Der Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels – und die damit verbundenen Gefahren

Apokalyptik, falsche Propheten, falscher Messias und die Kriegsgefahr


So sollte der wiederaufgebaute Tempel von Jerusalem laut einer der Tempelanhänger-Gruppen aussehen
So sollte der wiederaufgebaute Tempel von Jerusalem laut einer der Tempelanhänger-Gruppen aussehen

Die Jour­na­li­stin Cin­zia Nota­ro führ­te ein aus­führ­li­ches Inter­view mit dem Prie­ster Don Cur­zio Nito­glia, das von Stilum Curiae ver­öf­fent­licht wur­de. Das Inter­view behan­delt Span­nun­gen und Strö­mun­gen im Juden­tum rund um die Fra­ge des Wie­der­auf­baus des Jeru­sa­le­mer Tem­pels. Don Nito­glia betont die Wich­tig­keit, von der Exi­stenz eigen­wil­li­ger Tem­pel-Grup­pen im Juden­tum zu wis­sen, um die gegen­wär­ti­gen welt­po­li­ti­schen Ent­wick­lun­gen zu ver­ste­hen, über die der Main­stream kaum berich­tet. Die­se Grup­pen fol­gen einer mil­lena­ri­sti­schen, rab­bi­ni­schen und kab­ba­li­sti­schen Apo­ka­lyp­tik. Sie wol­len mit Nach­druck den Tem­pel wie­der­auf­bau­en, um die Ankunft des jüdi­schen „Mes­si­as“ – nicht zu ver­wech­seln mit Jesus Chri­stus – herbeizuführen.

Anzei­ge

Dazu sei­en die­se Grup­pen auf die Beset­zung des Tem­pel­ber­ges aus, was einen unaus­weich­li­chen Kon­flikt mit dem Islam bedeu­ten wür­de. Die­se jüdi­schen Grup­pen wer­den von pro­te­stan­tisch-evan­ge­li­ka­len zio­ni­sti­schen Grup­pen im Westen, ins­be­son­de­re in den USA, unter­stützt, die dadurch ihrer­seits die zwei­te Wie­der­kunft von Jesus Chri­stus beschleu­ni­gen wol­len. Ein hoch­ex­plo­si­ves Spiel, so Don Nito­glia, da die­se Grup­pen in Isra­el und in den USA, und nicht nur dort, poli­ti­schen Ein­fluß suchen. Sie sei­en in ihrer extre­mi­sti­schen Ver­ne­be­lung bereit, so der Prie­ster, für ihre fal­sche Inter­pre­ta­ti­on der Heils­ge­schich­te die Welt in einen gro­ßen Krieg zu stürzen.

Don Cur­zio Nito­glia ist ein Schü­ler des Phi­lo­so­phen Augu­sto Del Noce und von Erz­bi­schof Mar­cel Lefeb­v­re, der ihn 1984 zum Prie­ster weih­te. Er ist Haus­ka­plan eines Frau­en­klo­sters in Vel­le­tri, das der Pius­bru­der­schaft nahe­steht. Zudem ist er geist­li­cher Assi­stent der Rit­ter­schaft Mariens. 

Hier das voll­stän­di­ge Inter­view, das wir in deut­scher Über­set­zung dokumentieren.

Der Jerusalemer Tempel – seine Zerstörung und sein Wiederaufbau

Cin­zia Nota­ro: Ist die Zer­stö­rung des Tem­pels von Jeru­sa­lem eine Figur des gegen­wär­ti­gen ver­bor­ge­nen Welt­kriegs?

Don Nito­glia: Der gegen­wär­ti­ge Ver­such, den Tem­pel wie­der­auf­zu­bau­en, ist in der Öffent­lich­keit bekannt. Die Tem­pel­an­hän­ger wol­len den drit­ten Tem­pel mit­ten auf dem Tem­pel­berg errichten.

Cin­zia Nota­ro: Wer sind die­se Tempelanhänger?

Don Nito­glia: Sie gehö­ren zu einer extre­men jüdi­schen Sek­te, die aus der Irgun1 und der Betar2 her­vor­ge­gan­gen ist und deren Ziel der Wie­der­auf­bau des Tem­pels an der Stel­le ist, wo das Sanc­tum Sanc­torum war, um die Ankunft des Mes­si­as zu beschleunigen.

Cin­zia Nota­ro: Wird für die ortho­do­xen Juden der Tem­pel bei der Ankunft des Mes­si­as vom Him­mel herabsteigen?

Don Nito­glia: Sicher­lich, und wer immer (wie der Zio­nis­mus des 18. Jahr­hun­derts) behaup­tet, ihn mit mensch­li­chen Mit­teln wie­der­auf­zu­bau­en, wür­de Got­tes Plä­nen Gewalt antun. Zur Zeit unter­rich­ten zwei Tal­mud­schu­len an der Kla­ge­mau­er zwei­hun­dert Schü­ler in den Fein­hei­ten des Tem­pel­dien­stes. Ande­re Grup­pen bemü­hen sich um die Auf­spü­rung der jüdi­schen Prie­ster­li­ni­en, die als ein­zi­ge die Opfer­ga­ben dar­brin­gen können.

Cin­zia Nota­ro: Sind Vor­be­rei­tun­gen im Gan­ge, um die Opfer des Alten Bun­des zu erneuern?

Don Nito­glia: Ja, als ob das Ereig­nis unmit­tel­bar bevor­stün­de. Ange­führt wer­den sie vom Ober­rab­bi­nat. Bei den Tem­pel­an­hän­gern han­delt es sich nicht nur um ein paar ver­ein­zel­te Extre­mi­sten. Man hört bereits von einer gene­ti­schen Iden­ti­fi­zie­rung der Prie­ster des Alten Bun­des, die als ein­zi­ge den Ritus voll­zie­hen kön­nen.3 Im April wur­de von den Ultra­or­tho­do­xen in Jeru­sa­lem eine rot­haa­ri­ge Kuh ritu­ell geop­fert, um die Ankunft des Mes­si­as zu beschleunigen.

Cin­zia Nota­ro: Für die Katho­li­ken fällt das zwei­te Kom­men des Mes­si­as mit dem Ende der Welt zusammen…

Don Nito­glia: Der jüdi­sche Mes­sia­nis­mus will bei­des beschleu­ni­gen, und des­halb pro­vo­zie­ren die jüdisch-ame­ri­ka­ni­schen Atlan­ti­ker Ruß­land immer wie­der, bis hin zur Aus­lö­sung eines welt­wei­ten Atom­kriegs, der die Welt zer­stö­ren würde.

Cin­zia Nota­ro: Gibt es auch poli­ti­sche, wirt­schaft­li­che, ideo­lo­gi­sche Grün­de dafür?

