Die Witwer von Franziskus

Unruhe und Verzweiflung werden größer


Von Witwen und Witwern: (von links) Emilce Cuda, Kardinal Ángel Sixto Rossi, Bischof Jorge Torres Carbonell
Von Witwen und Witwern: (von links) Emilce Cuda, Kardinal Ángel Sixto Rossi, Bischof Jorge Torres Carbonell

Von Cami­nan­te Wanderer*

Anzei­ge

Der Tod Berg­o­gli­os hat vie­le Wit­wen und Wit­wer hin­ter­las­sen. Die femi­ni­sti­sche Theo­lo­gin und Vatik­an­be­am­tin Emil­ce Cuda1 zum Bei­spiel ver­gießt wei­ter­hin Trä­nen und ver­si­chert, sie wer­de das Erbe des Ver­stor­be­nen hüten. Auch die Zahl der Wit­wer ist groß – beson­ders in Argen­ti­ni­en –, und je mehr Zeit ver­geht und sich die Per­sön­lich­keit von Leo XIV. ent­fal­tet, desto grö­ßer wer­den Unru­he und Verzweiflung.

Die all­zu Gut­gläu­bi­gen hat­ten tat­säch­lich geglaubt, daß der ärm­lich-idea­li­sie­ren­de, häre­tisch ange­hauch­te und bil­li­ge Stil Fran­zis­kus’ Bestand haben wür­de. Im Prie­ster­se­mi­nar des Erz­bis­tums Bue­nos Aires zum Bei­spiel sind die Gesich­ter – nach der anfäng­li­chen Irri­ta­ti­on – immer län­ger gewor­den, und der Rek­tor hat mitt­ler­wei­le genug davon, stän­dig Pho­tos von Pre­vost zu posten, wie die­ser kocht oder ein Maul­tier rei­tet – um sich selbst von des­sen Volks­nä­he zu über­zeu­gen. Die Moz­zet­ta, die der neue Papst wei­ter­hin trägt, das Auf­ge­ben des päpst­li­chen wei­ßen Fiat 600 sowie klei­ne­re, aber bedeut­sa­me Anpas­sun­gen in Pro­to­koll und Lit­ur­gie sind ein­deu­ti­ge Zei­chen für den fri­schen Wind im Vati­kan – und das end­gül­ti­ge Aus für gewis­se Karriereträume.

Die Wit­wen­mut­ter – obwohl sie sich die­sen Titel mit Kar­di­nal Fernán­dez strei­tig macht – ist Kar­di­nal Ángel Six­to Ros­si SJ, Erz­bi­schof von Cór­do­ba in Argen­ti­ni­en. Er ist eine jener zahl­rei­chen grau­sa­men Strei­che, die der ver­stor­be­ne Papst der Kir­che hin­ter­las­sen hat. Ros­si war ein guter Beicht­va­ter für Semi­nar­an­fän­ger, und in die­ser Rol­le hät­te er für den Rest sei­nes Lebens blei­ben sol­len, und er hät­te es gut gemacht. In die Posi­ti­on erho­ben, in die er ver­setzt wur­de, ist sei­ne Rol­le mehr als bedau­erns­wert: Sie ist bedau­erns­wert; das heißt, sie ist beschä­mend und pein­lich für uns als Katholiken.

Das Verbot der Legion Christus König

Bild 1: Dekret gegen die Legi­on Chri­stus König

Im Bild 1 habe ich das offi­zi­el­le Schrei­ben wie­der­ge­ge­ben, in dem er der Legi­on Chri­stus König (Legión de Cri­sto Rey) jeg­li­che pasto­ra­le Tätig­keit unter­sagt – eine argen­ti­ni­sche Grün­dung aus Prie­stern und Lai­en mit igna­tia­ni­schem Cha­ris­ma und deut­lich kon­ser­va­ti­vem Pro­fil. Die­ses Schrei­ben ist in jeder Hin­sicht eine Schan­de. Begin­nen wir mit der For­mu­lie­rung – und um es kurz zu hal­ten, betrach­ten wir nur den letz­ten Absatz. Die Eröff­nung („Moti­va la pre­sen­te decis­ión, enten­der…“) ent­hält bereits eine gram­ma­tisch unsau­be­re Infinitivkonstruktion […]

