Rom wählt – und die Kirche steht am Scheideweg

Veni Creator Spiritus


Einzug der Kardinäle zur Missa pro eligendo Pontifice im Petersdom
Einzug der Kardinäle zur Missa pro eligendo Pontifice im Petersdom

Eini­ge Gedan­ken von Giu­sep­pe Nar­di vor Beginn des Konklaves

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Heu­te, da in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land der „Tag des Wol­fes“ began­gen wird, beginnt in Rom das Kon­kla­ve zur Wahl eines neu­en Pap­stes. Der Vati­kan schweigt, die Welt hält den Atem an – und vie­le Gläu­bi­ge blicken mit ban­gem Her­zen auf die Six­ti­ni­sche Kapel­le. Denn was sich hier ent­schei­det, ist nicht weni­ger als die Rich­tung, in die sich die Kir­che Jesu Chri­sti in den kom­men­den Jah­ren und Jahr­zehn­ten bewe­gen wird. Ein Rück­blick ist ange­bracht. Und er fällt ernüch­ternd aus, denn die Kir­che ist von zwölf berg­o­glia­ni­schen Jah­ren gezeichnet.

Zwei Kon­kla­ven des 21. Jahr­hun­derts prä­gen das gegen­wär­ti­ge Moment: 2005 und 2013. Im ersten schei­ter­te Kar­di­nal Car­lo Maria Mar­ti­ni, der als intel­lek­tu­el­ler Kopf des pro­gres­si­ven Lagers galt und vor allem sich selbst als den eigent­li­chen und ange­mes­se­ne­ren Papst betrach­te­te, als es Johan­nes Paul II. war. Die pro­gres­si­ve Arro­ganz und Selbst­über­he­bung, ob im welt­li­chen oder im kirch­li­chen Bereich, läßt ohne­hin immer neu stau­nen. Doch als Mar­ti­ni 2005 end­lich zur Wahl stand, schei­ter­te er ekla­tant. Es half nichts, daß sei­ne Anhän­ger wäh­rend des Kon­kla­ves auf dem Peters­dom mit dem Trans­pa­rent demon­strier­ten: „No Mar­ti­ni, No Par­ty“. Statt­des­sen soll er sei­ne Stim­men einem ande­ren, weni­ger intel­lek­tu­el­len, aber dafür gleich­ge­sinn­ten Jesui­ten zuge­scho­ben haben – Jor­ge Mario Berg­o­glio, dem Erz­bi­schof von Bue­nos Aires. Ziel war es, zumin­dest noch die sich abzeich­nen­de Wahl Joseph Ratz­in­gers zu ver­hin­dern, ein Drit­tel reich­te dazu. Doch Berg­o­glio mach­te über­ra­schend einen Rück­zie­her. Aus inne­rer Über­zeu­gung? Aus Abscheu vor dem poli­ti­schen Spiel? Ein­fach nur, um sei­ne Chan­ce in einem näch­sten Kon­kla­ve intakt zu hal­ten? Es bleibt offen. Ratz­in­ger wur­de gewählt – und mit ihm ein Kurs der lit­ur­gi­schen und theo­lo­gi­schen Ver­söh­nung mit der eige­nen Geschich­te, ein vor­sich­ti­ger, aber kla­rer Gegen­ent­wurf zum Damm­bruch der 1960er und 1970er Jah­re. Ein Pro­gramm der klei­nen Schrit­te, sei­nem Cha­rak­ter entsprechend.

Doch die­ser Kurs währ­te nur kurz. Zu kurz. 2013 trat Bene­dikt XVI. nach nur acht Jah­ren völ­lig über­ra­schend zurück. „Betet für mich, daß ich nicht vor den Wöl­fen davon­lau­fe“, hat­te er zu Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats gesagt. Am Ende lief er doch davon. Die­se Aus­sa­ge schmerzt, aber sie ist zutref­fend und not­wen­dig, will man sich nicht in ein ver­klär­tes Bild flüch­ten, das nie­mand hilft, dafür aber scha­det. Die Din­ge müs­sen gese­hen und auch aus­ge­spro­chen wer­den. Der Rück­tritt bleibt ein unge­lö­stes Rät­sel – und vor allem eine Wunde.

