Radio Vatikan – ein prominentes Opfer des sinnfreien „Reformismus“

"Die ursprüngliche Mission wurde tiefgreifend verändert und beschnitten"


Was wurde aus Radio Vatikan, der "Stimme des Papstes"?
Was wurde aus Radio Vatikan, der "Stimme des Papstes"?

Luis Badil­la, ein Chi­le­ne mit beweg­ter Ver­gan­gen­heit und tie­fem Ein­blick in das poli­ti­sche Gesche­hen Latein­ame­ri­kas – vor allem aber in die Vor­gän­ge inner­halb der Welt­kir­che –, äußert sich seit sei­ner Pen­sio­nie­rung mit wach­sen­dem Mut und Deut­lich­keit.
Hier sei­ne Ana­ly­se zur Medi­en­re­form, die Papst Fran­zis­kus mit gro­ßem Akti­vis­mus wäh­rend sei­nes Pon­ti­fi­kats vor­an­ge­trie­ben hat:

Radio Vatikan – ein prominentes Opfer der Inkompetenz eines sinnentleerten „Reformismus“

Anzei­ge

Von Luis Badilla*

Die soge­nann­te Reform stellt nicht nur eines der trau­rig­sten Schei­tern des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus dar, son­dern läßt bis heu­te kei­ne kla­re Ant­wort auf die Fra­ge zu, was Radio Vati­kan heu­te über­haupt ist. Es han­delt sich um eines der undurch­sich­tig­sten, rät­sel­haf­te­sten und am schwer­sten greif­ba­ren The­men der ver­gan­ge­nen zehn Jah­re. Mei­stens scheint der Begriff „Radio Vati­kan“ ledig­lich eine Mode­for­mel zu sein, die je nach Gele­gen­heit und Zweck fle­xi­bel benutzt wird – wie etwa im Jah­re 2021, als man neun­zig Jah­re eines „Etwas“ fei­er­te, von dem nie­mand so recht wuß­te, ob es noch exi­stier­te oder nicht.

Wer sich so ver­hält, beweist in erster Linie völ­li­ge Unkennt­nis der Geschich­te die­ses ein­zig­ar­ti­gen Medi­ums – ein­zig­ar­tig nicht nur für den Vati­kan, son­dern in der gesam­ten Geschich­te welt­wei­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on. Sol­che Igno­ranz ver­rät nicht nur man­geln­des Wis­sen dar­über, was Radio Vati­kan einst für den Hei­li­gen Stuhl, für den Papst und für sei­ne inter­na­tio­na­len Rei­sen bedeu­te­te, son­dern auch über sei­nen histo­ri­schen Wert für die Welt­öf­fent­lich­keit. Man erin­ne­re sich nur dar­an, daß zahl­rei­che füh­ren­de Per­sön­lich­kei­ten kom­mu­ni­sti­scher Regime nach dem Zusam­men­bruch des Ost­blocks vor Gericht zuga­ben, sich heim­lich über Radio Vati­kan infor­miert zu haben – „um die Wahr­heit über die Welt zu erfahren“.

Seit­dem eine Art fana­ti­scher, sinn­be­frei­ter Reform­wil­le zur fak­ti­schen Abschaf­fung der päpst­li­chen Radio­stim­me geführt hat, weiß nie­mand – nicht ein­mal die Refor­mer selbst –, womit sie ersetzt wor­den ist. Die Ein­glie­de­rung in das neu geschaf­fe­ne Dik­aste­ri­um für Kom­mu­ni­ka­ti­on geschah ohne jede Rück­sicht auf ihre Eigen­art, auf ihren geschicht­li­chen Weg oder auf ihre bewähr­te und tief­grei­fen­de Bedeu­tung. Die Fol­gen die­ser Mischung aus kolos­sa­ler Unwis­sen­heit und pro­fes­sio­nel­ler Ober­fläch­lich­keit sind bis heu­te schmerz­lich sicht­bar. Ein ähn­li­cher Ver­fall – der Ver­lust an fach­li­cher Qua­li­tät, Beru­fung und mis­sio­na­ri­schem Geist – hat auch den „Osser­va­to­re Roma­no“ betrof­fen. Die ein­sti­gen Aus­hän­ge­schil­der des Vati­kans, die prä­de­sti­niert gewe­sen wären, eine not­wen­di­ge und durch­dach­te Medi­en­re­form zu tra­gen, wur­den zer­schla­gen und einer sich aus­brei­ten­den Mit­tel­mä­ßig­keit über­ant­wor­tet, die sich ihrer eige­nen Gren­zen nicht ein­mal bewußt ist.