Blei­ben wir bei den Schreib­pro­ble­men des Erz­bi­schofs von Cór­do­ba und sei­nes Sekre­tärs. Die Struk­tur des Neben­sat­zes schafft Mehr­deu­tig­keit und bricht den syn­tak­ti­schen Par­al­le­lis­mus. Es gibt auch Feh­ler in bezug auf Kohä­renz und Klarheit. […]

Kurz­um, wir argen­ti­ni­schen Katho­li­ken haben uns schon vor lan­ger Zeit damit abge­fun­den, daß unse­re Bischö­fe kei­ne phi­lo­so­phi­schen Kennt­nis­se haben; spä­ter dann auch, daß sie kei­ne theo­lo­gi­schen haben. In den letz­ten Jah­ren begnüg­ten wir uns mit der Tat­sa­che, daß sie den Glau­ben hat­ten. Jetzt wären wir gezwun­ge­ner­ma­ßen zufrie­den, wenn sie wenig­stens schrei­ben könnten.

Die Mit­tei­lung erklärt nicht, war­um der Vor­schlag der Legi­on nicht mit der Syn­oda­li­tät ver­ein­bar sei, noch wel­che Ele­men­te die­ser Syn­oda­li­tät so wesent­lich sein sol­len, daß sie eine solch schwer­wie­gen­de Ent­schei­dung recht­fer­ti­gen – eine Ent­schei­dung, die vie­len See­len scha­det. Auch wird nicht erklärt, was in Cór­do­ba syn­odal gera­de „ent­deckt“ wird. Kurz: Der kon­kre­te Grund für das Ver­bot wird nicht genannt – der Kar­di­nal win­det sich um eine kla­re Aus­sa­ge her­um, mit mise­ra­bler Spra­che. Eine Mit­tei­lung, die nichts sagt, nichts erklärt und alles im Nebel läßt. Der Leser erhält den Ein­druck: Das Ver­bot ist will­kür­lich. Denn obwohl der Ver­fas­ser sich bemüht, es gibt kei­nen erkenn­ba­ren Grund.

Sagen wir es offen: Alle wis­sen, war­um ein kon­ser­va­ti­ver Kreis wie die Legi­on von ihrer Tätig­keit abge­hal­ten wird – aber nie­mand hat den Mut, das offen zu sagen. Es feh­len sowohl die Argu­men­te als auch die intel­lek­tu­el­le Red­lich­keit. Also greift man zur „Syn­oda­li­tät“ – die­sem neu­en Zau­ber­wort, mit dem künf­tig wohl jede belie­bi­ge Bischofs­will­kür gerecht­fer­tigt wird. Doch das Absur­de ist: Die­se Syn­oda­len sind so „syn­odal“, daß sie jene aus­gren­zen und ver­fol­gen, die nicht mit ihnen marschieren.

Die Syn­oda­li­tät in Cór­do­ba heißt: gemein­sam gehen – aber nur mit denen, die den­sel­ben Takt hal­ten. Wer hinkt, wer schief läuft oder schlecht sieht – soll gefäl­ligst allein sehen, wo er bleibt. Die Cord­obes­er Syn­oda­len sind ein eli­tä­rer Club flin­ker Geher, die kei­ne Zeit für Nach­sicht haben. Wer nicht mit­hal­ten kann, wird per Schrei­ben des „Feld­we­bels“ aus dem Zuge aus­ge­schlos­sen. Und doch behaup­ten sie allen Ern­stes, auf dem Wege zu einer Kir­che zu sein, die „alle, alle, alle“ einschließt.