Doch es kam noch schlim­mer. Bene­dikt hat­te einen Kurs der klei­nen Schrit­te ver­folgt, der jedoch auf einen lan­gen Zeit­raum aus­ge­legt war, ohne für sei­ne Nach­fol­ge Vor­sor­ge zu tra­gen. Er hat­te einen Groß­teil der im Kon­kla­ve 2013 wahl­be­rech­tig­ten Kar­di­nä­le ernannt. Man hät­te also erwar­ten dür­fen, daß sein Kurs eine Fort­set­zung fin­det. Doch das Gegen­teil geschah, weil er in der Per­so­nal­aus­wahl weder kon­se­quent noch ent­schlos­sen war: Mit deut­li­cher Mehr­heit, mehr als zwei Drit­tel der Stim­men, wur­de nun Berg­o­glio gewählt, der bis heu­te pro­gres­siv­ste Papst der Kir­chen­ge­schich­te. Es gibt einen unsicht­ba­ren Faden, der das Kon­kla­ve von 2005 mit jenem von 2013 ver­bin­det. Mar­ti­ni war es, der im Juni 2012, kurz vor sei­nem Tod, Bene­dikt XVI. ener­gisch zum Rück­tritt auf­ge­for­dert hat­te, also etwas tat, was man gegen­über einem Papst nicht tut. Es sind die­se vie­len unzu­sam­men­hän­gen­den Stei­ne, die erst zum Bild zusam­men­ge­fügt wer­den müs­sen. Doch man ahnt wenig Gutes.

Von Beginn an setz­te Fran­zis­kus auf eine prä­zi­se Per­so­nal­po­li­tik. Wäh­rend Bene­dikt zöger­te, sich mild gab, zu mild, han­del­te sein Nach­fol­ger ent­schlos­sen und ziel­stre­big. Er bau­te die kirch­li­che Lei­tungs­struk­tur um – Bischö­fe, Kar­di­nä­le, Kurie. Pro­gres­si­vi­tät wur­de zum Kri­te­ri­um für den Auf­stieg auf der Kar­rie­re­lei­ter, nicht mehr Treue zur Über­lie­fe­rung. Mora­li­sche Gebre­chen, vor allem das Homo-Laster, waren für Fran­zis­kus kein Hin­de­rungs­grund, im Gegen­teil. Der „neue Stil“ war kein Stil­bruch mehr, son­dern ein System­wech­sel. Was Bene­dikt auf­bau­en woll­te, wur­de von Fran­zis­kus abge­wickelt. Und mit ihm ein ent­schei­den­der Teil kirch­li­cher Iden­ti­tät. Jener Teil, der allein die Erneue­rung der Kir­che bedeu­ten kann. Fran­zis­kus setz­te die Axt also gezielt an den Stamm.

Der Bruch, den die Kir­che seit den 1960er Jah­ren in sich trägt, sitzt tief. Er ist nicht nur lit­ur­gisch – auch wenn die Lit­ur­gie­re­form von 1969 der sicht­bar­ste und schwer­wie­gend­ste Riß ist. Er ist geist­lich, intel­lek­tu­ell, dog­ma­tisch und dis­zi­pli­när. Seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil wird die Ver­gan­gen­heit der Kir­che wie ein lästi­ger Schat­ten behan­delt, aus dem man her­aus­tre­ten will. Oft wird sie wie etwas Frem­des, Fer­nes und mit Abscheu behan­delt. Was aber ist mit den 1930 Jah­ren vor dem letz­ten Kon­zil? Aus­ge­blen­det. Die Kir­chen­vä­ter? Sel­ten zitiert. Die Päp­ste die­ser vie­len Jahr­hun­der­te? Kaum ein Wort. Der Tra­di­ti­ons­strom wird künst­lich abge­trennt – als wol­le man im Rück­blick die Kir­che neu erfin­den. Als Bene­dikt XVI. die Fäden wie­der knüp­fen woll­te, wur­de er zum Feind, der besei­tigt wer­den mußte.