Don Nito­glia: Ja, aber der vor­herr­schen­de Grund, auch wenn er ver­steckt und unter­grün­dig ist, ist theo­lo­gisch. Wenn man das, was geschieht, nicht im Lich­te der Theo­lo­gie liest, kann man nicht ver­ste­hen, wie man so kühn sein kann, ohne an rei­nen Wahn­sinn zu grenzen.

Cin­zia Nota­ro: Wel­chen Plan setzt Netan­ja­hu in die Tat um?

Don Cur­zio Nitoglia

Don Nito­glia: Er hat den gesam­ten Gaza­strei­fen, der 35 Kilo­me­ter lang und sie­ben bis neun Kilo­me­ter breit ist, zer­stört, indem er ihn acht Mona­te lang Tag und Nacht bom­bar­dier­te und dabei das nicht-ato­ma­re Äqui­va­lent zum Atom­bom­ben­ab­wurf auf Hiro­shi­ma abwer­fen ließ. Der All­machts­wahn, der den San­he­dri­ten im Jahr 66 n. Chr. und dem fal­schen „Mes­si­as“ Simon Bar Koch­ba im Jahr 132 den Ver­stand ver­ne­bel­te und sie dazu ver­an­laß­te, Rom her­aus­zu­for­dern, weil sie glaub­ten, sie­gen zu kön­nen, da sie sich sicher waren, daß „Gott mit ihnen war“, scheint nun auch den Ver­stand von Netan­ja­hu ver­ne­belt zu haben, der sich einer­seits mit einem mas­si­ven innen­po­li­ti­schen Kon­flikt inner­halb des Staa­tes Isra­el kon­fron­tiert sieht und sich den­noch dar­über hin­aus in einen Krieg ver­strickt hat, den Bom­ben allein nicht gewin­nen können.

Cin­zia Nota­ro: Und warum?

Don Nito­glia: Das palä­sti­nen­si­sche Volk ist seit über 75 Jah­ren dar­an gewöhnt, sich gegen die­se Völ­ker­mor­de zu weh­ren, und ist nicht so ver­weich­licht wie jener Teil der israe­li­schen Jugend, der sich den Rave-Par­tys ver­schrie­ben hat. Und auch, weil Palä­sti­na jetzt nicht mehr allein ist, wie es seit 1948 meist der Fall war, son­dern den Iran, den Liba­non, die Hut­his und Ruß­land auf sei­ner Sei­te hat.

Cin­zia Nota­ro: Wird der Staat Isra­el aus­ge­löscht werden?

Don Nito­glia: Zum Ver­ständ­nis: Die Zelo­ten pro­vo­zier­ten Rom im Jahr 66 nach Chri­stus. Gegen Mit­te Mai 66 wur­de der Anto­nia-Turm in der Nähe des Jeru­sa­le­mer Tem­pels von den Zelo­ten und von Bewoh­nern Judä­as ange­grif­fen, die die dort sta­tio­nier­te römi­sche Gar­ni­son töte­ten. Gene­ral Ves­pa­si­an über­nahm im Okto­ber des­sel­ben Jah­res das Kom­man­do über den Krieg gegen die Juden, wur­de aber am 1. Juli 69 zum Kai­ser ernannt. Den Kom­man­do­po­sten in Jeru­sa­lem über­ließ er sei­nem Sohn Titus. Fla­vi­us Jose­phus beschreibt das detail­liert in sei­ner „Geschich­te des jüdi­schen Krie­ges“. Eben­falls im Jahr 66 nah­men die Zelo­ten4 und die Sik­a­ri­er5 die Festung Masa­da ein und töte­ten die dor­ti­ge römi­sche Gar­ni­son. Im Jahr 69 war Simon Bar Gio­ra in Masa­da mit vier­zig­tau­send bewaff­ne­ten Män­nern sehr mäch­tig geworden.

Cin­zia Nota­ro: Das Pha­ri­sä­er­tum war zum Zelo­ten­tum entartet?

Don Nito­glia: Die­ses Zelo­ten­tum war im Ban­di­ten­tum der Sik­a­ri­er orga­ni­siert. Titus kam im Früh­jahr 70 in Jeru­sa­lem an, gab den Befehl zum Bau von Wäl­len und begann den Angriff auf die drit­te oder äuße­re Stadt­mau­er von Jeru­sa­lem, die nach fünf­zig Tagen hef­ti­ger Kämp­fe fiel. Danach war die zwei­te Mau­er an der Rei­he, die nach fünf Tagen fiel, sodaß die Römer in die Unter­stadt vor­dran­gen. Nach vier Tagen aber muß­ten sich die Römer, von den Juden ange­grif­fen, zurück­zie­hen. Dar­auf­hin ließ Titus einen Wall auf­wer­fen und zugleich einen Gra­ben um die Stadt zie­hen (wie Jesus es vor­aus­ge­sagt hat­te, Lk 19,43), der etwa sechs Kilo­me­ter lang war. Die römi­schen Sol­da­ten benö­tig­ten für die­sen Bau nur drei Tage. Yakov M. Rab­kin, Pro­fes­sor für Geschich­te an der Uni­ver­si­tät Mont­re­al, hat dazu ein inter­es­san­tes Buch mit dem Titel „A Thre­at from Within: A Cen­tu­ry of Jewish Oppo­si­ti­on to Zio­nism“ [deut­sche Aus­ga­be: „Im Namen der Tho­ra: Die jüdi­sche Oppo­si­ti­on gegen den Zio­nis­mus“] geschrie­ben.

Cin­zia Nota­ro: Kön­nen Sie aus histo­ri­scher Sicht eini­ge Hin­wei­se auf den jüdi­schen Wider­stand gegen den Zio­nis­mus geben?

Don Nito­glia: Wenn man bedenkt, was in die­sen Tagen in Palä­sti­na geschieht und daß die Gefahr besteht, daß der israe­li­sche Krieg auf den Liba­non, den Iran und sogar Ruß­land über­greift, wer könn­te bestrei­ten, daß Prof. Rab­kin Recht hat? In der Tat zeigt er uns, wie ernst die Lage für die Juden in Isra­el ist, und dies gilt heu­te umso mehr, als der zio­ni­sti­sche Staat [in dem fast die Hälf­te aller Juden lebt], ver­sucht, sei­ne poli­ti­sche und mili­tä­ri­sche Hege­mo­nie auch auf den Liba­non und Syri­en, aber auch auf den Iran und Ruß­land aus­zu­deh­nen. Wenn man – auch im Lich­te der jüdi­schen Tra­di­ti­on selbst – die Gefahr der Kon­zen­tra­ti­on von Mil­lio­nen von Juden an einem Ort bedenkt, so las­sen uns die heu­ti­gen tra­gi­schen Ereig­nis­se fest­stel­len, daß die schlimm­sten Vor­her­sa­gen wahr zu wer­den schei­nen, denn der Staat Isra­el ist wirk­lich zum „Juden unter den Natio­nen“ und zum „gefähr­lich­sten Land für einen Juden“ geworden.