Quasi-göttliches Franziskus-Lehramt

Wen­den wir uns nun den Tie­fen des Bal­lungs­rau­mes von Bue­nos Aires zu, kon­kret der Diö­ze­se Gre­go­rio de Laf­er­re­re. Ihr Bischof, Msgr. Jor­ge Tor­res Car­bo­nell, ist eines der Lieb­lings­pro­duk­te von Fran­zis­kus – und einer sei­ner treue­sten trau­ern­den Witwer.

Wir wol­len uns hier gar nicht mit sei­nem ent­setz­li­chen Spa­nisch auf­hal­ten. Aber immer­hin sei fest­ge­stellt: Es han­delt sich um ein offi­zi­el­les Dekret (Bild 2) – und der­je­ni­ge, der es ver­faßt und unter­schrie­ben hat, hat kaum eine Vor­stel­lung davon, wie man sol­che Tex­te kor­rekt schreibt. Es fehlt die übli­che Dar­le­gung von Grün­den, Umstän­den und Vor­schrif­ten, die das Dekret begrün­den. Man springt direkt zur pom­pö­sen Erlaß­for­mel „DECRETA“, „ver­ord­net“. Alles bleibt unklar und schwam­mig, was jedem Pfar­rer genü­gend Spiel­raum läßt, das dekre­tier­te Cha­os schlicht zu ignorieren.

Dekret von Bischof Tor­res Carbonell

Doch das eigent­li­che Pro­blem liegt nicht im Formalen.

Das wirk­lich Erschrecken­de ist die auto­ri­tä­re Hal­tung, mit der die­se Leu­te ihren Gläu­bi­gen eine Last auf­bür­den, die ihre Kom­pe­tenz deut­lich über­schrei­tet. Es geht nicht mehr nur um die Zehn Gebo­te oder die fünf Kir­chen­ge­bo­te. Nein: Es wird eine neue Vor­aus­set­zung für das See­len­heil eingeführt.

Sel­ten hat man in der Geschich­te der Kir­che einen der­ar­ti­gen Irr­sinn erlebt: Das „Lehr­amt“ eines bestimm­ten Pap­stes wird de fac­to zur Glau­bens­wahr­heit erhoben.

Für Msgr. Tor­res Car­bo­nell ist der Glau­be nicht mehr die objek­ti­ve Wahr­heit der gött­li­chen Offen­ba­rung, die sich in der gesam­ten Kir­che ent­fal­tet, son­dern ein sub­jek­ti­ves Kon­strukt, das sich ganz auf ein „leben­di­ges“ (oder bereits ver­stor­be­nes), qua­si-gött­li­ches Lehr­amt eines bestimm­ten Pon­ti­fex kon­zen­triert, der den Glau­ben ad hoc erzeugt.

Es sind Wit­wer, die sich nicht damit abfin­den wol­len, daß ihr Ehe­gat­te, dem sie alles ver­dank­ten, nun tot und begra­ben ist – und daß er nicht eher auf­er­ste­hen wird als am Jüng­sten Tage, wenn ihm sein gerech­ter Lohn – oder sei­ne gerech­te Stra­fe – zuteil wird. Sie wei­gern sich, anzu­er­ken­nen, daß die Zei­ten sich gewan­delt haben, daß der fest­li­che Tau­mel ein Ende gefun­den hat und daß – mögen sie sich auch noch so win­dend zu Boden wer­fen und trä­nen­reich um den Toten kla­gen – die­ser nicht auf­er­ste­hen wird. Im Gegen­teil: In weni­gen Jah­ren wird man, zum Glück, kaum noch eine Erin­ne­rung an ihn bewahren.

*Cami­nan­te Wan­de­rer ist ein argen­ti­ni­scher Phi­lo­soph und Blogger

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons


1 Die Argen­ti­nie­rin Emil­ce Cuda wur­de 2021 von Papst Fran­zis­kus zur Sekre­tä­rin der Päpst­li­chen Kom­mis­si­on für Latein­ame­ri­ka ernannt. Seit 2022 ist sie auch Mit­glied der Päpst­li­chen Aka­de­mie der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben.

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