
Von Roberto de Mattei*
Jedes Jahr am 10. Februar wird der Opfer der Foibe-Massaker und des Exodus der italienischen Bevölkerung aus der Venezia Giulia1, aus Istrien und Dalmatien gedacht. Der „Tag des Gedenkens“, der durch das Gesetz Nr. 92 vom 30. März 2004 eingeführt wurde, dient dazu, „die Erinnerung an die Tragödie der Italiener und aller Opfer der Foibe, an den Exodus der Istrier, Fiumaner und Dalmatiner aus ihren Gebieten nach dem Zweiten Weltkrieg und an die komplexeren Wechselfälle der Ostgrenze zu bewahren und zu erneuern“.
Die Foibe sind Karsthöhlen, die sich in den Gebieten von Istrien, Dalmatien und dem östlichen Friaul auftun. Aus historischer Sicht aber verweist das Wort Foibe auf abscheuliche Gewalt, die von den jugoslawischen kommunistischen Partisanen zwischen Herbst 1943 und 1947, also bis lange nach Kriegsende, in diesen Regionen ausgeübt wurde. Tausende von Italienern wurden „infoibiert“, d. h. in Höhlen, Schächte, Gruben geworfen, nachdem sie getötet worden waren. Viele waren sogar noch am Leben, als man sie in die Abgründe stürzte, wo sie unter entsetzlichen Qualen starben.
Dieser Massenmord war Teil des politischen Projekts von Josip Broz Tito, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Jugoslawiens, der mit Hilfe der Sowjetunion ab 1941 eine Volksbefreiungsarmee gegen die deutsch-italienischen Besatzungstruppen anführte. Marschall Tito war dann von 1945 bis zu seinem Tod im Jahr 1980 Staatsoberhaupt der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien.
Titos Plan sah die Angliederung der Venezia Giulia und anderer damals italienischer Gebiete an das neue kommunistische Jugoslawien vor, was auch teilweise geschah. Um dieses Ziel zu erreichen, mußte jeder mögliche Gegner physisch ausgeschaltet werden, unabhängig von seiner Komplizenschaft mit den Deutschen und dem früheren faschistischen Regime. Vor allem ging es darum, die alte herrschende Klasse zu vernichten, wie es in allen Ländern der Fall war, in denen der Kommunismus die Macht übernahm. Auch gemäßigte und antifaschistisch orientierte Persönlichkeiten wurden ins Visier genommen, darunter einige Katholiken und Liberale, die sich im Nationalen Befreiungskomitee (CNL) engagierten. Alle, die als Gegner des slawisch-kommunistischen Expansionsprojekts galten, wurden abgeschlachtet oder in Konzentrationslager geschickt.
Historiker schätzen, daß zwischen dem 8. September 1943 und dem 10. Februar 1947, dem Tag der Unterzeichnung der Pariser Friedensverträge, mit denen die ehemals italienischen Gebiete Istrien, Kvarner, die Stadt Zara [Zadar] mit ihrer Provinz und der größte Teil der Venezia Giulia an Jugoslawien abgetreten wurden, mehr als 10.000 Menschen lebend oder tot in die Foibe geworfen wurden. Die jugoslawische Besetzung war nicht nur die Ursache für das Phänomen der Foibe, sondern auch für massive Deportationen in jugoslawische Konzentrationslager und den Exodus von etwa 300.000 Italienern aus den genannten Gebieten.
Das Massaker begann in Istrien nach dem Waffenstillstand vom 8. September 1943. Als die italienische Armee aufgelöst wurde, begannen Titos Partisanen mit dem Terror, mit Verhaftungen, Ermordungen und der Infoibisierung von Italienern. Am 16. September wurde der Pfarrer von Villa di Rovigno, Angelo Tarticchio, von kommunistischen Milizen verhaftet. Nachdem sie ihn gefoltert hatten, schleppten die Partisanen ihn nach Baksoti (Lindaro), wo er zusammen mit 43 Gefangenen mit Stacheldraht gefesselt, mit einem Maschinengewehr erschossen und in einen Bauxitsteinbruch geworfen wurde. Als seine Leiche einen Monat später von der Feuerwehr von Pola (Pula) exhumiert wurde, fand man ihn nackt, mit einer Dornenkrone auf dem Kopf und mit abgeschnittenen Genitalien, die in seinen Mund gesteckt waren.