Cin­zia Nota­ro: War­um ist der Staat Isra­el in Gefahr und mit ihm die gan­ze Welt?

Don Nito­glia: Nach Ansicht vie­ler Hare­dim [ultra­or­tho­do­xer Juden], so Rab­kin, sind „die Sho­ah und der Staat Isra­el kei­nes­wegs gegen­sätz­li­che Ereig­nis­se (Zer­stö­rung und Wie­der­auf­bau), son­dern viel­mehr ein kon­ti­nu­ier­li­cher Pro­zeß: der end­gül­ti­ge Aus­bruch der Kräf­te des Bösen […]“. Die jüdi­sche Tra­di­ti­on betrach­tet jede Kon­zen­tra­ti­on von Juden an einem Ort als riskant.

Cin­zia Nota­ro: Was kön­nen wir über die tra­gi­sche histo­ri­sche Situa­ti­on, in der wir uns befin­den, in bezug auf die­se Beob­ach­tun­gen der Hare­dim sagen?

Don Nito­glia: In 7. Kapi­tel sei­nes Buches ver­tieft Rab­kin die­ses The­ma: „Der Staat Isra­el ist in Gefahr […]. Was als Zufluchts­ort, ja als der Zufluchts­ort schlecht­hin dar­ge­stellt wur­de, ist zum gefähr­lich­sten Ort für Juden gewor­den. Immer mehr Israe­lis füh­len sich in einer ‚blu­ti­gen Fal­le‘ gefan­gen […]. Und es gibt eine wach­sen­de Zahl von Men­schen, die am Über­le­ben eines Staa­tes Isra­el zwei­feln, der im Nahen Osten, in die­ser ‚Gefah­ren­zo­ne‘, gegrün­det wur­de […]. Rab­bi­ni­sche anti­zio­ni­sti­sche Theo­re­ti­ker behaup­ten […], daß die Sho­ah nur der Beginn eines lan­gen Zer­stö­rung­pro­zes­ses ist, den die Exi­stenz des Staa­tes Isra­el nur noch ver­schlim­mert […]. Die Kon­zen­tra­ti­on von Mil­lio­nen Juden an einem so gefähr­li­chen Ort grenzt an selbst­mör­de­ri­schen Wahn­sinn. Die Mak­ka­bä­er­zeit hat die Juden auf eine fal­sche Inter­pre­ta­ti­on des Mes­si­as aus­ge­rich­tet, die in der apo­kry­phen und rab­bi­ni­schen Lite­ra­tur bestä­tigt wird […]. Der Gegen­satz zwi­schen der von Chri­stus her­bei­ge­führ­ten Offen­ba­rung und der vor­herr­schen­den jüdi­schen Inter­pre­ta­ti­on hät­te nicht schär­fer sein kön­nen; er war fatal für Isra­el, das außer­halb des ewi­gen Heils blieb“ […].

Cin­zia Nota­ro: Was wäre, wenn die Israe­li­ten die mytho­lo­gi­schen Ideen der apo­kry­phen Apo­ka­lyp­tik über­nom­men und auf ihr Volk ange­wen­det hätten?

Don Nito­glia: Die kos­mi­sche Umwäl­zung hät­te, so ihre Vor­stel­lung, die Hei­den ins Ver­der­ben gestürzt, wäh­rend sie Isra­el das höch­ste irdi­sche Glück beschert hät­te, sie­he F. Spa­da­fo­ra: Enci­clo­pe­dia Cat­to­li­ca, Vati­kan­stadt, 1952, Band VIII, Sp 847/​848, Ein­trag „Mes­si­as“. Die von Rab­kin genann­te unge­sun­de Vor­stel­lung hat aber dazu geführt, daß Isra­el heu­te die gan­ze Welt her­aus­for­dert, mit dem Risi­ko, den gesam­ten Glo­bus in Brand zu set­zen. Nun ist der wah­re Mes­si­as, Jesus Chri­stus, vor allem der gei­sti­ge König aller Men­schen und nicht einer ein­zi­gen Nati­on, und des­halb kann er nicht umhin, von den „fal­schen Pro­phe­ten“ oder „Sehern“ der jüdi­schen Apo­ka­lyp­tik gehaßt, bekämpft und getö­tet zu wer­den, die seit 170 v. Chr. begon­nen hat­ten, den Glau­ben des wah­ren Isra­els in einem mil­lena­ri­sti­schen, welt­li­chen, glo­ba­li­sti­schen und uni­ver­sa­len Herr­schafts­sinn zu kor­rum­pie­ren. Das ist das Dra­ma Isra­els: Es folg­te einer fal­schen Vor­stel­lung von einem kos­mi­schen, kämp­fe­ri­schen und welt­li­chen Mes­si­as (der ein Mensch oder sogar ein Kol­lek­tiv ist: Isra­el selbst, „Herr die­ser Welt“) und lehnt den wah­ren Mes­si­as, den Ret­ter aller Men­schen, des­sen Reich uni­ver­sell, end­gül­tig, spi­ri­tu­ell und vor allem jen­sei­tig ist, ab, obwohl des­sen Reich bereits in die­ser Welt beginnt, wenn auch unvoll­kom­men. Sein Tod am Kreuz ist das eine voll­kom­me­ne und makel­lo­se Opfer, die Obla­tio mun­da (Mal 1,11).

So habe der Tem­pel aus­ge­se­hen und so sol­le er auch wie­der­errich­tet wer­den, nach­dem der Tem­pel­berg gesäu­bert wur­de, was kon­kret die Besei­ti­gung der Moscheen bedeu­ten würde

Cin­zia Nota­ro: Wer ist der Mes­si­as für die Pro­phe­ten des Alten Testaments?

Don Nito­glia: Er ist eine Per­son. Für die Seher der apo­kry­phen Apo­ka­lyp­tik wie auch für den heu­ti­gen Zio­nis­mus ist es ein Kol­lek­tiv, näm­lich das Volk Isra­el, das natio­na­len Wohl­stand und Vor­herr­schaft über alle ande­ren Natio­nen erlan­gen wird. Dar­über hin­aus war ein toter und auf­er­stan­de­ner Mes­si­as, ein Mes­sia­nis­mus, der sich in Jesus Chri­stus erfüllt hat­te, der neue Glau­be, den die Apo­stel der gan­zen Welt pre­di­gen muß­ten, begin­nend mit den Juden. Für die­se war aber ein auf ihren Wunsch hin ans Kreuz geschla­ge­ner Mes­si­as ein ‚Ärger­nis‘, für die Hei­den eine ‚Tor­heit‘ (1 Kor 1,23) […]. „Der Wider­stand, auf den eine sol­che Ver­kün­di­gung beim größ­ten Teil des jüdi­schen Vol­kes stieß, hat sei­ne erste Wur­zel in der unter­grün­di­gen Auf­fas­sung, die sich vom Mes­sia­nis­mus gebil­det hat­te […], wäh­rend die römi­sche Welt den von den Juden abge­lehn­ten Mes­si­as akzep­tier­te […]. Die erste Fol­ge des Kom­mens des Mes­si­as wür­de nach dem Zio­nis­mus in der Rück­kehr der Juden bestehen, die zah­len­mä­ßig in Palä­sti­na zuneh­men wür­den, und im Wie­der­auf­bau Jeru­sa­lems und des Tem­pels“ (A. Vac­ca­ri: Enci­clo­pe­dia Ita­lia­na, Rom, Trec­ca­ni, 2. Ausg., 1951, Bd. XXII, S. 957, Ein­trag „Mes­sia­nis­mus“).