Wer der Wahr­heit – und nicht der Pro­pa­gan­da – ver­pflich­tet ist, muß sich an Aus­sa­gen jener Refor­mer erin­nern, die zwi­schen 2015 und 2019 die Ver­ant­wor­tung tru­gen. So hieß es etwa: „Unser Modell ist die BBC“, „Unse­re neue Struk­tur soll sich an Walt Dis­ney ori­en­tie­ren“, oder gar: „Die Reform wird ein Mei­ster­werk – wie die Six­ti­ni­sche Kapelle“.

Radio Vatikan – die Stimme des Papstes, und ihr schleichender Verlust

Am 19. Juni die­ses Jah­res, dem Tage, an dem Papst Leo XIV. auf drei­und­vier­zig Jah­re sei­nes prie­ster­li­chen Lebens zurück­blick­te, begab er sich – ganz ohne Vor­ankün­di­gung, exklu­si­ve Mit­tei­lun­gen oder Infor­ma­ti­on der Fach­pres­se – nach San­ta Maria di Gale­ria, nur weni­ge Kilo­me­ter außer­halb Roms. Dort befin­den sich die histo­ri­schen Sen­de­an­la­gen von Radio Vati­kan, ins­be­son­de­re jene für den Kurz­wel­len­funk. Die­se Anla­ge war in den ver­gan­ge­nen Jah­ren erheb­li­chen Ver­än­de­run­gen unter­wor­fen – aus­ge­löst durch die digi­ta­le Revo­lu­ti­on im Radio­we­sen und den Ver­such, den öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck der jahr­zehn­te­al­ten Tech­nik zu reduzieren.

Wie Vati­can News berich­tet, ver­wies Papst Leo wäh­rend des Besuchs auf sei­ne eige­ne mis­sio­na­ri­sche Tätig­keit in Latein­ame­ri­ka und Afri­ka, bei der die Kurz­wel­len­über­tra­gun­gen von Radio Vati­kan eine unschätz­ba­re Hil­fe dar­stell­ten – da sie auch ent­le­ge­ne Regio­nen erreich­ten, wo kaum ande­re Sen­der zu emp­fan­gen waren. Der Papst bekräf­tig­te erneut den mis­sio­na­ri­schen Wert kirch­li­cher Kommunikation.

Anschlie­ßend besich­tig­te der Papst auch das exter­ri­to­ria­le Gebiet, das auf einem Abkom­men mit dem ita­lie­ni­schen Staa­te aus dem Jah­re 1951 beruht. Im Rah­men des Motu pro­prio Fra­tel­lo Sole wird der­zeit ein Pro­jekt für eine agri­vol­ta­ische Anla­ge geprüft. Die­se soll nicht nur die Radio­sta­ti­on mit Strom ver­sor­gen, son­dern per­spek­ti­visch den gesam­ten Ener­gie­be­darf des Vati­kan­staa­tes decken. Die Anla­ge wur­de 1957 von Pius XII. ein­ge­weiht. Der letz­te Papst­be­such dort fand 1991 statt – durch Johan­nes Paul II.

Missionar im Dienste von Radio Vatikan

Im Inter­view mit dem ita­lie­ni­schen Nach­rich­ten­sen­der TG1 sag­te Papst Leo XIV. über sei­nen Besuch:

„Es war eine schö­ne Gele­gen­heit, ein­mal aus dem Vati­kan her­aus­zu­kom­men. Heu­te ist hier Fei­er­tag – Fron­leich­nam. Die eigent­li­che Fei­er fin­det jedoch am Sonn­tag statt – mit der Pro­zes­si­on von San Gio­van­ni in Late­r­ano nach San­ta Maria Mag­gio­re. Also nutz­ten wir die Gele­gen­heit, um die­ses Zen­trum zu besu­chen. Ich kann­te es nicht. Schon unter Pius XII. gab es hier Sen­de­tä­tig­keit. Papst Fran­zis­kus hat spä­ter ein Pro­jekt ange­sto­ßen, das – wenn es gelingt – einen wich­ti­gen öko­lo­gi­schen Bei­trag lei­sten kann, sowohl für den Vati­kan als auch für das Umland.“

Der Papst ergänzte:

„Tag und Nacht ver­su­che ich, die Lage in ver­schie­de­nen Welt­re­gio­nen zu ver­fol­gen. Der Nahe Osten steht der­zeit im Mit­tel­punkt, aber das Leid ist nicht auf eine Regi­on beschränkt. Ich erneue­re mei­nen Appell zum Frie­den – wir müs­sen mit aller Kraft den Ein­satz von Waf­fen ver­hin­dern. Es ster­ben Unschul­di­ge. Wir müs­sen gemein­sam eine Lösung finden.“