Wenige Tage später, am 25. September, wurde Norma Cossetto, eine junge 23jährige Frau, zusammen mit anderen Mitgliedern ihrer Familie in Visinada (Vižinada) gefangengenommen. Nachdem sie von ihren Peinigern brutal mißhandelt worden war, wurde sie in der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober 1943 zusammen mit anderen Opfern lebendig in den Abgrund der Villa Surani geworfen.
In Istrien, in der alten Burg Montecuccoli in Pisino (Pazin, dt. Mitterburg), wurde ein grausames Revolutionsgericht eingerichtet. Die Verurteilten wurden mit Stacheldraht gefesselt und an den Rand der Senkgrube gebracht, wo sie mit Maschinengewehren und Gewehren erschossen wurden. In vielen Fällen wurden die Gefangenen vor der Hinrichtung gezwungen, sich vollständig zu entkleiden, um jede Spur ihrer Identität zu verwischen.
Die zweite Welle von Infoibamenti fand 1945 statt, als Titos Armee in die Venezia Giulia einmarschierte und vor den alliierten Truppen Triest erreichte. Das Symbol dieser Massaker ist die sogenannte „Foiba di Basovizza“, ein Minenschacht, der im Mai 1945 zum Hinrichtungsort von Gefangenen, Soldaten, Polizisten und Zivilisten wurde, die von kommunistischen Partisanen verhaftet worden waren. Die Lastwagen des Todes kamen in Basovizza mit ihrer Ladung von Unglücklichen an. Diese wurden mit ihren durch Draht verstümmelten Händen, oft aneinandergekettet, in Gruppen an den Rand des Abgrunds getrieben. Eine Maschinengewehrsalve auf die ersten Gefangenen führte dazu, daß alle in den Abgrund gerissen wurden.
Der Begriff Völkermord, der die vorsätzliche Ausrottung eines Volkes oder von Teilen eines Volkes bezeichnet, ist nicht unpassend, um diese „ethnische Säuberung“ zu bezeichnen. Es muß jedoch daran erinnert werden, daß sich die Gewalt der Partisanen Titos nicht nur auf die Italiener beschränkte, die sich der Verteidigung ihrer nationalen Identität schuldig gemacht hatten, sondern sich auch gegen andere ethnische Minderheiten und auch alle slowenischen und kroatischen Soldaten und Zivilisten richtete, die sich der Errichtung einer kommunistischen Republik in Jugoslawien widersetzten. Die ideologische Dimension des Massakers war in mancher Hinsicht tiefer als die ethnische, und in den Foibe vermischte sich oft das Blut von Italienern, Deutschen und Slawen.
Das Drama der Foibe ist in einen revolutionären Prozeß einzuordnen, der seinen Ursprung in Frankreich im Jahr 1789 hat. Der erste systematische Völkermord in der Geschichte war der an den Bewohnern der Vendée, die sich zwischen 1793 und 1797 der Französischen Revolution widersetzten. Marschall Tito setzte die Prinzipien der Französischen Revolution und der kommunistischen Revolution um, wonach alle Feinde der Gleichheit, auch wenn sie nur „verdächtigt“ werden, drastisch beseitigt werden müssen. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die noch heute die Welt mit Blut beflecken, sind Kinder dieser revolutionären Philosophie. Daran erinnert auch der Gedenktag an die Foibe-Massaker.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung/Fußnote: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
1 Die „Venezia Giulia“ (Julisch Venetien) ist ein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägter Begriff des italienischen Irredentismus. Gemeint waren vor 1918 die italienisch bewohnten Gebiete Österreichs in der Gefürsteten Grafschaft Görz, der Freien Stadt Triest und der Markgrafschaft Istrien, auf die Ansprüche erhoben wurden. Etwa die Hälfte dieses Territoriums war von Italienern bewohnt, die östliche Hälfte von Slowenen und Kroaten. Das gesamte Gebiet wurde nach dem Ersten Weltkrieg Italien zugeschlagen, während es nach dem Zweiten Weltkrieg zur Teilung kam, die aber nur teilweise der Sprachgrenze folgte und Flucht und Vertreibung der Italiener aus Istrien und aus südlicher gelegenen Gebieten zur Folge hatte. Italien erlebte mit den Foibe und dem „Exodus“ von 300.000 Italienern das Drama von Vertreibung und Heimatverlust, wie es zur selben Zeit 15 Millionen Deutsche erlebten.
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