Cin­zia Nota­ro: Wann ent­stand die­se „Apo­ka­lyp­tik“?

Don Nito­glia: In der nach­mak­ka­bäi­schen Zeit, als der heid­ni­sche Hel­le­nis­mus in Isra­el tri­um­phiert und Isra­el unter­drückt und der Tem­pel geschän­det wird (168–164 v. Chr.). Nach dem Erfolg von Antio­chus Epi­pha­nes (175–164 v. Chr.), der Erobe­rung Judä­as durch Rom unter Pom­pei­us (64 v. Chr.) und der Zer­stö­rung des Tem­pels unter Titus (70 n. Chr.) und Judä­as unter Hadri­an (135 n. Chr.) wird die Hoff­nung auf die natio­na­le Wie­der­ge­burt der Juden unter der Füh­rung der von Jesus ange­kün­dig­ten „fal­schen Pro­phe­ten“ immer stär­ker.
Dem Juden­tum zufol­ge wird eine der Haupt­auf­ga­ben des „Mes­si­as“ der Wie­der­auf­bau des drit­ten Tem­pels in Jeru­sa­lem (Bet HaMik­dasch) sein, der gemäß der Pro­phe­zei­ung von Hese­kiel (37,26–28) für immer blei­ben wird.

Cin­zia Nota­ro: Stimmt es, daß Reb­be Men­achem Schneer­son Bibi Netan­ja­hu vor­aus­ge­sagt hat (auch hier), daß er den Staat Isra­el in die Hän­de des Mes­si­as über­ge­ben wer­de, der bald kom­men wird?

Don Nito­glia: Die apo­kry­phe Apo­ka­lyp­tik bedient sich, um den jüdi­schen natio­na­li­sti­schen Revan­chis­mus zu stär­ken, der kano­ni­schen Pro­phe­ten des Alten Testa­ments und rei­chert sie mit phan­ta­sie­vol­len Vor­her­sa­gen an, die den Tri­umph Isra­els über die Hei­den oder Nicht­ju­den, die Gojim, beschrei­ben: „Isra­el wird befreit und gerächt wer­den und, geführt von Jah­we und sei­nem Mes­si­as, in Frie­den und Über­fluß gesät­tigt sein; die zwölf Stäm­me wer­den zurück­keh­ren, um über die gezähm­ten und zer­tre­te­nen Hei­den zu herr­schen.“

Cin­zia Nota­ro: Msgr. Anto­ni­no Romeo erklärt in sei­nen Schrif­ten, daß die Apo­ka­lyp­tik ideo­lo­gisch, poli­tisch und escha­to­lo­gisch ist. Wel­ches Ziel will man damit verfolgen?

Don Nito­glia: Es ist, so schreibt Romeo, „die Rache an den Hei­den und die glor­rei­che Wie­der­her­stel­lung Isra­els […]. Das Reich Got­tes hat im all­ge­mei­nen einen natio­na­li­stisch-irdi­schen Aspekt: Isra­els ver­nich­ten­de Rache, die für immer mit Wohl­stand und Herr­schaft erfüllt ist“. Das Reich Isra­els „wird von die­ser Welt sein […] und wird Eden hier­her zurück­brin­gen. In einer sol­chen jüdi­schen Kon­zep­ti­on zählt die mensch­li­che Per­son nur wenig: Isra­el wird zu einer abso­lu­ten und tran­szen­den­ten Rea­li­tät, die Erlö­sung ist eher kol­lek­tiv als indi­vi­du­ell, ja eher kos­misch als anthro­po­lo­gisch […]. Der Mes­si­as wird als König und kämp­fe­ri­scher Held dar­ge­stellt […]. Nie­mals wird der Mes­si­as als gei­sti­ger Erlö­ser oder als Süh­ne für die Sün­den der Welt gese­hen.“

Cin­zia Nota­ro: Kurz­um, das Ziel ist die „Ver­herr­li­chung“ Israels?

Don Nito­glia: Das ober­ste The­ma scheint die Ver­herr­li­chung Isra­els zu sein. „Der ‚Glau­be‘ ist die unge­dul­di­ge Erwar­tung der ersehn­ten Rache an den Hei­den. Das Stre­ben nach Ver­ei­ni­gung mit Gott, die Lie­be zu Gott und zum Näch­sten lie­gen völ­lig außer­halb des Rah­mens die­ser apo­ka­lyp­ti­schen Schrif­ten, die die Lei­den­schaft für Rache und Welt­herr­schaft schü­ren […]. Gegen­über den Hei­den sind die Apo­ka­lyp­ti­ker uner­bitt­lich: Jedes Mit­leid mit ihnen wür­de als Glau­bens­schwä­che durch­ge­hen […]. Die ‚Seher‘ der Apo­ka­lyp­ti­ker wüten, mit wil­der Wol­lust, mit unstill­ba­rem Haß. Die ‚Apo­ka­lyp­sen‘ neh­men einen ent­schei­den­den Platz in der wüten­den Pro­pa­gan­da gegen die Hei­den ein; sie sind Mit­tel des Krie­ges […]; im Gegen­satz zum Evan­ge­li­um (Mt 6,34) hat die apo­ka­lyp­ti­sche Reli­gi­on nur eine Sor­ge: die Zukunft […], denn die Rei­che der Hei­den wer­den sich gegen­sei­tig ver­nich­ten, bis die uni­ver­sa­le Herr­schaft an Isra­el über­geht, so die Vor­stel­lung.

Cin­zia Nota­ro: Bestä­ti­gen die erschüt­tern­den Bil­der aus Gaza, was wir aus der jüdi­schen Apo­ka­lyp­tik lernen?