Die geplan­te Umwand­lung des Vati­kan­staa­tes in das erste kom­plett umwelt­freund­li­che Staats­we­sen der Welt sei ein ech­tes Zukunfts­pro­jekt, so Leo XIV. – aller­dings hän­ge es noch von einem Abkom­men mit dem ita­lie­ni­schen Staa­te ab. „Ich glau­be, die Kir­che kann hier der Welt ein bedeut­sa­mes Bei­spiel geben. Wir alle ken­nen die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels – und Papst Fran­zis­kus hat uns sehr klar gezeigt, wie wich­tig die Bewah­rung der Schöp­fung ist.“

Die leise, würdige Nostalgie Leos XIV. – für die Stimme des Papstes

Der Hei­li­ge Vater erin­ner­te im Gespräch auch an sei­ne Zeit als Missionar:

„In Latein­ame­ri­ka, oft in den Ber­gen, wo es kei­ne ande­re Ver­bin­dung gab – da kam nachts immer Radio Vati­kan durch. Ich hat­te ein klei­nes Radio dabei. Auch spä­ter, als ich Gene­ral der Augu­sti­ner war, auf Rei­sen in Afri­ka und ande­ren Län­dern, habe ich dort oft Nach­rich­ten gehört oder ein gutes Wort gefun­den – dank die­ses wert­vol­len Dienstes.“

Die­se Wor­te sind nicht zufäl­lig gewählt. Der Papst sen­det ein kla­res Zei­chen der Wert­schät­zung an ein Werk, das über Jahr­zehn­te hin­weg – getra­gen von Prie­stern und Lai­en – dem Bischof von Rom eine welt­weit ein­ma­li­ge Stim­me ver­lieh, beson­ders für die Armen und Verfolgten.

Die­se weni­gen, aber gewich­ti­gen Sät­ze Papst Leos XIV. bei sei­nem Besuch im Zen­trum von San­ta Maria di Gale­ria – dem Herz­stück des ehe­ma­li­gen Radio Vati­kan (1931–2017) und heu­ti­gen Vati­can News (seit 2017) – las­sen sich auf ver­schie­de­ne Wei­se deu­ten. Sie zei­gen jedoch unmiß­ver­ständ­lich, wie umstrit­ten die­ses The­ma wei­ter­hin ist. Noch immer wird dar­über debat­tiert, ob Radio Vati­kan heu­te über­haupt noch exi­stiert oder ob es im Zuge der vati­ka­ni­schen Medi­en­re­form seit 2015 still­schwei­gend abge­schafft wurde.

Zwar exi­stiert der Name – etwa bei Radio Vati­kan Ita­lia – wei­ter­hin, doch die ursprüng­li­che Mis­si­on wur­de tief­grei­fend ver­än­dert und beschnit­ten. Auch wenn es noch mehr als vier­zig Sprach­pro­gram­me gibt, reicht das allein nicht aus, um von einer ech­ten Fort­füh­rung zu spre­chen. Zumal die Behaup­tung, das „Radio“ sei als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form über­holt, schlicht­weg nicht den Tat­sa­chen entspricht.

*Luis Badil­la Mora­les, gebo­ren 1951 in Chi­le, Jour­na­list, spiel­te Anfang der 1970er Jah­re wäh­rend der Regie­rung des Sozia­li­sten Sal­va­dor Allen­de eine poli­ti­sche Rol­le in sei­ner Hei­mat. Er war Vor­sit­zen­der der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der Christ­lich Demo­kra­ti­schen Par­tei Chi­les (Part­ido Demó­cra­ta Cri­stia­no), die eine Volks­front mit lin­ken Kräf­ten unter­stütz­te. 1971 ver­ließ Badil­la die PDC und grün­de­te die Izquier­da Cri­stia­na (Christ­li­che Lin­ke), eine revo­lu­tio­nä­re Bewe­gung, die sich zum Ziel setz­te, im Sin­ne der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie am „Auf­bau des Sozia­lis­mus“ mit­zu­wir­ken. Nach dem Mili­tär­putsch von Augu­sto Pino­chet 1973 floh er nach Ita­li­en, wo er zunächst als Kran­ken­pfle­ger und Buch­händ­ler arbei­te­te, bevor er eine jour­na­li­sti­sche Tätig­keit bei Radio Vati­kan auf­nahm. 2009 grün­de­te er die inof­fi­zi­el­le vati­ka­ni­sche Pres­se­schau „Il Sis­mo­gra­fo“, die er 2023 aus Alters- und Gesund­heits­grün­den ein­stell­te. Als Vati­kan­ex­per­te ist er bis heu­te eine gefrag­te Stim­me, die gegen Ende des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus zuneh­mend Distanz wahr­neh­men ließ.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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