
Von Caminante Wanderer*
Der Tod Bergoglios hat viele Witwen und Witwer hinterlassen. Die feministische Theologin und Vatikanbeamtin Emilce Cuda1 zum Beispiel vergießt weiterhin Tränen und versichert, sie werde das Erbe des Verstorbenen hüten. Auch die Zahl der Witwer ist groß – besonders in Argentinien –, und je mehr Zeit vergeht und sich die Persönlichkeit von Leo XIV. entfaltet, desto größer werden Unruhe und Verzweiflung.
Die allzu Gutgläubigen hatten tatsächlich geglaubt, daß der ärmlich-idealisierende, häretisch angehauchte und billige Stil Franziskus’ Bestand haben würde. Im Priesterseminar des Erzbistums Buenos Aires zum Beispiel sind die Gesichter – nach der anfänglichen Irritation – immer länger geworden, und der Rektor hat mittlerweile genug davon, ständig Photos von Prevost zu posten, wie dieser kocht oder ein Maultier reitet – um sich selbst von dessen Volksnähe zu überzeugen. Die Mozzetta, die der neue Papst weiterhin trägt, das Aufgeben des päpstlichen weißen Fiat 600 sowie kleinere, aber bedeutsame Anpassungen in Protokoll und Liturgie sind eindeutige Zeichen für den frischen Wind im Vatikan – und das endgültige Aus für gewisse Karriereträume.
Die Witwenmutter – obwohl sie sich diesen Titel mit Kardinal Fernández streitig macht – ist Kardinal Ángel Sixto Rossi SJ, Erzbischof von Córdoba in Argentinien. Er ist eine jener zahlreichen grausamen Streiche, die der verstorbene Papst der Kirche hinterlassen hat. Rossi war ein guter Beichtvater für Seminaranfänger, und in dieser Rolle hätte er für den Rest seines Lebens bleiben sollen, und er hätte es gut gemacht. In die Position erhoben, in die er versetzt wurde, ist seine Rolle mehr als bedauernswert: Sie ist bedauernswert; das heißt, sie ist beschämend und peinlich für uns als Katholiken.
Das Verbot der Legion Christus König
Im Bild 1 habe ich das offizielle Schreiben wiedergegeben, in dem er der Legion Christus König (Legión de Cristo Rey) jegliche pastorale Tätigkeit untersagt – eine argentinische Gründung aus Priestern und Laien mit ignatianischem Charisma und deutlich konservativem Profil. Dieses Schreiben ist in jeder Hinsicht eine Schande. Beginnen wir mit der Formulierung – und um es kurz zu halten, betrachten wir nur den letzten Absatz. Die Eröffnung („Motiva la presente decisión, entender…“) enthält bereits eine grammatisch unsaubere Infinitivkonstruktion […]
Bleiben wir bei den Schreibproblemen des Erzbischofs von Córdoba und seines Sekretärs. Die Struktur des Nebensatzes schafft Mehrdeutigkeit und bricht den syntaktischen Parallelismus. Es gibt auch Fehler in bezug auf Kohärenz und Klarheit. […]
Kurzum, wir argentinischen Katholiken haben uns schon vor langer Zeit damit abgefunden, daß unsere Bischöfe keine philosophischen Kenntnisse haben; später dann auch, daß sie keine theologischen haben. In den letzten Jahren begnügten wir uns mit der Tatsache, daß sie den Glauben hatten. Jetzt wären wir gezwungenermaßen zufrieden, wenn sie wenigstens schreiben könnten.
Die Mitteilung erklärt nicht, warum der Vorschlag der Legion nicht mit der Synodalität vereinbar sei, noch welche Elemente dieser Synodalität so wesentlich sein sollen, daß sie eine solch schwerwiegende Entscheidung rechtfertigen – eine Entscheidung, die vielen Seelen schadet. Auch wird nicht erklärt, was in Córdoba synodal gerade „entdeckt“ wird. Kurz: Der konkrete Grund für das Verbot wird nicht genannt – der Kardinal windet sich um eine klare Aussage herum, mit miserabler Sprache. Eine Mitteilung, die nichts sagt, nichts erklärt und alles im Nebel läßt. Der Leser erhält den Eindruck: Das Verbot ist willkürlich. Denn obwohl der Verfasser sich bemüht, es gibt keinen erkennbaren Grund.