Don Nito­glia: Gewiß, denn wie könn­te man nicht die glei­chen Gefüh­le in dem sehen, was die Armee der­zeit in Palä­sti­na gegen Palä­sti­nen­ser tut, die nichts mit der Hamas zu tun haben? Wie kann man dar­in nicht „den jüdi­schen Par­ti­ku­la­ris­mus sehen, den das Evan­ge­li­um ver­ur­teilt. Der ehr­gei­zig­ste Natio­na­lis­mus erhebt dort sei­ne Ansprü­che. Die Hei­den wer­den mehr denn je ver­ach­tet und gehaßt: Die Kluft zwi­schen Isra­el und ihnen wird zu einem Abgrund. Dar­über hin­aus“, prä­zi­siert Msgr. Romeo, „hat die Apo­ka­lyp­tik, indem sie einen Mes­si­as vor­stell­te, der Isra­el die poli­ti­sche Unab­hän­gig­keit zurück­gibt und ihm die uni­ver­sa­le Herr­schaft ver­leiht, den natio­na­li­sti­schen Par­ti­ku­la­ris­mus ver­stärkt und Isra­el zur Rebel­li­on gegen Chri­stus und gegen Rom und damit in die Kata­stro­phe getrie­ben“, eine Kata­stro­phe, in die Isra­el die gan­ze Welt treibt und Ruß­land in eine Lage bringt, auf stän­di­ge Pro­vo­ka­tio­nen der NATO und der USA zu reagieren.

Video­si­mu­la­ti­on des Temp­le Insti­tu­te zum Tem­pel-Wie­der­auf­bau in Jerusalem

Cin­zia Nota­ro: Wel­che theo­lo­gi­sche Bedeu­tung haben die Zer­stö­rung des Tem­pels in Jeru­sa­lem (70 n. Chr.) und der Ver­such des Wie­der­auf­baus des Tem­pels (362 und seit 1967)?

Don Nito­glia: Eine immense theo­lo­gi­sche Bedeu­tung. Das Ende der jüdi­schen Reli­gi­on, die dem Mes­si­as untreu war und den Tem­pel, das Prie­ster­tum und das Opfer ver­lo­ren hat, ist der Beweis für die Gött­lich­keit Jesu Chri­sti, der all dies um 30 n. Chr. vor­aus­ge­sagt hat­te. Der Wahr­heits­ge­halt des Chri­sten­tums, das den Alten Bund ver­voll­komm­ne­te, ist auch histo­risch und archäo­lo­gisch bewie­sen. Eben­so die Ver­wer­fung des Vol­kes, das Gott getö­tet hat. Trotz allem spricht man seit den 1960er Jah­ren (Vati­ca­num II) ver­bis­sen vom Juden­chri­sten­tum, vom jüdisch-christ­li­chen Dia­log, vom Juden­tum als dem „älte­ren und aus­er­wähl­ten Sohn“. Aber auch wenn die Men­schen heu­te schwei­gen, wie Jesus es vor­aus­ge­sagt hat, schrei­en die Stei­ne der Kla­ge­mau­er, ein kläg­li­ches Über­bleib­sel der Umfrie­dungs­mau­er des Tem­pels (und nicht des Tem­pels selbst, wie fälsch­li­cher­wei­se oft behaup­tet wird) (Lk 19,40), und sie schrei­en es immer und unablässig.

Cin­zia Nota­ro: Wür­de der Wie­der­auf­bau des Hero­dia­ni­schen Tem­pels die Pro­phe­zei­ung des Gali­lä­ers Jesus von Naza­reth wider­le­gen (Mt 24,2 ff) und die des Hohe­prie­sters der Hel­le­nen Juli­an [Apo­sta­ta] bestä­ti­gen, daß er den Gott der Gali­lä­er auf sei­nem eige­nen Boden besie­gen würde?

Don Nito­glia: Die Natur selbst besieg­te und wider­leg­te Kai­ser Juli­an, indem sie die wie­der­errich­te­ten Tei­le des Tem­pels im Erd­bo­den ver­schluck­te und im Feu­er ver­zehr­te. Nach die­ser Nie­der­la­ge mach­te Juli­an gute Mie­ne zum bösen Spiel, und in einer Schrift aus dem Jahr 363 (vgl. J. Bidez, a. a. O., 89 b) spielt er auf das Schei­tern des Vor­ha­bens an, zieht aber hart­näckig Schluß­fol­ge­run­gen zugun­sten des heid­ni­schen Kul­tes, indem er die Pro­phe­ten des Alten Testa­ments ver­un­glimpft, die gegen den poly­the­isti­schen Göt­zen­dienst gewet­tert hat­ten, aber ihren wie­der­auf­ge­bau­ten Tem­pel nicht sehen konn­ten, der gewiß edler war als der der Gali­lä­er, aber den heid­ni­schen Göt­tern weit unter­le­gen sei.

Cin­zia Nota­ro: War der Tem­pel von Jeru­sa­lem der ein­zi­ge legi­ti­me alt­te­sta­ment­li­che Tem­pel auf Erden?

Don Nito­glia: Ja, und nur dar­in konn­te das von Gott ange­nom­me­ne Tem­pel­op­fer wirk­lich dar­ge­bracht wer­den, das ein Bild für den Holo­caust Jesu Chri­sti war, der die Schat­ten des Alten Testa­ments ab dem Kar­frei­tag ablö­ste als „der im Fleisch erschie­ne­ne Chri­stus, der die mensch­li­che Natur aus dem Volk annahm, das ihn ans Kreuz schla­gen soll­te“ (Pius XI.: Mit bren­nen­der Sor­ge, 14. März 1937) und der Vor­hang des Sanc­ta Sanc­torum des Tem­pels in zwei Tei­le zer­ris­sen wur­de (Mt 27,51; Mk 15,38; Lk 23,45), Und doch waren die Juden vom Pro­phe­ten gewarnt wor­den: „Noli­te dice­re: Temp­lum Domi­ni, Temp­lum Domi­ni, Temp­lum Domi­ni est. Ver­traut nicht auf die trü­ge­ri­schen Wor­te: Der Tem­pel des Herrn, der Tem­pel des Herrn, der Tem­pel des Herrn ist hier!“ (Jere­mia 7,4). Aber wenn man glaubt, Got­tes Aus­er­wähl­te zu sein und einen „gött­li­chen Auf­trag“ zu haben, hört man nicht auf die Ver­nunft und tut die unver­nünf­tig­sten Dinge.

Cin­zia Nota­ro: Von wem wur­de der erste Tem­pel entworfen?

Don Nito­glia: Von König David, aber er wur­de von sei­nem Sohn Salo­mo etwa 1000 Jah­re vor Chri­stus gebaut und 586 v. Chr. von den Baby­lo­ni­ern zer­stört. Kyros (der Per­ser­kö­nig, der die Juden aus der baby­lo­ni­schen Gefan­gen­schaft befrei­te, die 70 Jah­re dau­er­te, ließ ihn wie­der­auf­bau­en. Schließ­lich wur­de er auf Befehl von Hero­des dem Gro­ßen von 19 v. Chr. bis weni­ge Jah­re vor sei­ner Zer­stö­rung im Jahr 70 pracht­voll restau­riert und erwei­tert. Seit­her haben die Juden kei­nen Tem­pel, kein Opfer und kein Prie­ster­tum mehr. Des­halb ver­su­chen sie, mit zuneh­men­der Inten­si­tät, ver­zwei­felt, erste­ren wie­der­auf­zu­bau­en, um die bei­den ande­ren wiederzuerlangen.