Wird das Kon­kla­ve von 2025 nun die­sen Weg kor­ri­gie­ren? Wird es – bild­lich gespro­chen – einen Atha­na­si­us I. her­vor­brin­gen, einen uner­schrocke­nen Ver­tei­di­ger der Glau­bens­wahr­heit, einen Bischof wie Atha­na­si­us Schnei­der, der nicht nur den Namen, son­dern auch das Pro­fil hät­te, um die Kir­che zu erneu­ern, indem er sie an sich selbst zurück­bin­det? Rea­li­stisch betrach­tet: Nein. Die Mehr­hei­ten spre­chen dage­gen. Die Fran­zis­kus-Kar­di­nä­le sind nun ton­an­ge­bend – und sie wer­den kaum den Kurs wäh­len, den Fran­zis­kus und sie zwölf Jah­re lang bekämpft haben. Mit jeder Kle­ri­ker­ge­nera­ti­on, die aus den im Kon­zils­geist umge­bau­ten Prie­ster­se­mi­na­ren und Theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten her­vor­geht, schwin­det der eigent­li­che Geist der Kir­che, oft bewußt, viel­fach aber, weil den Absol­ven­ten schlicht­weg das ele­men­ta­re Kir­chen­ver­ständ­nis, aber auch das Wis­sen fehlt.

Was uns bevor­steht, ist daher kaum die Wahl eines ech­ten Erneue­rers im geist­li­chen Sin­ne, son­dern die eines Kom­pro­miß­kan­di­da­ten zwi­schen unter­schied­li­chen pro­gres­si­ven Macht­struk­tu­ren in der Kir­che – mehr oder weni­ger pro­gres­siv, mehr oder weni­ger vage, aber gewiß kein Papst der Tra­di­ti­on. Der näch­ste Papst wird ein Enkel des Kon­zils­gei­stes sein, des­sen Dog­ma – des ein­zi­gen wirk­lich ver­blie­be­nen Dog­mas – nie­mand mehr hin­ter­fra­gen darf, obwohl sei­ne Fol­gen längst nach einer Prü­fung schreien.

Viel­leicht wird schon das erste Auf­tre­ten des neu­en Pon­ti­fex auf der Log­gia des Peters­doms ein Zei­chen sein. Wird der Zere­mo­nien­mei­ster – wie 2013 – mit der Moz­zet­ta bereit­ste­hen, die­sem tra­di­tio­nel­len und vor allem lit­ur­gi­schen Gewand des Pap­stes, das sei­ne Wür­de und Auto­ri­tät aus­drückt, sie aber vom neu­en Papst wie schon durch Berg­o­glio abge­lehnt wer­den wird? Oder wird man sie gar nicht mehr zei­gen – weil sie nach zwölf Jah­ren demon­strier­ter „Beschei­den­heit“ als zu tri­um­phal, zu „indiet­ri­stisch“ gilt? Man wird an sol­chen Zei­chen erken­nen, wohin der neue Weg führt.

Die Kir­che steht am Schei­de­weg. Bene­dikt XVI. ist nach acht Jah­ren vor den Wöl­fen geflo­hen. Fran­zis­kus hin­ter­läßt nach zwölf Jah­ren eine Kir­che, in der sich vie­le gläu­bi­ge Katho­li­ken durch das Wüten der Wöl­fe fremd füh­len – und man­che die Hoff­nung zu ver­lie­ren scheinen. 

Nicht der Papst ist ihr Haupt – son­dern Jesus Chri­stus. Und so bleibt nur zu beten: Möge der Hei­li­ge Geist ein­grei­fen, wo der mensch­li­che Blick kei­ne Hoff­nung mehr sieht.

Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shot)

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