen, das nicht durch das Gebet des Heiligen Rosenkranzes gelöst werden könnte“.
Es ist also wahr, daß das Rosenkranzgebet stärker ist als die Atombombe.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung/Fußnoten: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
Es ist richtig, dass uns der Rosenkranz schützen kann, nur: wir können uns auf ein solches Wunder, wie hier beschrieben, weder verlassen noch es von Gott einfordern. Letztlich bleibt es immer nur Gnade! Eine Garantie gibt es nicht.
„Doch nach der katholischen Lehre ist die Atombombe, so schrecklich sie auch sein mag, weniger schlimm als eine einzige schwere Sünde.“ Wie kann ein Christ bloß der Meinung sein, dass der Abwurf der Atombombe gegen zivile Ziele, wie es Hiroshima und Nagasaki zweifellos waren, keine Todsünde wäre?
Zu Nagasaki habe ich beim Hl. P.Maximilian Kolbe etwas zu ergänzen. Das Wunder geschah eigentlich mit der Planung bzw. dem Bau des Klosters. Der Pater bestand nämlich darauf, dieses auf einem Hügel abgeneigt (auf der Rückseite abgewandt) von der Stadt zu bauen – er wusste auch schon vorher, dass viele Flüchtlinge kommen würden (natürlich gab es lange überhaupt keine, nur er hatte alleine die göttliche Schauung wie es in einigen Jahren sein würde). Die Mitbrüder u.a. verstanden das alles nicht und wollten den Pater zunächst umstimmen, aber er ließ sich nicht beirren. Die wegen der ungünstigen Lage damit verbundenen Strapazen machten sich dann mit dem Abwurf der Atombombe bezahlt.