Cin­zia Nota­ro: Donald Trump hat am 14. Mai 2018 beschlos­sen, die US-Bot­schaft von Tel Aviv nach Jeru­sa­lem zu ver­le­gen. Wel­che Kon­se­quen­zen hat die­se Entscheidung?

Don Nito­glia: Jeru­sa­lem wird vom ehe­ma­li­gen US-Prä­si­den­ten nicht mehr als eine Stadt mit inter­na­tio­na­lem Son­der­sta­tus6 gese­hen, son­dern als Haupt­stadt des Staa­tes Isra­el und der Israe­lis allein, wodurch die Palä­sti­nen­ser, Chri­sten und Mos­lems, aus­ge­schlos­sen wer­den, die „ein Volk ohne Staat“ sind, als das sich die Zio­ni­sten beklag­ten, und auch ohne das weni­ge Land, nur 22 Pro­zent von Palä­sti­na, das ihnen noch gehört.

Cin­zia Nota­ro: War­um hat das Mik­da­sh Edu­ca­ti­on Cen­ter kürz­lich eine Medail­le mit den Gesich­tern von Trump und Kyros dem Gro­ßen, dem alten König von Per­si­en (558–529 v. Chr.), prä­gen lassen?

Don Nito­glia: Es ist dar­auf hin­zu­wei­sen, daß Kyros der Gro­ße im Jahr 539 die Rück­kehr der Juden in ihre Hei­mat ermög­lich­te, nach­dem Nebu­kad­ne­zar II., der baby­lo­ni­sche König (605–562 v. Chr.), Jeru­sa­lem im Jahr 587/​586 erobert, den ersten Tem­pel zer­stört und sei­ne Bewoh­ner nach Baby­lon ver­schleppt hat­te. Die Inschrift auf der Medail­le – auf hebrä­isch, ara­bisch und eng­lisch – fei­ert Trump als den, „der gemäß den Bestre­bun­gen des in Isra­el wie­der­errich­te­ten Neu­en San­he­drins den Wie­der­auf­bau des jüdi­schen Tem­pels her­bei­füh­ren wird“, und zwar auf der soge­nann­ten Platt­form des Tem­pel­bergs im Her­zen Jeru­sa­lems, wo die Moscheen stehen.

Cin­zia Nota­ro: Wofür steht das Mikdash-Bildungszentrum?

Don Nito­glia: Es ist eine von vie­len rab­bi­ni­schen Grup­pen, die das Pro­jekt des Wie­der­auf­baus des im Jahr 70 n. Chr. von den Römern zer­stör­ten Tem­pels befür­wor­ten. Die merk­wür­di­ge Ver­bin­dung zwi­schen Trump und Kyros dem Gro­ßen läßt sich genau mit die­ser Ana­lo­gie erklä­ren: So wie Kyros den zwei­ten Tem­pel auf­bau­en ließ (Esra, 1,2–3), nach­dem der erste, der Salo­mo­ni­sche Tem­pel, von den Baby­lo­ni­ern zer­stört wor­den war (586 v. Chr.), so hofft man, daß der ehe­ma­li­ge ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent und nun­meh­ri­ge Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat, der für sei­ne Pro-Isra­el-Sym­pa­thien bekannt ist, end­lich den Traum vom Wie­der­auf­bau des Tem­pels ver­wirk­li­chen würde.

Cin­zia Nota­ro: War der „Spa­zier­gang“ von Ari­el Sharon auf dem Tem­pel­berg am 28. Sep­tem­ber 2000 eine sym­bo­li­sche Geste?

Don Nito­glia: Er erhob damit Ansprü­che und bekräf­tig­te die Not­wen­dig­keit, den Wie­der­auf­bau des Tem­pels so schnell wie mög­lich zu errei­chen, zusam­men mit dem Anspruch auf jeden Qua­drat­zen­ti­me­ter von Eretz Isra­el, das laut der Vor­stel­lung vie­ler Zio­ni­sten grö­ßer als der heu­ti­ge Staat Isra­el ist, sowie der Not­wen­dig­keit, die Gojim, die Nicht-Juden, aus dem Land zu ver­trei­ben, das ein eth­ni­scher Staat nur für Juden sein soll. Der aktu­el­le Krieg zwi­schen Isra­el und der Hamas ist die Fort­set­zung jenes „Spa­zier­gangs“, aber es wird nun für Isra­el viel schwieriger.

Cin­zia Nota­ro: Auf Scha­rons „Spa­zier­gang“ folg­te am 23. Juli 2000 der „Nacht­marsch“ von Hun­der­ten israe­li­scher Siedler ?

Don Nito­glia: Sie dran­gen in die Al-Aksa-Moschee auf dem Tem­pel­berg ein und fei­er­ten jüdi­sche lit­ur­gi­sche Riten, die nur von Prie­stern, die von Aaron abstam­men und von ande­ren Prie­stern gewählt wur­den, zele­briert wer­den dür­fen, an dem Ort, an dem der Tem­pel stand und an dem nur die alt­te­sta­ment­li­chen Opfer für Gott dar­ge­bracht wer­den durf­ten. Sie taten das mit dem Risi­ko, den Boden des Aller­hei­lig­sten zu betre­ten, der nur ein­mal im Jahr vom Hohe­prie­ster betre­ten wer­den durf­te. Sie taten das alles als Zei­chen der Bereit­schaft Isra­els, den Tem­pel wie­der­auf­zu­bau­en, nach­dem die Moscheen besei­tigt sein wür­den. Die Medi­en der säku­la­ren und westlichen/​atlantischen Welt haben die theo­lo­gi­sche Bedeu­tung die­ser Ereig­nis­se nicht ver­stan­den oder woll­ten sie nicht ver­ste­hen. Die Palä­sti­nen­ser hin­ge­gen erkann­ten sie sehr wohl und ant­wor­te­ten mit der „Zwei­ten Intifada“.

Der Plan, wo die jüdi­sche Tem­pel­an­hän­ger-Grup­pe Temp­le Mount Faithful den Tem­pel anstel­le des Fel­sen­doms wie­der­auf­rich­ten will

Cin­zia Nota­ro: Wann wur­de Isra­el als „Staat/​Nation des jüdi­schen Vol­kes“ definiert?