Sagen wir es offen: Alle wissen, warum ein konservativer Kreis wie die Legion von ihrer Tätigkeit abgehalten wird – aber niemand hat den Mut, das offen zu sagen. Es fehlen sowohl die Argumente als auch die intellektuelle Redlichkeit. Also greift man zur „Synodalität“ – diesem neuen Zauberwort, mit dem künftig wohl jede beliebige Bischofswillkür gerechtfertigt wird. Doch das Absurde ist: Diese Synodalen sind so „synodal“, daß sie jene ausgrenzen und verfolgen, die nicht mit ihnen marschieren.
Die Synodalität in Córdoba heißt: gemeinsam gehen – aber nur mit denen, die denselben Takt halten. Wer hinkt, wer schief läuft oder schlecht sieht – soll gefälligst allein sehen, wo er bleibt. Die Cordobeser Synodalen sind ein elitärer Club flinker Geher, die keine Zeit für Nachsicht haben. Wer nicht mithalten kann, wird per Schreiben des „Feldwebels“ aus dem Zuge ausgeschlossen. Und doch behaupten sie allen Ernstes, auf dem Wege zu einer Kirche zu sein, die „alle, alle, alle“ einschließt.
Quasi-göttliches Franziskus-Lehramt
Wenden wir uns nun den Tiefen des Ballungsraumes von Buenos Aires zu, konkret der Diözese Gregorio de Laferrere. Ihr Bischof, Msgr. Jorge Torres Carbonell, ist eines der Lieblingsprodukte von Franziskus – und einer seiner treuesten trauernden Witwer.
Wir wollen uns hier gar nicht mit seinem entsetzlichen Spanisch aufhalten. Aber immerhin sei festgestellt: Es handelt sich um ein offizielles Dekret (Bild 2) – und derjenige, der es verfaßt und unterschrieben hat, hat kaum eine Vorstellung davon, wie man solche Texte korrekt schreibt. Es fehlt die übliche Darlegung von Gründen, Umständen und Vorschriften, die das Dekret begründen. Man springt direkt zur pompösen Erlaßformel „DECRETA“, „verordnet“. Alles bleibt unklar und schwammig, was jedem Pfarrer genügend Spielraum läßt, das dekretierte Chaos schlicht zu ignorieren.
Doch das eigentliche Problem liegt nicht im Formalen.
Das wirklich Erschreckende ist die autoritäre Haltung, mit der diese Leute ihren Gläubigen eine Last aufbürden, die ihre Kompetenz deutlich überschreitet. Es geht nicht mehr nur um die Zehn Gebote oder die fünf Kirchengebote. Nein: Es wird eine neue Voraussetzung für das Seelenheil eingeführt.
Selten hat man in der Geschichte der Kirche einen derartigen Irrsinn erlebt: Das „Lehramt“ eines bestimmten Papstes wird de facto zur Glaubenswahrheit erhoben.
Für Msgr. Torres Carbonell ist der Glaube nicht mehr die objektive Wahrheit der göttlichen Offenbarung, die sich in der gesamten Kirche entfaltet, sondern ein subjektives Konstrukt, das sich ganz auf ein „lebendiges“ (oder bereits verstorbenes), quasi-göttliches Lehramt eines bestimmten Pontifex konzentriert, der den Glauben ad hoc erzeugt.
Es sind Witwer, die sich nicht damit abfinden wollen, daß ihr Ehegatte, dem sie alles verdankten, nun tot und begraben ist – und daß er nicht eher auferstehen wird als am Jüngsten Tage, wenn ihm sein gerechter Lohn – oder seine gerechte Strafe – zuteil wird. Sie weigern sich, anzuerkennen, daß die Zeiten sich gewandelt haben, daß der festliche Taumel ein Ende gefunden hat und daß – mögen sie sich auch noch so windend zu Boden werfen und tränenreich um den Toten klagen – dieser nicht auferstehen wird. Im Gegenteil: In wenigen Jahren wird man, zum Glück, kaum noch eine Erinnerung an ihn bewahren.
*Caminante Wanderer ist ein argentinischer Philosoph und Blogger
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons
1 Die Argentinierin Emilce Cuda wurde 2021 von Papst Franziskus zur Sekretärin der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika ernannt. Seit 2022 ist sie auch Mitglied der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften und der Päpstlichen Akademie für das Leben.