Don Nito­glia: Am 19. Juli 2018 stuf­te die Knes­set, das jüdi­sche Par­la­ment, die ara­bi­sche Spra­che, die in Isra­el von etwa zwei Mil­lio­nen Men­schen gespro­chen wird, von einer „Amts­spra­che“ zu einer blo­ßen „Spra­che von Inter­es­se“ her­ab, und schon am 13. Febru­ar 2002 mar­schier­te eine hal­be Mil­li­on Israe­lis in einer von den Tem­pel­an­hän­gern orga­ni­sier­ten Demon­stra­ti­on zum Tem­pel­berg und schwor, ganz Jeru­sa­lem zu über­neh­men. Am 28. April 2017 rüg­te die Unesco die „anhal­ten­den Pro­vo­ka­tio­nen, die isla­mi­sche Kult­hand­lun­gen an den Stät­ten der bei­den Moscheen erschwe­ren“. Gleich­zei­tig gibt es in Isra­el seit Jah­ren Ver­ei­ni­gun­gen, die sich kon­kret für den „bevor­ste­hen­den“ Wie­der­auf­bau des Tem­pels ein­set­zen. Eine der aktiv­sten und mäch­tig­sten ist die Jeschi­wa Ater­et Coh­anim, eine Rab­bi­ner­schu­le, die zukünf­ti­ge Tem­pel­prie­ster ausbildet.

Cin­zia Nota­ro: Wie wich­tig ist die Rol­le der jüdisch-ame­ri­ka­ni­schen Lobby?

Don Nito­glia: Die­se Lob­by wird fälsch­li­cher­wei­se als „christ­lich-zio­ni­stisch“ bezeich­net, soll­te aber rich­ti­ger „pro­te­stan­tisch-zio­ni­stisch“ genannt wer­den, denn sie setzt sich aus etwa 20 bis 40 Mil­lio­nen ame­ri­ka­ni­schen evan­ge­li­ka­len Pro­te­stan­ten zusam­men, die sich fast aus­schließ­lich auf die Geschich­te Isra­els des Alten Testa­ments bezie­hen, mit fast kei­nem Bezug zu Jesus Chri­stus und dem Neu­en Testa­ment. Sie glau­ben, daß es not­wen­dig ist, alle Juden nach Palä­sti­na zurück­zu­brin­gen, damit sie den drit­ten Tem­pel wie­der­auf­bau­en kön­nen, um dadurch das zwei­te Kom­men Jesu zu beschleunigen.

Cin­zia Nota­ro: Haben die Kir­chen­vä­ter die­sen Wan­del vorausgesehen?

Don Nito­glia: Eini­gen Kir­chen­vä­tern zufol­ge, so dem hei­li­gen Ire­nä­us von Lyon, dem hei­li­gen Hip­po­ly­tus Roma­nus, dem hei­li­gen Kyrill von Jeru­sa­lem und dem hei­li­gen Johan­nes von Damas­kus, wird der Tem­pel von Jeru­sa­lem wäh­rend der Herr­schaft des Anti­chri­sten, vor der Paru­sie, der Wie­der­kunft Jesu Chri­sti, höchst­wahr­schein­lich wie­der­auf­ge­baut wer­den, aber nur teil­wei­se. Dann jedoch wird der Anti­christ auch das rab­bi­ni­sche Juden­tum ver­fol­gen, der Tem­pel wird zer­stört wer­den und omnis Isra­el sal­v­a­bitur, wird sich Isra­el en mas­se zu Chri­stus bekeh­ren (Röm 11,26).

Cin­zia Nota­ro: Wann wur­den die ersten christ­li­chen Kir­chen gebaut?

Don Nito­glia: Die ersten Kir­chen in Jeru­sa­lem wur­den mit der Bekeh­rung Kai­ser Kon­stan­tins zum Chri­sten­tum im Jahr 312 auf dem Tem­pel­berg gebaut, dort, wo der erste Tem­pel ab 1000 v. Chr. und der zwei­te Tem­pel ab 516 v. Chr. stand. Dort auf dem Berg Moriah, wo der Über­lie­fe­rung nach Adam erschaf­fen wur­de und starb, wo Abra­ham 1900 v. Chr. Isaak opfern woll­te und wo Hadri­an 132 nach Chri­stus den Tem­pel des Jupi­ter Capi­to­li­nus errich­te­te und von wo aus Moham­med in den Him­mel auf­ge­fah­ren sein soll. Die Gra­bes­kir­che Chri­sti wur­de in der Nähe von Gol­ga­tha, dem Ort der Kreu­zi­gung unse­res Herrn Jesus Chri­stus, errich­tet und am 13. Sep­tem­ber 335 geweiht. Mit der isla­mi­schen Herr­schaft (635) wur­den die christ­li­chen Kir­chen zwar nicht zer­stört, aber es durf­ten kei­ne neu­en mehr gebaut wer­den. Unweit der Gra­bes­kir­che und auf der Platt­form des Tem­pel­bergs wur­den Mit­te des 7. Jahr­hun­derts die Omar-Moschee und 691/​692 der Fel­sen­dom errich­tet. Es war der Islam, der die Erhal­tung der jüdi­schen Prä­senz in Jeru­sa­lem billigte.

Cin­zia Nota­ro: Ist es wirk­lich not­wen­dig, die Geschich­te zu lesen, um das Gesche­hen zu inter­pre­tie­ren und zu verstehen?

Don Nito­glia: Mehr denn je. Es ist von grund­le­gen­der Bedeu­tung zu ver­ste­hen, wie die Welt in den bei­den Krie­gen, die den Nahen Osten und Ost­eu­ro­pa ent­flam­men, ver­zwei­felt auf eine nuklea­re Kata­stro­phe zusteu­ert, sowohl in der Ukrai­ne als auch in Palä­sti­na, und zu ver­ste­hen, wel­che Rol­le der Wil­le dabei spielt, den Jeru­sa­le­mer Tem­pel wie­der­auf­zu­bau­en, um das Kom­men des „Mes­si­as“ zu beschleu­ni­gen, auf den das tal­mu­di­sche Juden­tum immer noch war­tet, der aber für die apo­sto­li­sche und patri­sti­sche Tra­di­ti­on der Anti­christ ist.

Einleitung/​Übersetzung/​Fußnoten: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: third​temp​le​.org/​S​t​i​lum curiae/​The Temp­le Institute/​Youtube/​Temple Mount Faithful (Screen­shots)


1 Die Irgun war eine bewaff­ne­te para­mi­li­tä­ri­sche zio­ni­sti­sche Unter­grund­or­ga­ni­sa­ti­on, die von 1931 bis 1948 im bri­ti­schen Man­dats­ge­biet Palä­sti­na Ter­ror­an­schlä­ge ver­üb­te, um die Errich­tung eines zio­ni­sti­schen Staa­tes zu erzwin­gen. Ihr Grün­der und Anfüh­rer war der aus Odes­sa gebür­ti­ge rus­si­sche jüdi­sche Zio­nist Wla­di­mir Scha­b­o­tin­ski (1880–1940), der sich dem poli­ti­schen Zio­nis­mus ver­schrie­ben hat­te und auf Emp­feh­lung von Cha­im Weiz­mann 1921 in die Lei­tung der Zio­ni­sti­schen Welt­or­ga­ni­sa­ti­on beru­fen wor­den war. Der Zio­nis­mus war ein Pro­dukt asch­ke­na­si­scher Juden, die die damals in Euro­pa viru­len­te Idee des Natio­na­lis­mus über­nah­men, wäh­rend die sephar­di­schen Juden im Nahen Osten und Nord­afri­ka, auch in Palä­sti­na, dem Zio­nis­mus des­in­ter­es­siert und gleich­gül­tig gegen­über­stan­den. 1925 grün­de­te Scha­b­o­tin­ski mit dem Bund der Zio­ni­sti­schen Revi­sio­ni­sten eine radi­ka­le Strö­mung inner­halb des Zio­nis­mus. Die Zio­ni­sti­schen Revi­sio­ni­sten lehn­ten in bezug auf die jüdi­sche Land­nah­me und die Grün­dung eines Juden­staa­tes in Palä­sti­na jeg­li­chen Kom­pro­miß mit der ein­hei­mi­schen ara­bi­schen Bevöl­ke­rung (Anfang des 20. Jahr­hun­derts etwa 70 Pro­zent Mos­lems und 30 Pro­zent Chri­sten) ab. Dafür hat­te er bereits 1923 das Wort von der „Eiser­nen Mau­er aus jüdi­schen Bajo­net­ten“ geprägt, die zwi­schen Juden und Ara­bern errich­tet wer­den sol­le. Den ande­ren zio­ni­sti­schen Strö­mun­gen warf er Nach­gie­big­keit und Schwach­heit vor. Scha­b­o­tin­ski for­der­te die Errich­tung eines Juden­staa­tes „zu bei­den Sei­ten“ des Jor­dans (Eretz Isra­el). Er starb 1940 wäh­rend eines Som­mer­la­gers der Orga­ni­sa­ti­on Betar in den USA.

2 Scha­b­o­tin­ski war auch der Grün­der der zio­ni­sti­schen Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on Betar, deren Grün­dungs­kon­greß 1923 in Riga in Lett­land statt­fand. Betar war offi­zi­ell zwar ein Akro­nym, bezog sich jedoch auf die letz­te Festung, die von den jüdi­schen Auf­stän­di­schen im Bar-Koch­ba-Auf­stand gegen die Römer gehal­ten wur­de. Betar grün­de­te im damals faschi­sti­schen Ita­li­en ein Aus­bil­dungs­zen­trum. Die Aus­bil­dungs­teil­neh­mer, die sich auf den bewaff­ne­ten Ein­satz zur Erobe­rung Palä­sti­nas vor­be­rei­te­ten, mar­schier­ten 1936 bei der faschi­sti­schen Mili­tär­pa­ra­de in Rom mit, mit denen die ita­lie­ni­sche Erobe­rung Abes­si­ni­ens (Äthio­pi­ens) gefei­ert wur­de. Bei die­ser Erobe­rung war es zu schwer­wie­gen­den, ras­si­stisch moti­vier­ten Kriegs­ver­bre­chen gekom­men (Grau­sam­kei­ten gegen Gefan­ge­ne, will­kür­li­che Tötun­gen, Ein­satz von Gift­gas). Die spä­te­ren israe­li­schen Mini­ster­prä­si­den­ten Men­achem Begin und Jitz­chak Scha­mir waren Mit­glie­der von Betar. Aus Irgun und Betar ging 1948 die israe­li­sche Par­tei Che­rut her­vor, aus der 1977 wie­der­um der Likud her­vor­ging. Han­nah Are­ndt und Albert Ein­stein ver­gli­chen 1948 in einem offe­nen Brief Scha­b­o­tinskis Revi­sio­ni­sti­schen Zio­nis­mus mit „natio­nal­so­zia­li­sti­schen und faschi­sti­schen Parteien“.

3 Das sei der eigent­li­che Zweck einer groß ange­leg­ten DNA-Erfas­sung, die medi­al bewor­ben durch pri­va­te Insti­tu­te, teils ange­sie­delt in der Schweiz, seit Jah­ren ange­bo­ten und in einer Daten­bank gespei­chert wird.

4 Die Zelo­ten waren eine 6 n. Chr. von den Pha­ri­sä­ern Judas dem Gali­lä­er und Rab­bi Zadok gegrün­de­te para­mi­li­tä­ri­sche jüdi­sche Bewe­gung mit dem Ziel, die römi­sche Herr­schaft in Palä­sti­na zu besei­ti­gen. Das grie­chi­sche Wort Zelo­ten bedeu­tet „Eife­rer“. 66 n. Chr. gin­gen sie zum bewaff­ne­ten Auf­stand gegen die Römer über.

5 Die Sik­a­ri­er waren eine jüdisch-mes­sia­ni­sche Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on, die als Sik­a­ri­er (Mes­ser­ste­cher) bekannt wur­den, weil ihre bevor­zug­te Waf­fe die Sica, ein Kurz­schwert, war. Sie bekämpf­ten nicht nur die Römer, son­dern mit eben­sol­cher Här­te und Grau­sam­keit auch jene Juden, die sich ihrer Mei­nung nach mit den Römern ver­stän­di­gen wollten.

6 Der UNO-Tei­lungs­plan für Palä­sti­na von 1947, mit dem ein jüdi­scher und ein ara­bi­scher Staat errich­tet wer­den soll­te, sieht für Jeru­sa­lem den Sta­tus eines selbst­ver­wal­te­ten Cor­pus sepa­ra­tum vor, der weder Teil des einen noch des ande­ren Staa­tes ist, son­dern ein UNO-Man­dats­ge­biet sein soll­te. Das Gebiet soll­te ent­mi­li­ta­ri­siert sein. Sei­ne Sicher­heit soll­te von einem inter­na­tio­na­len Poli­zei­korps garan­tiert wer­den. Durch Zoll­uni­on und Han­dels­frei­heit soll­te die Stadt für die Bewoh­ner der bei­den Staa­ten frei zugäng­lich sein. Eben­so soll­ten Juden, Chri­sten und Mos­lems glei­chen und frei­en Zugang zu ihren hei­li­gen Stät­ten haben. Der Hei­li­ge Stuhl unter­stützt die­se Jeru­sa­lem-Lösung. Erst unter Papst Fran­zis­kus wur­den Ansät­ze hör­bar, die Zwei-Staa­ten-Lösung und den Son­der­sta­tus zu über­win­den und einen ein­heit­li­chen Staat zu errich­ten. Ein sol­cher wird zwar von Grup­pen bei­der Sei­ten unter­stützt, aller­dings unter völ­lig kon­trä­ren Prämissen.

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